EUROPÄISCHE KOMMISSION GEGEN RASSISMUS UND INTOLERANZ
ALLGEMEINE POLITIK-EMPFEHLUNG NR. 5 VON ECRI: BEKÄMPFUNG VON INTOLERANZ UND DISKRIMINIERUNG GEGENÜBER MUSLIMEN
VERABSCHIEDET AM 16. MÄRZ 2000
Straßburg, 2000
Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz:
unter Hinweis auf die von den Staats- und Regierungschefs der Mitglied-staaten des Europarates auf dem ersten Gipfeltreffen in Wien am 8. und 9. Oktober 1993 verabschiedete Erklärung;
unter Hinweis darauf, dass das Ministerkomitee in dem Aktionsplan zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Intoleranz, der Teil dieser Erklärung ist, aufgefordert wurde, die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz unter anderem mit einem Mandat zur Formulierung allgemeiner politischer Empfehlungen an die Mitgliedstaaten einzusetzen;
unter Hinweis auf die Schlusserklärung und den Aktionsplan, den die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Europarates bei ihrem zweiten Gipfeltreffen am 10. und 11. Oktober 1997 in Straßburg verabschiedet haben;
unter Hinweis darauf, dass in dieser Schlusserklärung das Ziel der Mitgliedstaaten des Europarates bekräftigt wurde, eine freiere, tolerantere und gerechtere europäische Gesellschaft aufzubauen, und eine verstärkte Bekämpfung von Rassismus, Fremdenhass, Anti-semitismus und Intoleranz gefordert wird;
unter Hinweis darauf, dass Artikel 9 der Europäischen Menschenrechts-konvention das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit schützt;
unter Hinweis auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung in Artikel 14 der Europäischen Menschenrechts-konvention;
eingedenk der in der Empfehlung Nr. 1162 über den Beitrag der islamischen Zivilisation zur Europäschen Kultur enthaltenen Vorschläge, die die Parlamentarische Versammlung am 19. September 1991 verabschiedet hat;
in Anbetracht der Schlussfolgerungen des Seminars über Religion und die Integration von Einwanderern, das vom Europäischen Ausschuss für Migration vom 24. bis 26. November 1998 in Straßburg veranstaltet wurde;
unter Hinweis, dass die institutionellen Vereinbarungen, die die Beziehung zwischen Staat und Religion in den Mitgliedstaaten des Europarates regeln, sehr unterschiedlich sind;
in der Überzeugung, dass die friedliche Koexistenz der Religionen in einer pluralistischen Gesellschaft sich auf die Gleichheit und Nicht-diskriminierung zwischen Religionen in einem demokratischen Staat gründet, bei einer klaren Trennung zwischen den Gesetzen des Staates und religiösen Vorschriften;
unter Hinweis darauf, dass das Judentum, das Christentum und der Islam über Jahrhunderte die europäische Zivilisation und einander beeinflusst haben und unter Hinweis auf den positiven Beitrag des Islams zur kontinuierlichen Entwicklung der europäischen Gesellschaft, deren wesentlicher Bestandteil er ist;
besorgt darüber, dass die religiöse Intoleranz gegenüber dem Islam und den moslemischen Gemeinschaften in den Ländern zunimmt, in denen diese Religion nicht von der Mehrheit der Bevölkerung praktiziert wird;
mit großem Bedauern darüber, dass der Islam manchmal ausgehend von feindseligen Klischeevorstellungen nicht richtig dargestellt wird, was dazu führt, dass diese Religion als Bedrohung erscheint;
in Ablehnung aller deterministischen Betrachtungs-weisen des Islam und in Anerkennung der großen Vielfalt in der Ausübung dieser Religion;
in der festen Überzeugung, dass die Vorurteile gegenüber moslemischen Gemeinschaften bekämpft werden müssen und unter Hinweis darauf, dass diese Vorurteile sich in unterschiedlicher Art und Weise äußern können, insbesondere in einer allgemeinen negativen Einstellung, aber auch in diskriminierenden Handlungen, Gewalt und Belästigung;
unter Hinweis darauf, dass ungeachtet der oben erwähnten Anzeichen für religiöse Intoleranz eine der Besonderheiten des heutigen Europas sich in der Tendenz zu einer Vielfalt von Überzeugungen in einer pluralistischen Gesellschaft zeigt;
in Ablehnung aller Äußerungen von religiösem Extremismus;
unter Betonung, dass der Grundsatz einer multireligiösen und multikulturellen Gesellschaft Hand in Hand mit der Bereitschaft der Religionen geht, in der Gesellschaft, deren Teil sie sind, nebeneinander zu existieren;
Empfiehlt den Regierungen der Mitgliedstaaten, in denen moslemische Gemeinschaften angesiedelt sind und in einer Minderheitssituation leben:
– sicherzustellen, dass die moslemischen Gemeinschaften nicht aufgrund der Umstände, wie sie ihr religiöses Leben organisieren und ihre Religion ausüben diskriminiert werden;
– gemäß der einzelstaatlichen Situation, geeignete Sanktionen gegen Diskriminierung aufgrund der Religion zu verhängen;
– die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit die freie Religionsausübung voll und ganz garantiert wird; in diesem Zusammenhang sollten insbesondere unnötige rechtliche oder administrative Hindernisse für den Bau einer ausreichenden Zahl von Gebetshäusern zur Ausübung des Islam und für seine Bestattungsriten abgeschafft werden;
– sicherzustellen, dass die staatlichen Einrichtungen bei der Erfüllung ihrer täglichen Aufgaben die berechtigten kulturellen und sonstigen Anforderungen, die sich aus der multireligiösen Natur der Gesellschaft ergeben, berücksichtigen;
– festzustellen, ob Diskriminierung aus Gründen der Religion beim Zugang zur Staatsangehörigkeit vorkommt und, wenn das der Fall ist, die notwendigen Maßnahmen zu ihrer Beendigung zu ergreifen;
– die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um jede Äußerung von Diskriminierung aufgrund religiöser Überzeugungen beim Zugang zur Bildung zu beseitigen;
– Maßnahmen zu ergreifen, ggf. einschließlich gesetzgeberischer Maßnahmen, um die religiöse Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung und am Arbeitsplatz zu bekämpfen;
– die Arbeitgeber darin zu bestärken, einen „Verhaltenskodex“ zur Bekämpfung von religiöser Diskriminierung beim Zugang zur Beschäftigung und am Arbeitsplatz zu erstellen und umzusetzen und ggf. auf die Schaffung von Arbeitsplätzen hinzuarbeiten, die die Vielfalt der fraglichen Gesellschaft widerspiegeln;
– zu beurteilen, ob Mitglieder der moslemischen Gemeinschaften unter Diskriminierung in Verbindung mit sozialer Ausgrenzung leiden und, wenn dies der Fall ist, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um diese Phänomene zu bekämpfen;
– besonders auf die Lage der moslemischen Frauen zu achten, die sowohl unter der Diskriminierung gegen Frauen im Allgemeinen als auch unter der Diskriminierung gegen Muslime leiden können;
– sicherzustellen, dass an Schulen und höheren Bildungseinrichtungen, insbesondere im Geschichtsunterricht, keine verzerrten Auslegungen der Religions- und Kulturgeschichte vermittelt werden und das Bild des Islam nicht von Feindseligkeit und Bedrohung geprägt ist;
– sicherzustellen, dass im Religionsunterricht an Schulen der kulturelle Pluralismus respektiert wird und auch eine Weiterbildung der Lehrer vorgesehen ist;
– mit den örtlichen Moslemgemeinschaften einen Gedankenaustausch über die Auswahl und Ausbildung von Imamen zu führen, die die Gesellschaft, in der sie arbeiten, kennen und möglichst bereits Erfahrungen dort gesammelt haben;
– den freiwilligen Dialog auf lokaler und nationaler Ebene zu unterstützen, damit die Bevölkerung für die Bereiche sensibilisiert wird, in denen besondere Sorgfalt notwendig ist, um soziale und kulturelle Konflikte zu vermeiden;
– eine Auseinandersetzung in den Medien und der Werbebranche anzuregen über das Bild, das sie von den islamischen und moslemischen Gemeinschaften vermitteln und über ihre Verantwortung in diesem Zusammenhang zur Vermeidung von Vorurteilen und einseitigen Informationen ;
– dafür Sorge zu tragen, dass die Wirksamkeit aller Maßnahmen zur Bekämpfung von Intoleranz und Diskriminierung gegen Muslime überwacht und bewertet wird.
Zuletzt aktualisiert am September 19, 2021 von eurogesetze
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