COISSON ./. DEUTSCHLAND (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) Individualbeschwerde Nr. 19555/10

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
FÜNFTE SEKTION
ENTSCHEIDUNG
Individualbeschwerde Nr. 19555/10
C. ./. Deutschland

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Fünfte Sektion) hat in seiner Sitzung am 29. Januar 2019 als Ausschuss mit der Richterin und den Richtern

André Potocki, Präsident,
Angelika Nußberger und
Mārtiņš Mits
sowie Milan Blaško, Stellvertretender Sektionskanzler,

im Hinblick auf die oben genannte Individualbeschwerde, die am 9. April 2010 erhoben wurde,

im Hinblick auf die Stellungnahme der beschwerdegegnerischen Regierung und die Erwiderung des Beschwerdeführers,

nach Beratung wie folgt entschieden:

SACHVERHALT

1. Der 1974 geborene Beschwerdeführer, Herr C, ist italienischer Staatsangehöriger und lebt in S.. Vor dem Gerichtshof wurde er von Herrn W., Rechtsanwalt in B., vertreten. Die deutsche Regierung („die Regierung“) wurde durch ihren Verfahrensbevollmächtigten, Herrn H.-J. Behrens vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, vertreten.

2. Der Beschwerdeführer rügte unter Berufung auf Artikel 6 Abs. 1 und Artikel 13 der Konvention, dass er keinen Zugang zu den deutschen Gerichten habe.

3. Am 22. September 2016 wurde die Beschwerde der Regierung übermittelt.

4. Die italienische Regierung, die angesichts der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers über die Beschwerde informiert worden war (Artikel 36 Abs. 1 der Konvention und Artikel 44 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs), wollte sich nicht beteiligen.

A. Die Umstände der Rechtssache

5. Der von den Parteien vorgebrachte Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen.

6. Am 19. Februar 2008 bewarb sich der Beschwerdeführer beim Europäischen Patentamt („EPA“) in München als Patentprüfer und wurde noch am selben Tag zu einem ersten Vorstellungsgespräch eingeladen. Er bestand die fachlichen und sprachlichen Tests und wurde zur medizinischen Untersuchung, die am 10. März 2008 stattfand, an die Privatärztin Dr. T. überwiesen. Nach der Untersuchung verfasste Dr. T. einen ärztlichen Bericht, der im Wesentlichen den angeborenen Herzfehler des Beschwerdeführers und die durchgeführten operativen Eingriffe bestätigte. Davon abgesehen enthielt der Bericht keine spezifische Aussage zur Eignung des Beschwerdeführers für den Posten, für den er sich bei dem EPA beworben hatte.

7. Mit Schreiben vom 29. Mai 2008, das auf dem normalen Postweg versendet wurde und von der Personalverantwortlichen B. C. unterschrieben war, wurde die Bewerbung des Beschwerdeführers abgelehnt. In dem Schreiben vom 29. Mai 2008 hieß es, der Beschwerdeführer habe die medizinische Untersuchung nicht bestanden. Es wurde ihm angeboten, Kontakt zu Dr. K., dem ärztlichen Berater des EPA aufzunehmen, um sich über die medizinischen Hintergründe für diese Entscheidung zu informieren.

8. Der Beschwerdeführer, der zu jener Zeit im Vereinigten Königreich lebte, hat dieses Schreiben nie erhalten.

9. Am 3. Juni 2008 rief Frau B. C. den Beschwerdeführer an und teilte ihm mit, dass er den fachlichen und sprachlichen Test bestanden habe, die medizinische Untersuchung jedoch nicht, und wies ihn auf die Möglichkeit hin, sich die medizinischen Gründe für die Entscheidung von Dr. K. erklären zu lassen.

10. In einer an Frau B. C. gesendeten E-Mail vom 23. Juni 2008 nahm der Beschwerdeführer auf das Telefonat vom 3. Juni 2008 Bezug und fragte nach der noch ausstehenden Erklärung von Dr. K. Sodann schrieb er:

„I must admit that I was surprised to receive a negative answer since (…).

It was quite strange to receive a negative reply…“

[„Ich muss zugeben, dass die Ablehnung mich überrascht hat, denn… Es war recht seltsam, eine Ablehnung zu erhalten…“].

11. Am 19. August 2008 erhielt der Beschwerdeführer von Dr. K ein Schreiben mit medizinischen Unterlagen und einem von Dr. K. unterzeichneten Dokument vom 18. April 2008. Auf diesem Dokument, das die Überschrift „Result of medical examination before employment“ („Ergebnis der medizinischen Untersuchung vor der Einstellung“) trug, war die Zeile mit dem Text „UNFIT“ („Nicht dienstfähig“) angekreuzt.

12. Am 4. September 2008 telefonierte der Beschwerdeführer mit Herrn Dr. K., der ihm mitteilte, dass aufgrund seiner kardiologischen Vorerkrankung Grund zur Annahme bestehe, dass er frühzeitig arbeitsunfähig werde und das EPA daher keinen unbefristeten Arbeitsvertrag mit ihm eingehen könne.

13. Mit E-Mail vom 17. September 2008 schrieb Frau B. C. an den Beschwerdeführer:

„The success in the initial medical examination is foreseen in our Service Regulations as a pre-condition to become a civil servant of the European Patent Office and is therefore part of your selection procedure. If a candidate fails in an interview or is found not to be fit for the job in the medical examination, he/she is not successful in the selection procedure and cannot receive a job offer. (…)

I regret your disappointment and wish you all the best for the future.“

[„Nach unserem Statut der Beamten und sonstigen Bediensteten ist das Bestehen der Einstellungsuntersuchung eine Voraussetzung für die Einstellung als Bediensteter des Europäischen Patentamts und damit Teil unseres Einstellungsprozesses. Besteht ein Bewerber ein Vorstellungsgespräch nicht oder stellt sich bei der Einstellungsuntersuchung heraus, dass er für den Dienst ungeeignet ist, so kann er das Auswahlverfahren nicht bestehen und kein Stellenangebot erhalten. (…)

Ich bedaure ihre Enttäuschung und wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft.“]

14. Am 17. Oktober 2008 beschwerte sich der Beschwerdeführer beim Europäischen Ombudsmann über seine Ablehnung durch das Europäische Patentamt. Die Beschwerde beinhaltete die folgende Äußerung hinsichtlich der Frage, ob der Beschwerdeführer alle internen Beschwerdemöglichkeiten erschöpft habe:

“I was first told orally that I was considered not fit for the job on the 3rd of June. On the 4th of July I received a written confirmation that I was not fit for the job (without an actual justification of the decision). On the 4th of September I found out that it was to do with my heart condition but the doctor never explained me how I could complain or how I could ask for a second opinion on the matter. When I finally found out on the internet about the staff regulations it was already too late to file a complaint.“

[„Ich wurde erstmals am 3. Juni mündlich darüber informiert, dass ich für nicht dienstfähig gehalten werde. Am 4.Juli erhielt ich eine schriftliche Bestätigung, dass ich nicht dienstfähig sei (ohne tatsächliche Begründung für die Entscheidung). Am 4. September fand ich heraus, dass die Entscheidung mit meinem Herzfehler zusammenhing, doch der Arzt teilte mir zu keinem Zeitpunkt mit, wie ich mich beschweren oder eine zweite Meinung einholen könnte. Nachdem ich schließlich im Internet das Statut gefunden habe, war es bereits zu spät für eine Beschwerde.“]

15. In seiner Antwort vom 5. November 2008 führte der Europäische Ombudsmann aus, dass er nur für Beschwerden im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Institutionen und Körperschaften der Europäischen Union zuständig sei. Daher sei er nicht befugt, sich mit der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen das Europäische Patentamt zu befassen, welches zur Europäischen Patentorganisation, einer unabhängigen internationalen Organisation, gehöre. Der Ombudsmann gab des Weiteren an, dass sein Büro den internen Beschwerdeausschuss des EPA kontaktiert habe, welches mitgeteilt habe, dass sein Beschwerdeverfahren nur festangestellten Mitarbeitern des Europäischen Patentamts offen stehe. In seiner Antwort an ihn habe sich das EPA außerdem auf das am 11. Juli 2007 ergangene Urteil Nr. 2657 des Verwaltungsgerichts der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) bezogen, in dem sich das Gericht für nicht zuständig erklärt habe (siehe Rdnr. 20). Der Ombudsmann wies ausdrücklich darauf hin, dass diese Entscheidung in einem Fall ergangen sei, der mit dem Fall des Beschwerdeführers vergleichbar sei.

16. In seiner Antwort auf ein weiteres Schreiben des Beschwerdeführers führte der Ombudsmann am 11. Dezember 2008 aus, dass er nicht befugt sei, im Hinblick auf das Europäische Patentamt weiter tätig zu werden; insbesondere könne er sich nicht in Angelegenheiten von dessen internem Beschwerdeausschuss einmischen. Er teilte dem Beschwerdeführer wie von diesem gewünscht die Anschrift des internen Beschwerdeausschusses des EPA und die E-Mail-Adresse von Herrn H., dem Leiter der Direktion Dienstrecht des EPA, mit.

17. Mit Schreiben vom 31. Juli 2009 an den Präsidenten des EPA bat der Beschwerdeführer um Informationen darüber, welches Stadium des Einstellungsverfahrens er erreicht habe. Er erbat auch eine endgültige, begründete Entscheidung über seine Bewerbung, falls diese abgelehnt worden sein sollte. Der Beschwerdeführer bat auch darum, dass sein Brief als interne Beschwerde behandelt werden solle, falls er bis zum 1. September 2009 keine Antwort erhalten habe.

18. Das EPA antwortete auf diesen Brief mit Einschreiben vom 30. September 2009. Darin wies es darauf hin, dass die vom Beschwerdeführer geforderte endgültige Entscheidung diesem bereits am 29. Mai 2008 übermittelt worden sei. Eine Kopie des Schreibens vom 29. Mai 2008 war der Antwort des EPA beigefügt. Darüber hinaus sei ihm die Entscheidung telefonisch – am 3. Juni 2008 von Frau B. C. und am 4. September 2008 von Dr. K. – und in der E-Mail vom 17. September 2008 von Frau B. C. erklärt worden. Das EPA erklärte ferner, dass das Schreiben des Beschwerdeführers nicht als interne Beschwerde behandelt werden könne, da er zu keinem Zeitpunkt Mitarbeiter des Europäischen Patentamts gewesen sei, sondern stets nur Bewerber. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts der ILO bestätige diese Position. Hinsichtlich einer Beschwerde beim EPA sei außerdem Verjährung eingetreten, da der Beschwerdeführer fast ein Jahr keinen Kontakt zum Europäischen Patentamt gehabt habe. Selbst wenn das Schreiben als interne Beschwerde angesehen werden könnte, würde diese daher als „unzulässig“ und unbegründet abgewiesen werden. Eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht der ILO wäre hingegen möglich gewesen, allerdings sei auch hier die 90-tägige Beschwerdefrist, die am 29. Mai 2008, dem Tag des Ablehnungsschreibens, begonnen habe, bereits verstrichen. Selbst wenn man den letzten Kontakt seitens des EPA, also die E-Mail von Frau B. C. vom 17. September 2008, als fristauslösend betrachte, wäre die Frist mittlerweile abgelaufen. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht der ILO als letzte Instanz in Streitigkeiten zwischen dem EPA und seinen Mitarbeitern festgestellt, dass es für die Entscheidung, ob ein Bewerber die physischen Voraussetzungen für eine Stelle mitbringe, nicht zuständig sei.

19. Am 10. Oktober 2009 erhielt der Beschwerdeführer das auf den 30. September 2009 datierte Schreiben des EPA.

B. Das einschlägige innerstaatliche und internationale Recht und die einschlägige innerstaatliche und internationale Praxis

20. Eine Darstellung des einschlägigen innerstaatlichen und internationalen Rechts und der einschlägigen innerstaatlichen und internationalen Praxis findet sich in der Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache K. ./. Deutschland ((Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 415/07, Rdnrn. 29-40, 6. Januar 2015). In der Entscheidung hat der Gerichtshof auch das Urteil des Verwaltungsgerichts der ILO vom 11. Juli 2007 (Nr. 2657, 103. Sitzung) und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 2093/05) zusammengefasst, worin die beiden Gerichte festhielten, dass Beschwerden externer Stellenbewerber gegen die Ablehnung ihrer Einstellung durch das EPA nicht in ihre Zuständigkeit fielen (ebenda Rdnrn. 12-20).

RÜGEN

21. Der Beschwerdeführer rügte unter Berufung auf Artikel 6 Abs. 1 und Artikel 13 der Konvention, dass er keinen Zugang zu den deutschen Gerichten habe, um gegen die diskriminierende Ablehnung seiner Bewerbung vorzugehen, obwohl die internen Bestimmungen und Verfahren des EPA keinen vergleichbaren Rechtsschutz vorsähen.

22. Artikel 6 Abs. 1 und Artikel 13 der Konvention lauten, soweit maßgeblich, wie folgt:

Artikel 6 Abs. 1

„Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen […] von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren […] verhandelt wird.“

Artikel 13

„Jede Person, die in ihren in dieser Konvention anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, hat das Recht, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Beschwerde zu erheben, auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.“

RECHTLICHE WÜRDIGUNG

23. Die Regierung brachte vor, dass die Beschwerde unzulässig sei, da sie nach Ablauf der in Artikel 35 Abs. 1 der Konvention vorgeschriebenen Sechsmonatsfrist eingereicht worden sei. Sie erkannte an, dass dem Beschwerdeführer zur Beschwerde über die Ablehnung seiner Bewerbung durch das EPA keine innerstaatlichen Rechtsbehelfe zur Verfügung standen, auch nicht die Verfassungsbeschwerde. Daher habe die Frist mit dem Datum begonnen, an dem der Beschwerdeführer erstmals Kenntnis von der in Rede stehenden Maßnahme hatte beziehungsweise hätte haben müssen. Nach Auffassung der Regierung wurde der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 29. Mai 2008 über die Ablehnung informiert. Selbst wenn man davon ausgehe, dass seine Behauptung, den Brief nie erhalten zu haben, zutreffend sei, sei er telefonisch darüber informiert worden, dass seine Bewerbung abgelehnt worden sei. Aus der E-Mail des Beschwerdeführers vom 23. Juni 2008 gehe hervor, dass er spätestens an diesem Tag Kenntnis davon gehabt habe, dass seine Bewerbung abgelehnt worden sei. Folglich sei die am 9. April 2010 erhobene Beschwerde verspätet und daher unzulässig.

24. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass ihm das auf den 29. Mai 2008 datierende Schreiben erstmals als Anlage zu dem Schreiben vom 30. September 2009, das er am 10. Oktober 2009 erhalten habe, übermittelt worden sei. Die vorherige informelle Kommunikation zwischen dem Beschwerdeführer und Mitarbeitern des EPA könne nicht als Beginn der Sechsmonatsfrist angesehen werden. Weder die E-Mails noch die Telefonanrufe hätten eine formelle und endgültige Entscheidung des EPA dargestellt, und zwar unter anderem, da sie keinerlei Informationen bezüglich eines Beschwerderechts des Beschwerdeführers gegen diese Entscheidung beinhaltet hätten. Daher handele es sich beim 10. Oktober 2009 um den Tag, an dem der Beschwerdeführer Kenntnis von der Ablehnung seiner Bewerbung erlangt habe, und seine Individualbeschwerde vom 9. April 2010 sei innerhalb der in Artikel 35 Abs. 1 der Konvention festgelegten Frist eingereicht worden.

25. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass die Sechsmonatsfrist nach Artikel 35 Abs. 1 die zeitliche Begrenzung der Überwachung durch die Konventionsorgane absteckt und sowohl Einzelpersonen als auch den staatlichen Stellen signalisiert, ab wann eine solche Überprüfung nicht mehr möglich ist. Grundsätzlich beginnt der Fristlauf mit der letzten staatlichen Entscheidung im Rahmen der Rechtswegausschöpfung. Wenn jedoch von Anfang an klar ist, dass der Beschwerdeführer keinen Zugang zu einem wirksamen Rechtsbehelf hat, beginnt die Frist mit dem Datum der angegriffenen Rechtsakte oder Maßnahmen oder mit dem Datum der Kenntnis von diesem Rechtsakt oder seinen Auswirkungen auf bzw. Nachteilen für den Beschwerdeführer (siehe Varnava u.a. ./. Türkei [GK], Individualbeschwerden Nrn. 16064/90 und 8 weitere, Rdnrn. 156-157, ECHR 2009).

26. Im Hinblick auf den Sachverhalt des vorliegenden Falles stellt der Gerichtshof fest, dass es zwischen den Parteien unstreitig ist, dass von Anfang an klar war, dass dem Beschwerdeführer kein wirksamer Rechtsbehelf zur Verfügung stand, um gegen die mutmaßlich diskriminierende Ablehnung seiner Bewerbung durch das EPA vorzugehen. Im Hinblick darauf, dass das EPA im Rahmen seiner amtlichen Tätigkeit Immunität von der Gerichtsbarkeit der deutschen (Arbeits-) Gerichte genießt, und im Hinblick auf seine Feststellungen in der Rechtssache Klausecker (a. a. O., Rdnrn. 65-66) sieht der Gerichtshof keinen Grund, zu einer anderen Schlussfolgerung zu kommen.

27. Der Gerichtshof hat daher darüber zu entscheiden, an welchem Tag der Beschwerdeführer Kenntnis von der Ablehnung seiner Bewerbung erlangt hat. In diesem Zusammenhang stellt er fest, dass das Schreiben vom 29. Mai 2008 den Beschwerdeführer erst als Anhang zu dem Schreiben des EPA vom 30. September 2009 erreichte. Er stellt jedoch auch fest, dass der Beschwerdeführer zuvor von Frau B. C. vom EPA darüber informiert worden war, dass seine Bewerbung keinen Erfolg hatte. Am 4. September 2008 wurden dem Beschwerdeführer die Ablehnungsgründe, die dieser für diskriminierend hielt, von Dr. K erklärt, und am 17. September 2008 bestätigte Frau B. C. erneut – dieses Mal per E-Mail –, dass das Bestehen der medizinischen Untersuchung Voraussetzung für eine Beschäftigung beim EPA sei. Der Gerichtshof kommt zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer spätestens an diesem Tag – dem 17. September 2008 – alle maßgeblichen Informationen erhielt, da er nicht nur über den negativen Ausgang des Bewerbungsverfahrens, sondern auch über die Gründe hierfür unterrichtet wurde, was die Grundlage für die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Ablehnung darstellte.

28. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die Argumentation des Beschwerdeführers, wonach diese „informelle Kommunikation“ nicht als endgültige Entscheidung angesehen werden sollte, unbegründet ist, insbesondere da weder das innerstaatliche noch das internationale Recht nahelegen, dass Bewerbungsablehnungen – wie vom Beschwerdeführer geltend gemacht – Informationen zu Beschwerdeverfahren enthalten müssten.

29. Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass aus der Äußerung des Beschwerdeführers gegenüber dem Europäischen Ombudsmann vom 17. Oktober 2008 (siehe Rdnr. 14) hervorgeht, dass er Kenntnis von der Endgültigkeit der Entscheidung hatte.

30. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer nicht wusste, dass ihm beim EPA und dem Verwaltungsgericht der ILO keine Beschwerdeverfahren offen standen, erhielt er diese Information durch die Antwort des Europäischen Ombudsmanns vom 5. November 2008.

31. Der Gerichtshof kommt zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer spätestens am 17. September 2008 Kenntnis von der Ablehnung hatte und spätestens am 5. November 2008 davon wusste, dass ihm kein internes Beschwerdeverfahren beim EPA offen stand. Daher endete die Sechsmonatsfrist in jedem Fall spätestens am 5. Mai 2009. Seine am 9. April 2010 eingereichte Beschwerde vor dem Gerichtshof wurde folglich nicht fristgerecht erhoben und ist gemäß Artikel 35 Abs. 1 und 4 der Konvention zurückzuweisen.

Aus diesen Gründen erklärt der Gerichtshof

die Individualbeschwerde einstimmig für unzulässig.

Ausgefertigt in englischer Sprache und schriftlich zugestellt am 21. Februar 2019.

Milan Blaško                                             André Potocki
Stellvertretender Sektionskanzler              Präsident

Zuletzt aktualisiert am Dezember 5, 2020 von eurogesetze

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