ECKENBRECHT und RUHMER gegen Deutschland (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) Individualbeschwerde Nr. 25330/10

EUROPÄISCHER GERICHTSHOF FÜR MENSCHENRECHTE
FÜNFTE SEKTION
ENTSCHEIDUNG
Individualbeschwerde Nr. 25330/10
E. u. R.
gegen Deutschland

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Fünfte Sektion) hat in seiner Sitzung am 10. Juni 2014 als Ausschuss mit den Richterinnen und dem Richter:

Bostjan M. Zupančič, Präsident,
Angelika Nußberger,
Helena Jäderblom
sowie Stephen Phillips, Stellvertretender Sektionskanzler,

im Hinblick auf die oben genannte Individualbeschwerde, die am 3. Mai 2010 erhoben wurde,

nach Beratung wie folgt entschieden:

SACHVERHALT

1. Die 19.. bzw. 19.. geborenen Beschwerdeführer, Herr E. und H. R., sind deutsche Staatsangehörige. Vor dem Gerichtshof wurden sie von Herrn G., Rechtsanwalt in L., vertreten.

A. Die Umstände der Rechtssache

2. Der von den Beschwerdeführern vorgebrachte Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen.

3. Als Eigentümer von Wohngrundstücken in R. und G. leben die Beschwerdeführer in unmittelbarer Nähe zum Flughafen L..

4. In der ursprünglichen luftrechtlichen Genehmigung für den Flughafen aus dem Jahr 1990 waren keine Einschränkungen für Nachtflüge zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr vorgesehen. 2003 wurde für ihre jeweiligen Wohngebiete folgende Fluglärmbelastung ermittelt: In R., wo Herr E. lebt, wurde ein nächtlicher Dauerschallpegel von 43,7 dB(A) festgestellt. Es war mit 3,5 Schallereignissen über 68 dB(A) und 0,6 Schallereignissen über 75 dB(A) zu rechnen. In G., wo Herr R. lebt, wurde ein nächtlicher Dauerschallpegel von 29,7 dB(A) festgestellt. Es traten praktisch keine Schallereignisse über 68 dB(A) und zu keinem Zeitpunkt Spitzenpegel über 75 dB(A) auf.

1. Der Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Flughafens L.

5. Das Regierungspräsidium L. (nachfolgend: „die Planfeststellungsbehörde“) eröffnete ein förmliches Planfeststellungsverfahren für den Aus- und Umbau des Flughafens L., einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Mehrheitsgesellschafter der Freistaat Sachsen war. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens wurden alle Planungsunterlagen zusammen mit den Erläuterungen und Gutachten in den umliegenden Gemeinden öffentlich ausgelegt. Einige Anwohner – darunter auch die Beschwerdeführer – erhoben Einwendungen gegen die Pläne und beantragten ein Nachtflugverbot.

6. Diese Anträge wurden von der Planfeststellungsbehörde im Anschluss an einen mündlichen Erörterungstermin abgelehnt.

7. Am 4. November 2004 genehmigte die Planfeststellungsbehörde einen Plan zum Ausbau des Flughafens zu einem Luftfrachtdrehkreuz, insbesondere für Expressgut. Es wurde erwartet und durch Gutachten ermittelt, dass der allgemeine Bedarf im Bereich des internationalen Frachtflugverkehrs künftig steigen und eine Erweiterung des Flughafens für die Region wirtschaftlich vorteilhaft sein werde, da bereits mehrere Frachtunternehmen ihr Interesse an der Nutzung eines erweiterten Flughafens zum Ausdruck gebracht hätten. Dies ließe allerdings einen erblichen Zuwachs bei den Nachtflügen erwarten, da Frachtunternehmen den Nachtsprung nutzen, um (Express-) Güter am Tag nach der Aufgabe ausliefern zu können. Entsprechend prognostizierte der Planfeststellungsbeschluss eine Lärmintensivierung insbesondere zur Nachtzeit. Für R. wurde ein nächtlicher Dauerschallpegel von 54,7 dB(A) und für G. von 51,2 dB(A) vorausberechnet. Was die Spitzenpegel anbelangt, ging man für R. von durchschnittlich 35,8 Schallereignissen über 68 dB(A) und durchschnittlich 7,9 Schallereignissen über 75 dB(A) pro Nacht aus. Für G. betrugen die entsprechenden Werte 20,3 Überschreitungen des Pegels von 68 dB(A) und 1,2 Spitzenpegel über 75 dB(A).

8. Im Planfeststellungsbeschluss wurden Schutzziele festlegt, die gewährleisten sollten, dass der Lärmschutz ausreicht, um Gesundheitsgefährdungen, Kommunikationsstörungen und erhebliche Lärmbelästigung in den Wohngebieten zu vermeiden. Die kritischen Störschallpegel sollten so niedrig sein, dass Schlafstörungen und Gesundheitsgefährdungen vermieden würden und nach einem Aufwachen ein Wiedereinschlafen der Anwohner sichergestellt wäre. In dem verabschiedeten Plan waren Gebiete festgelegt, in denen aufgrund des erwarteten nächtlichen Fluglärms Schutzmaßnahmen erforderlich waren (Nachtschutzgebiete), sowie ein Gebiet, in dem die Anwohner ihre Immobilien zum Marktwert an die Flughafengesellschaft abgeben konnten (Entschädigungsgebiet „Übernahmeanspruch“). Die Flughafengesellschaft hatte den passiven Lärmschutz für die Anwohner auf eigene Kosten zu stellen. Zusätzlich wurde sie verpflichtet, Entschädigungen zu zahlen, wenn die Nutzung von Außenwohnbereichen beeinträchtigt wurde.

9. Innerhalb des konkreten Schutzgebietes, in dem die beiden Beschwerdeführer wohnten, hatte der Flughafen für den passiven Schallschutz der Schlafräume zu sorgen. Die Schallschutzvorrichtungen mussten gewährleisten, dass im Mittel weniger als eine Schlafstörung pro Nacht auftreten und der bei 65 dB(A) liegende Maximalpegel innen nicht überschritten wird. War dies nur dadurch zu bewirken, dass die Fenster geschlossen gehalten wurden, mussten auf Antrag zusätzliche Belüftungseinrichtungen angebracht werden. Hinsichtlich des flughafeninduzierten Bodenlärms innerhalb des Nachtschutzgebiets musste überall dort, wo ein Dauerschallpegel von 45 dB(A) oder mehr erreicht wurde, Schallschutz angebracht werden, um sicherzustellen, dass ein Innenpegel von 30 dB(A) nicht überschritten wird.

2. Das Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit dem Planfeststellungsbeschluss von 2004

10. Im Januar 2005 reichten die Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss ein. Sie machten geltend, dass der Planfeststellungsbeschluss nicht hinreichend begründet worden und das Ergebnis einer fehlerhaften Interessenabwägung sei, da das bereits vorhandene Verkehrssystem den vorausberechneten wirtschaftlichen Bedarf hinreichend abdecke. Sie führten außerdem an, dass Nachtflüge zumindest eingeschränkt werden sollten und dass das Konzept des passiven Lärmschutzes unzulänglich sei.

11. Am 9. November 2006 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht den Planfeststellungsbeschluss in Teilen. Auch wenn sich die Planfeststellungsbehörde zur Bestimmung der erforderlichen Schallschutzniveaus eines neuartigen Ansatzes bedient habe, habe dieser doch auf umfassender und zutreffender Sachkenntnis beruht und somit dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprochen. Was die Interessenabwägung anbelangt, stellte das Gericht fest, dass die Planfeststellungsbehörde das öffentliche Interesse an der Beförderung insbesondere von (Express-) Frachtgut und folglich an der ökonomischen Entwicklung der Region zutreffend gewürdigt habe. Diese Interessen seien grundsätzlich so bedeutsam, dass sie geeignet seien, dem gegenläufigen Interesse der Anwohner an der Beibehaltung des Ist-Zustands vorzugehen.

12. Das Bundesverwaltungsgericht hob den Planfeststellungsbeschluss jedoch in Bezug auf die Nachtflugregelungen auf; die Interessenabwägung sei insoweit fehlerhaft, als die lokalen Behörden nicht erwogen hätten, Nachtflüge im Bereich des gewöhnlichen Frachtverkehrs oder des Passagierverkehrs zu beschränken, obwohl diese Verkehre weniger eilbedürftig seien. Dies sei von besonderer Bedeutung, da die Anwohner bereits unter den expressfrachtbedingten nächtlichen Störungen leiden würden. Ihr Interesse daran, keinen zusätzlichen Nachtflügen mehr ausgesetzt zu werden, hätte Berücksichtigung finden müssen. Das Gericht ließ nicht gelten, dass der uneingeschränkte Passagier- und Frachtverkehr aufgrund der großzügigen Bereitstellung passiven Schallschutzes gerechtfertigt sei. Das einschlägige innerstaatliche Recht, namentlich § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG (siehe „Das einschlägige innerstaatliche Recht“) schütze nicht (allein) den Nachtschlaf, sondern auch die Nachtruhe. Dies indiziere, dass Tag und Nacht sich im Hinblick auf den Lärmpegel unterscheiden und der nächtliche Pegel den Menschen grundsätzlich Erholung ermöglichen solle. Der Abwägungsfehler sei indes nicht so schwerwiegend, dass er den gesamten Planfeststellungsbeschluss hinfällig werden lasse. Vielmehr wurden die lokalen Behörden verpflichtet, erneut darüber zu entscheiden, ob der Nachtflugbetrieb, soweit es sich nicht um Frachtflüge zum Transport von Expressgut handele, beschränkt werden solle; nur soweit der Planfeststellungsbeschluss dieser Verpflichtung entgegenstand, wurde er aufgehoben.

13. Gegen dieses Urteil erhoben die Beschwerdeführer keine Verfassungsbeschwerde.

3. Der Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss und seine gerichtliche Überprüfung

a) Das Verfahren der Planfeststellungsbehörde

14. 2006 eröffnete die Planfeststellungsbehörde ein Ergänzungsplanfeststellungsverfahren. Im Verlauf dieses Verwaltungsverfahrens wurde die Öffentlichkeit erneut eingeladen, Ansichten und Einwendungen mit Bezug auf das Vorhaben zu äußern. Die Behörde forderte keine neuen Gutachten zur Lärmbelastung an.

15. Am 27. Juni 2007 wurden neue Nachtflugregelungen verabschiedet und folgende Einschränkungen festgelegt:

Es gab keine Einschränkungen für Starts und Landungen von Passagiermaschinen zwischen 5:30 Uhr und 23:30 Uhr; von 23:30 Uhr bis Mitternacht sowie von 5:00 Uhr bis 5:30 Uhr waren nur verspätete oder verfrühte Passagierflüge zugelassen.

Frachtflüge sowie militärische Flüge zur Erfüllung internationaler Verpflichtungen waren während der ganzen Nacht gestattet.

Darüber hinaus wurde der Flughafen verpflichtet, das tatsächliche Flugbewegungsaufkommen, die jeweiligen Flugrouten und den Lärmpegel zu überwachen. Die Behörde behielt sich weitere Änderungen der Nachtschutzbestimmungen auf der Grundlage der entsprechenden Ergebnisse vor. Die Planfeststellungsbehörde gab an, dass das für diesen Flughafen vorgeschriebene Niveau des passiven Schallschutzes bereits über das hinausgehe, was laut den einschlägigen innerstaatlichen Bestimmungen vorgeschrieben sei. Gestützt auf ein neu in Auftrag gegebenes Gutachten zur Entwicklung des Luftfrachtaufkommens sowie zur Notwendigkeit von in den Nachtrandzeiten startenden und landenden Passagierflügen kam die Behörde zu dem Ergebnis, dass anhand des Gutachtens mit erheblichen Beschäftigungsimpulsen für die Region gerechnet werden könne. Eine Trennung von Expressfracht und konventioneller Luftfracht sei weder möglich noch wirtschaftlich, da Expressgüter und Normalfracht oft zusammen transportiert würden. Allerdings habe der Flughafenbetreiber das Verhältnis zwischen nachts transportiertem Expressgut und Normalfracht zu überwachen und einzugreifen, falls der nächtliche Frachtverkehr nicht weit überwiegend dem Transport von Expressfracht diene. Schließlich argumentierte die Behörde, dass es gute Gründe gebe, Passagierflüge in den Nachtrandzeiten zuzulassen, da diese Region Deutschlands sonst von anderen wichtigen europäischen Drehkreuzen aus nicht mit Verbindungsflügen zu erreichen sei.

b) Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

16. Am 31. Juli 2007 beantragten die Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht die Überprüfung des Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses. Sie trugen vor, ihre Interessen seien erneut nicht hinreichend berücksichtigt worden und es gebe keine plausiblen Gründe für die Zulassung von Passagierflügen zu den genannten Zeiten. Außerdem widerspreche der Änderungsbeschluss dem vorausgegangenen Senatsurteil, weil darin keine Unterscheidung zwischen Normal- und Expressfracht vorgenommen werde.

17. Am 24. Juli 2008 wies das Bundesverwaltungsgericht die Klagen ab. Es befand, dass stichhaltige Gründe für die Zulassung von Passagierflügen zwischen 22.00 Uhr und 22.30 Uhr sowie zwischen 5.30 Uhr und 6.00 Uhr vorlägen, da diese Flüge als Zu- und Abbringerverkehre den Flughafen mit in- und ausländischen Passagierdrehkreuzen vernetzen würden; das Angebot der Bahn stelle gegenwärtig keine Alternative dar. Im Hinblick auf den Charterflugverkehr sei die Entscheidung der örtlichen Behörde, der Argumentation der Luftverkehrsgesellschaften zu folgen, wonach die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten erforderlich sei, um eine effektive Flugzeugumlaufplanung zu ermöglichen, nicht zu beanstanden und werde von einem Gutachten gestützt. Nicht bewiesen sei das Vorbringen der Beschwerdeführer, wonach andere Umlaufplanungen möglich seien, da diese sich auf einen fiktiven Plan stützten, der das Passagieraufkommen zu den verschiedenen Zielorten, den Personaleinsatz, die Wartungserfordernisse und -möglichkeiten sowie die Kapazitäten verschiedener Flugzeugtypen unberücksichtigt lasse. Auch hinsichtlich des Frachtflugverkehrs sei die Interessenabwägung der Planfeststellungsbehörde fehlerfrei gewesen. Es treffe zu, dass Nachtflüge grundsätzlich durch die Eilbedürftigkeit von Expressguttransporten gerechtfertigt würden und die Anbieter sich dieses Arguments für weniger dringliche Transporte nicht bedienen dürften. Allerdings gebe es vernünftige Gründe dafür, Expressgut und Normalfracht gemeinsam zu transportieren. Wenn ein Nachtflugverbot für Normalfracht die Funktionsfähigkeit des Drehkreuzes für Expressfracht gefährde, könne der Bedarf für Nachtflüge zum Transport von Expressfracht konventionelle Frachtflüge „mitziehen“. Dies gelte jedoch nur, solange der nächtliche Frachtverkehr weit überwiegend dem Transport von Expressfracht diene. Das prognostizierte Verhältnis von Expressfracht zu konventioneller Fracht sei durch eine neu in Auftrag gegebene Studie überprüft und für plausibel befunden worden. Abschließend unterstrich das Bundesverwaltungsgericht die grundlegende wirtschaftliche Bedeutung der Nachtflugmöglichkeiten für Entwicklung der Region, da nur diese Bedingungen zur Ansiedlung eines großen internationalen Frachtunternehmens am Flughafen L. führen würden.

c) Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht

18. Am 30. Oktober 2008 erhoben die Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht. Sie rügten, soweit erheblich, dass Frachtflüge während der Nacht zulässig seien und ökonomische Erwägungen stärker gewichtet würden als die Gesundheitsgefährdung der Anwohner durch die Lärmbelastung.

19. Am 15. Oktober 2009 lehnte es das Bundesverfassungsgericht in einer mit Gründen versehenen Entscheidung ab, die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zur Entscheidung anzunehmen. Es war der Ansicht, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts mit der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung im Einklang stehe. Dies sehe ein abgestuftes Schutzkonzept gegen flughafenbedingten Lärm vor. Das Bundesverfassungsgericht unterstrich, dass es staatlichen Organen nach dem Grundgesetz verboten sei, einen mit gesundheitsschädigenden und erheblich gesundheitsgefährdenden Auswirkungen verbundenen Flughafenbetrieb zu genehmigen. In derartigen Fällen hätten die Besitzer von Wohngrundstücken zumindest einen Anspruch auf Übernahme der Grundstücke und Entschädigung. Bei Lärmbelastungen unterhalb dieser Schwelle habe die Planfeststellungsbehörde gemäß der ihr obliegenden Schutzpflicht die gegenläufigen Interessen abzuwägen und entweder Flugbeschränkungen festzulegen oder Schutzmaßnahmen zu veranlassen oder beides miteinander zu kombinieren. Im konkret vorliegenden Fall konnte das Bundesverfassungsgericht kein Abweichen von den anerkannten Maßstäben feststellen. Auch Artikel 8 der Konvention sei angesichts des weiten Ermessensspielraums bei Flughafenausbauprojekten nicht verletzt worden. Da der Planfeststellungsbeschluss Lärmschutzmaßnahmen vorsehe und nach dem innerstaatlichen Recht gewährleistet gewesen sei, dass die Anwohner sich an dem Entscheidungsfindungsprozess beteiligen und das entsprechende Ergebnis auch anfechten konnten, seien die Vorgaben aus Artikel 8 erfüllt worden.

B. Das einschlägige innerstaatliche Recht

20. In § 29b Luftverkehrsgesetz (LuftVG) ist festgelegt:

„(1) Flugplatzunternehmer, Luftfahrzeughalter und Luftfahrzeugführer sind verpflichtet, beim Betrieb von Luftfahrzeugen in der Luft und am Boden vermeidbare Geräusche zu verhindern und die Ausbreitung unvermeidbarer Geräusche auf ein Mindestmaß zu beschränken, wenn dies erforderlich ist, um die Bevölkerung vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen durch Lärm zu schützen. Auf die Nachtruhe der Bevölkerung ist in besonderem Maße Rücksicht zu nehmen.

(2) Die Luftfahrtbehörden und die Flugsicherungsorganisation haben auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken.“

RÜGE

21. Die Beschwerdeführer rügten ausschließlich nach Artikel 8 der Konvention, dass der Ausbau des Flughafens L. sich aufgrund verstärkter Lärmemissionen durch startende und landende Flugzeuge und des nächtlichen Flugbetriebs erheblich auf ihr Privat- und Familienleben auswirke. Der Planfeststellungsbeschluss und der Ergänzungsbeschluss von 2007 seien nicht nach Artikel 8 Abs. 2 der Konvention gerechtfertigt, da durch sie kein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen der Beschwerdeführer und dem öffentlichen Interesse an der Flughafenerweiterung herbeigeführt worden sei; der Gesundheit der Beschwerdeführer hätte bei der Abwägung Vorrang eingeräumt werden müssen. Darüber hinaus seien die Auswirkungen von Lärm auf den Menschen falsch beurteilt worden. Die Beschwerdeführer rügten ferner die in dem Lärmgutachten herangezogenen technischen Grundannahmen, da in den einschlägigen Lärmrichtlinien der WHO zur Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen die Anwendung niedrigerer Schwellenwerte empfohlen werde. Außerdem hätten jüngste wissenschaftliche Studien ergeben, dass die von Lärm ausgehenden Gesundheitsrisiken ernster seien als bisher angenommen. Die Gutachten zur Folgenabschätzung seien demnach mangelhaft, da sich unter den Probanden keine kranken oder vorbelasteten Menschen befunden hätten. Die Beurteilung der statistischen Aufwachwahrscheinlichkeit sei ebenfalls fehlerhaft und zusätzliche Schwierigkeiten beim Wiedereinschlafen nach einem Aufwachen seien nicht berücksichtigt worden. Schließlich rügten die Beschwerdeführer, dass ein Interessenkonflikt bestanden habe, da die für den Planfeststellungsbeschluss zuständige Behörde nicht vom Mehrheitsgesellschafter der Flughafenholding, dem Freistaat Sachsen, unabhängig sei.

RECHTLICHE WÜRDIGUNG

A. Haben die Beschwerdeführer den innerstaatlichen Rechtsweg im Hinblick auf den Planfeststellungsbeschluss von 2004 erschöpft?

22. Der Gerichtshof stellt fest, dass das Bundesverwaltungsgericht den Planfeststellungsbeschluss von 2004 in seinem Urteil vom 6. November 2006 in mehreren entscheidenden Punkten bestätigte, und zwar hinsichtlich der Methode, die für die Umweltverträglichkeitsprüfung gewählt worden war, sowie hinsichtlich der Qualität der Sachverständigengutachten. Das Bundesverwaltungsgericht billigte außerdem die Aufteilung in Gebiete, in denen den Anwohnern entweder eine vollständige Entschädigung für den Verlust bewohnbarer Grundstücke oder passiver Schallschutz für ihre Häuser zustand. Es bestätigte auch die Schwellenwerte für nächtliche Lärmbelastung. Diese Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts erlangten Rechtskraft, da die Beschwerdeführer ihre diesbezüglichen Klagen nicht weiterverfolgten und keine Verfassungsbeschwerde erhoben. Nach der Zurückverweisung stützte sich die Planfeststellungsbehörde bei ihren Abwägungsentscheidungen folglich auf die Tatsachen und Feststellungen des Planfeststellungsbeschlusses von 2004, soweit dieser bestandskräftig geworden war.

23. Des Weiteren rügten die Beschwerdeführer, als sie hinsichtlich des Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses von 2007 Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht einlegten, nicht die fachliche Qualität der Sachverständigengutachten.

24. Folglich stellt der Gerichtshof fest, dass die Rügen der Beschwerdeführer, mit denen sie sich gegen die technischen Grundannahmen des Sachverständigengutachtens im Vergleich zu den WHO-Richtlinien und weitere mutmaßliche Defizite des Gutachtens wenden, bereits wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs unzulässig sind.

25. Desgleichen stellt der Gerichtshof fest, dass die Beschwerdeführer den behaupteten Interessenkonflikt der Planfeststellungsbehörde nicht vor dem Bundesverfassungsgericht gerügt haben. In dieser Hinsicht ist die Rüge der Beschwerdeführer ebenfalls wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs unzulässig.

B. Behauptete Verletzung von Artikel 8 der Konvention

26. Die Beschwerdeführer rügten, dass der Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss und die anschließenden Gerichtsbeschlüsse bezüglich der Erweiterung des Betriebs des Flughafens L. ihre Rechte aus Artikel 8 der Konvention verletzten; dieser lautet:

„1. Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.

2. Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.“

1. Hat sich der Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss auf die Rechte der Beschwerdeführer aus Artikel 8 der Konvention ausgewirkt?

27. Artikel 8 schützt das Recht des Einzelnen auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seiner Korrespondenz. Die Konvention kennt kein ausdrückliches Recht auf eine saubere und ruhige Umwelt, doch wenn eine Person durch Lärm oder andere Umweltbelastungen unmittelbar und massiv betroffen ist, kann dies eine Frage nach Artikel 8 aufwerfen. Der Gerichtshof hat mehrfach entschieden, dass Artikel 8 ein Recht auf Schutz vor erheblicher Umweltverschmutzung einschließen kann, weil sie das individuelle Wohlbefinden einer Person beeinträchtigen und diese an der Nutzung ihrer Wohnung hindern kann, und zwar derart, dass ihr Privat- und Familienleben darunter leidet, selbst wenn ihre Gesundheit nicht ernsthaft gefährdet ist (siehe Hatton u. a. ./. das Vereinigte Königreich [GK],Individualbeschwerde Nr. 36022/97, Rdnr. 96, ECHR 2003‑VIII; und Flamenbaum u. a. ./. Frankreich Individualbeschwerden Nrn. 3675/04 und 23264/04, Rdnr. 133, 13. Dezember 2012).

28. Im vorliegenden Fall stellt der Gerichtshof fest, dass der Flughafen L., eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, seit 1990 eine uneingeschränkte Nachtfluggenehmigung besaß. Diese Nachtfluggenehmigung wurde durch die in Rede stehenden Planfeststellungsbeschlüsse eingeschränkt. Der Gerichtshof stellt fest, dass die innerstaatlichen Gerichte nicht darauf abstellten, dass die Beschwerdeführer hinsichtlich des Nachtflugbetriebs am Flughafen L. bessergestellt worden seien, da dieser erstmals eingeschränkt wurde. Die innerstaatlichen Gerichte gingen vielmehr unter Heranziehung der Studien zur Folgenabschätzung davon aus, dass die Lärmbelastung in den Wohnungen der Beschwerdeführer erheblich steigen würde, da die angestrebten Veränderungen am Flughafen und an den Start- und Landebahnen erstmalig überhaupt zu nächtlichem Flugverkehr führen würden. Folglich gestatteten die in Rede stehenden Feststellungsbeschlüsse einen nächtlichen Flugbetrieb, und zwar derart, dass das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer darunter leiden würde.

2. Hat der Staat seine Schutzpflicht verletzt?

29. Im vorliegenden Fall resultieren die gerügten Lärmbelastungen aus der Tätigkeit privater Fluggesellschaften und aus dem Betrieb des Flughafens L. in der Rechtsform einer GmbH. Demgegenüber waren diese Belastungen durch den nächtlichen Betrieb in den Planfeststellungsbeschlüssen geregelt, die staatliche Stellen erlassen hatten.

30. Artikel 8 kann in Umweltsachen zur Anwendung kommen, gleichgültig, ob die Umweltverschmutzung direkt durch den Staat verursacht wurde oder eine Verantwortung des Staates daraus erwachsen ist, dass er es unterlassen hat, die private Wirtschaft angemessen zu regulieren. Die anwendbaren Grundsätze sind weitgehend gleichartig, gleichviel, ob man eine positive Pflicht des Staates, geeignete Maßnahmen zum Schutz der Rechte der Beschwerdeführer zu treffen, oder umgekehrt einen nach Absatz 2 zu rechtfertigenden behördlichen Eingriff annimmt. In beiden Fällen ist auf den gerechten Ausgleich zu achten, der zwischen den widerstreitenden Interessen des Einzelnen und denen der Gemeinschaft insgesamt hergestellt werden muss, und in beiden Fällen verfügt der Staat bei der Entscheidung über die zur Erfüllung der Konvention zu treffenden Maßnahmen über einen gewissen Beurteilungsspielraum (vgl. Hatton u. a., Rdnr. 98 und Flamenbaum, Rdnr. 134 beide a. a. O.). Der Gerichtshof kann folglich dahinstehen lassen, in welche der beiden Kategorien die vorliegende Rechtssache fällt. Es geht vielmehr darum (vgl. Hatton u. a., a. a. O., Rdnr. 119), ob ein gerechter Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen hergestellt wurde.

3. Wurde ein gerechter Ausgleich hergestellt?

31. Der Gerichtshof wiederholt, dass bei der Prüfung zwei Gesichtspunkte zum Tragen kommen: Zunächst beurteilt der Gerichtshof die Entscheidung des Staates in materieller Hinsicht, um sicherzustellen, dass sie mit Artikel 8 vereinbar ist. Anschließend kann er den Entscheidungsfindungsprozess überprüfen, um sicherzustellen, dass die Interessen des Einzelnen gebührend berücksichtigt wurden.

a) Der materielle Aspekt

32. Hinsichtlich des materiellen Aspekts einer staatlichen Entscheidung hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass dem Staat in Rechtssachen, die Umweltfragen betreffen, ein weiter Beurteilungsspielraum einzuräumen ist. Es obliegt den nationalen Behörden, die ursprüngliche Beurteilung der „Notwendigkeit“ eines Eingriffs vorzunehmen. Sie sind grundsätzlich besser in der Lage als ein internationaler Gerichtshof, zu beurteilen, welche Erfordernisse der Betrieb eines Flughafens unter speziellen örtlichen Gegebenheiten mit sich bringt und welche umweltpolitischen und individuellen Maßnahmen unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der örtlichen Bevölkerung die geeignetsten sind (siehe neben den bereits zitierten Rechtssachen auch Hardy und Maile ./. das Vereinigte Königreich, Individualbeschwerde Nr. 31965/07, Rdnr. 218, 14. Februar 2012).

33. Der Gerichtshof stellt fest, dass die innerstaatlichen Gerichte in einer dem vom Gerichtshof verfolgten Ansatz vergleichbaren Weise die von der Planfeststellungsbehörde angeführten Gründe dafür, warum die Flughafenumstrukturierung die Zulassung von Nachtflügen erfordere, einer Prüfung unterzogen, wobei der Planfeststellungsbehörde ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt wurde. Die Planfeststellungsbehörde hatte die Erweiterung des Flughafens und seiner Start- und Landebahnen damit begründet, dass der Freistaat Sachsen beabsichtigt habe, den Flughafen zu einem internationalen Frachtdrehkreuz insbesondere für Expressgut zu machen. Zugrunde gelegen habe die Erwartung, dass der nationale und internationale Frachtbedarf künftig steigen und sich eine Förderung entsprechender Aktivitäten wirtschaftlich gesehen langanhaltend positiv auf die Region auswirken werde. Ein erheblicher Zuwachs bei den Nachtflügen sei dabei unausweichlich, da Frachtunternehmen diese nutzten, um die Expressgüter an dem auf die Versendung folgenden Tag ausliefern zu können.

34. Der Gerichtshof erinnert daran, dass nach Artikel 8 Abs. 2 unter anderem im Interesse des wirtschaftlichen Wohls des Landes oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Einschränkungen zulässig sind. Der Staat war daher berechtigt, die genannten wirtschaftlichen Interessen bei der Gestaltung seiner politischen Maßnahmen zu berücksichtigen (vgl. Hatton u. a., a. a. O., Rdnr. 121).

35. Der Gerichtshof stellt fest, dass die mit dem Flughafenumbau verfolgten Ziele rechtmäßig sind und einer fundierten Entwicklungsstrategie für die gesamte Region folgen.

b) Der Entscheidungsfindungsprozess

36. Der Gerichtshof wiederholt, dass überall da, wo dem Staat ein Ermessen eingeräumt wird, mit dem der Genuss eines Konventionsrechts eingeschränkt werden kann, bei der Prüfung der Frage, ob sich der beschwerdegegnerische Staat bei der Festsetzung des rechtlichen Rahmens innerhalb seines Beurteilungsspielraums bewegt hat, den Verfahrensgarantien, die dem Einzelnen zur Verfügung stehen, grundlegende Bedeutung zukommt. In der Tat muss, auch wenn Artikel 8 der Konvention keine ausdrücklichen Verfahrenserfordernisse enthält, der zu Eingriffsmaßnahmen führende Entscheidungsfindungsprozess nach ständiger Rechtsprechung fair und so gestaltet sein, dass die gebührende Achtung der durch Artikel 8 geschützten Interessen des Einzelnen sichergestellt ist. Daher ist es erforderlich, alle Verfahrensaspekte zu berücksichtigen, auch die Art der entsprechenden politischen Maßnahme oder Entscheidung, den Umfang, in dem die Ansichten von Einzelpersonen während des Entscheidungsfindungsprozesses berücksichtigt wurden, und die zur Verfügung stehenden Verfahrensgarantien. Ein staatlicher Entscheidungsfindungsprozess zu komplexen Fragen des Umweltschutzes und der Wirtschaftspolitik muss von vornherein angemessene Untersuchungen und Studien einschließen, damit die umweltschädigenden oder in die Rechte Einzelner eingreifenden Auswirkungen eines Vorhabens im Vorfeld prognostiziert und bewertet werden können und ein gerechter Ausgleich zwischen den verschiedenen widerstreitenden Interessen hergestellt werden kann (siehe Hatton u. a., a. a. O., Rdnr. 128; Dubetska u. a. ./. Ukraine, Individualbeschwerde Nr. 30499/03, Rdnr. 143, 10. Februar 2011; und Grimkovskaya ./. Ukraine, Individualbeschwerde Nr. 38182/03, Rdnr. 67, 21. Juli 2011). Darüber hinaus sollten die Ergebnisse öffentlich zugänglich sein (siehe Taşkın u. a. ./. Türkei (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 46117/99, Rdnr. 119, ECHR 2004‑X).

37. Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die Planfeststellungsbehörde sich darüber im Klaren war, dass die beabsichtigte wirtschaftliche Entwicklung schwerwiegende Beeinträchtigungen für die Anwohner mit sich bringen würde.

38. Er merkt an, dass die Feststellungsbeschlüsse alle Anforderungen des innerstaatlichen Rechts erfüllten: Mit Urteil vom 9. November 2006 hatte das Bundesverwaltungsgericht den (ursprünglichen) Beschluss in den die Interessenabwägung betreffenden Teilen aufgehoben und die Behörde verpflichtet, eine förmliche Entscheidung zur Regelung des Nachtflugbetriebs zu treffen.

39. In diesem Zusammenhang stellt der Gerichtshof fest, dass er sich bei der Überprüfung der Verfahrensgarantien, die den Betroffenen zur Verfügung standen, nicht ausschließlich auf die Überprüfung des Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses von 2007 beschränken sollte; denn nur durch eine Überprüfung des Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses im Lichte des Planfeststellungsbeschlusses von 2004 kann er sich einen vollständigen Überblick über die verfügbaren Schutzmechanismen verschaffen.

40. Vor der Verabschiedung des Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses hatten die Anwohner erneut Gelegenheit, ihre Ansichten und Einwendungen vorzutragen, um nicht von einer späteren gerichtlichen Überprüfung ausgeschlossen zu sein. Ansichten und Einwendungen waren nur zulässig und wurden nur berücksichtigt, sofern sie sich auf die mittels dieses Ergänzungsplanfeststellungsverfahrens zu ändernde Abwägung bezogen.

41. Die in dem Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss vorgenommene Abwägung des öffentlichen Interesses an Wirtschafts- und Regionalentwicklung gegenüber den privaten Interessen am Schutz der Privatsphäre stützte sich auf die Ergebnisse der 2003 in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten zur Lärmbelastung. Die Planfeststellungsbehörde hatte ursprünglich Gutachten zur Ausgangssituation und zu künftigen Lärmbelastungen angefordert, um über eine tragfähige sachliche Entscheidungsgrundlage zu verfügen. Diese Gutachten und die auf ihnen basierenden Pläne wurden öffentlich gemacht und die Anwohner sowie interessierte Nichtregierungsorganisationen 2004 aufgefordert, Stellungnahmen abzugeben. Der Planungsstab hatte anhand der Ergebnisse der Gutachten verschiedene Lärmschutzzonen festgelegt; dabei reichte die Bandbreite von Gebieten, die als lärmbedingt nicht mehr zu Wohnzwecken nutzbar eingestuft wurden, bis zu Gebieten, in denen die Flughafengesellschaft passive Schallschutzmaßnahmen vorsehen würde. Die Wohnungen der Beschwerdeführer lagen beide jeweils in einem Gebiet, in dem passiver Schallschutz bereitgestellt werden sollte.

42. Zusammenfassend stellt der Gerichtshof fest, dass die von den Plänen betroffenen Anwohner berechtigt waren, sich durch das Vorbringen ihrer Ansichten aktiv an dem Verfahren zu beteiligen. Die Sachverständigengutachten zur Lärmbelastung wurden ebenso wie die Planungsunterlagen öffentlich gemacht. Die Planfeststellungsbehörde legte Gebiete fest, in denen Eigentümer zu entschädigen waren, da man davon ausging, dass ihre Grundstücke nicht mehr ohne Gesundheitsgefährdungen bewohnbar waren, und Gebiete, in denen passiver Schallschutz bereitgestellt wurde. Im Übrigen bestand Zugang zu gerichtlicher Überprüfung.

43. Der Gerichtshof erinnert daran, dass die Planfeststellungsbehörde 2007 lediglich über die Frage entschied, ob es möglich sei, die Nachtflüge im Bereich des gewöhnlichen Frachtverkehrs oder Passagierverkehrs weiter zu beschränken, ohne dass dadurch die an die Ansiedlung weltweit agierender Frachtunternehmen gebundenen wirtschaftlichen Entwicklungsziele für die Region unerreichbar würden. Einer weiteren Reduzierung des Nachtflugverkehrs wurde besondere Bedeutung beigemessen, da die Anwohner bereits expressfrachtbedingte nächtliche Störungen zu dulden hatten und ihr Interesse daran, keinen darüber hinausgehenden Nachtflügen ausgesetzt zu werden, speziell berücksichtigt wurde. Die Zulassung eines uneingeschränkten Nachtflugbetriebs hätte besonderer Rechtfertigung bedurft.

44. Daher legte die Planfeststellungsbehörde sorgfältig dar, welche Flugarten weiter eingeschränkt werden konnten (Passagier- und gewöhnlicher Frachtverkehr), und welche ohne eine Gefährdung der mit dem Flughafenumbau verfolgten rechtmäßigen Absichten nicht eingeschränkt werden konnten. Im Hinblick auf Expressfracht führte die Behörde aus, dass nur selten ein ganzer Flug ausschließlich der Beförderung von Expressgut diene, sondern die meisten Frachtflüge Mischflüge seien. Sie verpflichtete den Flughafen jedoch dazu, künftig als Aufsichtsinstanz zu gewährleisten, dass Expressfracht den weit überwiegenden Anteil des nächtlichen Frachtverkehrs ausmache. Der Gerichtshof kann die von der Behörde getroffene Abwägungsentscheidung nicht durch seine eigene ersetzen.

45. In Anbetracht der Tatsache, dass die deutschen Gerichte alle relevanten Faktoren berücksichtigt und in angemessener Weise gegeneinander abgewogen haben, kann nicht festgestellt werden, dass mit den angegriffenen Entscheidungen im Hinblick auf Artikel 8 der Ermessensspielraum überschritten worden wäre. Folglich ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die Rügen der Beschwerdeführer nach Artikel 8 gemäß Artikel 35 Abs. 3 Buchst. a und 4 der Konvention als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen sind.

Aus diesen Gründen entscheidet der Gerichtshof einstimmig:

Die Individualbeschwerde wird für unzulässig erklärt.

Stephen Phillips                                            Boštjan M. Zupančič
Stellvertretender Sektionskanzler                         Präsident

Zuletzt aktualisiert am Januar 3, 2021 von eurogesetze

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