BEER gegen Deutschland (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) Individualbeschwerden Nrn. 52808/12 und 10841/13

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
FÜNFTE SEKTION
ENTSCHEIDUNG
Individualbeschwerden Nrn. 52808/12 und 10841/13
B. gegen Deutschland

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Fünfte Sektion) hat in seiner Sitzung am 17. Juni 2014 als Ausschuss mit den Richterinnen und dem Richter

Ganna Yudkivska, Präsidentin,
Angelika Nußberger und
André Potocki,
sowie Stephen Phillips, stellvertretender Sektionskanzler,

im Hinblick auf die oben genannten Individualbeschwerden, die am 9. August 2012 bzw. 29. Januar 2013 eingereicht wurden,

unter Berücksichtigung der förmlichen Erklärungen, mit denen eine gütliche Einigung in der Rechtssache angenommen wird,

nach Beratung wie folgt entschieden:

SACHVERHALT UND VERFAHREN

Der 19[…] geborene Beschwerdeführer, Herr B., ist deutscher Staatsangehöriger und derzeit in der Einrichtung für Sicherungsverwahrte in X untergebracht. Vor dem Gerichtshof wird er von Herrn H., Rechtsanwalt in S., vertreten.

Die deutsche Regierung („die Regierung“) wurde durch einen ihrer Verfahrensbevollmächtigten, Herrn Ministerialrat H.-J. Behrens vom Bundesministerium der Justiz, vertreten.

Der von den Parteien vorgebrachte Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen.

In zwei aufeinanderfolgenden Verfahrenskomplexen entschied das Landgericht Regensburg, dass die mit Urteil des Landgerichts Weiden am 23. Oktober 2008 nachträglich angeordnete Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung weiter zu vollziehen sei. Die Entscheidungen des Landgerichts Regensburg vom 1. September 2011 (Individualbeschwerde Nr. 52808/12) bzw. vom 14. Juni 2012 (Individualbeschwerde Nr. 10841/13) berücksichtigten die mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2365/09 u. a.) festgelegten strengeren Maßstäbe für die Fortdauer der nachträglichen Sicherungsverwahrung in dem Übergangszeitraum bis zum 31. Mai 2013. Die Entscheidungen des Landgerichts wurden jeweils vom Oberlandesgericht Nürnberg und vom Bundesverfassungsgericht (2 BvR 32/12 und 2 BvR 2183/12) bestätigt. Die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers wurde bis zum 18. Juni 2013, als er in die Einrichtung für Sicherungsverwahrte X, einem separaten Gebäude für Sicherungsverwahrte auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt X, verlegt wurde, in einer separaten Abteilung für Sicherungsverwahrte der Justizvollzugsanstalt X vollzogen.

Der Beschwerdeführer rügte nach Artikel 5 Abs. 1 und Artikel 7 Abs. 1 der Konvention die Fortdauer seiner nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung.

RECHTLICHE WÜRDIGUNG

Da beide in Rede stehenden Individualbeschwerden die Fortdauer der Unterbringung desselben Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung betreffen, beschließt der Gerichtshof, die Individualbeschwerden zu verbinden (Artikel 42 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs).

Am 3. April 2014 ging bei dem Gerichtshof die folgende Erklärung der Regierung ein:

„Ich, Hans-Jörg Behrens, Verfahrensbevollmächtigter, erklärte, dass die Regierung Deutschlands in dem Bestreben, in den vorbezeichneten, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängigen Sachen eine gütliche Einigung zu erreichen, B. zur Abdeckung aller materiellen und immateriellen Schäden sowie der Kosten und Auslagen die Zahlung von 14.000 (vierzehntausend) Euro anbietet, zuzüglich der dem Beschwerdeführer gegebenenfalls zu berechnenden Steuern. Damit sind alle Ansprüche von Herrn B. gegen Deutschland (d.h. die Bundesregierung und die Länder) wegen konventionswidriger Unterbringung in der Sicherungsverwahrung abgegolten.

Der Betrag ist zahlbar innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe der Entscheidung des Gerichtshofs, die Rechtssache in seinem Register zu streichen. Sollte die Regierung diesen Betrag nicht innerhalb der genannten Drei-Monats-Frist zahlen, ist sie nach Ablauf dieser Frist bis zur Auszahlung zur Zahlung einfacher Zinsen in Höhe eines Zinssatzes verpflichtet, der dem Spitzenrefinanzierungssatz (marginal lending rate) der Europäischen Zentralbank im Verzugszeitraum zuzüglich drei Prozentpunkten entspricht. Mit der Zahlung ist die Angelegenheit endgültig erledigt.“

Am 23. April 2014 ging beim Gerichtshof die folgende, von dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers am 23. April 2014 unterschriebene Erklärung ein:

„Ich, H.l, stelle fest, dass die Regierung Deutschlands in dem Bestreben, in den vorbezeichneten, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängigen Sachen eine gütliche Einigung zu erreichen, B. zur Abdeckung aller materiellen und immateriellen Schäden sowie der Kosten und Auslagen die Zahlung von 14.000 (vierzehntausend) Euro anbietet, zuzüglich der dem Beschwerdeführer gegebenenfalls zu berechnenden Steuern. Damit würden alle Ansprüche von Herrn B. gegen Deutschland (d.h. die Bundesregierung und die Länder) wegen konventionswidriger Unterbringung in der Sicherungsverwahrung abgegolten.

Der Betrag wäre zahlbar innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe der Entscheidung des Gerichtshofs, die Rechtssache in seinem Register zu streichen. Nach Ablauf der vorgenannten Frist von drei Monaten bis zur Auszahlung würden für den obengenannten Betrag einfache Zinsen in Höhe eines Zinssatzes anfallen, der dem Spitzenrefinanzierungssatz (marginal lending rate) der Europäischen Zentralbank im Verzugszeitraum zuzüglich drei Prozentpunkten entspricht.

Nach Rücksprache mit meinem Mandaten, teile ich Ihnen mit, dass er diesen Vorschlag annimmt und auf etwaige weitergehende Ansprüche gegen Deutschland in Bezug auf den Sachverhalt, der dieser Beschwerde zu Grunde liegt, verzichtet. Er erklärt, dass die Angelegenheit damit endgültig erledigt ist.“

Der Gerichtshof nimmt die zwischen den Parteien erreichte gütliche Einigung zur Kenntnis. Er ist überzeugt, dass diese Einigung auf der Grundlage der Achtung der Menschenrechte getroffen wurde, wie sie in der Konvention und ihren Protokollen anerkannt sind, und stellt fest, dass keine Gründe vorliegen, die eine weitere Prüfung der Beschwerde rechtfertigen würden.

Nach alledem ist es angezeigt, die Rechtssachen im Register zu streichen.

Aus diesen Gründen entscheidet der Gerichtshof einstimmig:

Die Beschwerden werden verbunden;

die Beschwerden sind gemäß Artikel 39 der Konvention im Register zu streichen.

Stephen Phillips                                                                 Ganna Yudkivska
Stellvertretender Kanzler                                                          Präsidentin

Zuletzt aktualisiert am Januar 3, 2021 von eurogesetze

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