EUROPÄISCHER GERICHTSHOF FÜR MENSCHENRECHTE
FÜNFTE SEKTION
ENTSCHEIDUNG
Individualbeschwerde Nr. 12851/12
A.
gegen Deutschland
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Fünfte Sektion) hat in seiner Sitzung am 23. September 2014 als Ausschuss mit der Richterin und den Richtern
Bostjan M. Zupančič, Präsident,
Angelika Nußberger und
Vincent A. de Gaetano,
sowie Stephen Phillips, Stellvertretender Sektionskanzler,
im Hinblick auf die oben genannte Individualbeschwerde, die am 28. Februar 2012 erhoben wurde,
nach Beratung wie folgt entschieden:
SACHVERHALT UND VERFAHREN
Der 19.. geborene Beschwerdeführer, A., ist türkischer Staatsangehöriger und in F. wohnhaft. Vor dem Gerichtshof wurde er von Herrn L., Rechtsanwalt in F., vertreten.
Die deutsche Regierung („die Regierung“) wurde durch ihre Verfahrensbevollmächtigten, Herrn H.-J. Behrens und Frau K. Behr vom Bundesministerium der Justiz, vertreten.
In seiner Beschwerde rügte der Beschwerdeführer unter Berufung auf Artikel 5 Absatz 1, Artikel 5 Absatz 4, Artikel 5 Absatz 5, Artikel 6 Absatz 1 und Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe b der Konvention, dass die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern seinem Rechtsanwalt vor einem Haftprüfungstermin keine Einsicht in die Ermittlungsakte gewährt habe.
Die Beschwerde wurde der Regierung nach Artikel 5 Absatz 4 der Konvention übermittelt. Die Regierung übermittelte ihre Stellungnahme zur Zulässigkeit und Begründetheit. Diese Stellungnahme wurde dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers mit der Aufforderung übersandt, bis zum 28. März 2014 eine Stellungnahme im Namen des Beschwerdeführers vorzulegen. Das Schreiben der Kanzlei blieb unbeantwortet.
Mit Schreiben vom 12. Mai 2014, das durch Einschreiben zugesandt wurde, wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers mitgeteilt, dass die ihm eingeräumte Stellungnahmefrist am 28. März 2014 abgelaufen und eine Fristverlängerung nicht beantragt worden sei. Der Vertreter des Beschwerdeführers wurde darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof nach Artikel 37 Absatz 1 Buchstabe a der Konvention eine Rechtssache in seinem Register streichen kann, wenn die Umstände Grund zur Annahme geben, dass der Beschwerdeführer seine Beschwerde nicht weiterzuverfolgen beabsichtigt. Die Bestätigung des Eingangs des Schreibens des Gerichtshofs bei der Kanzlei des Vertreters des Beschwerdeführers erreichte den Gerichtshof am 2. Juni 2014. Bislang ist beim Gerichtshof jedoch keine Antwort eingegangen.
Sämtliche Schreiben wurden an die in seiner Korrespondenz mit dem Gerichtshof angegebene Adresse der Kanzlei des Vertreters in F. gesendet. Nach den im Internet verfügbaren Informationen ist der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers weiterhin für diese Kanzlei tätig, deren Büroräume sich noch an derselben Adresse befinden.Der Beschwerdeführer selbst hatte nie Kontakt zum Gerichtshof.
RECHTLICHE WÜRDIGUNG
Artikel 37 Absatz 1 der Konvention, soweit maßgeblich, lautet:
“1. Der Gerichtshof kann jederzeit während des Verfahrens entscheiden, eine Beschwerde in seinem Register zu streichen, wenn die Umstände Grund zur Annahme geben, dass
a) der Beschwerdeführer seine Beschwerde nicht weiterzuverfolgen beabsichtigt, […]
Der Gerichtshof setzt jedoch die Prüfung der Beschwerde fort, wenn die Achtung der Menschenrechte, wie sie in dieser Konvention und den Protokollen dazu anerkannt sind, dies erfordert.“
Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass der Umstand, dass ein Beschwerdeführer keine schriftliche Stellungnahme zur Zulässigkeit und Begründetheit der Rechtssache abgibt oder sonstige vom Gerichtshof angeforderte Informationen oder Unterlagen nicht vorlegt, den Schluss rechtfertigen kann, dass er die Beschwerde nicht weiterzuverfolgen beabsichtigt (siehe u.a. O. ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 9643/04, 7. Dezember 2010; Perek ./. Polen (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 37021/05, 9. September 2008; und Z. ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 35866/03, 20. Februar 2007).
Im Hinblick darauf, dass der Anwalt des Beschwerdeführers unter den genannten Umständen auf die Stellungnahme der Regierung nicht erwidert hat, ist der Gerichtshof der Auffassung, dass im Sinne von Artikel 37 Absatz 1 Buchstabe a der Konvention davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer seine Beschwerde nicht weiterverfolgen will.
Der Gerichtshof stellt ferner gemäß Artikel 37 Abs. 1 a.E. fest, dass keine besonderen Umstände hinsichtlich der Achtung der Menschenrechte, wie sie in der Konvention und ihren Protokollen anerkannt sind, vorliegen, die eine weitere Prüfung der Beschwerde erfordern würden.
Nach alledem ist es angezeigt, die Rechtssache im Register zu streichen.
Aus diesen Gründen entscheidet der Gerichtshof einstimmig:
die Beschwerde in seinem Register zu streichen.
Stephen Phillips Boštjan M. Zupančič
Stellvertretender Sektionskanzler Präsident
Zuletzt aktualisiert am Januar 3, 2021 von eurogesetze
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