Individualbeschwerde Nr. 80450/17. Die Individualbeschwerde betrifft die Ablehnung des Antrags der Beschwerdeführerin, ihren Namen und die sie betreffenden Angaben aus einer internen Liste von Lehrkräften streichen zu lassen

Die Individualbeschwerde betrifft die Ablehnung des Antrags der Beschwerdeführerin, ihren Namen und die sie betreffenden Angaben aus einer internen Liste von Lehrkräften streichen zu lassen, die als für die Wiedereinstellung in den Schuldienst an öffentlichen Schulen des Landes Hessen ungeeignet angesehen werden. Die Liste wurde von den hessischen Behörden erstellt und gepflegt. Die Beschwerdeführerin wurde aufgrund ihrer Äußerungen sowie ihrer Mitgliedschaften in und politischen Aktivitäten für rechte Parteien und Organisationen, aufgrund derer die Behörden Zweifel an ihrer Verfassungstreue hatten, in diese Liste aufgenommen und darin geführt.


EUROPÄISCHER GERICHTSHOF FÜR MENSCHENRECHTE
VIERTE SEKTION
RECHTSSACHE G. ./. DEUTSCHLAND
(Individualbeschwerde Nr. 80450/17)
URTEIL

Artikel 10 • Meinungsfreiheit • Eintragung der Beschwerdeführerin in eine regionale interne Liste von Lehrkräften, die wegen Zweifeln an ihrer Verfassungstreue als für die Einstellung in den Schuldienst einer öffentlichen Schule ungeeignet angesehen werden • Fall unterscheidet sich von V. ./. Deutschland • Entscheidung stützt sich auf relevante und ausreichende Gründe • Begrenzte Schwere der angefochtenen Maßnahme, die eine Einstellung der Beschwerdeführerin als Lehrerin nicht verhindert • Keine schweren negativen Auswirkungen auf den Ruf der Beschwerdeführerin aufgrund der begrenzten Zugänglichkeit der Liste • Hinreichende Verfahrensgarantien • Ermessensspielraum nicht überschritten

STRASSBURG
29. November 2022

Dieses Urteil wird nach Maßgabe des Artikels 44 Abs. 2 der Konvention endgültig. Es wird gegebenenfalls noch redaktionell überarbeitet.

In der Rechtssache G. ./. Deutschland

hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Vierte Sektion) als Kammer mit den Richterinnen und Richtern

Gabriele Kucsko-Stadlmayer, Präsidentin,
Tim Eicke,
Faris Vehabović,
Jon Fridrik Kjølbro,
Branko Lubarda,
Armen Harutyunyan und
Anja Seibert-Fohr,
sowie Ilse Freiwirth, Stellvertretende Sektionskanzlerin,

im Hinblick auf

die Individualbeschwerde (Nr. 80450/17) gegen die Bundesrepublik Deutschland, die eine deutsche Staatsangehörige, Frau G. („die Beschwerdeführerin“), am 20. November 2017 nach Artikel 34 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten („die Konvention“) beim Gerichtshof eingereicht hatte,

die Entscheidung, der deutschen Regierung („die Regierung“) die Beschwerde zur Kenntnis zu bringen,

sowie die Stellungnahmen der Parteien

nach nicht öffentlicher Beratung am 8. November 2022

das folgende Urteil erlassen, das am selben Tag angenommen wurde:

EINLEITUNG

1. Die Individualbeschwerde betrifft die Ablehnung des Antrags der Beschwerdeführerin, ihren Namen und die sie betreffenden Angaben aus einer internen Liste von Lehrkräften streichen zu lassen, die als für die Wiedereinstellung in den Schuldienst an öffentlichen Schulen des Landes Hessen ungeeignet angesehen werden. Die Liste wurde von den hessischen Behörden erstellt und gepflegt. Die Beschwerdeführerin wurde aufgrund ihrer Äußerungen sowie ihrer Mitgliedschaften in und politischen Aktivitäten für rechte Parteien und Organisationen, aufgrund derer die Behörden Zweifel an ihrer Verfassungstreue hatten, in diese Liste aufgenommen und darin geführt. Die Beschwerdeführerin berief sich auf die Artikel 10, 11 und 14 der Konvention.

SACHVERHALT

2. Die 19… geborene Beschwerdeführerin lebt in G.. Sie wurde von Frau P., Rechtsanwältin in H., vertreten.

3. Die Regierung wurde von einer ihrer Verfahrensbevollmächtigten, Frau N. Wenzel vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, vertreten.

4. Der Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen:

I. HINTERGRUND DER RECHTSSACHE

A. Die politischen Aktivitäten der Beschwerdeführerin

5. Von 1993 bis Anfang 2006 war die Beschwerdeführerin Mitglied der Partei „Die Republikaner“. Die Partei wird allgemein als rechts angesehen und steht in mehreren deutschen Bundesländern unter Beobachtung der Verfassungsschutzämter; das Bundesverfassungsgericht hat sie jedoch nicht nach Artikel 21 Abs. 2 GG für verfassungswidrig erklärt (in Bezug auf frühere Rechtssachen, die Mitglieder dieser Partei betreffen, siehe O. ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 27574/02, 24. November 2005, und E. ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 30067/04, 13. Februar 2007). Für diese Partei saß die Beschwerdeführerin im Kreistag und kandidierte sowohl für den Bundestag als auch für den Hessischen Landtag. Im März 2006 wurde sie für das Bürgerbündnis P. in den Kreistag gewählt und hatte dieses Mandat bis zu ihrem Rücktritt Ende 2008 inne. Die innerstaatlichen Gerichte stellten fest, dass mehrere damalige Vorstandsmitglieder dieses Bündnisses Verbindungen zu rechtsextremen Organisationen pflegten (siehe Rdnrn. 14 und 20). Zusätzlich zu ihrer Mitgliedschaft in und ihren Aktivitäten für diese Parteien und Organisationen äußerte sich die Beschwerdeführerin im Laufe der Jahre öffentlich im Rahmen von politischen Kundgebungen, Vorträgen oder Interviews.

B. Die Beschäftigung der Beschwerdeführerin als Lehrerin

6. Die Beschwerdeführerin wurde als Lehrerin für die Mittelstufe ausgebildet und hat ihr erstes und zweites Staatsexamen 19.. bzw. 19.. abgelegt. Sie übte diesen Beruf nur zeitweise und in unregelmäßigen Zeitabständen aus. Im Schuljahr 2004/05 war sie mit befristetem Arbeitsvertrag in einer öffentlichen Sekundarschule in Hessen beschäftigt. Für dieses Schuljahr wurde ihr ein positives Dienstzeugnis ausgestellt und im Schuljahr 2005/06 war sie erneut mit befristetem Arbeitsvertrag an der Schule tätig.

7. Mit Schreiben vom 30. März 2006 kündigten die zuständigen Behörden den Arbeitsvertrag der Beschwerdeführerin fristlos, wobei sie Zweifel an ihrer Verfassungstreue als Grund anführten. Anfang April 2006 informierte das Hessische Kultusministerium alle staatlichen Schulämter in Hessen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Beschwerdeführerin wegen erheblicher Zweifel an ihrer Verfassungstreue und bat um sofortige Rückmeldung, sollte sich die Beschwerdeführerin auf eine andere Stelle bewerben.

8. Gegen die Kündigung ihres Arbeitsvertrags erhob die Beschwerdeführerin Klage beim Arbeitsgericht. Das Verfahren endete mit einem am 19. Mai 2006 geschlossenen Vergleich, der wie folgt lautete:

„Das Arbeitsverhältnis endet aufgrund der darin enthaltenen Befristung mit Ablauf des 14. Juli 2006. Die [Beschwerdeführerin] behält ihren Anspruch auf Vergütung bis zum Beendigungszeitpunkt, wird aber […] von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt. Ein bereits im Februar 2006 abgegebenes Einstellungsangebot wird von den Beteiligten übereinstimmend als hinfällig angesehen. Das beklagte Land verpflichtet sich, die […] Kündigung aus der Personalakte zu entfernen […]. Die [Beschwerdeführerin] erhält ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis unter dem Beendigungsdatum 14. Juli 2006.“

Das Arbeitszeugnis wurde am 17. August 2006 ausgestellt und die Kündigung aus ihrer Personalakte gelöscht.

C. Die Eintragung der Beschwerdeführerin in die behördliche Liste

9. In einer E-Mail vom 30. Mai 2006 bat das hessische Kultusministerium das Schulamt D., über die Zentralstelle Personalmanagement sicherzustellen, dass die Beschwerdeführerin nicht auf eine Rangliste möglicher Lehrkräfte für öffentliche Schulen in Hessen aufgenommen wird. Ende 2008 entschied das hessische Kultusministerium in Zusammenarbeit mit den dezentral organisierten staatlichen Schulämtern in Hessen, eine Liste mit Informationen zu Lehrkräften einzuführen, die als für die Wiedereinstellung in den Schuldienst ungeeignet angesehen werden („die Liste“). Die Liste wurde von der hessischen Zentralstelle Personalmanagement (ZPM) geführt. Der Zugriff darauf war auf zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ZPM sowie – für den Fall, dass dort Bewerbungen eingehen – je zwei Personen bei den fünfzehn dezentralen hessischen Schulämtern beschränkt. Schulämter anderer Bundesländer oder private Schulen in Hessen hatten keine Einsichtsrechte und eine Weitergabe von Informationen aus der Liste an sie wäre rechtswidrig gewesen. Laut der Mitteilung des hessischen Kultusministeriums entband eine Eintragung in der Liste nicht von der Prüfung der Eignung der Bewerberin bzw. des Bewerbers im Einzelfall. Hessische Schulämter auf Bewerbersuche behielten damit ihren Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Eignung von auf der Liste geführten Bewerberinnen bzw. Bewerbern.

10. Mit Schreiben vom 2. Dezember 2009 wurde die Beschwerdeführerin über die Eintragung in die Liste unterrichtet. Ihr Eintrag enthielt den Hinweis „Nichtaufnahme in die Rangliste (Gründe in der Person)“.

II. DAS IN REDE STEHENDE VERFAHREN

11. Am 22. Dezember 2009 beantragte die Beschwerdeführerin die Streichung ihres Namens und der sie betreffenden Angaben von der Liste. Mit Schreiben vom 12. Januar 2010 lehnten die zuständigen Behörden den Antrag der Beschwerdeführerin ab.

12. Die Beschwerdeführerin erhob Klage, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 24. August 2011 als unbegründet abwies, da die Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf Streichung ihres Namens von der Liste habe. Ihre Eintragung und Speicherung in der Liste sowie die Verarbeitung der sie betreffenden Angaben habe eine gesetzliche Grundlage in § 34 Abs. 1 HDSG i. V. m §§ 107d und 107g HBG (siehe Rdnrn. 29-30), wobei die Bestimmungen des Hessischen Beamtengesetzes auf nicht verbeamtete Angestellte des öffentlichen Dienstes entsprechend anzuwenden seien. Sowohl zum Zeitpunkt ihrer Eintragung in die Liste als auch zum Zeitpunkt des verwaltungsgerichtlichen Urteils hätten hinreichende Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Klägerin sich nicht im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-H (siehe Rdnr. 27) durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekenne. Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die beklagte Behörde im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums zu dem Schluss kommen konnte, dass ernsthafte Zweifel an der Verfassungstreue der Beschwerdeführerin bestanden und dass sie für die Tätigkeit als Lehrkraft an einer öffentlichen Schule in Hessen ungeeignet sei. So könne keine Gewähr dafür geboten werden, dass die Beschwerdeführerin jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung eintrete oder dass sie ihren Schülerinnen und Schülern die Grundwerte und Grundentscheidungen der Verfassung glaubhaft vermittle.

13. Das Verwaltungsgericht merkte an, dass das politische Engagement für eine verfassungsfeindliche Organisation ein relevanter Faktor sein könne, auch wenn die betreffende Organisation nicht nach Artikel 21 Abs. 2 GG durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden sei, und stellte fest, dass die Beschwerdeführerin von 1993 bis Anfang 2006 aktives Mitglied der Partei „Die Republikaner“ gewesen sei und die Partei als Mitglied im Kreistag sowie als Kandidatin für Landtags- und Bundestagswahlen vertreten habe. Diese Mitgliedschaft und ihre Aktivitäten für „Die Republikaner“, eine Partei, bei der vielfältige Anhaltspunkte dafür bestünden, dass sie sich insbesondere nicht für den Schutz der Würde von Ausländerinnen und Ausländern sowie Asylbewerberinnen und Asylbewerbern in Deutschland einsetze, könne als erster Anhaltspunkt dafür dienen, dass Zweifel an der Verfassungstreue der Beschwerdeführerin bestehen könnten. Ihr Schreiben vom 23. Januar 2006 an die hessische Parteispitze, in dem sie ihren Parteiaustritt erklärt hatte, erhärte diese Zweifel: Der Hauptbeweggrund für ihren Austritt sei gewesen, dass sie die von der Parteispitze vorgebrachten Bedenken gegenüber einer Zusammenarbeit mit NPD-Mitgliedern auf der Liste des Bürgerbündnisses nicht teile. In diesem Schreiben habe die Beschwerdeführerin eine dem deutschen Staat gegenüber sehr kritische Haltung gezeigt, erkennbar an ihren Äußerungen, wonach das Bürgerbündnis „die freiheitlich demokratische Grundordnung nicht beseitigen [könne], weil sie schon lange nicht mehr existiere“, und sie sich „nach Kräften dafür einsetzen [werde], dass wieder eine freiheitliche Ordnung in Kraft tritt“. Das Wort „demokratisch“ habe sie hier absichtlich weggelassen.

14. Ihre Aktivitäten für das Bürgerbündnis seien ein wichtiges Element für die Beurteilung der Frage, ob Zweifel an ihrer Verfassungstreue bestehen. Mehrere Mitglieder des Bündnisses und insbesondere Vorstandsmitglieder, einschließlich F. R., hätten Verbindungen zu rechtsextremistischen Organisationen, insbesondere zur NPD und Neonazigruppierungen, und seien für ihr extremistisches Gedankengut bekannt geworden. Die Beschwerdeführerin könne nicht mit Erfolg geltend machen, dass sie die Ansichten und Einstellungen der übrigen Mitglieder des Bürgerbündnisses nicht zu vertreten habe, da sie sich bei den Kreistagswahlen im März 2006 für das Bündnis habe aufstellen lassen und das Bündnis bis zu ihrem Rücktritt Ende 2008 im Kreistag vertreten habe.

15. Zweifel an der Verfassungstreue der Beschwerdeführerin ergäben sich auch aus ihren Auftritten bei politischen Kundgebungen u.a. bei einer rechtsextremen Jugendorganisation und ihren Interviews mit der NPD-Zeitschrift „Die Deutsche Stimme“. Diese Aktivitäten habe die Beschwerdeführerin im Jahr 2006, aber auch noch im April 2009 ausgeübt, als sie bei einer Kundgebung der Russlanddeutschen Konservativen in Düsseldorf aufgetreten sei und gesagt habe, dass „[wir] uns auch sechzig Jahre nach dem Krieg immer noch dem Diktat der Sieger unterwerfen und Halbwahrheiten und Lügen über das eigene Volk hinnehmen“. Auch ihre Auftritte bei Veranstaltungen der Schlesischen Jugend Thüringen und bei den Jungen Witikonen seien von Aggressivität gegenüber staatlichen Institutionen geprägt gewesen. Zwar könne sie sich zurecht dagegen wehren, wegen der politischen Ansichten ihres Ehemanns, der als amerikanischer Neonazi und früheres Mitglied einer bedeutsamen rechtsextremen Organisation in den USA beschrieben wurde und der seit 2010 Kreisvorsitzender der NPD war, in Sippenhaft genommen zu werden. Die Ähnlichkeit ihrer politischen Ansichten ergebe sich jedoch daraus, dass einschließlich der Beschwerdeführerin vier Familienmitglieder bei der Kreistagswahl 2006 auf der Liste des Bürgerbündnisses kandidiert hätten.

16. Die Beschwerdeführerin habe sich nie von ihrer politischen Vergangenheit distanziert, sondern lediglich erklärt, dass sie sich in Zukunft nicht mehr politisch betätigen wolle. Das Verwaltungsgericht war der Auffassung, dass dies zum Zeitpunkt des Urteils nicht genügte, um eine Prognose dahingehend zu erlauben, dass die nach jahrelanger politischer Aktivität zu Recht vorhandenen Zweifel an ihrer Verfassungstreue ausgeräumt sein könnten. Es sei ihr zumutbar, sich ausdrücklich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu bekennen und zu erklären, dass sie keine entgegengesetzten Bestrebungen unterstütze, bzw. glaubhaft zu machen, dass sie sich von der früheren Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt habe. Stattdessen habe die Beschwerdeführerin ihre Aktivitäten verteidigt und lediglich ausgeführt, dass sie keine verfassungsfeindlichen Ziele verfolge.

17. Obwohl ihre Aufnahme in die Liste bedeute, dass die Beschwerdeführerin vorläufig praktisch nicht als Lehrerin einer öffentlichen Schule in Hessen beschäftigt werden könne, vertrat das Verwaltungsgericht die Auffassung, dass dies keinen unzulässigen Eingriff in ihre Berufsfreiheit nach Artikel 12 GG darstelle. Angesichts der Bedeutung, die dem Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung zukomme, und der Gefahr, dass eine gegen diese Ordnung eingestellte Lehrkraft ihre Rolle bei der Erziehung der ihr anvertrauten Kinder missbrauchen könnte, dürften die Behörden die Verfassungstreue der Lehrkraft in Frage stellen, auch wenn es bislang im dienstlichen Bereich keine Beanstandungen gegeben habe. Bewerbungen der Beschwerdeführerin an Privatschulen in Hessen oder Schulen in anderen Bundesländern seien nicht aussichtslos, da die Einsichtnahme in die Liste den hessischen Behörden vorbehalten sei und aus Datenschutzgründen nicht auf andere Behörden übertragen werden könne. Schließlich stehe auch der 2006 abgeschlossene Vergleich (siehe Rdnr. 8) der Eintragung der Beschwerdeführerin in die Liste nicht entgegen, da er die Behörden nicht daran hindere, die Verfassungstreue der Beschwerdeführerin weiterhin anzuzweifeln und ihre Wiedereinstellung als Lehrerin in den Schuldienst einer öffentlichen Schule in Hessen verhindern zu wollen.

18. Am 30. September 2011 beantragte die Beschwerdeführerin die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, wobei sie vorbrachte, dass sie keine „ungeeignete“ Lehrkraft sei und dass das Urteil ihre Meinungsfreiheit nach Artikel 5 GG und ihre Berufsfreiheit nach Artikel 12 GG verletzt habe. Sie behauptete, aufgrund der Nennung in der Liste, die einen stigmatisierenden Effekt habe, würde sie keine einzige Schule in Deutschland einstellen. Sie habe ihre politischen Aktivitäten und ihre Arbeit als Lehrerin stets streng voneinander getrennt und es habe nie Beeinträchtigungen ihrer Arbeit als Lehrerin gegeben, was sich auch an ihren positiven Dienstzeugnissen erkennen lasse. Ihre frühere Mitgliedschaft und ihre Aktivitäten für die Partei „Die Republikaner“ allein reichten nicht aus, um ihre Verfassungstreue in Frage zu stellen. Genauso wenig sei sie aufgrund dieser Betätigung oder ihrer Aktivitäten für das Bürgerbündnis als Lehrerin „ungeeignet“. Die politischen Auffassungen der anderen Bündnismitglieder könnten ihr nicht zugerechnet werden. Als Mitglied des Kreistags, von dem sie 2008 zurückgetreten sei, habe sie niemals verfassungsfeindliche, ausländerfeindliche oder rechtsextremistische Äußerungen von sich gegeben. Sie beabsichtige nicht, sich in der Zukunft erneut politisch zu betätigen. Weder die Russlanddeutschen Konservativen, noch die Schlesische Jugend Thüringen oder die Jungen Witikonen seien als verfassungsfeindlich eingestuft oder würden als solche beobachtet. Bezugnahmen auf ihren Ehemann seien unzulässig. Sie könne nicht verpflichtet werden, sich von ihren früheren politischen Aktivitäten zu distanzieren, zumal sie nicht beabsichtige, Beamtin zu werden, und Angestellte des öffentlichen Dienstes im Vergleich zu Beamtinnen und Beamten weniger strengen Anforderungen an ihre Treuepflicht unterlägen. Schließlich verstoße ihre Speicherung in der Liste gegen den 2006 geschlossenen Vergleich, in dem sich die Behörden dazu verpflichtet hätten, die Kündigung aus der Personalakte zu entfernen; dies bedeute auch, dass ihre früheren politischen Aktivitäten keine Zweifel an ihrer Verfassungstreue begründen könnten.

19. Mit Beschluss vom 25. September 2012 lehnte der Hessische Verwaltungsgerichtshof den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung der Berufung als unbegründet ab, da keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestünden. Was die Vereinbarkeit der angefochtenen Maßnahme mit der Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin nach Artikel 12 GG angehe, vertrat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass die Beschwerdeführerin für den Schuldienst an einer öffentlichen Schule in Hessen ungeeignet und die Maßnahme, die die Verhinderung ihrer Wiedereinstellung in ebendiesen Schuldienst zum Ziel habe, im Hinblick auf das dahinterstehende öffentliche Interesse verhältnismäßig sei. Es stimme zwar, dass nicht an alle Angestellten des öffentlichen Dienstes per se dieselben Anforderungen in Bezug auf ihre Verfassungstreue gestellt werden wie an Beamtinnen und Beamte. Vielmehr hänge das Maß ihrer Treuepflicht von ihrer Stellung und den wahrgenommenen Aufgaben ab, was bedeute, dass für Lehrerinnen und Lehrer eine gesteigerte politische Treuepflicht gelte, die der für verbeamtete Lehrkräfte geltenden Treuepflicht entspreche oder ähnle. Lehrerinnen und Lehrer müssten den ihnen anvertrauten Kindern glaubwürdig die Grundwerte der Verfassung vermitteln. Kinder und Jugendliche an öffentlichen Schulen sollten erkennen, dass Freiheit, Demokratie und Rechtstaat Werte sind, für die es sich einzusetzen lohne. Habe eine Lehrkraft selbst kein positives Verhältnis zu den Grundwerten und Grundprinzipien der Verfassung, könne sie ihre Schülerinnen und Schülern nicht davon überzeugen, dass die Demokratie verteidigenswert sei. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass eine solche Lehrkraft ihre Schülerinnen und Schüler gegen die Grundwerte der Verfassung aufbringen könnte. Schülerinnen und Schüler seien den Einflüssen der Lehrkräfte hilflos ausgeliefert. Die Lehrtätigkeit sei daher eine Aufgabe von großer staatspolitischer Bedeutung.

20. Der Verwaltungsgerichtshof fügte hinzu, dass unterschiedliche Maßstäbe gelten würden, je nachdem, ob es sich um die Kündigung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses handle oder – wie im vorliegenden Fall – um eine im Raum stehende (Wieder-)Einstellung. Zwar genügten allgemeine Zweifel an der Verfassungstreue einer Person nicht als Rechtfertigung der Kündigung eines bestehenden Arbeitsvertrags. Für das Unterbleiben einer Einstellung reichten sie angesichts des Beurteilungsspielraums des Arbeitgebers jedoch aus. Im Fall der Beschwerdeführerin bestünden hinreichende allgemeine Zweifel an ihrer Verfassungstreue. Das Vorliegen dienstbezogener Beanstandungen oder Beeinträchtigungen ihrer Arbeit aufgrund ihrer politischen Aktivitäten sei daher nicht erforderlich und der Vortrag der Beschwerdeführerin mit Bezug auf ihre positiven Dienstzeugnisse und die Trennung ihrer beruflichen und ihrer politischen Tätigkeit gehe an der Sache vorbei. Im Hinblick auf das Bestehen allgemeiner Zweifel an der Verfassungstreue der Beschwerdeführerin und ihre Einwände gegen diese Einschätzung wiederholte der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen die vom Verwaltungsgericht angeführten Gründe (siehe Rdnrn. 13-16). Der Verwaltungsgerichtshof führte ferner aus, dass das Bürgerbündnis als verfassungsfeindlich eingeschätzt worden sei und die Beschwerdeführerin sich freiwillig dafür entschieden habe, als Spitzenkandidatin des Bündnisses bei den Kreistagswahlen anzutreten; insofern könne sie nicht verhindern, mit den politischen Zielen der übrigen Bündnismitglieder und Kandidaten in Verbindung gebracht zu werden. Darüber hinaus seien die Mitgliedschaft in und die Aktivitäten für verfassungsfeindliche Parteien und Organisationen wie diejenigen, für die die Beschwerdeführerin freiwillig und aktiv tätig geworden sei, ein relevanter Faktor für die Bewertung von Zweifeln an der Verfassungstreue im Zusammenhang mit einer potentiellen Einstellung der betreffenden Person, auch wenn die betreffenden Parteien oder Organisationen nicht nach Artikel 21 Abs. 2 GG durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden seien.

21. In Anbetracht dessen sowie des Beurteilungsspielraums, den das betreffende Bundesland in Bezug auf Einstellungsbewerberinnen und -bewerber habe, kam der Verwaltungsgerichtshof zu dem Schluss, dass das Land objektive Gründe dafür gehabt habe, der Wiedereinstellung der Beschwerdeführerin in den Schuldienst einer öffentlichen Schule in Hessen entgegenwirken zu wollen. Unter diesen Umständen sei die Aufnahme der Beschwerdeführerin in die Liste zur Erreichung dieses Ziels nicht unverhältnismäßig gewesen. Die Eintragung der Beschwerdeführerin in die Liste gebe den dezentralen staatlichen Schulämtern eine effektive Möglichkeit, in einem etwaigen künftigen Einstellungsverfahren die bestehenden Einstellungsvorbehalte zu prüfen. Eine weniger belastende, gleichermaßen geeignete Maßnahme sei nicht ersichtlich.

22. Der Zugang zu der Liste sei sehr stark eingeschränkt, was die Schwere des Eingriffs in die Rechte der Beschwerdeführerin begrenze. Der Zugriff sei auf zehn Personen innerhalb des zentralen Personalmanagements des Landes Hessen, das die Liste verwalte, sowie je zwei Personen bei den dezentralen hessischen Schulämtern beschränkt. Die Liste sei nur für den internen Gebrauch vorgesehen und die enthaltenen Informationen würden nicht über die genannten hessischen Behörden hinaus verbreitet; insbesondere hätten weder Privatschulen in Hessen noch Behörden in anderen Bundesländern das Recht, die Liste einzusehen. Die Wirkung der Eintragung und Speicherung der Beschwerdeführerin in der Liste sei daher darauf begrenzt, dass ihre Einstellung an einer öffentlichen Schule in Hessen erschwert oder verhindert werde; die Einstellungschancen der Beschwerdeführerin an öffentlichen Schulen anderer Länder oder an Privatschulen in Hessen würden nicht negativ beeinflusst. Es gebe – entgegen ihrer Behauptung – keinen Grund für die Annahme, dass ihre Bewerbungen an einer Privatschule in Hessen und einer öffentlichen Schule in einem anderen Bundesland aufgrund ihrer Eintragung in die Liste gescheitert seien, da die entsprechenden Arbeitgeber keinen Zugriff auf die Liste hätten. Wesentlich wahrscheinlicher sei, dass andere Gründe für das Scheitern ihrer Bewerbungen verantwortlich gewesen seien oder dass sie durch ihre politischen Aktivitäten und ihre öffentlichen Auftritte einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht habe. Soweit sich die Beschwerdeführerin auf den am 19. Mai 2006 geschlossenen Vergleich berufen habe, enthalte dieser keine Vereinbarung hinsichtlich einer zukünftigen Neueinstellung der Beschwerdeführerin in den Schuldienst des Landes Hessen und auch keine Verpflichtung dahingehend, dass die Umstände, die der Kündigung zugrunde gelegen hatten, im Rahmen einer potentiellen Wiedereinstellung der Beschwerdeführerin nicht mehr berücksichtigt würden.

23. Schließlich wäre selbst dann, wenn die angefochtene Maßnahme einen Eingriff in das Recht der Beschwerdeführerin auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 5 GG darstellen würde, ein solcher Eingriff angesichts dessen, wie wichtig es ist und wie groß das öffentliche Interesse daran ist, dass Kindern die Grundwerte der Verfassung glaubwürdig vermittelt werden, auch nicht unverhältnismäßig.

24. Am 19. Oktober 2012 erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht, das es ohne Angabe von Gründen ablehnte, die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen (1 BvR 2249/12 vom 15. Mai 2017). Der Beschluss wurde der Beschwerdeführerin am 27. Juni 2017 zugestellt.

III. DIE POLITISCHEN AKTIVITÄTEN DER BESCHWERDEFÜHRERIN NACH 2008/2009

25. In ihrer Stellungnahme brachte die Regierung vor, dass die Beschwerdeführerin entgegen ihrem Vortrag vor den innerstaatlichen Gerichten weiterhin für die extreme Rechte politisch aktiv gewesen sei. Als Beispiel führt sie einen Vortrag mit dem Titel „G.: La democracia manipulada“ an, den sie 2015 in B. gehalten habe. Während ihres Vortrags sei eine NPD-Flagge gehisst gewesen und ein Zuschauer habe ein T-Shirt mit einem leicht abgewandelten Hakenkreuz getragen. In dem Werbematerial für die Veranstaltung sei die Beschwerdeführerin als Mitglied einer militanten NPD-Familie der ersten Stunde angekündigt worden. Die Regierung wies darauf hin, dass eine einfache Internetsuche des Namens der Beschwerdeführerin eine Vielzahl von Einträgen in Online-Foren, Briefen und Reden ergebe, in denen sie extremistische und teilweise möglicherweise strafrechtlich relevante Einstellungen zum Ausdruck bringe, wobei ihre Beiträge Themen wie ihre Nichtanerkennung der polnischen Staatsgrenzen, ihre Kritik an der Darstellung historischer Ereignisse in Schulbüchern und die Einordnung der Presse als „Lügenpresse“ umfassten. Die Regierung legte dem Gerichtshof Beispiele der Äußerungen der Beschwerdeführerin vor, darunter:

„Zum Schluss darf natürlich nicht der Hinweis auf das ‚brutale Regime’ fehlen, das Millionen Juden ermordet und Millionen Weltkriegstote zu verantworten hat. Dazu sind die Forschungen noch lange nicht abgeschlossen, was aber die Verantwortung für die Weltkriegstoten anbetrifft, so ist mittlerweile ziemlich gesichert, dass Deutschland den Krieg weder geplant noch gewollt hat. […]“

Eine andere Äußerung der Beschwerdeführerin zielte darauf ab, dass es in Deutschland keine Verfassung gebe, da nicht das ganze Volk befragt worden sei. Bis heute lebe ein Teil des Volkes unter polnischer Verwaltung.

Die Beschwerdeführerin bestritt nicht, diese Äußerungen getroffen zu haben.

EINSCHLÄGIGER RECHTSRAHMEN UND EINSCHLÄGIGE RECHTSPRAXIS

26. Die maßgeblichen Bestimmungen des deutschen Grundgesetzes lauten wie folgt:

Artikel 5

„(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern […]

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

[…]“

Artikel 12 Abs. 1

„Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

Artikel 21 Abs. 2

„Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.“

Artikel 33

„[…]

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

[…]

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.“

27. § 3 Abs. 1 des Tarifvertrags öffentlicher Dienst des Landes Hessen (TV-H) lautete zur maßgeblichen Zeit wie folgt:

„Die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung ist gewissenhaft und ordnungsgemäß auszuführen. Die Beschäftigten müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen.“

28. Nach der gefestigten Rechtsprechung der innerstaatlichen Gerichte ist die Eignung für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst im Sinne von Artikel 33 Abs. 2 GG an eine Pflicht zur Verfassungstreue geknüpft (siehe z. B. Bundesarbeitsgericht, 2 AZR 479/09, Urteil vom 12. Mai 2011, Rdnr. 23 – juris, m. w. N.). Beamtinnen und Beamte unterliegen einer gesteigerten Treuepflicht (ebenda, Rdnr. 27, m. w. N.). Das Maß der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes obliegenden Treuepflicht ergibt sich aus deren Stellung und Aufgabenkreis (ebenda, Rdnr. 29, m. w. N.).

29. § 34 Abs. 1 des Hessischen Datenschutzgesetzes (HDSG) lautete in der zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung wie folgt:

„Der Dienstherr oder Arbeitgeber darf Daten seiner Beschäftigten nur verarbeiten, wenn dies zur Eingehung, Durchführung, Beendigung oder Abwicklung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses oder zur Durchführung innerdienstlicher planerischer, organisatorischer, sozialer und personeller Maßnahmen erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift, ein Tarifvertrag oder eine Dienstvereinbarung es vorsieht. Die für das Personalaktenrecht geltenden Vorschriften des Hessischen Beamtengesetzes sind, soweit tarifvertraglich nichts anderes geregelt ist, auf Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst entsprechend anzuwenden.“

30. Die einschlägigen Bestimmungen des Hessischen Beamtengesetzes lauteten in der zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung wie folgt:

§ 107d Abs. 1

„Ohne Einwilligung des Beamten ist es zulässig, die Personalakte für Zwecke der Personalverwaltung oder Personalwirtschaft der obersten Dienstbehörde oder einer im Rahmen der Dienstaufsicht weisungsbefugten Behörde vorzulegen. Das gleiche gilt für Behörden desselben Geschäftsbereichs, soweit die Vorlage zur Vorbereitung oder Durchführung einer Personalentscheidung notwendig ist, sowie für Behörden eines anderen Geschäftsbereichs desselben Dienstherrn, soweit diese an einer Personalentscheidung mitzuwirken haben. […]“

§ 107g

„(1) Personalaktendaten dürfen in Dateien nur für Zwecke der Personalverwaltung oder der Personalwirtschaft verarbeitet und genutzt werden. Ihre Übermittlung ist nur nach Maßgabe des § 107d zulässig. […]

[…]

(5) Bei erstmaliger Speicherung ist dem Betroffenen die Art der über ihn nach Abs. 1 gespeicherten Daten mitzuteilen, bei wesentlichen Änderungen ist er zu benachrichtigen. […]“

RECHTLICHE WÜRDIGUNG

I. BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 10 DER KONVENTION

31. Die Beschwerdeführerin rügte die Weigerung, ihren Namen von der Liste von Lehrkräften zu streichen, die von den hessischen Schulämtern als für die Wiedereinstellung in den Schuldienst ungeeignet angesehen werden. Sie berief sich auf Artikel 10, der wie folgt lautet:

Artikel 10

„(1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. […]

(2) Die Ausübung dieser Freiheiten ist mit Pflichten und Verantwortung verbunden; sie kann daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung.“

A. Zulässigkeit

1. Unvereinbarkeit ratione materiae

32. Die Regierung brachte vor, dass die Rüge ratione materiae mit Artikel 10 der Konvention unvereinbar sei, da sie im Wesentlichen den Zugang zum öffentlichen Dienst betreffe. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sei der Zugang zum öffentlichen Dienst bewusst nicht in die Konvention aufgenommen worden und die Ablehnung einer Bewerbung auf Aufnahme in den öffentlichen Dienst als solche könne nicht konventionsrechtlich gerügt werden (die Regierung berief sich unter anderem auf G. ./. Deutschland, 28. August 1986, Rdnr. 48, Serie A Band 104; Wille ./. Liechtenstein [GK], Individualbeschwerde Nr. 28396/95, Rdnr. 41, ECHR 1999‑VII; und O. ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 27574/02, 24. November 2005). Die Umstände der vorliegenden Rechtssache würden sich von denen im Fall Wille unterscheiden: In jener Rechtssache sei der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs in Liechtenstein für im Rahmen seiner Amtsausübung öffentlich geäußerte Meinungen gemaßregelt worden; die Möglichkeit der Ernennung in ein anderes Amt sei nicht streitgegenständlich gewesen. Hingegen hätten die von den Behörden in der vorliegenden Rechtssache ergriffenen Maßnahmen nicht an ein bestehendes Dienstverhältnis angeknüpft. Vielmehr habe das Verfahren eine Maßnahme – die Eintragung in eine Liste von Personen, die als für eine Einstellung in den Schuldienst ungeeignet angesehen werden – betroffen, die nur bereits aus dem Dienst ausgeschiedene Personen betreffe und den Zugang zum öffentlichen Dienst erschwere, sofern sich die Person erneut bei öffentlichen Schulen bewerbe. Die frühere Kündigung der Beschwerdeführerin, in Bezug auf die in dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht W. ein Vergleich abgeschlossen worden sei, sei nicht Gegenstand der vorliegenden Rechtssache, weshalb sich diese von der Rechtssache V. ./. Deutschland (26. September 1995, Serie A Band. 323) unterscheide.

33. Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass die Weigerung, ihren Namen von der in Rede stehenden Liste zu streichen, einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre Rechte aus Artikel 10 der Konvention dargestellt habe.

34. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass die Ablehnung einer Bewerbung auf Aufnahme in den öffentlichen Dienst als solche nicht konventionsrechtlich gerügt werden kann (siehe Cimperšek ./. Slowenien, Individualbeschwerde Nr. 58512/16, Rdnr. 56, 30. Juni 2020, m. w. N.). In einem aktuellen Fall vertrat der Gerichtshof, der den Umfang der betreffenden Maßnahme zu dem Sachverhalt der betreffenden Rechtssache und den einschlägigen Gesetzesbestimmungen ins Verhältnis setzte, jedoch die Auffassung, dass die Ablehnung der Bewerbung einer in der maßgeblichen Prüfung erfolgreichen Person auf Aufnahme in den öffentlichen Dienst aufgrund von Äußerungen dieser Person eine Maßnahme darstellt, die im Wesentlichen die Meinungsfreiheit betrifft und nicht den Zugang zum öffentlichen Dienst (ebenda, Rdnrn. 54-59).

35. Auch wenn die Eintragung und Speicherung der Beschwerdeführerin in der in Rede stehenden Liste zweifelsohne zum Ziel hatte, ihre Einstellung in den Schuldienst einer öffentlichen Schule in Hessen zu verhindern, ist Gegenstand der vorliegenden Rechtssache nicht die Frage, ob die Beschwerdeführerin Zugang zum öffentlichen Dienst hatte, und sie hat auch nicht gerügt, dass die Behörden es abgelehnt hätten, sie als Lehrerin einzustellen. Vielmehr betrifft die Angelegenheit vor dem Gerichtshof die Weigerung, ihren Namen von der von den hessischen Behörden geführten Liste von Lehrkräften, die als für die Wiedereinstellung in den Schuldienst ungeeignet angesehen werden, zu streichen. Mit dieser Liste sollen den dezentralen hessischen Schulämtern, die eine Bewerbung der Beschwerdeführerin erhalten könnten, Informationen zur Verfügung gestellt werden. Jedes dieser Ämter hatte bei der Entscheidung über die Einstellung der Beschwerdeführerin jedoch einen gewissen Ermessensspielraum (siehe Rdnr. 9). Unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Meinungsäußerungen und politischen Aktivitäten in die Liste aufgenommen wurde. Der Gerichtshof kann anerkennen, dass diese Maßnahme im Wesentlichen die Freiheit der Meinungsäußerung betraf und Artikel 10 auf die Rüge der Beschwerdeführerin anwendbar ist (siehe sinngemäß Cimperšek, a. a. O., Rdnrn. 56 f.).

36. Daraus folgt, dass der Einwand der Regierung hinsichtlich der Anwendbarkeit von Artikel 10 der Konvention zurückzuweisen ist. Gleichzeitig weist der Gerichtshof darauf hin, dass aus der Anwendbarkeit ratione materiae von Artikel 10 der Konvention nicht folgt, dass die Beschwerdeführerin einen Anspruch auf Einstellung in den Schuldienst einer öffentlichen Schule in Hessen hatte.

2. Unvereinbarkeit ratione personae

37. Die Regierung brachte vor, die Beschwerdeführerin könne nicht geltend machen, „Opfer“ einer Konventionsverletzung im Sinne von Artikel 34 der Konvention zu sein. Die Eintragung in die Liste habe bei isolierter Betrachtung keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Beschwerdeführerin gehabt. Sie wäre nur dann unmittelbar von ihrer Eintragung in die Liste betroffen, wenn sie sich auf eine Stelle als Lehrkraft an einer öffentlichen Schule in Hessen beworben hätte und die Eintragung in die Liste zur Ablehnung geführt hätte. Die Beschwerdeführerin habe jedoch nur allgemein vorgetragen, sie sei wegen der Eintragung in die Liste von keiner öffentlichen oder privaten Schule in Hessen oder in anderen Bundesländern eingestellt worden. Sie habe jedoch nicht dargelegt, dass eine konkrete Bewerbung an einer hessischen Schule aus diesem Grund erfolglos geblieben sei. Sie habe zwar behauptet, dass ihre Bewerbung an einer Privatschule in Nordrhein-Westfalen abgelehnt worden sei. Es sei jedoch ausgeschlossen worden, dass diese Ablehnung ursächlich auf ihre Listeneintragung zurückgeführt werden kann, da eine Privatschule in einem anderen Bundesland keine Einsicht in die Liste nehmen dürfe. Wahrscheinlicher sei, dass die betreffende Privatschule aus dem Internet, wo viele Äußerungen der Beschwerdeführerin und Informationen über ihre Aktivitäten verfügbar seien, von den politischen Ansichten der Beschwerdeführerin erfahren habe. Wie die von ihr organisierte Konferenz in B. im Jahr 2015 zeige, habe die Eintragung in die in Rede stehende Liste die Beschwerdeführerin nicht davon abgehalten, ihre politischen Aktivitäten fortzusetzen und ihre Ansichten zum Ausdruck zu bringen, was bedeute, dass die angegriffene Maßnahme keinen „chilling effect“ auf sie gehabt habe (die Regierung berief sich auf Petropavlovskis ./. Lettland, Individualbeschwerde Nr. 44230/06, Rdnr. 77, ECHR 2015).

38. Die Beschwerdeführerin hat sich hierzu nicht konkret geäußert.

39. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass eine Person, um eine Beschwerde nach Artikel 34 der Konvention einlegen zu können, nachweisen können muss, dass sie von der gerügten Maßnahme „unmittelbar betroffen“ war (siehe A. u. a. ./. Deutschland, Individualbeschwerden Nrn. 40495/15 und 2 andere, Rdnr. 67, 15. Oktober 2020, m. w. N.). In der vorliegenden Rechtssache haben die Verwaltungsgerichte die Klage der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Weigerung der Behörde, ihren Namen von der Liste zu streichen, nicht für unzulässig erklärt. Dabei ist anzumerken, dass die Behauptung, von einem Verwaltungsakt oder dessen Verweigerung unmittelbar in seinen Rechten betroffen zu sein, nach dem deutschen Recht eine Zulässigkeitsvoraussetzung für Klagen vor den Verwaltungsgerichten ist. Darüber hinaus waren die innerstaatlichen Gerichte der Auffassung, dass ihre Eintragung und Speicherung in der Liste ihre Einstellung an einer öffentlichen Schule in Hessen zumindest erheblich erschwert habe (siehe Rdnrn. 17 und 22). Unter diesen Umständen und angesichts dessen, dass die Eintragung und Speicherung der Beschwerdeführerin in der Liste gerade bezweckte, ihre Wiedereinstellung in den hessischen Schuldienst zu verhindern, wäre es übermäßig formalistisch zu verlangen, dass die Beschwerdeführerin sich zunächst auf eine solche Stelle hätte bewerben und abgelehnt werden müssen, oder anzunehmen, dass die Weigerung, ihren Namen von der Liste zu streichen, sie nicht im Sinne von Artikel 34 der Konvention unmittelbar betreffen würde. Daraus folgt, dass der Einwand der Regierung zurückzuweisen ist.

3. Schlussfolgerung

40. Der Gerichtshof stellt fest, dass diese Rüge weder offensichtlich unbegründet noch aus einem anderen in Artikel 35 der Konvention aufgeführten Grund unzulässig ist. Folglich ist sie für zulässig zu erklären.

B. Begründetheit

1. Die Stellungnahmen der Parteien

(a) Die Beschwerdeführerin

41. Die Beschwerdeführerin berief sich auf die Rechtssache V. (a. a. O.) und brachte vor, dass ihre Eintragung in die Liste und die Weigerung, die sie betreffenden Angaben von der Liste zu streichen – eine Maßnahme, die auf ihre Meinungsäußerungen sowie ihre Mitgliedschaft in und Aktivitäten für bestimmte politische Parteien und Vereinigungen gestützt worden sei – ihre Rechte aus Artikel 10 der Konvention verletzt hätten. Zwar habe sie bestimmte Aspekte der politischen Situation in Deutschland kritisch betrachtet, beispielsweise die erhebliche Macht der Medien oder die Asylpolitik der Regierung, die Schlussfolgerung der Behörden, dass sie der Verfassung gegenüber feindlich eingestellt gewesen sei, sei jedoch unhaltbar. Es müsse möglich sein, legitime Kritik zu äußern, und sie habe keinen Grund, sich von den von ihr geäußerten Meinungen zu distanzieren. Zu keinem Zeitpunkt seien konkrete Nachweise ihrer angeblichen Verfassungsfeindlichkeit vorgelegt worden. Die Behauptungen gegen sie seien nicht substantiiert gewesen, hätten auf falschen Annahmen beruht und bezögen sich größtenteils auf die Vereinigungen, denen sie angehört habe. Es stimme zwar, dass bestimmte Mitglieder der Partei „Die Republikaner“ als verfassungsfeindlich angesehen würden, die Partei sei jedoch nicht verboten worden, außerdem habe die Beschwerdeführerin die Partei verlassen. Als Kreistagsabgeordnete habe sie nie verfassungsfeindliche, rechtsextremistische oder ausländerfeindliche Äußerungen von sich gegeben und sie habe auch nicht so gehandelt. Sie sei zwar politisch aktiv gewesen, politisch tätig zu sein, sei aber ein geschütztes Grundrecht. Es sei ungerecht, dass Bürgerinnen und Bürger aufgefordert seien, sich politisch zu engagieren, ihre Lebensgrundlage dann jedoch zerstört werde, wenn das politische Engagement nicht der gewünschten Form entspreche. Während ihres Studiums sei ihr nicht mitgeteilt worden, dass die Arbeit als Lehrerin eine Einschränkung ihrer Grundrechte mit sich bringen würde. Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass es nicht richtig sei, dass F. R., eine für ihre rechtsextremen Ansichten bekannt gewordene Person, Mitglied des Bürgerbündnisses gewesen sei. Jedenfalls habe sie ihr Amt als Kreistagsabgeordnete 2008 niedergelegt und sei seither nicht politisch aktiv gewesen.

42. In Erwiderung auf die Stellungnahme der Regierung, in der diese auf ihre Tätigkeit nach 2008 verwiesen hatte, erkannte die Beschwerdeführerin an, dass sie 2015 an einer Konferenz in B. teilgenommen habe, bestritt aber, diese organisiert zu haben. Das im Internet verfügbare Bild von der Konferenz sei ihr nicht bekannt. Es stimme auch nicht, dass sie der Zeitschrift „Die Deutsche Stimme“ regelmäßig Interviews gebe; sie habe der Zeitschrift lediglich einmal als Interviewpartnerin zur Verfügung gestanden, nachdem sie nach ihrer Kündigung darum gebeten worden sei.

43. Genauso unhaltbar sei die Schlussfolgerung der Behörden, dass sie für den Schuldienst ungeeignet sei. Die Schule, in der sie von 2004 bis 2006 gearbeitet habe, sei rund 170 km vom Kreis S. entfernt, und an der Schule sei nicht bekannt gewesen, dass sie dort Kreistagsabgeordnete gewesen sei. Als Lehrerin habe sie stets darauf geachtet, sich neutral und sachlich zu äußern; ihre politischen Ansichten habe sie nie zum Ausdruck gebracht. In Bezug auf ihr dienstliches Verhalten und ihre Leistung habe es nie Beanstandungen gegeben. Vielmehr habe sie sehr positive Dienstzeugnisse erhalten und die Schulleitung habe ihr eine unbefristete Stelle angeboten. Ihre Kündigung sei nicht gerechtfertigt gewesen und sei nach Abschluss des Vergleichs vor dem Arbeitsgericht aufgehoben worden. Folglich sei sie nichtig. Sie habe keine andere Wahl gehabt als dem Vergleich zuzustimmen, da sie sich in einer finanziell prekären Situation befunden habe. Insgesamt sei in ihrem Fall keine der Voraussetzungen für die Aufnahme in die Liste – eine fristlose Kündigung aus dem Schuldienst oder dienstliche Beanstandungen – erfüllt.

44. Die Speicherung ihres Namens in der Liste mache es ihr unmöglich, als Lehrerin zu arbeiten. Keine Schule würde sie anstellen. Seit sie in die Liste aufgenommen worden sei, seien alle ihre Bewerbungen als Lehrerin gescheitert, auch an Privatschulen und öffentlichen Schulen in anderen Bundesländern. Sie sei seither arbeitslos gewesen und habe von Sozialhilfe gelebt.

(b) Die Regierung

45. Die Regierung führte aus, dass, selbst wenn man unterstelle, dass ein Eingriff in die Rechte der Beschwerdeführerin aus Artikel 10 stattgefunden habe, dieser gerechtfertigt gewesen sei. Die Staaten hätten in Bezug auf den öffentlichen Dienst einen sehr weiten Ermessensspielraum. In Deutschland seien politische Aktivitäten bis hin zur Grenze des strafrechtlich relevanten Verhaltens erlaubt. Beamtinnen bzw. Beamte und Angestellte des Staates seien dabei jedoch je nach ihrer konkreten Funktion zu Verfassungstreue verpflichtet. In Deutschland bestehe Schulpflicht, weshalb Lehrerinnen und Lehrern eine zentrale Rolle zukomme; indem sie ihren Schülerinnen und Schülern die Grundlagen des demokratischen Systems in Deutschland und die Grundwerte der Verfassung vermittelten, seien sie Garant für das Zusammenleben auf Grundlage eines freiheitlich-demokratischen Staates. Die Lehrerinnen und Lehrern auferlegte Loyalitätspflicht – die mit Einschränkungen ihrer Meinungsfreiheit einhergehe, worüber sich die betreffenden Personen bei der Berufswahl im Klaren seien – sei zentraler Bestandteil des deutschen Systems der wehrhaften Demokratie und von großer staatspolitischer Bedeutung. Innere Vorbehalte oder eine offen geäußerte Ablehnung des demokratischen Systems würden die Fähigkeit einer Lehrkraft schwächen, Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, dass Freiheit, Demokratie und Rechtstaat Werte seien, für die es sich einzusetzen lohne. Die Regierung verwies erneut auf den wesentlichen Gehalt der von den innerstaatlichen Gerichten vorgenommenen Bewertungen der Zweifel an der Verfassungstreue der Beschwerdeführerin, insbesondere ihre politischen Aktivitäten und ihre Äußerungen als Ganzes betrachtet. Sie erläuterte, dass die Schwelle für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei nach Artikel 21 Abs. 2 GG hoch sei und eine verfassungsfeindliche Partei daher nicht unbedingt vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt werde. Angesichts der erneuten Bekräftigung der Vorstellungen und Ansichten der Beschwerdeführerin in ihrem Vorbringen in dem Verfahren vor dem Gerichtshof sei nicht vorstellbar, dass es ihr gelingen würde, Schülerinnen und Schülern die Grundwerte der deutschen Verfassung zu vermitteln.

46. Die Regierung betonte, dass die Beschwerdeführerin offenbar eingeräumt habe, dass ihre frühere Behauptung, seit 2008 nicht mehr politisch aktiv gewesen zu sein, unzutreffend gewesen sei. Insoweit der die Aktivitäten für bestimmte Organisationen und Gruppen betreffende Sachverhalt strittig sei, wies die Regierung darauf hin, dass das Verwaltungsgericht in seinem Urteil festgestellt habe, dass F. R., eine für ihre rechtsextremen Ansichten bekannt gewordene Person, Mitglied des Bürgerbündnisses gewesen sei. Ebenso verhalte es sich bezüglich der Auftritte der Beschwerdeführerin bei politischen Kundgebungen und ihrer Rolle als Interviewpartnerin. Was ihre Beteiligung an der Konferenz in B. angehe, wies die Regierung darauf hin, dass diese mit ihrem Namen im Titel beworben worden sei und dass eine potentielle Unkenntnis etwaiger Dokumentationen ihres Vortrags oder davon gemachter Bilder nichts daran ändere, dass sie teilgenommen habe; sie habe sich auch nicht von ihrer Teilnahme oder den dort geäußerten Ansichten distanziert. Sie habe sich als Opfer des Systems beschrieben, weil ihr Arbeitsverhältnis gekündigt worden sei. Ferner habe sie geäußert, die Demokratie in Deutschland sei ein scheinheiliges System und es sei eine Entgermanisierung festzustellen. Wenn überhaupt, seien die von ihr getätigten Aussagen mit der Zeit radikaler geworden und nicht gemäßigter.

47. Wichtig sei, dass die politischen Ansichten der Beschwerdeführerin und ihre Arbeit als Lehrerin entgegen ihrem Vortrag miteinander verknüpft seien. Die Regierung verwies hier beispielhaft auf die Rede, die sie bei der Kundgebung der Russlanddeutschen Konservativen im April 2009 gehalten habe und die im Wesentlichen eine Darstellung historischer Zusammenhänge in einem Schulbuch betraf. Zusätzlich zu den von den innerstaatlichen Gerichten zitierten Redeteilen (siehe Rdnr. 15) habe die Beschwerdeführerin auch Folgendes ausgeführt:

„Darum demonstrieren wir heute nicht nur gegen die Lügen in dem genannten Schulbuch, sondern auch und besonders gegen die undemokratische Hetze der Medien. Über Presse, Rundfunk und Fernsehen muss man heute drei Dinge wissen: Erstens, sie lügen. Zweitens: sie lügen und drittens: sie sagen – wenn überhaupt – nur die halbe Wahrheit. Und das letztere ist das Schlimmste, denn eine ganze Lüge lässt sich leichter aufdecken als eine Halbwahrheit.“

Bei einer früheren Kundgebung der Russlanddeutschen Konservativen im April 2008 habe sie Folgendes gesagt:

„In unseren Geschichtsbüchern steht die Sicht der Sieger und darum passiert es, dass auch die unwahren Passagen über die Russlanddeutschen in einem Geschichtsbuch stehen, dessentwegen wir heute hier protestieren. Es ist unerträglich, dass die Opfer bolschewistischer Gewalt zu Tätern gemacht werden. Wir stehen hier für die Wahrheit! Wir fordern, Geschichtslügen aus den Schulbüchern zu entfernen. Es darf nicht sein, dass unseren Kindern die Unwahrheit über ihre Großväter und Urgroßväter erzählt wird. Die Selbsterniedrigung unseres Volkes muss endlich ein Ende haben. Wir fordern WIRKLICHE Meinungsfreiheit und nicht nur das Zulassen einer politisch korrekten Einheitsmeinung.“

48. In den meisten Bundesländern gebe es zentrale Einstellungsbehörden, die die Eintragungen in den Personalakten von Bewerberinnen und Bewerbern für den Schuldienst prüfen und so herausfinden können, ob der betreffenden Person bereits wegen Ungeeignetheit gekündigt wurde. In Hessen erfolge die Einstellung der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen, zumindest teilweise, dezentral durch die jeweiligen Schulämter. Mit der in Rede stehenden Liste solle verhindert werden, dass Personen wie die Beschwerdeführerin, deren früherer Arbeitsvertrag als Lehrkraft wegen Ungeeignetheit gekündigt wurde, von einem dezentralen Schulamt, das hiervon keine Kenntnis hat, eingestellt werden. Tatsächlich seien die politischen Aktivitäten der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt ihrer Einstellung in die Stelle, die ihr später gekündigt worden sei, nicht bekannt gewesen; sobald sie bekannt geworden seien, sei ihr gekündigt worden. In dem 2006 abgeschlossenen Vergleich hätten sich die Behörden nicht dazu verpflichtet, die Beschwerdeführerin nicht in eine Informationsliste aufzunehmen oder den ihrer Kündigung zugrundeliegenden Sachverhalt bei einer Neueinstellungsentscheidung nicht zu berücksichtigen.

49. Die Eintragung und Speicherung in der Liste stellten keinen schweren Eingriff dar. Der Zugriff auf die Liste sei sehr stark beschränkt und auf die hessischen Schulämter begrenzt, und weder öffentliche Schulen in anderen Bundesländern noch hessische Privatschulen hätten Zugang zu der Liste oder den darin enthaltenen Informationen. Mit der Eintragung in die Informationsliste sei außerdem kein Berufsverbot verbunden. Sollte sich die Beschwerdeführerin auf eine Stelle als Lehrerin an einer öffentlichen Schule in Hessen bewerben, müsse ihre Eignung geprüft werden und die betreffende Schule könne unabhängig von ihrer Eintragung in der Liste frei über ihre Einstellung entscheiden. Darüber hinaus könne die Streichung von der Liste beantragt werden, wenn die zugrundeliegenden Tatsachen sich geändert hätten. Die Beschwerdeführerin habe lediglich nicht vorgetragen, dass sich diese Tatsachen geändert hätten. Schließlich könne die Beschwerdeführerin, die Französischlehrerin sei und auch als Englischlehrerin gearbeitet habe, aufgrund ihrer Qualifikationen auch in Sprachschulen arbeiten.

2. Würdigung durch den Gerichtshof

50. Unter Berücksichtigung seiner Überlegungen zur Anwendbarkeit von Artikel 10 der Konvention (siehe Rdnr. 35) stellt der Gerichtshof fest, dass die Weigerung, den Namen der Beschwerdeführerin von der Liste zu streichen, in ihre Rechte aus Artikel 10 Abs. 1 der Konvention eingegriffen hat. Daraus folgt, dass der Gerichtshof prüfen muss, ob der Eingriff nach Artikel 10 Artikel Abs. 2 der Konvention gerechtfertigt war, ob er also „gesetzlich vorgesehen“ war, eines oder mehrere der dort genannten rechtmäßigen Ziele verfolgte und „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ war, um diese Ziele zu erreichen.

51. Die Eintragung und Speicherung des Namens der Beschwerdeführerin in der Liste basierte auf § 34 Abs. 1 HDSG i. V. m. §§ 107d und 107g HBG (siehe Rdnrn. 29-30) und sollte eine Informationsgrundlage für künftige Einstellungsentscheidungen der hessischen Schulämter liefern, sollte die Beschwerdeführerin sich auf eine Stelle bei einer öffentlichen Schule in Hessen bewerben. Die Durchführung solcher Prüfungen der Eignung für den öffentlichen Dienst basierte auf Artikel 33 Abs. 2 GG und § 3 TV-H (siehe Rdnrn. 26-27). Da diese Eignung nach der Rechtsprechung der innerstaatlichen Gerichte mit einer Pflicht zur Verfassungstreue einhergeht (siehe Rdnr. 28), der Name der Beschwerdeführerin gerade wegen Zweifeln an ihrer Verfassungstreue in der Liste gespeichert wurde und sie unverzüglich über diese Eintragung informiert worden war, ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die angefochtene Maßnahme gesetzlich vorgesehen war.

52. Der Gerichtshof hat bereits in früheren Fällen anerkannt, dass die Pflicht zur Verfassungstreue, die nach dem deutschen Recht für Beamtinnen und Beamte sowie Angestellte des öffentlichen Dienstes gilt, ein Ausdruck einer „wehrhaften Demokratie“ ist und dass Einschränkungen der Meinungsfreiheit von Lehrerinnen und Lehrern, die sich aus dieser Treuepflicht ergeben, rechtmäßige Zwecke nach Artikel 10 Abs. 2 der Konvention verfolgen, insbesondere die Aufrechterhaltung der Ordnung und den Schutz der Rechte anderer (siehe V., a. a. O., Rdnr. 51, und V. ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 39799/98, 22. November 2001). Er ist der Auffassung, dass dies auf die Eintragung und Speicherung der Beschwerdeführerin in der Liste anwendbar ist, die eine Grundlage für Entscheidungen über potenzielle Bewerbungen der Beschwerdeführerin auf Stellen im öffentlichen Schuldienst in Hessen bilden sollte, wobei zu beachten ist, dass die Lehrerinnen und Lehrer öffentlicher Schulen von jedem dezentralen hessischen Schulamt eingestellt werden können.

53. Im Hinblick auf eine nach dem deutschen Recht verbeamtete Lehrerin hatte der Gerichtshof bei der Beurteilung der Frage, ob zwischen dem grundlegenden Recht des Menschen auf freie Meinungsäußerung und dem berechtigten Interesse eines demokratischen Staates, sicherzustellen, dass seine Beamtenschaft in angemessener Weise die in Artikel 10 Abs. 2 der Konvention aufgeführten Ziele fördert, ein gerechter Ausgleich gefunden wurde, die Auffassung vertreten, dass bei der Frage der Meinungsfreiheit von Beamtinnen und Beamten den in Artikel 10 Abs. 2 der Konvention erwähnten „Pflichten“ und der ebenfalls dort genannten „Verantwortung“ besondere Bedeutung zukommt, die es rechtfertigt, den innerstaatlichen Behörden bei der Beurteilung der Frage, ob der umstrittene Eingriff im richtigen Verhältnis zu dem oben aufgeführten Ziel steht, einen gewissen Ermessenspielraum einzuräumen (siehe V., a. a. O., Rdnr. 53). In späteren Fällen, die Lehrerinnen oder Lehrer betrafen, hat sich der Gerichtshof nicht eingehender damit beschäftigt, ob sie nach dem einschlägigen innerstaatlichen Recht Beamten- oder Angestelltenstatus hatten, sondern hat sich auf ihre Rolle als Lehrerinnen und Lehrer konzentriert, aufgrund derer sie für ihre Schülerinnen und Schüler ein Sinnbild der Autorität in der Erziehung darstellen. Er hat wiederholt ausgeführt, dass die ihnen obliegenden Pflichten und Verantwortlichkeiten in gewissem Maße auch für ihre Aktivitäten außerhalb des Schuldienstes gelten (siehe Mahi ./. Belgien (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 57462/19, Rdnr. 32, 7. Juli 2020, m. w. N.).

54. Der Gerichtshof sieht keine Veranlassung, im vorliegenden Fall von diesem Ansatz abzuweichen, und verwirft den Vortrag der Beschwerdeführerin, wonach sie keine Beamtin im Sinne des innerstaatlichen Rechts sei und dies auch nicht zu werden beabsichtige, als irrelevant. Er nimmt zur Kenntnis, dass der von den innerstaatlichen Gerichten verfolgte Ansatz im Fall von Angestellten des öffentlichen Dienstes die Rolle und Funktion der betreffenden Person als ausschlaggebendes Element für die Beurteilung der Pflicht zur Verfassungstreue und des entsprechenden Maßes dieser Treuepflicht betrachtet und Lehrerinnen und Lehrer nach diesem Ansatz ein Maß an Verfassungstreue schulden, das der Treuepflicht von Beamtinnen und Beamten entspricht bzw. ähnelt. In diesem Zusammenhang unterstreicht der Gerichtshof, wie enorm wichtig es aus staatspolitischer Sicht ist, dass Kinder in einer glaubhaften Art und Weise über Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit unterrichtet werden.

55. Wie in der Rechtssache V. (a. a. O., Rdnr. 60) ist unbestritten, dass die Arbeit der Beschwerdeführerin als Lehrerin gänzlich zufriedenstellend war und es keine Anhaltspunkte dafür gab, dass sie ihre Position dafür ausnutzen wollte, ihre Schülerinnen und Schüler im Unterricht zu indoktrinieren oder unangemessen zu beeinflussen.

56. Allerdings gab es im Fall V. keinen Beleg dafür, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich verfassungsfeindliche Äußerungen getätigt oder persönlich eine verfassungsfeindliche Haltung eingenommen hatte. Die einzigen Kritikpunkte gegen sie richteten sich gegen ihre aktive Mitgliedschaft in einer politischen Partei, die Ämter, die sie in der Partei innehatte, und ihre Kandidatur bei Landtagswahlen (a. a. O., Rdnr. 60). Im Gegensatz hierzu beriefen sich die innerstaatlichen Behörden im vorliegenden Fall nicht ausschließlich auf die aktive Mitgliedschaft der Beschwerdeführerin in der Partei „Die Republikaner“ von 1993 bis 2006 sowie ihr Kreistagsmandat und ihre Kandidatur für die Partei bei mehreren Wahlen. Vielmehr stützten sie sich im Hinblick auf ihre Schlussfolgerung, dass Zweifel an der Verfassungstreue der Beschwerdeführerin bestünden, sehr stark auf deren zusätzliche Aktivitäten und Äußerungen. Sie trugen dabei unter anderem den Gründen Rechnung, die die Beschwerdeführerin für ihren Austritt aus der Partei „Die Republikaner“ angeführt hat, nämlich dass sie die von der Parteispitze vorgebrachten Bedenken gegenüber einer Zusammenarbeit mit NPD-Mitgliedern auf der Liste des Bürgerbündnisses nicht teile, sowie ihrer Äußerung, wonach das Bürgerbündnis „die freiheitlich demokratische Grundordnung nicht beseitigen [könne], weil sie schon lange nicht mehr existiere“ und sie sich „nach Kräften dafür einsetzen [werde], dass wieder eine freiheitliche Ordnung in Kraft tritt“, wobei sie das Wort „demokratisch“ absichtlich weggelassen habe (siehe Rdnrn. 13 und 20). Die innerstaatlichen Gerichte berücksichtigten auch die spätere Mitgliedschaft der Beschwerdeführerin in diesem als verfassungsfeindlich eingestuften Bündnis (siehe Rdnrn. 14 und 20) und ihre Aktivität für eben dieses. Ferner fanden ihre Äußerungen bei politischen Kundgebungen (siehe Rdnrn. 15 und 20) sowie der Umstand, dass sie sich nicht von ihren Aktivitäten distanziert habe (siehe Rdnrn. 16 und 20), Berücksichtigung. Der Gerichtshof ist daher davon überzeugt, dass die innerstaatlichen Gerichte ihre Schlussfolgerung, dass Zweifel an der Verfassungstreue der Beschwerdeführerin bestehen, auf eine fundierte Würdigung des maßgeblichen Sachverhalts gestützt haben. Er stellt fest, dass die weiteren Vorbringen der Regierung zur Verbindung zwischen den Äußerungen der Beschwerdeführerin und ihrer Arbeit als Lehrerin (siehe Rdnr. 47) einerseits und zu ihren weiteren öffentlichen Äußerungen in den Jahren nach ihrem Rücktritt vom Kreistag Ende 2008 (siehe Rdnr. 25) andererseits die Schlussfolgerungen der innerstaatlichen Gerichte – soweit sie unbestritten geblieben sind (siehe Rdnrn. 25, 42 und 46) – bekräftigen.

57. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen der vorliegenden Rechtssache und der Rechtssache V. liegt in der Art und den Folgen der angefochtenen Maßnahme. Die Beschwerdeführerin im Fall V. war entlassen worden, was der Gerichtshof als schwerwiegende Maßnahme einstufte, unter anderem wegen der Auswirkungen auf ihren Ruf (a. a. O., Rdnr. 60). In der vorliegenden Rechtssache geht es im Gegensatz hierzu nicht um die Kündigung der Beschwerdeführerin, sondern um ihre Eintragung und Speicherung in einer von den Behörden geführten, internen Liste von Lehrkräften, die als für die Wiedereinstellung in den Schuldienst ungeeignet angesehen werden. Eine sehr begrenzte Anzahl von Angehörigen des öffentlichen Dienstes in Hessen hatte Zugang zu der Liste und es kann nicht behauptet werden, dass ihre Eintragung und Speicherung darin, die der Öffentlichkeit weder bekannt noch ersichtlich waren, schwere negative Auswirkungen auf ihren Ruf gehabt hätten.

58. Hinzu kommt, dass die fristlose Entlassung der Beschwerdeführerin in der Rechtssache V., die ihr bestehendes (nach dem maßgeblichen innerstaatlichen Recht unbefristetes) Beamtenverhältnis mit sofortiger Wirkung beendete, einen schwerwiegenden Eingriff in ihre bestehenden Rechte darstellte. In der vorliegenden Rechtssache hingegen war die Beschwerdeführerin zu dem Zeitpunkt, als sie in die Liste eingetragen wurde, arbeitslos und es gab keinen Eingriff in bestehende Positionen oder Rechte. Vielmehr wurde mit ihrer Eintragung und Speicherung in der Liste der Zweck verfolgt, ihre Wiedereinstellung in den Schuldienst einer öffentlichen Schule in Hessen zu verhindern. Insofern stellt die Tatsache, dass die betreffenden dezentralen hessischen Schulämter nicht daran gehindert waren, die Beschwerdeführerin einzustellen, und dazu verpflichtet waren, im Falle einer Bewerbung durch die Beschwerdeführerin ihre Eignung zu prüfen, ein wichtiges Verhältnismäßigkeitselement dar (siehe Rdnrn. 9 und 49). Darüber hinaus hatten weder öffentliche Schulen anderer Bundesländer noch Privatschulen in Hessen Zugriff auf die Liste oder die darin enthaltenen Informationen, so dass die Eintragung und Speicherung der Beschwerdeführerin in der Liste ihre Einstellung in den Schuldienst einer öffentlichen Schule eines anderen Bundeslandes oder an einer hessischen Privatschule nicht verhindern und auch keine negativen Auswirkungen auf eine Bewerbung auf eine solche Stelle haben konnte, wie die innerstaatlichen Gerichte festgestellt haben (siehe Rdnrn. 17 und 22).

59. Auch wenn die innerstaatlichen Gerichte den Antrag der Beschwerdeführerin auf Streichung ihres Namens von der Liste mit der Feststellung zurückgewiesen haben, dass weiterhin Gründe für Zweifel an ihrer Verfassungstreue und für die Speicherung ihres Namens auf der Liste bestünden, stellt der Umstand, dass die Beschwerdeführerin eine solche Streichung jederzeit beantragen und eine umfassende gerichtliche Überprüfung des Bestehens von Zweifeln an ihrer politischen Treuepflicht zum jeweiligen Zeitpunkt der Betrachtung durch die innerstaatlichen Gerichte erwirken konnte, eine wichtige Verfahrensgarantie dar, die bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung als Faktor zu berücksichtigen ist (siehe Baka ./. Ungarn [GK], Individualbeschwerde Nr. 20261/12, Rdnr. 161, 23. Juni 2016).

60. In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen kommt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die innerstaatlichen Stellen relevante und ausreichende Gründe angeführt und ihren Ermessensspielraum nicht überschritten haben. Der Eingriff in die Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin war daher in Bezug auf die rechtmäßig verfolgten Ziele verhältnismäßig und somit „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“.

61. Folglich ist Artikel 10 der Konvention nicht verletzt worden.

II. BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 11 UND 14 DER KONVENTION

62. Die Beschwerdeführerin berief sich auch auf Artikel 11 und 14 der Konvention, um dieselbe Maßnahme zu rügen, wobei sie geltend machte, dass sie aufgrund ihrer politischen Ansichten diskriminiert worden sei und mit zweierlei Maß gemessen werde, je nachdem, welchem Ende des politischen Spektrums Lehrkräfte angehörten. Unter Berücksichtigung des Sachverhalts und der Vorbringen der Parteien, die im Wesentlichen auf die im Zusammenhang mit Artikel 10 vorgebrachten Argumente verwiesen, sowie seiner Feststellungen in Bezug auf diese Bestimmung und der Parallelen, die er in früheren, die Entlassung von Lehrerinnen und Lehrern betreffenden Fällen bei seiner Bewertung im Hinblick auf Artikel 10 und 11 gezogen hat (siehe z. B. V., a. a. O.), ist der Gerichtshof der Auffassung, dass er die wesentlichen in der vorliegenden Individualbeschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen geprüft hat und es nicht erforderlich ist, hinsichtlich der verbleibenden Rügen gesondert zu entscheiden (siehe sinngemäß Centre for Legal Resources on behalf of Valentin Câmpeanu ./. Rumänien [GK], Individualbeschwerde Nr. 47848/08, Rdnr. 156, ECHR 2014).

AUS DIESEN GRÜNDEN ENTSCHEIDET DER GERICHTSHOF EINSTIMMIG:

1. Die Rüge nach Artikel 10 der Konvention wird für zulässig erklärt;

2. Artikel 10 der Konvention ist nicht verletzt worden;

3. es besteht keine Notwendigkeit, die Zulässigkeit und Begründetheit der Rüge der Beschwerdeführerin in Bezug auf Artikel 11 und 14 der Konvention separat zu prüfen.

Ausgefertigt in englischer Sprache und schriftlich zugestellt am 29. November 2022 nach Artikel 77 Abs. 2 und 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs.

Ilse Freiwirth                             Gabriele Kucsko-Stadlmayer
Stellvertretende Sektionskanzlerin                         Präsident

Zuletzt aktualisiert am August 31, 2023 von eurogesetze

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