Allgemeine Politik-Empfehlung Nr. 1 von ECRI: Bekämpfung von Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Intoleranz. verabschiedet am 4. Oktober 1996

Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz

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Allgemeine Politik-Empfehlung Nr. 1 von ECRI: Bekämpfung von Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Intoleranz

verabschiedet am 4. Oktober 1996

Straßburg, 1996

Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz:

Unter Hinweis auf die von den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Europarates auf dem Gipfeltreffen in Wien am 8. und 9. Oktober 1993 verabschiedeten Erklärung;

Unter Hinweis darauf, dass der Aktionsplan zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Intoleranz im Rahmen dieser Erklärung das Ministerkomitee gebeten hat, die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz einzusetzen und ihr unter anderem ein Mandat zur Formulierung allgemeiner politischer Empfehlungen an die Mitgliedstaaten zu geben;

Unter Berücksichtigung der in der Empfehlung Nr. 1275 zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Intoleranz enthaltenen Vorschläge, die von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates am 28. Juni 1995 angenommen wurden;

In der Überzeugung, dass für eine wirksame Bekämpfung von Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Intoleranz ein nachhaltiger und umfassender Ansatz notwendig ist, der sich in Maßnahmen ausdrückt, die einander ergänzen und verstärken und alle Lebensbereiche abdecken;

In Anerkennung der sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Vielfalt der Mitgliedstaaten und der Notwendigkeit, in diesem Bereich spezifische Maßnahmen zu ergreifen, die diese Vielfalt widerspiegeln;

In dem Bewusstsein, dass rechtliche Maßnahmen allein Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Intoleranz nicht bekämpfen können, aber dennoch von herausragender Bedeutung sind, und dass die Nichtanwendung der einschlägigen Gesetze die Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Intoleranz im Allgemeinen entwerten würde;

Unter Hinweis auf die Tatsache, dass mittel- und langfristige präventive Strategien, die sich auf erzieherische und andere Maßnahmen gründen, für die Eindämmung der verschiedenen Formen des Rassismus, des Fremdenhasses, des Antisemitismus und der Intoleranz äußerst wichtig sind, und in Unterstützung der Initiativen des Europarates, insbesondere im Bereich des Geschichtsunterrichts wie auch der Empfehlung Nr. R (84) 18 über die Ausbildung von Lehrern für einen Unterricht zum interkulturellen Verständnis, insbesondere im Bereich der Migration und der Empfehlung Nr. R (85) 7 über das Lehren und Erlernen der Menschenrechte in den Schulen;

In Anerkennung der aktiven Rolle, die die Medien zugunsten einer Kultur der Toleranz und des gegenseitigen Verständnisses spielen können;

In dem Wunsch, in dieser ersten allgemeinen politischen Empfehlung, zusätzlich zu anderen Bemühungen auf internationaler Ebene, die Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Intoleranz effektiv zu unterstützen, indem konkrete und spezifische Maßnahmen in einigen wenigen Bereichen vorgeschlagen werden, die besonders relevant erscheinen;

empfiehlt den Regierungen der Mitgliedstaaten folgendes:

A. BEZÜGLICH RECHTSVORSCHRIFTEN, RECHTSANWENDUNG UND RECHTSSCHUTZ

– Sicherzustellen, dass die nationale Rechtsordnung auf hoher Ebene, z.B. in der Verfassung oder im Grundgesetz, den Staat zur Gleichbehandlung aller Personen und zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Intoleranz verpflichtet;

– Die entsprechenden völkerrechtlichen Rechtsinstrumente, die im Anhang aufgeführt sind, zu unterzeichnen und zu ratifizieren;

– Sicherzustellen, dass das nationale Straf-, Zivil-, und Verwaltungsrecht ausdrücklich und spezifisch Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Intoleranz bekämpft, und dabei insbesondere vorzusehen:

– dass Diskriminierung am Arbeitsplatz, bei der Lieferung von Waren und bei Dienstleistungen an die Öffentlichkeit rechtswidrig ist;

– dass rassistische und fremdenfeindliche Handlungen hart bestraft werden, z.B. indem:

– gewöhnliche Delikte mit rassistischem oder fremdenfeindlichem Charakter als spezifische Delikte eingestuft werden können;

– die rassistischen oder fremdenfeindlichen Beweggründe des Täters besonders berücksichtigt werden können;

– dass rassistische oder fremdenfeindliche Straftaten von Amts wegen verfolgt werden können;

– dass, gemäß den Verpflichtungen der Staaten nach den entsprechenden völkerrechtlichen Instrumenten und insbesondere nach den Artikeln 10 und 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention,

mündliche, schriftliche, audiovisuelle und andere Ausdrucksformen, einschließlich der Übermittlung durch elektronische Medien, die zu Hass, Diskriminierung oder Gewalt gegen Rassen, ethnische, nationale oder religiöse Gruppen oder deren Mitglieder wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe aufstacheln, rechtlich als Straftat eingestuft werden. Dies sollte die Herstellung, Verbreitung und Lagerung solchen Materials zum Zwecke der Verbreitung einschließen;

– Nach den zuvor genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen Maßnahmen, einschließlich etwa notwendiger rechtlicher Maßnahmen zur Bekämpfung rassistischer Organisationen zu ergreifen, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass diese eine Bedrohung für die Menschenrechte von Minderheitengruppen darstellen können, einschließlich des Verbots solcher Organisationen, wenn sie der Auffassung sind, dass dies zum Kampf gegen den Rassismus beiträgt;

– Sicherzustellen, dass der allgemeinen Öffentlichkeit die Gesetze zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Intoleranz näher gebracht werden;

– Sicherzustellen, dass die Strafverfolgung von rassistischen oder fremdenfeindlichen Straftaten hohe Priorität erhält und aktiv und konsequent durchgeführt wird;

– Sicherzustellen, dass genaue Daten und Statistiken über die Zahl der der Polizei gemeldeten rassistischen und fremdenfeindlichen Straftaten, die Zahl der Strafverfolgungen, die Gründe für Nichtverfolgung und über das Ergebnis der verfolgten Fälle erhoben und veröffentlicht werden,

– Sicherzustellen, dass den Opfern von Diskriminierung entweder im Strafrecht oder im Verwaltungs- und Zivilrecht angemessene rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung stehen, mit denen finanzielle oder andere Entschädigungen erreicht werden können;

– Sicherzustellen, dass Opfern von Diskriminierung angemessene Rechtsberatung zu Verfügung steht, wenn sie rechtliche Schritte einleiten wollen;

– Sicherzustellen, dass die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten und der Zugang zu ihnen bekannt sind.

B. BEZÜGLICH DER POLITIK IN EINER REIHE VON BEREICHEN

– Maßnahmen in den Bereichen Bildung und Information zur Stärkung des Kampfes gegen Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Intoleranz zu ergreifen;

– Eine Politik zu betreiben, die das Bewusstsein für den Reichtum stärkt, den kulturelle Vielfalt für die Gesellschaft bedeutet;

– die Natur, die Ursachen und den Ausbruch von Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Intoleranz auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene zu erforschen;

– Sicherzustellen, dass Lehrpläne z.B. im Bereich des Geschichtsunterrichts so erstellt werden, dass die kulturelle Vielfalt stärker gewürdigt wird;

– Ausbildungskurse einzurichten und zu unterstützen, die der Förderung der kulturellen Sensibilität, des Bewusstseins für Vorurteile und des Wissens um die rechtlichen Aspekte der Diskriminierung dienen und sich an die Personen richten, die für Einstellung und Beförderung verantwortlich sind, die direkten Kontakt zur Öffentlichkeit haben, und die darüber wachen, dass die Personen in ihrer Organisation die Normen und die Politik der Nichtdiskriminierung und der Chancengleichheit einhalten;

– Insbesondere sicherzustellen, dass eine solche Ausbildung für Polizeikräfte, Personal in der Strafgerichtsbarkeit, Vollzugsbeamte und mit Ausländern, insbesondere Flüchtlingen und Asylbewerbern, befasstes Personal eingeführt und beibehalten wird;

– Angehörige des öffentlichen Dienstes zu ermutigen, daran zu denken, dass es erwünscht ist, in ihren öffentlichen Erklärungen die Toleranz zu fördern;

– Sicherzustellen, dass die Polizei alle Mitglieder der Öffentlichkeit gleich behandelt und alle rassistischen, fremdenfeindlichen, antisemitischen und intoleranten Handlungen vermeidet;

– Formelle und informelle Strukturen für einen Dialog zwischen der Polizei und den Minderheitengemeinschaften zu entwickeln und ein Instrument für unabhängige Untersuchungen von Zwischenfällen und Konfliktbereichen zwischen der Polizei und Minderheitengruppen einzurichten;

– Die Einstellung von Angehörigen von Minderheitengruppen auf allen Ebenen des öffentlichen Dienstes, insbesondere der Polizei und ihres Hilfspersonals, zu fördern;

– Sicherzustellen, dass alle öffentlichen Dienstleistungen, wie Gesundheitswesen, soziale Dienste und Bildung, allen Personen ohne Diskriminierung zugänglich sind;

– Spezifische Maßnahmen, wie z.B. die Vermittlung von zielgerichteten Informationen, zu ergreifen, um dafür zu sorgen, dass alle in Betracht kommenden Gruppen de facto gleichberechtigten Zugang zu diesen Diensten finden;

– Wirkliche Chancengleichheit dadurch zu fördern und zu verstärken, dass Minderheitengruppen der Zugang zum Arbeitsmarkt durch spezifische Ausbildungsmaßnahmen erleichtert wird;

– Diskriminierende Praktiken und Hemmnisse oder Ausschlussmechanismem beim Zugang zu öffentlichen und privaten Wohnungen zu erforschen;

– Sicherzustellen, dass Wohnungen der öffentlichen Hand nach veröffentlichten, belegbaren Kriterien vergeben werden, die den gleichen Zugang aller Anspruchsberechtigten ohne Ansehen der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe gewährleisten;

– Da es schwierig ist, die Politik in den betroffenen Bereichen ohne brauchbare Daten zu entwickeln und effektiv umzusetzen, Daten gemäß den europäischen Gesetzen, Verordnungen und Empfehlungen über Datenschutz und Schutz der Privatsphäre zu erheben, anhand deren die Lage und die Erfahrungen von Gruppen bewertet werden können, die Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz besonders ausgesetzt sind.

ANHANG

Liste der entsprechenden völkerrechtlichen Rechtsinstrumente

– Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention) (1950) und ihre Zusatzprotokolle

– Konvention der Vereinten Nationen über die Rechtsstellung von Flüchtlingen (1951)

– Konvention Nr. 111 der Internationalen Arbeitsorganisation über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf (1958)

– Europäische Sozialcharta (1961) und ihre Zusatzprotokolle

– UNESCO Konvention gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen (1960)

– Konvention der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (1965)

– Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1966)

– Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1966) und sein erstes Zusatzprotokoll

– Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (1992)

– Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten (1995)

Zuletzt aktualisiert am September 19, 2021 von eurogesetze

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