ECRI länderspezifischer Ansatz: Bericht über Deutschland. Strasbourg, März 1998

Europaïsche Kommission gegen Rassismus und Intoleranz

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ECRI länderspezifischer Ansatz: Bericht über Deutschland

Strasbourg, März 1998

EINLEITUNG

Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) wurde 1994 anläßlich des ersten Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Europarates zur Bekämpfung der wachsenden Probleme von Rassismus, Fremdenhaß, Antisemitismus und Intoleranz gegründet, die die Menschenrechte und die demokratischen Werte in Europa bedrohen. Die Mitglieder der ECRI wurden nach ihrer anerkannten Sachkenntnis in Fragen des Rassismus und der Intoleranz ausgewählt.

Die der ECRI übertragene Aufgabe bestand darin: Gesetzgebung, Politik und andere Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenhaß, Antisemitismus und Intoleranz und ihre Wirkung zu überprüfen; weitere Aktionen auf kommunaler, nationaler und europäischer Ebene vorzuschlagen; allgemeine politische Empfehlungen an die Mitgliedstaaten abzugeben und die in diesem Bereich anzuwendenden internationalen Rechtsinstrumente zu untersuchen und, falls erforderlich, zu verstärken.

Ein Aspekt der von der ECRI zur Erfüllung ihres Mandates entwickelten Aktivitäten ist der nach Ländern gegliederte Ansatz, bei dem die Lage in jedem Mitgliedstaat analysiert wird, damit den Regierungen hilfreiche und konkrete Vorschläge unterbreitet werden können.

Das bei der Vorbereitung der länderspezifischen Berichte verwendete Verfahren läßt sich wie folgt zusammenfassen:

a. Die erste Erhebung von Informationen sowie die Vorbereitung der Texte der ersten Entwürfe für die Berichte werden in kleinen Arbeitsgruppen der ECRI durchgeführt. Erste verwendete Informationsquellen sind weit gefaßt und umfassen unter anderem Antworten der Regierungen auf einen Fragebogen, den die ECRI versandte, Beiträge der entsprechenden nationalen Mitglieder der ECRI, Informationen über die nationale Gesetzgebung, gesammelt vom Schweizer Institut für vergleichende Rechtswissenschaften[1], Informationen der internationalen und nationalen nichtstaatlichen Organisationen, verschiedene Veröffentlichungen und die Medien.

b. Die ECRI überprüft und bespricht den vorläufigen Berichtsentwurf über jedes Land in der Plenartagung und verabschiedet einen Berichtsentwurf.

c. Der Bericht wird an die entsprechende Regierung zu einem vertraulichen Dialog geschickt, der durch eine von der Regierung ernannte Verbindungsperson geführt wird. Der Entwurf des Länderberichtes wird im Hinblick auf die Bemerkungen dieser Verbindungsperson erneut überprüft und möglicherweise revidiert.

d. Der Bericht wird dann in seiner endgültigen Fassung von der ECRI in der Plenartagung verabschiedet und über das Ministerkomitee des Europarates an die Regierung des fraglichen Landes weitergeleitet. Zwei Monate nach dieser Überweisung wird der Bericht veröffentlicht, es sei denn, die Regierung des betroffenen Landes fordert ausdrücklich die Nichtveröffentlichung.

Die erste Reihe der länderspezifischen Berichte der ECRI[2] wurde im September 1997 veröffentlicht. Eine zweite Reihe von länderspezifischen Berichten wurde den Regierungen der betroffenen Länder im Januar 1998 übermittelt und wird nun veröffentlicht.[3]

Der folgende Bericht enthält die Analyse und die Vorschläge der ECRI in bezug auf Deutschland.

Die ECRI erstellt bei diesem nach Ländern gegliederten Verfahren Berichte für alle vierzig Mitgliedstaaten des Europarates Berichte. Dieser zweiten Reihe von Berichten, deren Verfahren im Januar 1998 abgeschlossen wurde, werden weitere Reihen von Berichten über die übrigen Mitgliedstaaten des Europarates folgen. Die Reihenfolge, in der diese Berichte erstellt werden, hat keine weitere Bedeutung, außer daß dies die ersten Berichte sind, die abgeschlossen werden.

Die Veröffentlichung dieses Berichtes stellt den Beginn eines laufenden, aktiven Austauschprozesses zwischen der ECRI und den Behörden in jedem der Mitgliedstaaten dar, durch den Lösungen für die Probleme des Rassismus und der Intoleranz in Europa aufgezeigt werden sollen. Die ECRI begrüßt ebenfalls den Beitrag von nichtstaatlichen Organisationen und anderen Gruppen, die in diesem Bereich arbeiten, damit ihre Arbeit so konstruktiv und hilfreich wie möglich ist.

BERICHT ÜBER DEUTSCHLAND [4]

Einleitung

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands stand und steht die neue Bundesrepublik Deutschland vor einer ganzen Reihe neuer Herausforderungen: Wiederaufbau der neuen Bundesländer und Vollendung der inneren Einheit Deutschlands; steigende Arbeitslosigkeit; Umstrukturierung des Sozialstaates. Weiterhin wurde die deutsche Bevölkerung in dieser Zeit von einer Reihe fremdenfeindlicher Gewaltakte erschüttert, einschließlich von der Bewegung der Rechtsradikalen begangenen Taten. Dank der weit verbreiteten Maßnahmen, die die Bundesregierung, die Länder und fast alle großen Gruppen der Gesellschaft ergriffen haben, wurden solche Zwischenfälle erfolgreich bekämpft, und bei den Wahlen 1994/95 wurde klar, daß Fremdenhaß, Rassismus und rechtsradikale Einstellungen keine bedeutende politische Unterstützung in Deutschland erhalten. In Deutschland gibt es zahlreiche Beispiele für gute Verhaltensweisen zur Förderung der Toleranz und des gegenseitigen Respekts zwischen den verschiedenen Gruppen. Trotzdem müssen zusätzliche Lösungen gefunden werden, um sowohl die rechtliche als auch die politische Situation zu verbessern und so den Erscheinungen von Intoleranz entgegenzuwirken, die in Deutschland weiter bestehen.

Einige der Schlüsselbereiche, die ECRI aufzeigte, sind besonders zu beachten:

– Schwierigkeiten der Langzeiteinwohner im Zusammenhang mit rechtlichen Aspekten der Staatsbürgerschaft;

– Entwicklung einer umfassenden Gesetzgebung insbesondere zur Bekämpfung aller Formen von Rassismus und Intoleranz;

– die Notwendigkeit, die Lage der Asylbewerber zu überwachen und zu schützen.

I. RECHTLICHE ASPEKTE[5]

A. Internationale Rechtsinstrumente

1. Deutschland hat alle einschlägigen internationalen Instrumente mit Ausnahme der Europäischen Charta für Regional- und Minderheitensprachen und der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten ratifiziert. Es ist zu hoffen, daß diese Instrumente in Kürze ratifiziert werden. Weiterhin sollte die Annahme von Artikel 14 der Konvention zur Beseitigung aller Formen von Rassendiskriminierung, der die Befugnis des CERD zur Prüfung von Individualbeschwerden anerkennt, wohlwollend erwogen werden.

B. Verfassungsbestimmungen

– Asylgesetz

2. Die großzügigen Bestimmungen, die die Verfassung für das Asylrecht vorsah, bedeuteten, daß Deutschland zwischen 1991 und 1993 etwa 60-80% aller Asylbewerber in den EU Staaten aufgenommen hat. Der Bundestag verabschiedete am 26. Mai 1993 eine Änderung des verfassungsmäßig garantierten Asylrechts, um auch die Bedingungen des Schengener Abkommens und des Dubliner Übereinkommens zu erfüllen. Jetzt können Asylbewerber, die aus einem “sicheren Drittland” kommen, sich nicht mehr auf das Recht auf Asyl nach Artikel 16 a (2) des Grundgesetzes berufen und werden im allgemeinen abgewiesen. Ausländische Staatsangehörige, die aus einem “sicheren Ursprungsland” kommen, können sich auf das Asylrecht berufen, jedoch geht das Gesetz davon aus, daß sie in ihren Ursprungsländern vor Verfolgung sicher sind. Wenn der Asylbewerber Tatsachen vorlegt, die diese Annahme widerlegen, kann er oder sie als Asylberechtigte/r anerkannt werden. Sichere Durchgangsländer und sichere Heimatländer werden per Gesetz festgelegt. Es ist festzustellen, daß die Haltung der deutschen Behörden zu diesem Thema dahin geht, daß die Änderung des Asylrechts zu einer Verringerung der Zahl der Asylbewerber führte und daß die Zahl der rassistischen Angriffe und die Unterstützung der rechtsradikalen Parteien ebenfalls abgenommen hat. Die neue Gesetzgebung wird als Beitrag zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenhaß in Deutschland betrachtet. Die ECRI möchte jedoch darauf hinweisen, daß jede weitere einschränkende Gesetzesänderung im Hinblick auf Einwanderung und Einwanderer auch negative Auswirkungen auf die öffentliche Meinung über Nichtstaatsbürger im allgemeinen haben kann, da die Last der Probleme scheinbar auf diese abgewälzt wird. Besondere Aufmerksamkeit sollte darauf verwendet werden, möglichen negativen Auswirkungen solcher Änderungen durch breit angelegte Informationskampagnen, öffentliche Erklärungen der Politiker und anderer Personen des öffentlichen Lebens sowie andere angemessene Maßnahmen entgegenzuwirken.

3. Es gab Berichte über Probleme bei der Umsetzung dieses neuen Asylgesetzes. Am 14. Mai 1996 verkündete das Bundesverfassungsgericht ein Grundsatzurteil, in dem es detailliert auf die Behauptung eingeht, daß beschleunigte Verfahren zur Ablehnung von Personen führen könnten, die begründete Furcht vor Verfolgung haben. Das Bundesverfassungsgericht befand, daß diese Behauptung unrichtig sei. Nach Auffassung der deutschen Behörden garantiert die derzeitige Situation weiterhin, daß entsprechend der Genfer Flüchtlingskonvention kein Asylbewerber in einen Staat zurückgeschickt wird, der der Verfolgung beschuldigt wird. Die ECRI ist der Auffassung, daß es wichtig ist, die Situation angesichts der neuen Veränderungen zu überwachen, um sicherzustellen, daß Bewerber ein faires und gründliches Verfahren von seiten der Beamten erfahren und daß niemand abgelehnt wird, der einer Gefahr oder Mißhandlung als Folge der Ablehnung ausgesetzt sein kann.

– Gesetze bezüglich der Staatsbürgerschaft und Status von Nichtstaatsbürgern

4. Das deutsche Staatsangehörigkeitsgesetz stammt aus dem Jahre 1913 und gründet sich auf das Konzept jus sanguinis. Die Gesetzgebung zur Staatsbürgerschaft wurde zuletzt 1991 und 1993 geändert und liberalisiert. Angesichts der Tatsache, daß viele der Nichtstaatsbürger, die derzeit in Deutschland leben, ihr ganzes Leben oder den größten Teil ihres Lebens in dem Land verbracht haben und dort wahrscheinlich bleiben werden, sollten weitere Überlegungen angestellt werden, um das Verfahren zum Erwerb der Staatsbürgerschaft für Langzeiteinwohner zu erleichtern. Die ECRI stellt fest, daß es interne Überlegungen gab, wie das Staatsbürgerschaftsgesetz geändert werden könnte, und hofft, daß diese Überlegungen zur Ausdehnung der Verfahren zum Erwerb der Staatsbürgerschaft auf Kinder von Ausländern und Einwanderer der zweiten oder dritten Generation führen können, die in Deutschland leben.

5. Weiterhin sind in der Regel Nichtstaatsbürger, die die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung annehmen wollen, abgesehen von einigen Ausnahmen, gezwungen, ihre frühere Staatsangehörigkeit aufzugeben. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß es bei den europäischen Staaten eine allgemeine Tendenz zu einem flexibleren Ansatz bei der Doppelstaatsangehörigkeit gibt. Die ECRI ist der Auffassung, daß die deutschen Behörden ihre Position angesichts dieser Tendenzen überprüfen könnten.

6. In Bezug auf die Gesetzgebung zur Stellung von Ausländern wurde 1991 das Ausländergesetz geändert, um die Integration von Nichtstaatsbürgern zur erleichtern, die rechtmäßig in Deutschland ansässig sind, indem klarere Bedingungen für ihren Aufenthaltsstatus festgelegt wurden. Das war ein zu begrüßender Fortschritt. Weitere zu erwägende Verbesserungen sind:

– weitere Erleichterung regelmäßiger Besuche von Familienangehörigen, die im Ausland leben;

– die Möglichkeit, die Altersgrenze für Kinder, die unter die Klausel der Familienzusammenführung fallen, von 16 auf 18 Jahre heraufzusetzen. Hier ist festzustellen, daß die Bundesregierung der Auffassung ist, daß die Anhebung der Altersgrenze zu einem Anstieg einer ausgegrenzten und arbeitslosen Gruppe in der Gesellschaft führen könnte und dies nicht im Interesse der Kinder selbst läge.

7. Die Integration und Teilnahme von Nichtstaatsbürgern in der Gesellschaft, die Langzeiteinwohner sind, kann verbessert werden, indem ihnen bestimmte politische Rechte zugestanden werden, wie das Wahlrecht bei Kommunalwahlen. Eine solche Praxis wurde in einigen anderen europäischen Ländern für Angehörige von Drittländern eingeführt. Wenn Nichtstaatsbürgern, die Langzeiteinwohner sind, das Kommunalwahlrecht zugestanden wird, würden dadurch auch die deutschen politischen Parteien dazu angeregt, die Interessen der Nichtstaatsbürger in vollem Umfang zu berücksichtigen.

Die ECRI stellt fest, daß die deutschen Behörden der Auffassung sind, daß der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit das beste Mittel ist, die Teilnahme von Nichtstaatsbürgern, die lange Zeit ihren ständigen Wohnsitz in Deutschland hatten, an Wahlen auf kommunaler, Länder- und auf nationaler Ebene zu sichern. Daher bestärkt sie die deutschen Behörden, sich weiterhin für die Erleichterung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit einzusetzen.

C. Strafrechtliche Bestimmungen

8. Die Definition der Straftat des Völkermordes bezieht sich auf die Absicht, eine Gruppe, die einer spezifischen “Rasse” angehört ganz oder teilweise zu beseitigen (Paragraph 220a Strafgesetzbuch). Im Fall der Tötung erachtet der Bundesgerichtshof Rassismus als erschwerenden Beweggrund, so daß die Tat aus diesem Grund als Mord beurteilt werden kann (Paragraph 211 Strafgesetzbuch). Der Bundestag verabschiedete 1994 ein Gesetz zur Einführung weiterer Sonderbestimmungen für rassistische Taten, z.B. Ergänzung der Straftaten der Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Es wurde auch eine Bestimmung aufgenommen, die Aufstachelung zu Haß oder Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen eine bestimmte Rasse mit einer Maximalstrafe von drei Jahren ahndet. (Paragraph 130 (2) Strafgesetzbuch). Zusätzliche Maßnahmen wurden ergriffen, um eine effektive Strafverfolgung sicherzustellen. Über diese Bestimmungen hinaus werden Verbrechen aus rassistischen Beweggründen derzeit von Bestimmungen über Gewalt gegen Personen abgedeckt. Die deutschen Behörden werden darin bestärkt, die Umsetzung der neuen Bestimmungen zu überwachen und zu fördern und zusätzliche gesetzliche Maßnahmen zu erwägen, einschließlich der Möglichkeit, Rassismus als Verbrechen deutlicher sichtbar zu machen.

9. Im Hinblick auf die Umsetzung der strafrechtlichen Bestimmungen ergriffen die deutschen Behörden strengere Maßnahmen zur Bekämpfung der Gewalt nach den Brandanschlägen in Mölln und Solingen. Dazu gehörte die Verbesserung der Polizeimethoden zur Überwachung und Bekämpfung von gewalttätigen Rechtsextremisten, polizeiliche Überwachung der Rechtsradikalengruppen, Verbot mehrerer Neonaziorganisationen und Ermittlungen des Generalbundesanwalts zu den Anschlägen gegen Mitglieder von Minderheitengruppen. Die Behörden werden bestärkt, ihre Überwachung weiterzuführen und über die Ergebnisse der Verfolgung von Straftaten gegen Mitglieder von Minderheitengruppen Bericht zu erstatten sowie die Strafen, die den für solche Verbrechen Verurteilten auferlegt wurden, zu überwachen und darüber zu berichten. Das strengere Strafmaß bei rassistischen Verbrechen, das auch aus den langen Gefängnisstrafen ersichtlich ist, die das Gericht für den Brandanschlag in Solingen verhängte, zeigt klar die Entschlossenheit der Behörden, solche Verbrechen auszumerzen und eine eindeutige Botschaft sowohl an die breite Öffentlichkeit als auch an die Minderheitengruppen in Deutschland zu geben.

D. Bestimmungen des Zivil- und Verwaltungsrechts

10. Deutschland verfügt auf Bundesebene nicht über spezifische Gesetze gegen Rassismus und Rassendiskriminierung im öffentlichen Leben, da die Gesetzgebung davon ausgeht, daß die Verfassungsgarantie der Gleichbehandlung vor dem Gesetz, die Bestimmungen gegen die Aufstachelung zu Rassenhaß, die im Strafgesetzbuch enthalten sind, und die bestehenden allgemeinen Rechtsvorschriften ausreichen, um Rassendiskriminierung zu vermeiden. Es gibt einige einschlägige Vorschriften, wie Paragraph 75 des Betriebsverfassungsgesetzes, der vorsieht, daß der Arbeitgeber und der Betriebsrat gemeinsam darüber zu wachen haben, daß alle in dem Unternehmen beschäftigten Personen gerecht behandelt werden und daß niemand aufgrund von Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft oder Geschlecht diskriminiert wird. Paragraph 30 des Sozialgesetzbuches (I) garantiert die Gleichbehandlung aller Personen, die in Deutschland ansässig sind, bezüglich der Sozialleistungen. Auch andere Gesetze aus den Bereichen Versicherung und Gaststättengewerbe sehen die Gleichbehandlung aller vor. Es scheint nicht viele Rechtsfälle zu geben, die die Anwendung allgemeiner Rechtsvorschriften bei der Bestrafung von Diskriminierungen aufzeigen. Die ECRI stellt fest, daß frühere Versuche, Gesetze mit einer spezifischen Gesetzgebung gegen Rassismus einzuführen, nicht erfolgreich waren; teilweise, da sie als nicht umsetzbar erachtet wurden und teilweise, weil eine umfassendere Lösung geplant war[6]. Es wäre gut, auf Bundesebene die Annahme eines umfassenden Gesetzes gegen Personendiskriminierung zu erwägen, das Bereiche wie den öffentlichen und privaten Wohnungsbau, Beschäftigung und Zugang zu Dienstleistungen abdecken und die Verpflichtung Deutschlands zur Bekämpfung von Rassendiskriminierung unterstreichen würde.

E. Fachorgane

11. Deutschland verfügt über eine Ausländerbeauftragte, die die Regierung bei Ausländerfragen in Deutschland berät und unterstützt, bei einschlägigen Gesetzesinitiativen beteiligt wird, sich mit Beschwerden, Gesuchen oder Vorschlägen von Deutschen oder Ausländern befaßt, Informationen gibt und die entsprechenden Initiativen unterstützt. Ein Gesetzentwurf sieht vor, die Stellung dieser Beauftragten auch im Ausländergesetz festzulegen und die Aufgaben im einzelnen zu beschreiben. Mehrere Bundesländer verfügen ebenfalls über solche Beauftragten, und eine wachsende Zahl von Kommunen haben ebenfalls Beauftragte oder Ausländerräte mit unterschiedlichen Aufgaben und Kompetenzen eingesetzt. Es ist zu hoffen, daß die Bundesländer, die noch keine solchen Fachorgane besitzen, sie einsetzen werden und daß die Koordination und der Erfahrungsaustausch zwischen den verschiedenen bereits eingesetzten Beauftragten gesichert wird.

II. POLITISCHE ASPEKTE

F. Ausbildung

– Schulbildung und Fortbildung

12. Das deutsche Schulsystem fördert eine Politik der Integration von Kindern aus Minderheitengruppen und das gegenseitige Verständnis zwischen Menschen verschiedener Kulturen. Besonderer Wert wird auf die Integration von Kindern und jungen Menschen aus Minderheitengruppen gelegt, wobei Pilotprojekte verwendet werden, die das ganze Spektrum der Bildung vom Kindergarten bis zur Universität abdecken. Man ist der Auffassung, daß solche Initiativen systematisch überprüft und wiederholt werden sollen, wenn sie erfolgreich sind. Eine erfolgreiche Kampagne war die Kampagne “Fairständnis“. Weitere Bemühungen sind notwendig, um besonders junge Menschen zu informieren und zu erziehen, da diese Altersgruppe oft für die Propaganda der rechtsradikalen Bewegungen anfällig ist. Maßnahmen, die über die allgemeine Schulbildung hinausgehen, bis hin zu Berufsausbildung und Fortbildung, sollten ausgeweitet und verstärkt werden.

13. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung fördert Programme, die besonders auf die ausländischen Frauen ausgerichtet sind, durch die sie in die deutsche Sprache eingeführt und darin bestärkt werden, an Berufsausbildung teilzunehmen. Da Frauen aus Minderheitengruppen oft vor besonderen Problemen in einer neuen Gesellschaft stehen, sind solche Maßnahmen zu begrüßen.

14. Bei Minderheitengruppen mit einem besonderen Status in Deutschland ist festzustellen, daß die dänische Schulvereinigung für die Schul- und Kindergartenarbeiten der dänischen Minderheit im Norden Schleswig-Holsteins verantwortlich ist. Die Bildungsgesetze in Sachsen und Brandenburg sichern das Erlernen der sorbischen Sprache.

– Ausbildung der Polizei

15. Insbesondere nach der Wiedervereinigung Deutschlands haben einige NROs ihre Besorgnis über die angebliche Mißhandlung von Häftlingen, besonders von ausländischen, durch die Polizei geäußert. Obwohl eine Reihe von Maßnahmen ergriffen wurden, die zu einer gewissen Verbesserung der Situation geführt haben, einschließlich ein Forschungsprojekt über “Polizei und Ausländer”, das zu einer Entschließung und neuen Initiativen der Organe der Konferenz der Innenminister führte, gibt es immer noch einige Schwierigkeiten bei der Ausbildung der Polizei besonders in den neuen Bundesländern. Die Bemühungen in diesem Bereich sollten fortgeführt und verstärkt werden, um sowohl den effektiven Schutz vor Gewalt gegenüber Mitgliedern aus Minderheitengruppen sicherzustellen als auch Fehlverhalten von seiten der Polizeibeamten zu bekämpfen. Bundes- und kommunale Polizeibehörden sollten ihre Bemühungen verstärken, um sicherzustellen, daß auch die Polizei, die mit der Bevölkerung in Kontakt kommt, die grundlegenden Menschenrechte der Angehörigen von Minderheitengruppen achtet. Alle Berichte über Mißhandlungen sollten genauestens überprüft und die Täter bestraft werden. Die deutschen Behörden werden in ihrem Entschluß bestärkt, Fälle von Fehlverhalten der Polizeibeamten auf allen Ebenen der Vollzugsbehörden zu untersuchen und die entsprechenden Sanktionen zu verhängen, die im Strafgesetzbuch und im Disziplinarrecht festgelegt sind.

16. Die Reaktion der Polizei auf Angriffe gegen Angehörige von Minderheitengruppen scheint sich in den letzten zwei Jahren erheblich verbessert zu haben. Trotzdem haben viele Minderheitengruppen immer noch den Eindruck, daß sie sich nicht auf den Schutz der Polizei verlassen können. Eine umfassende Strategie sollte erarbeitet werden, um gegenseitiges Vertrauen und Verständnis zwischen den Vollzugsbehörden und den Mitgliedern von Minderheitengruppen aufzubauen. Dies könnte eine intensivere Ausbildung der Polizei, Information für Minderheitengruppen und eine Reihe von Initiativen auf kommunaler Ebene einschließen, die die Beziehungen zu den Gemeinschaften verbessern sollen. Die Einstellung von Polizeibeamten aus Minderheitengruppen als Kontaktpersonen besonders in Regionen mit einem hohen Einwohneranteil aus Minderheitengruppen wird als positive Praxis angesehen, die das Vertrauen der Minderheitenbevölkerung in die Polizei verbessern kann.

– Sensibilisierung

17. Die in Paragraph 12 erwähnte Kampagne wurde 1996 fortgeführt und wird auch 1997 weitergehen. Ein neues Computerspiel und eine neue Version der Broschüre “Jetzt reicht’s – Schluß mit Gewalt” wurden herausgegeben. Die Organisatoren der Kampagne arbeiteten unter anderem mit der Deutschen Sportjugend zusammen.

Zusätzlich wurden zahlreiche andere Aktionen durchgeführt, um die Bevölkerung zu informieren, wie die Kampagne des Bundespresseamtes mit TV Spots, Postern, Anzeigen etc.

G. Beschäftigung

18. Die ECRI ist der Auffassung, daß eine Politik der Chancengleichheit zur Verhinderung von Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt wertvoll sein kann. Es wurden Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungsaussichten für Jugendliche aus Minderheitengruppen eingeleitet, die von dem “Koordinierungskreis Ausländische Arbeitnehmer” des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung koordiniert wurden. Die positiven Schritte zur Verbesserung der Ausbildung und der Berufsausbildungsmöglichkeiten für Angehörige von Minderheitengruppen sollten erweitert werden. Im öffentlichen Bereich sollten Stellen soweit wie möglich für Ausländer offen sein, und der öffentliche Dienst sollte ein Beispiel dadurch geben, daß es die Chancengleichheit in seiner Personalverwaltung verwirklicht.

H. Medien

19. Es scheint, daß die Medien dahin tendieren, Berichten über gewalttätige rassistische Übergriffe oder Zwischenfälle den Vorrang zu geben anstatt positivere Aspekte der Minderheitengruppen in Deutschland zu betonen und zu zeigen, daß das Zusammenleben in der Gesellschaft mit ihnen die Norm ist. Obwohl es wichtig ist, daß die Öffentlichkeit über rassistische Zwischenfälle informiert wird, sollte darauf geachtet werden, daß solch rassistisches Verhalten, das weitere Zwischenfälle hervorrufen kann, nicht “verherrlicht” wird. Die Medien sollten angeregt werden, einen stärkeren Schwerpunkt auf positive Vorkommnisse zu legen.

20. Die Verbreitung von rassistischem oder fremdenfeindlichem Material über computergestützte Mittel der Kommunikation, die es rassistischen Gruppen erlauben, neue Zuhörer zu gewinnen und mit Gruppen in anderen Ländern zu kommunizieren, gibt Anlaß zur Sorge. Die ECRI stellt fest, daß allgemeine Regeln für “Multimedien” sowohl auf Ebene des Bundes wie auch der Länder eingeleitet werden und 1997 verabschiedet werden sollen. Die ECRI begrüßt diesen Fortschritt und verweist darauf, daß Lösungen für solche Probleme nicht nur auf nationaler Ebene, sondern besonders auf europäischer Ebene anzustreben sind. Deutschland ist ein Vertragsstaat der Europäischen Konvention über grenzüberschreitendes Fernsehen. Artikel 7 verbietet die Verbreitung dieses Materials über grenzüberschreitende Fernsehausstrahlung.

I. Andere Bereiche

– Wohnung

21. Mitglieder von Minderheitengruppen haben immer noch Probleme bei der Wohnungssuche sowohl aus wirtschaftlichen Gründen als auch aufgrund von Diskriminierung. Öffentliche Ämter verfolgen eine Wohnungspolitik, die auf sozial benachteiligte Gruppen ausgerichtet ist. Zusätzlich zu den rechtlichen Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung beim Zugang zu Wohnraum, sollten vielleicht einige Maßnahmen eine Städtepolitik einschließen, die sich spezifisch mit den Problemen der Minderheitengruppen befaßt, insbesondere in den dicht besiedelten Gebieten, und prüft, inwieweit den Wohnbedürfnissen der Minderheitengruppen von öffentlicher und privater Seite Rechnung getragen wird.

– Rassengewalt und Belästigung

22. Die ECRI ist besorgt über die extreme rassistische Gewalt, die Belästigung und das Auftreten von Antisemitismus, die in Deutschland in den letzten Jahren zu verzeichnen waren, insbesondere im östlichen Teil des Landes. Derartige Verbrechen wurden im allgemeinen von jugendlichen Straftätern verübt, die nach Sündenböcken suchen. Der öffentliche und politische Aufschrei bei solchen Angriffen war groß. Die gewalttätigen Zwischenfälle scheinen zurückgegangen zu sein. Die deutschen Behörden werden darin bestärkt, wachsam zu bleiben und weiterhin rasch und entschlossen bei Fällen von rassistische Gewalt und Belästigung einzuschreiten.

* * *

Allgemeine Daten der nationalen Behörden

Aus Gründen der Kohärenz hat die ECRI in ihren CBC Berichten in der folgenden Übersicht nur die statistischen Daten aus den Antworten der Regierungen auf den Fragebogen des ECRI wiedergegeben. Der Fragebogen wurde am 13. Juli 1994 an die deutschen Behörden geschickt.

Die ECRI übernimmt keine Verantwortung für die nachfolgenden Daten.

Nichtstaatsbürger (Dezember 1995): 7,17 Millionen im August 1996 (8,77% der Gesamtbevölkerung), einschließlich Türken (2,01 Millionen), ehemalige Jugoslawen (1,35 Millionen), EU Staaten als Ganzes (1,8 Millionen).

50.000 erklärten sich zu Mitgliedern der Dänischen Minderheit, 50.000-70.000 zu Mitgliedern der sorbischen Minderheit und 50.000 – 70.000 bezeichnen sich als Sinti/Roma.

219.000 deutschstämmige Aussiedler oder deutsche Staatsbürger kamen 1993 aus den Staaten Süd-Ost und Osteuropas und anderen Teilen der ehemaligen Sowjet Union, um sich in Deutschland niederzulassen. Die Zahlen für 1994 belaufen sich auf 222.600; 218.000 für 1995 und 177.751 für 1996.

* Bevölkerung: 81,8 Millionen (1. August 1996). Diese Zahl stammt aus der Veröffentlichung “Jüngste demographische Entwicklungen in Europa” des Europarates.(siehe Bibliographie)

BIBLIOGRAPHIE

Diese Bibliographie listet die Hauptquellen auf, die bei der Überprüfung der Situation in Deutschland herangezogen wurden. Sie deckt nicht alle verschiedenen Informationsquellen ab (Medien, Kontakte im Land, nationale NROs etc.), die verwendet wurden.

1. Antwort der deutschen Behörden auf den Fragebogen der ECRI.

2. CRI (94) 2 und Anhang: Situation in den Mitgliedstaaten des Europarates bezüglich der von der Kommission gegen Rassismus und Intoleranz überprüften Themen: Arbeitsdokumente, die von den Mitgliedern der ECRI eingereicht wurden, Dokument des Europarates

3. Jüngste demographische Entwicklungen in Europa, Europarat, 1994

4. CDMG (94) 16 endgültige Fassung: Jüngste Entwicklungen in der Politik bezüglich Migration und Migranten, Dokument des Europarates

5. “Politischer Extremismus und Bedrohung der Demokratie in Europa”, Institut für jüdische Angelegenheiten

6. Tendenzen in der internationalen Migration, Jahresbericht 1993, OECD 1994

7. CRI (95) 2: Rechtsmaßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Intoleranz in den Mitgliedstaaten des Europarates, Publikation des Europarates

8. Antisemitismus Weltbericht 1995, Publikation des Instituts für Jüdische Angelegenheiten

9. Jahresbericht 1995, Publikation der International Helsinki Federation for Human Rights

10. CERD/C/226/Add.7: Bericht, eingereicht von Deutschland an den Ausschuß zur Beseitigung von Rassendiskriminierung, öffentliches Dokument der Vereinten Nationen

11. A/45/18: Bericht des Ausschusses zur Beseitigung von Rassendiskriminierung zur 45. Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen bezüglich Deutschland, öffentliche Dokumente der Vereinten Nationen

12. CERD/C/SR.999 und SR.1000: Vorläufige Zusammenfassung der 999. und 1000. Tagung des CERD, öffentliches Dokument der Vereinten Nationen

13. Länderberichte über Menschenrechtspraktiken für 1994 und 1995, US Regierung 1995, 1996

14. Überblick über die Politik und die Gesetze für Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland, Bundesinnenministerium (Doc A1-937 020/15), Juli 1993

15. Dokumente von Amnestie International bezüglich der Situation in Deutschland

16. Bericht des Ausländerbeauftragten der Bundesrepublik Deutschland über die Lage der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland 1993

17. “The situation of foreigners in Germany”, Presse- und Informationsdienst der Bundesregierung 1995

18. Vierter Länderbericht der Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 40 der Internationalen Konvention über bürgerliche und politische Rechte

19. E/CN.4/1996/72/Add 2: Bericht des Sonderberichterstatters der UN über zeitgenössische Formen von Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenhaß und Intoleranz bei seinem Besuch in Deutschland, öffentliches Dokument der Vereinten Nationen

20. Wilprt, Czarina. Ideological and Institutional Foundations of racism in the Federal Republic of Germany, in : John Wrench and John Solomos, racism and Migration in Western Europa, Oxford 1993, 67-81

21. Rudolph, Hedwig. The new gastarbeiter system in Germany, in: New Community, vol. 22, Nr. 2, April 1996, 287-300

22. Kulluk, Fahrünnisa E. The political discourse on quota immigration in Germany, in: New Community, ibid. 301-320

23. “New Xenophobia in Europe”, Baumgartl B and Favell A eds, Kluwer Law International 1995

__________

[1] Der Bericht, der vom Schweizer Institut (Ref: CRI (97) 38) vorbereitet wurde, deckt die entsprechende Gesetzgebung in den Mitgliedstaaten des Europarates ab und ist beim Sekretariat der ECRI erhältlich.
[2] Berichte über Belgien, die Tschechische Republik, Finnland, Griechenland, Ungarn, Island, Irland, Litauen, Luxemburg, Malta und Polen.
[3] Berichte über Deutschland, Liechtenstein, Norwegen, San Marino, Slowenien und die Schweiz.
[4] Anmerkung: Alle Entwicklungen nach dem 7. Februar 1997 sind in der folgenden Analyse nicht abgedeckt und werden bei den Schlußfolgerungen und Vorschlägen nicht berücksichtigt.
[5] Ein vollständiger Überblick der Gesetzgebung in Deutschland im Bereich Bekämpfung von Rassismus und Intoleranz wird in der Publikation CRI (95) 2 rev gegeben, die vom Schweizer Institut für vergleichende Rechtswissenschaft für die ECRI vorbereitet wurde (siehe Bibliographie).
[6] Cf. CRI (95) 2 rev. (siehe Bibliographie).

Zuletzt aktualisiert am September 19, 2021 von eurogesetze

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