Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz
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Allgemeine politik-Empfehlung Nr.10 von ECRI Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung im und durch Schulunterricht
verabschiedet am 15. Dezember 2006
Straßburg, den 21. März 2007
Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI):
Unter Hinweis auf Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte;
Unter Hinweis auf die Internationale Konvention zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung;
Unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes;
Unter Hinweis auf die UNESCO Konvention gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen;
Unter Hinweis auf die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, insbesondere Artikel 14 sowie Artikel 2 des Protokolls Nr.1;
Unter Hinweis auf Protokoll Nr. 12 zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, das eine allgemeine Verbotsklausel für Diskriminierungen enthält;
Unter Hinweis auf die Europäische Sozialcharta (revidiert) und insbesondere auf Artikel 17;
Unter Hinweis auf das Zusatzprotokoll zur Konvention über Computerkriminalität betreffend Kriminalisierung von rassistischen oder fremdenfeindlichen Handlungen, die mittels Computersystemen verübt werden;
Unter Hinweis auf die Empfehlung (2000)4 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über die Bildung der Kinder von Sinti/Roma in Europa;
Unter Hinweis auf die Empfehlung (2001)15 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über den Geschichtsunterricht im Europa des 21. Jahrhunderts;
Unter Hinweis auf die Empfehlung (2002)12 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten über politische Bildung;
Unter Hinweis auf die Empfehlung 1093(1989) der Parlamentarischen Versammlung über die Erziehung von Einwandererkindern;
Unter Hinweis auf die Empfehlung 1346(1997) der Parlamentarischen Versammlung über Menschenrechtserziehung;
Unter Hinweis auf die Empfehlung 1720(2005) der Parlamentarischen Versammlung über Erziehung und Religion;
Unter Berücksichtigung der allgemeinen Schlussfolgerungen der europäischen Konferenz gegen Rassismus vom 13. Oktober 2000, insbesondere zur Erziehung und Sensibilisierung für die Bekämpfung von Rassismus, Diskriminierung und Extremismus auf subnationaler, nationaler, regionaler und internationaler Ebene;
Unter Berücksichtigung der Kommentare über Bildung in der Rahmenkonvention zum Schutz der nationalen Minderheiten, die der beratende Ausschuss der Rahmenkonvention verabschiedet hat;
Unter Verweis auf die allgemeine Politik-Empfehlung Nr. 3 von ECRI über die Bekämpfung von Rassismus und Intoleranz gegen Roma/Sinti, die allgemeine politische EmpfehlungNr.5 von ECRI über die Bekämpfung von Intoleranz und Diskriminierung gegenüber Muslimen, die allgemeine Politik-Empfehlung Nr. 9 von ECRI über die Bekämpfung des Antisemitismus;
Unter Hinweis auf die allgemeine Politik-Empfehlung Nr.7 von ECRI über nationale Gesetzgebung zur Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung;
Unter Hinweis darauf, dass das Mandat von ECRI darin besteht, Rassismus und Rassendiskriminierung zu bekämpfen, d.h. die Bekämpfung von Gewalt, Diskriminierung und Vorurteilen gegenüber Personen oder Personengruppen aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Nationalität oder nationaler oder ethnischer Herkunft;
Unter Betonung, dass der Anwendungsbereich dieser Empfehlung auf die Vorschul-, Grundschul- und weiterführende Erziehung beschränkt ist;
In dem Bewusstsein jedoch, dass die Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung auch in den höheren Schulen gleichermaßen wichtig ist;
Auch in dem Bewusstsein, dass die schulische und außerschulische Bildung eine wichtige Rolle in diesem Bereich spielen kann;
In dem Bewusstsein, dass Organisationen der Zivilgesellschaft effektive Maßnahmen der Anti-Diskriminierungserziehung und Programme für Jugendliche durchführen, um sie auf die Vielfalt im schulischen Umfeld vorzubereiten;
Unter Hinweis darauf, dass Bildung ein wichtiges Instrument für die Bekämpfung von Rassismus und Intoleranz ist und zudem in dem Bewusstsein, dass es auch ein Bereich ist, in dem Rassismus und Rassendiskriminierung schädliche Folgen für die Kinder und die gesamte Gesellschaft in Erscheinung treten können;
Unter Ablehnung aller Formen der direkten und indirekten Diskriminierung beim Zugang zu Schulen;
Unter Hinweis darauf, dass die nationale Gesetzgebung zur Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung unter anderem den Bereich Bildung erfassen und das Verbot der Diskriminierung auf alle staatlichen Behörden sowie alle natürlichen oder juristischen Personen im öffentlichen und privaten Bereich Anwendung finden sollte;
Unter Hinweis darauf, dass Schulbildung ein Recht ist und der Zugang zu ihr allen auf dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten befindlichen Kindern garantiert werden sollte, unabhängig von ihrem Rechtsstatus oder dem ihrer Eltern und unabhängig von den für Asyl, Immigration oder Erwerb der Staatsbürgerschaft geltenden Gesetzen;
In der Überzeugung, dass eine qualitativ hochwertige Bildung auch die Vielfalt umfassen sollte;
In der Überzeugung, dass die Schulen die Vielfalt anerkennen und achten sollten;
Bedauert die gelegentliche de facto Segregation in der Schulbildung, die auf historische Faktoren oder externe Faktoren wie Wohnungsprobleme zurückzuführen ist;
Betont, dass Maßnahmen zur Integration von Kindern aus Minderheitengruppen in das Schulsystem nicht zu einer Zwangsassimilierung führen dürfen;
Unterstreicht, dass spezielle Maßnahmen den Zugang von Kindern aus Minderheitengruppen zur Schulbildung und gutem Unterricht verbessern können;
Unter Hinweis darauf, dass die Menschenrechtserziehung – auf der Grundlage der Prinzipien Gleichheit, Nichtdiskriminierung, Toleranz und Achtung der Vielfalt – eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung von Rassismus und Intoleranz im Allgemeinen spielen kann;
Überzeugt von der Notwendigkeit, dass alle Schulen zufrieden stellende Standards im Unterricht in diesen Bereichen einhalten sollten;
Unter Hinweis auf den bedeutenden Umstand, dass Lehrbücher und anderes Lehrmaterial keine Vorurteile und Stereotypen verbreiten dürfen;
In dem Bewusstsein der zunehmenden Bedeutung moderner Technologie, einschließlich des Internet, für den Schulunterricht und der Notwendigkeit, diese bei Fragen der Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung zu berücksichtigen;
Überzeugt von der Notwendigkeit einer obligatorischen Weiterbildung für alle Erzieher, die in einem multikulturellen Umfeld unterrichten;
Überzeugt von der Bedeutung der Aus- und Weiterbildung für Erzieher in Fragen der Menschenrechte und der Bekämpfung von Rassendiskriminierung;
Fordert dringend, dass alle Schulbehörden verpflichtet werden, die Gleichheit zu fördern und dass Fortschritte bei der Einhaltung dieser Verpflichtungen sorgfältig überwacht werden;
Empfiehlt den Regierungen der Mitgliedstaaten:
1. Obligatorische, kostenlose und qualitativ hochwertige Bildung für alle sicherzustellen und hierzu:
1. gemeinsam mit Organisationen der Zivilgesellschaft Untersuchungen über die Lage der Kinder aus Minderheitengruppen im Schulsystem durchzuführen und Statistiken über ihre Anwesenheit im Unterricht und ihre Abschlüsse, Schulabbrüche, erzielte Ergebnisse und Fortschritte zu erstellen;
2. die erforderlichen Informationen zu sammeln, um Probleme von Schülern aus Minderheitengruppen in der Schule aufzuzeigen und Maßnahmen zur Lösung dieser Probleme zu ergreifen;
3. auf nationaler und regionaler Ebene in Zusammenarbeit mit den betroffenen Minderheitengruppen Maßnahmen zur Verbesserung der Anwesenheitsrate und umfassenden Beteiligung von Schülern aus Minderheitengruppen im Schulsystem zu konzipieren:
a) sicherzustellen, dass die Schulen verpflichtet sind, die Gleichheit in der Bildung gezielt zu fördern ;
b) in Konsultation mit allen betroffenen Parteien und unter Berücksichtigung der sozioökonomischen Dimension (Beschäftigung und Wohnung) Maßnahmen zu ergreifen, um im Interesse des Kindes zu vermeiden, dass in bestimmten Schulen Schüler aus Minderheitengruppen überrepräsentiert sind;
c) in bestimmten Fällen dafür zu sorgen, dass für einen begrenzten Zeitraum Vorbereitungsklassen für Schüler aus Minderheitengruppen eingerichtet werden, damit sie unter anderem die Unterrichtssprache erlernen können, wenn dies durch objektive und vernünftige Kriterien gerechtfertigt ist und im Interesse des Kindes liegt;
d) Maßnahmen zu ergreifen, um zu vermeiden, dass Kinder aus Minderheitengruppen in gesonderte Klassen gesteckt werden;
e) sicherzustellen, dass Fördermaßnahmen für mehr Vielfalt in der Schule durch Sensibilisierungsmaßnahmen für Schüler, Eltern und Lehrer unterstützt werden;
f) sicherzustellen, dass Lehrer aus Minderheitengruppen auf allen Ebenen eingestellt werden und dass sie keiner Rassendiskriminierung im Schulsystem ausgesetzt sind;
g) sicherzustellen, dass die Eltern von Schülern aus Minderheitengruppen ausreichend über die Folgen der Sondermaßnahmen für ihre Kinder informiert sind, damit sie eine informierte Einwilligung abgeben können;
h) den Eltern von Schülern aus Minderheitengruppen, die nicht die Mehrheitssprache sprechen, die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, wie die Dienste eines Dolmetschers und/oder Sprachkurse, damit sie mit den Lehrern kommunizieren können;
i) sicherzustellen, dass die Eltern von Schülern aus Minderheitengruppen sich voll und ganz an den Entscheidungen und Aktivitäten der Schule beteiligen können;
j) gegebenenfalls auf Vermittler an der Schule oder regionale, nationale oder Vermittlungsdienste von Nichtregierungsorganisationen zurückzugreifen, um die Integration von Kindern aus Minderheitengruppen in die Schule zu erleichtern und eine gute Kommunikation zwischen Eltern und Schulbehörden zu gewährleisten.
II. Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung an der Schule und hierzu:
1. sicherzustellen, dass die Schulen verpflichtet sind, die Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung sowie die Achtung der Vielfalt in ihr System aufzunehmen:
a) sicherzustellen, dass die Bekämpfung solcher Phänomene an den Schulen, gleichgültig, ob diese von den Schülern oder dem Lehrkörper ausgehen, Teil einer ständigen Politik ist;
b) ein System zur Überwachung rassistischer Vorfälle in der Schule einzurichten und Daten über diese Phänomene zu sammeln, um eine langfristige Politik auszuarbeiten, mit der gegen sie vorgegangen werden soll;
c) erzieherische Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus oder Diskriminierung, die keinen physischen Schaden verursachen, zu ergreifen wie z.B. außerschulische Aktivitäten in Organisationen für Opfer von Rassismus und Rassendiskriminierung;
d) die Einstufung von Aufhetzung zu Rassenhass an Schulen oder anderen schwerwiegenden rassistischen Handlungen, einschließlich der Anwendung von Gewalt, Drohungen oder Eigentumsbeschädigung, als Handlungen, die mit Suspendierung oder Ausschluss oder anderen geeigneten Maßnahmen bestraft werden;
e) Schulen zu ermutigen, einen Verhaltenskodex gegen Rassismus und Rassendiskriminierung für alle Mitarbeiter einzuführen;
f) Maßnahmen zu ergreifen (wie besondere Anti-Rassismus-tage oder -wochen, -kampagnen oder -wettbewerbe), um sowohl die Schüler als auch die Eltern für Fragen von Rassismus und Rassendiskriminierung und eine dem entsprechende Schulpolitik zu sensibilisieren;
2. sicherzustellen, dass der Schulunterricht eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung in der Gesellschaft spielt:
a) sicherzustellen, dass die Menschenrechtserziehung ab dem Kindergarten ein wesentlicher Bestandteil des Lehrplanes in allen Stufen und allen Fächern ist;
b) sicherzustellen, dass die Schüler einen Religionsunterricht erhalten, der wissenschaftlich neutral ist, was bei jedem Bildungsansatz wichtig ist;
c) sicherzustellen, dass es an öffentlichen Schulen mit Konfessionsunterricht einfache Verfahren zur Befreiung für Kinder gibt, für die eine Ausnahmegenehmigung beantragt wird;
d) aus den Lehrbüchern rassistisches Material oder Material zu entfernen, das Stereotype, Intoleranz oder Vorurteile gegen eine Minderheitengruppe fördert;
e) kritisches Denken bei den Schülern zu fördern und sie mit den notwendigen Fähigkeiten auszustatten, damit sie Stereotype oder Intoleranz in dem verwendeten Material erkennen und darauf regieren;
f) eine Revision der Lehrbücher durchzuführen, damit diese besser die Vielfalt und Pluralität der Gesellschaft widerspiegeln und hierbei auf den Beitrag der Minderheitengruppen zur Gesellschaft hinzuweisen;
g) sicherzustellen, dass die Qualität der Lehrbücher regelmäßig in Kooperation mit allen Betroffenen überwacht wird, damit aus ihnen rassistische oder diskriminierende Elemente entfernt werden;
h) die Schüler im Gebrauch des Internet als Instrument zu unterrichten, um so zu lernen, wie Rassismus und Rassendiskriminierung bekämpft werden kann, und ihnen die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die sie vor rassistischen Inhalten schütze, wie z.B. Softwarefilter;
i) sicherzustellen, dass Organe zur Überwachung der Qualität der Bildung wie Bildungsministerien und/oder Schulaufsichtsbehörden die Beobachtung von Rassismus und Rassendiskriminierung in ihre reguläre Arbeit einbeziehen;
III. Schulung des gesamten Lehrkörpers für die Arbeit in einem multikulturellen Umfeld und hierzu:
1. ihnen auf allen Ebenen eine Aus- und Fortbildung anzubieten, damit sie bei ihrer Lehrtätigkeit auf die Bedürfnisse von Schülern aus unterschiedlichem Kulturen vorbereitet sind;
2. ihnen eine Aus- und Weiterbildung anzubieten, damit sie für Fragen von Rassismus und Rassendiskriminierung und ihre schädlichen Auswirkungen auf den schulischen Erfolg bei Kindern, die Opfer dieser Phänomene geworden sind, sensibilisiert werden;
3. sicherzustellen, dass sie eine Schulung in nationaler Anti-Diskriminierungsgesetzgebung erhalten;
4. sicherzustellen, dass sie darin geschult werden, an den Schulen jedes Auftreten von Rassismus und Rassendiskriminierung, einschließlich indirekter und struktureller Diskriminierung, zu verhindern und rasch und effektiv gegen solche auftretenden Probleme vorzugehen;
5. ihnen eine Aus- und Weiterbildung in Fragen der Menschenrechte und Rassendiskriminierung anzubieten, die unter anderem Folgendes umfasst:
a) internationale und europäische Standards;
b) den Einsatz von Unterrichtsmaterial speziell für den Unterricht in Menschenrechten, einschließlich des Rechts auf Gleichheit;
c) den Einsatz von interaktiven und partizipativen Unterrichtsmethoden;
6. einen Rahmen zur Verfügung zu stellen, in dem die Mitglieder des Lehrberufes regelmäßig ihre Erfahrungen austauschen und die Methoden für den Unterricht in Menschenrechten, einschließlich des Rechts auf Gleichheit, aktualisieren können
IV. Sicherzustellen, dass alle hier empfohlenen Maßnahmen finanziell unterstützt und regelmäßig überwacht werden, um ihre Wirkungen zu beurteilen und sie – wenn notwendig – anzupassen.
Zuletzt aktualisiert am September 19, 2021 von eurogesetze
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