Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz
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Allgemeine politiK-Empfehlung Nr.11 von ECRI Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung in der Polizeiarbeit
verabschiedet am 29. Juni 2007
Straßburg, den 4. Oktober 2007
Secretariat of ECRI
Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI)
Unter Bezugnahme auf Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention, des Protokolls Nr. 12 zu dieser Konvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte;
Unter Bezugnahme auf das internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung;
Unter Hinweis auf die Allgemeine Politik-Empfehlung Nr. 7 von ECRI zur staatlichen Gesetzgebung zur Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung;
Unter Hinweis auf die Allgemeine Politik-Empfehlung Nr. 8 von ECRI zur Bekämpfung von Rassismus beim Kampf gegen Terrorismus;
Unter Hinweis auf die Empfehlung Rec (2001)10 des Ministerkomitees an die Mitgliedsstaaten über einen Europäischen Verhaltenskodex für die Polizei, vom Ministerkomitee des Europarats am 19. September 2001 verabschiedet;
Unter Hinweis auf die Leitlinien des Ministerkomitees des Europarats über die Wahrung der Menschenrechte beim Kampf gegen Terrorismus;
Unter Hinweis auf die vom Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe aufgestellten Normen;
Unter Hinweis auf die Allgemeine Politische Empfehlung Nr. XXXI über Rassendiskriminierung in der Verwaltung und im Strafvollzug, verabschiedet am 17. August 2005 vom Ausschuss für die Beseitigung von Rassendiskriminierung;
Unter Hinweis auf die Empfehlungen des Hohen Kommissars für Nationale Minderheiten der OSZE zur Polizeiarbeit in einer ethnisch gemischten Bevölkerung (OSCE High Commissioner on National Minorities’ Recommendations on Policing in Multi-Ethnic Societies) vom Februar 2006;
Unter Betonung des Umstands, dass ECRI in seinen Länderberichten regelmäßig den Mitgliedsstaaten empfiehlt, wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung bei der Polizeiarbeit zu ergreifen;
Unter Betonung der positiven Rolle, die der Polizei bei der Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung sowie bei der Förderung der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit zukommt;
Unter Betonung der Notwendigkeit, die Polizei mit allen erforderlichen personellen, finanziellen und sonstigen Mitteln auszustatten damit sie ihre Rolle in vollem Umfang wahrnehmen kann
Im Bewusstsein der Tatsache, dass die Polizei bei der Bekämpfung der Kriminalität einschließlich des Kampfes gegen Terrorismus eine herausfordernde Aufgabe zu bewältigen hat.
Unter Betonung des Umstands, dass die Polizei, um ihre Aufgaben voll und ganz zu erfüllen, sicherstellen muss, dass die Rechte und die Sicherheit aller Personen geschützt und gewährleistet werden.
Empfiehlt den Regierungen der Mitgliedsstaaten:
I. Hinsichtlich von rassischer Profilbildung
1. rassische Profilbldung eindeutig zu untersagen und klar zu definieren;
Unter rassischer Profilbildung im Sinn der vorliegenden Empfehlung versteht man
„Die ohne objektive und vernünftige Begründung erfolgende polizeiliche Berücksichtigung von Merkmalen wie Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder ethnische Herkunft im Rahmen von Kontrollen. Überwachungen oder Ermittlungen“;
2. Das Problem rassischer Profilbildung zu untersuchen und für eine diesbezügliche laufende Beobachtung der Polizeiarbeit zu sorgen, um Praktiken der Erstellung rassischer Profile aufzudecken, z.B. auch mittels statistischer Angaben über die in Frage stehende Polizeiarbeit, aufgeschlüsselt nach Motiven wie nationale oder völkische Herkunft, Sprache, Religion und Staatsangehörigkeit;
3. Das Erfordernis vernünftig begründeten Verdachts einzuführen, dem zufolge die mit Kontrolle, Überwachung und Ermittlungen zusammenhängenden Befugnisse der Polizei nur auf Grund von Verdachtsmomente wahrgenommen werden dürfen, die auf objektiven Kriterien beruhen,
4. In der Polizeiausbildung auf das Problem rassischer Profilbildung und auf das Erfordernis vernünftig begründeter Verdachtsmomente einzugehen;
II. Hinsichtlich aller Formen von Rassendiskriminierung und rassistisch motivierten missbräuchlichen Polizeiverhaltens
5. Sich zu vergewissern, dass der Anwendungsbereich gesetzlicher Verbote direkter oder indirekter Rassendiskriminierung auch die Polizeiarbeit umfasst;
6. Die Polizei in Fragen der Menschenrechte, wozu auch das Recht auf Schutz vor Rassismus und Rassendiskriminierung gehört, sowie in den geltenden Rechtsvorschriften gegen Rassismus und Rassendiskriminierung auszubilden;
7. Maßnahmen mit dem Ziel zu ergreifen, der Polizei bewusst zu machen, dass Akte von Rassendiskriminierung und rassistisch motiviertes Fehlverhalten der Polizei nicht geduldet werden;
8. Vorkehrungen zur Unterstützung und Beratung von Opfern von Rassendiskriminierung und rassistisch motivierten Fehlverhaltens der Polizei zu treffen;
9. Die Einleitung wirksamer Untersuchungsverfahren zu gewährleisten, wenn behauptet wird, es sei zu Rassendiskriminierung oder zu rassistisch motiviertem Fehlverhalten der Polizei gekommen, und gegebenenfalls dafür zu sorgen, dass die Täter in solchen Fällen angemessen bestraft werden;
10. Eine von der Polizei und der Staatsanwaltschaft unabhängige Stelle zur Untersuchung behaupteter Fälle von Rassendiskriminierung und rassistisch motivierten Fehlverhaltens der Polizei zu schaffen;
III. Hinsichtlich der Rolle der Polizei bei der Bekämpfung von rassistischen Straftaten und der Überwachung rassistischer Vorfälle
11. Sich zu vergewissern, dass die Polizei rassistische Straftaten gründlich untersucht, vor allem unter voller Berücksichtigung etwaiger rassistischer Beweggründe bei gewöhnlichen Straftaten;
12. Ein System zu schaffen und zu unterhalten, um rassistischer Vorfälle und die Anzahl der Fälle zu registrieren und zu verfolgen, in denen die Staatsanwaltschaft mit solchen Vorfällen befasst wurde und diese letztendlich als rassistische Straftaten eingestuft hat. Die Opfer und Zeugen rassistischer Vorfälle zu ermutigen, diese Vorfälle anzuzeigen;
13. Opfer und Zeugen von rassistischen Vorfällen zu ermutigen, diese Vorfälle anzuzeigen;
14. Zu diesem Zweck eine weitgefasste Definition des Begriffs „rassistischer Vorfall“ vorzunehmen;
Im Sinne dieser Empfehlung versteht man unter einem rassistischen Vorfall:
„Jeden Vorfall, der vom Betroffenen oder einem Dritten als rassistisch wahrgenommen wird“ ;
IV. Hinsichtlich der Beziehungen zwischen der Polizei und den Angehörigen von Minderheitsgruppen
15. Die Pflicht der Polizei, bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die Gleichbehandlung zu fördern und Rassendiskriminierung vorzubeugen, gesetzlich zu verankern;
16. Die Polizei für die Arbeit in einer von Vielfalt geprägten Gesellschaft auszubilden;
17. Angehörige unterrepräsentierten Minderheitsgruppen in den Polizeidienst aufzunehmen und dafür zu sorgen, dass ihnen beim beruflichen Aufstieg Chancengleichheit gewährt wird;
18. Rahmenbedingungen für den ständigen Dialog und die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den Angehörigen von Minderheitengruppen zu schaffen;
19. So weit wie möglich Personen, welche die Amtssprache nicht beherrschen und mit der Polizei zu tun bekommen, Zugang zu professionellen Dolmetscherdiensten zu verschaffen;
20. Sicherzustellen, dass sich die Polizei gegenüber den Medien und der allgemeinen Öffentlichkeit in einer Weise äußert, die feindseliger Haltung und Vorurteilen gegenüber Angehörigen von Minderheitsgruppen keinen Vorschub leistet.
ERLÄUTERUNG DER BEWEGGRÜNDE
Einleitung
21. Die vorliegende Allgemeine Politik-Empfehlung (im Folgenden kurz: die Empfehlung) konzentriert sich auf die Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung in der Polizeiarbeit. Die Empfehlung will jedoch nicht sämtliche Aspekte der Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung in der Polizeiarbeit mit gleich vielen Details erfassen. Die Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung in der Polizeiarbeit war auf nationaler wie internationaler Ebene Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit unter verschiedenen Aspekten, und auch andere internationale Organisationen haben zu diesem Thema Empfehlungen verabschiedet. Folglich möchte ECRI zwar das Problem so ausführlich wie möglich behandeln, sich aber auf die Aspekte der Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung in der Polizeiarbeit konzentrieren, für die ECRI als unabhängige Menschenrechtsgremium, das innerhalb des Europarats speziell für die Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung zuständig ist, etwas Zusätzliches beisteuern kann.
22. Der Ausdruck „Polizei“ im Sinne dieser Empfehlung bezeichnet Beamte, welche die Machtbefugnis ausüben (oder über sie kraft Gesetzes verfügen), Gewalt anzuwenden, um die Wahrung des Rechts und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in der Gesellschaft sicherzustellen, wozu normalerweise die Verhütung und Aufdeckung von Straftaten gehört. Diese Empfehlung gilt für alle Arten von Polizei, unabhängig davon, wie sie organisiert ist, zentralstaatlich oder örtlich, zivil oder militärisch, unabhängig davon, ob man sie als Dienste oder als Polizeikräfte bezeichnet, gleichgültig, ob sie der Zentralregierung oder internationalen, regionalen oder kommunalen Gremien oder gar einer größeren Öffentlichkeit gegenüber verantwortlich ist. Diese Definition umfasst auch die Geheim- und Nachrichtendienste sowie die Grenzpolizei. Sie schließt auch private Firmen ein, die polizeiliche Machtbefugnisse der oben definierten Art ausüben.
23. Zur Vermeidung jeder Form von Rassismus und Rassendiskriminierung hat die Polizei zweierlei Aufgaben zu erfüllen: Einerseits muss sie sich den Herausforderungen der Bekämpfung der Kriminalität einschließlich des Terrorismus stellen, indem sie gleichermaßen die öffentliche Sicherheit und die Achtung der Rechte aller befördert. Andererseits fördert die Polizei auch die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit. Es geht dieser Empfehlung also keineswegs darum, Fehlverhalten der Polizei aufzuzeigen und schon gar nicht, die Polizei anzuprangern. Die Empfehlung will ganz einfach helfen, die Sicherheit und die Menschenrechte mit Hilfe einer vorbildlichen Polizei zu fördern.
24. Die Empfehlung bezieht sich auf Rassismus und Rassendiskriminierung im Zusammenhang mit der Bekämpfung aller Straftaten einschließlich des Terrorismus. In den Länderberichten geht ECRI regelmäßig auf das Probleme von Rassismus und Rassendiskriminierung bei der polizeilichen Verbrechensbekämpfung ein. ECRI erarbeitet Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten für eine bessere Vorgehensweise gegen solche Verhaltensweisen. Erst kürzlich hat ECRI sich in seinen Länderberichten besorgt über Informationen geäußert, denen zufolge Fälle von Rassismus und Rassendiskriminierung durch Polizeibeamte, unter anderem auch Fälle rassischer Profilbildung, sich häufen und eine neue Dimension angenommen haben, insbesondere bei der Bekämpfung terroristischer Straftaten.
25. ECRI ist sich der Schwierigkeiten bewusst, denen die Polizei bei ihrer Arbeit ausgesetzt ist. ECRI weiß durchaus, welchen Herausforderungen die Polizei bei ihrem täglichen Kampf gegen die Kriminalität einschließlich des Terrorismus zu bestehen hat. ECRI ist jedoch überzeugt, dass Rassismus und Rassendiskriminierung einschließlich der Erstellung rassischer Profile keine akzeptable Antwort auf derartige Herausforderungen darstellen erstens, weil sie eine Verletzung der Menschenrechte bedeuten; zweitens, weil sie die Vorurteile und Klischee-Vorstellungen über bestimmte Minderheitsgruppen verstärken und Rassismus und Rassendiskriminierung ihnen gegenüber in den Augen der Bevölkerung als durchaus legitim erscheinen lassen ; drittens, weil rassische Profilbildung nicht weiter hilft und eher zur Verminderung als zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit beiträgt. ECRI ist der Ansicht, dass vor allem das Vertrauen aller Bevölkerungsgruppen in die Polizei die öffentliche Sicherheit stärkt. Die Polizei ist nicht in der Lage, ohne die Zusammenarbeit mit allen Bevölkerungsgruppen, seien sie in der Mehrheit oder in der Minderheit, wirksame Arbeit zu leisten, besonders wenn es darum geht, bestimmte Sicherheitsprobleme in den Griff zu bekommen.
26. Es ist wichtig, wirksame Schutzmaßnahmen gegen mögliche rassistische Amtshandlungen von Polizeibeamten zu treffen. Niemand wird der Polizei über den Weg trauen, wenn er sieht, dass Polizeiangehörige ihre Machtbefugnisse, die sie zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben benötigen, ungestraft missbrauchen dürfen.
I. Hinsichtlich rassischer Profilbildung
Absatz 1 der Empfehlung :
„Rassische Profilbildung gesetzlich klar zu definieren und zu untersagen:
Unter rassischer Profilbildung im Sinne der vorliegenden Empfehlung ist zu verstehen:
‚Die ohne nachvollziehbare objektive und vernünftige Gründe erfolgende polizeiliche Berücksichtigung von Merkmalen wie Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder ethnische Herkunft im Rahmen von Kontrollen, Überwachungen und Ermittlungen’“
27. Die Empfehlung enthält eine Definition des Begriffs „rassische Profilbildung“. Insoweit als die rassische Profilbildung eine Sonderform der Rassendiskriminierung darstellt, stützt sich die Definition des Begriffs „rassische Profilierung“ auf die in der Allgemeinen Politik-Empfehlung Nr. 7 von ECRI (im Folgenden kurz: APE Nr. 7) zur staatlichen Gesetzgebung für die Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung enthaltene Definition der Rassendiskriminierung sowie auf die der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zugrunde gelegte Definition des Begriffs „Diskriminierung“.
28. Bei der rassischen Profilbildung handelt es sich um die polizeiliche Berücksichtigung bestimmter Merkmale ohne objektive und vernünftige Begründung im Rahmen von Kontrollen, Überwachungen und Ermittlungen. ECRI geht davon aus, dass keine objektive und vernünftige Begründung in Fällen vorliegt, in denen die Berücksichtigung solcher Merkmale kein legitimes Ziel verfolgt oder in denen die eingesetzten Mittel in keinem vernünftigen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen.
29. ECRI betont, dass, selbst wenn abstrakt ein legitimes Ziel verfolgt wird (z.B. die Aufrechterhaltung der Ordnung und die Verhütung von Straftaten), die polizeiliche Berücksichtigung solcher Merkmale bei Kontrollen, Überwachungen und Ermittlungen sich fast nie rechtfertigen lässt, abgesehen von Fällen, in denen die Polizei auf Grund der konkreten Beschreibung eines Verdächtigen unter Einhaltung bestimmter Fristen einschreitet, das heißt, wenn die Polizei eine bestimmte Spur verfolgt und eine mit Identitätsmerkmalen genau beschriebene Person sucht, die in eine bestimmte strafbare Handlung verwickelt ist. Um jegliche rassische Profilbildung zu vermeiden, muss die Polizei Kontrollen, Überwachungen und Ermittlungen streng begrenzt auf individuelles Verhalten und/oder ihr vorliegende Informationen stützen.
30. Hinsichtlich unterschiedlicher Behandlung auf Grund ethnischer Herkunft weist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darauf hin, dass er „auf jeden Fall der Ansicht ist, dass sich in einer auf den Grundsätzen des Pluralismus und der Achtung der kulturellen Vielfalt beruhenden heutigen demokratischen Gesellschaft eine ausschließlich oder in maßgeblicher Weise auf die ethnische Herkunft einer Person gestützte unterschiedliche Behandlung in keinem Fall objektiv rechtfertigen lässt (EGMR, 13. Dezember 2005, Timitschew gegen Russland, § 58). Was die unterschiedlicher Behandlung auf Grund der Staatsangehörigkeit betrifft, zählt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einen derartigen Grund zu denen, für die „sehr überzeugende Argumente“ verlangt werden, wenn die unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt werden soll (EGMR, 16. September 1996, Gaygusuz gegen Österreich, § 42). Ganz allgemein betont ECRI, wie bereits in der Allgemeinen Politik-Empfehlung Nr. 7 ausgeführt, dass der Begriff „objektive und vernünftige Begründung“ für die unterschiedliche Behandlung aus dem einen oder anderen der oben genannten Gründe so eng wie möglich auszulegen ist.
31. Unter Berücksichtigung all dieser Grundsätze sind im Zusammenhang mit rassischer Profilbildung verschiedene Kriterien zu berücksichtigen um zu beurteilen, ob die angewandten Mittel tatsächlich in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen. Dabei handelt es sich um folgende Kriterien:
32. i) das Kriterium der Wirksamkeit: die Frage, ob die konkrete Maßnahme geeignet ist, dass angestrebte Ziel zu erreichen. Bei dem Kriterium der Wirksamkeit geht es darum festzustellen, in welchem Ausmaß die vorgenommene Handlung die Identifizierung von Straftätern ermöglicht hat; in welchem Maße die vorgenommene Maßnahme die Fähigkeit der Polizei zur Zusammenarbeit mit Minderheitsgruppen zur Identifizierung von Straftätern in Mitleidenschaft gezogen hat; schließlich in welchem Ausmaß die fragliche Maßnahme die Polizei davon abgelenkt haben mag, tatsächlich begangene Straftaten aufzuklären.
33. ii) das Kriterium der Notwendigkeit: das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein weniger eingreifender Mittel zur Erreichung desselben Ziels.
34. iii) das Kriterium des angerichteten Schadens: das Ausmaß, in dem die Rechte des Einzelnen durch die vorgenommene Handlung beeinträchtigt werden (das Recht auf Achtung der Privatsphäre und des Familienlebens, das Recht auf Freiheit und Sicherheit, der Schutz vor Diskriminierung usw.). Abgesehen von auf die Verletzung individueller Rechte bezogenen Erwägungen ist das Kriterium des angerichteten Schadens in weit gefasstem Sinn zu verstehen. Es gilt, auch das Ausmaß in Erwägung zu ziehen, in dem die vorgenommene Maßnahme Vorurteile institutionalisiert und in den Augen der Öffentlichkeit diskriminierendes Verhalten gegenüber bestimmten Gruppen zu legitimieren. Untersuchungen haben die äußerst verhängnisvollen Auswirkungen der Erstellung rassischer Profile aufgezeigt. Profilbildung dieser Art erzeugt in bestimmten Personengruppen ein Gefühl der Erniedrigung und der Ungerechtigkeit, führt zu ihrer Stigmatisierung und Entfremdung und verschlechtert das Verhältnis zwischen diesen Gruppen und der Polizei, weil sie das nötige Vertrauen in die Polizei verlieren. Um das Merkmal des angerichteten Schadens richtig einzuschätzen, gilt es, in diesem Zusammenhang das Verhalten der Polizei bei Kontrollen, Überwachungen und Ermittlungen zu berücksichtigen. Beim Anhalten und der Feststellung der Personalien zum Beispiel ist es für die Erfahrung des Betroffenen von großer Bedeutung, wie höflich die Polizei dabei war und welche Begründung sie für ihre Maßnahme angegeben hat. Wichtig ist es auch, das Ausmaß abzuschätzen, in dem bestimmte Gruppen durch Entscheidungen der Polizei an den Pranger gestellt werden, ihre Ermittlungen auf ganz bestimmte Straftaten oder bestimmte geografische Gebiete zu konzentrieren,.
35. Die von ECRI gegebene Definition des Begriffs der rassischen Profilbildung umfasst eine keinesfalls erschöpfende Liste von Gründen. Zusätzlich zu den ausdrücklich erwähnten Gründen gibt es noch andere Gründe, bei denen sich das Problem rassischer Profilbildung stellen kann, so z.B. wenn man darauf abstellt, ob eine Person aus einem ganz bestimmten Ursprungsland kommt. In diese Kategorie gehören Fälle, bei denen Fluggäste, die aus bestimmten Ländern kommen, bestimmten Identitätskontrollen unterzogen werden. Was den Grund der „Rasse“ anbetrifft, so lehnt ECRI zwar die auf der Existenz verschiedener „Rassen“ beruhenden Theorien ab, möchte sich aber nichtsdestoweniger dieses Begriffs in der Empfehlung bedienen, um sicherzugehen, dass Personen, die allgemein, wenn auch irrtümlich, als Angehörige einer „anderen Rasse“ wahrgenommen werden, nicht vom Schutz, den die vorliegende Empfehlung gewähren will, ausgeschlossen werden. Der in der Definition rassischer Profilbildung verwendete Begriff „Gründe“ sollte sowohl tatsächliche als auch vermutete Gründe umfassen. Wenn jemand zum Beispiel von der Polizei in der Annahme, er sei Moslem, angehalten und kontrolliert wird, obwohl er in Wirklichkeit gar kein Moslem ist, so handelt es sich gleichwohl um einen Akt rassischer Profilbildung aus Gründen der Religion.
36. Die Definition von rassischer Profilbildung bezieht sich auf Aktivitäten im Rahmen von Kontrollen, Überwachungen und Ermittlungen. Diese Definition umfasst Handlungen wie z.B. Anhalten und Durchsuchungen, Feststellung der Personalien, Durchsuchung von Fahrzeugen, Leibesvisitation, Durchsuchung von Wohnungen oder anderer Räume, Durchsuchung und Feststellung der Personalien einer ganzen Gruppe von Personen, Razzien, Überwachung (etwa das Abhören von Telefongesprächen) und das Abgleichen von Personalien mit großen Datenbeständen. Wenn auch diese Aufzählung keineswegs erschöpfend ist, so fallen doch polizeiliche Tätigkeiten, die einen anderen Zweck als Kontrolle, Überwachung oder Ermittlungen verfolgen (z.B. die Behandlung von Personen im Polizeigewahrsam) nicht unter die von ECRI gegebene Definition der rassischen Profilbildung. Freilich können auch solche Tätigkeiten eine Verletzung des Diskriminierungsverbots darstellen (vgl. hierzu Sektion II).
37. Rassische Profilbildung ist im wesentlichen das Ergebnis bestehender Klischee-vorstellungen innerhalb der Polizei, denen zufolge Personen, die auf Grund ihrer Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationalen oder ethnischen Herkunft bestimmten Personengruppen zugerechnet werden, eher als andere zur Begehung von Straftaten oder von bestimmten Arten von Straftaten neigen. Jedoch muss das Verbot rassischer Profilbildung auch Fälle einschließen, bei denen sich ein Zusammenhang zwischen den Klischeevorstellungen und der rassischen Profilierung schwieriger nachweisen lässt.
38. Ebenso wie rassische Diskriminierung kann rassische Profilbildung die Form indirekter Rassendiskriminierung annehmen (vgl. hierzu die Definition indirekter Rassendiskriminierung weiter unten in Absatz 49-b). Mit anderen Worten: Die Polizei kann sich (ohne objektive und vernünftige Begründung) auf anscheinend neutrale Merkmale stützen, die jedoch in unverhältnismäßiger Weise eine Personengruppe betreffen, die sich durch ihre Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder ethnische Herkunft von anderen unterscheidet. Zum Beispiel kann eine Anweisung an die Polizei, alle Frauen mit Kopftuch festzunehmen, eine Form rassischer Profilbildung insoweit darstellen, als solche Festnahmen muslimische Frauen in unverhältnismäßiger Weise beträfen, ohne dass eine objektive und vernünftige Begründung vorläge. Das Verbot rassischer Profilbildung schließt auch solche Formen indirekter rassischer Profilbildung ein. Ferner kann die rassische Profilbildung in gleicher Weise wie die Rassendiskriminierung die Form einer Diskriminierung auf Grund der Zugehörigkeit zu einer Vereinigung annehmen. Letztere liegt dann vor, wenn jemand wegen seiner Zugehörigkeit zu einer Vereinigung oder wegen seiner Kontakte zu Personen, die sich durch die oben genannten Gründe unterscheiden, diskriminiert wird.
39. Die Empfehlung bezieht sich auf die Notwendigkeit, „rassische Profilbildung gesetzlich zu untersagen“. , Was Sanktionen für Verstöße gegen dieses Verbot angeht, müssen die in der Allgemeinen Politik-Empfehlung Nr. 7 von ECRI genannten Sanktionen verhängt werden, da rassische Profilbildung eine Form von Rassendiskriminierug darstellt.. Zusätzlich zu Sanktionen und juristischen Schritten, die ja im wesentlichen das Verhalten des einzelnen Polizisten regeln sollen, sollten flexiblere Wiedergutmachungsverfahren eingeführt werden, um die Probleme in den Griff zu bekommen, die mit der Art rassischer Profilbildung in Zusammenhang stehen, die das Ergebnis institutioneller Politik und Praxis ist. Zum Beispiel könnte eine geeignete Behörde aufgrund glaubhafter Informationen, denen zufolge eine Polizeidienststelle sich rassischer Profilbildung bedient, ermächtigt werden, eine kritische Durchleuchtung der Politik (dieser Dienststelle) in die Wege zu leiten, um dieser Frage mittels einer Überprüfung der derzeitigen Politik, der Ausbildung, der Polizeiprotokolle oder sonstiger Faktoren im Bereich dieser Dienststelle auf den Grund zu gehen. In dem besonderen Fall, dass die Verwaltungsvorschriften keine solche Überprüfung der Politik einer Dienststelle vorsehen, könnte eine derartige Überprüfung einer unabhängigen Instanz anvertraut werden. Diese Aufgabe könnte von der unabhängigen Stelle zur Untersuchung von Fällen behaupteter Rassendiskriminierung und rassistisch motivierten polizeilichen Fehlverhaltens wahrgenommen werden (deren Einrichtung in Ziffer 10 empfohlen wird) oder von dem besonderen Gremium, dessen Schaffung ECRI in der Allgemeinen Politik-Empfehlung Nr. 2 über besondere Gremien zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz auf nationaler Ebene empfiehlt.
Ziffer 1 der Empfehlung lautet:
„Das Problem rassischer Profilbildung zu untersuchen und für eine diesbezügliche Verfolgung der Polizeiarbeit zu sorgen, um Praktiken rassischer Profilbildung aufzudecken, z.B. auch mittels statistischer Angaben über die in Frage stehende Polizeiarbeit, aufgeschlüsselt nach Gründen wie nationale oder völkische Herkunft, Sprache, Religion und Staatsangehörigkeit“
40. Es gibt in den Mitgliedsstaaten des Europarats nur sehr wenige Untersuchungen über rassische Profilbildung und die die darauf bezogene laufende Beobachtung der Polizeiarbeit. Bedauerlicherweise sind die Kenntnisse sehr lückenhaft, sowohl was die Untersuchung der Methoden zur Feststellung des Ausmaßes rassischer Profilbildung anbetrifft als auch, was Untersuchungen über die verschiedenen oben erwähnten Aspekte rassischer Profilbildung, also der Kriterien der Wirksamkeit, der Notwendigkeit und des durch die rassische Profilbildung verursachten Schadens anbelangt. ECRI fürchtet, dass diese Kenntnislücken die ungehinderte Fortdauer der Praxis rassischer Profilbildung und ihre Zunahme im Zusammenhang mit besonderen Sicherheitsproblemen begünstigen.
41. Was die laufende Beobachtung der Polizeiarbeit zur Feststellung etwaiger rassischer Profilbildung angeht, muss betont werden, dass in den meisten Mitgliedsstaaten des Europarats eine der Hauptursachen für fehlende Sachkunde in Fragen rassischer Profilierung daran liegt, dass es an statistischen Angaben fehlt, die nach Gründen wie nationale oder ethnische Herkunft, Sprache, Religion und Staatsangehörigkeit aufgeschlüsselt sind. ECRI hat in den Länderberichten, welche die Weiterverfolgung der Empfehlungen betrafen, den Mitgliedsstaaten stets empfohlen, solche Erhebungen durchzuführen, um die Situation von Minderheitsgruppen weiter im Auge behalten und ihre etwaige direkte oder indirekte Diskriminierung feststellen zu können. Die Polizeiarbeit und ganz allgemein die Strafjustiz sind wichtige Bereiche, für die ECRI solche Erhebungen gefordert hat, um das entsprechende Verantwortungsbewusstsein zu stärken und eine auf den erforderlichen Kenntnissen beruhende Grundlage für politische Entscheidungen zu liefern. ECRI betont auch ständig, dass derartige Angaben unter Beachtung der Grundsätze der Vertraulichkeit, des Einverständnisses (nach entsprechender Aufklärung) und der freiwilligen Selbstidentifizierung von Personen als Angehörige einer bestimmten Gruppe gesammelt werden müssen. Solche Erhebungen müssen in enger Zusammenarbeit mit allen Betroffenen einschließlich der Organisationen der Zivilgesellschaft durchgeführt werden.
42. Um zu gewährleisten, dass nach nationaler oder ethnischer Herkunft, Sprache, Religion und Staatsangehörigkeit aufgeschlüsselte Angaben die Feststellung des Ausmaßes rassischer Profilbildung ermöglichen, müssen diese Angaben hinsichtlich der relevanten Tätigkeitsbereiche der Polizei erhoben werden, wozu Identitätskontrollen, Durchsuchung von Fahrzeugen, Leibesvisitation, Durchsuchung von Wohnungen und anderen Räumlichkeiten und Razzien zählen. Aus den durchgeführten Erhebungen muss das Endergebnis der fraglichen Tätigkeit (strafrechtliche Untersuchung und etwaige Verurteilung) ersichtlich sein. Nur so lässt sich feststellen, ob das Verhältnis zwischen den durchgeführten Kontrollen und der schließlich erfolgten Verurteilung sich bei Mitgliedern von Minderheitsgruppen von dem der restlichen Bevölkerung unterscheidet. Damit solche Untersuchungen und die laufende Beobachtung von Fällen rassischer Profilbildung von Nutzen sind, müssen diese den gehobenen Anforderungen wissenschaftlicher Untersuchungen entsprechen, was sich an den angewandten Methoden ablesen lässt. In Europa und auch anderswo wurden bereits gute praktische Verfahren zur Feststellung des Ausmaßes von Fällen rassischer Profilbildung entwickelt. Man muss zum Beispiel im Rahmen einer laufenden Beobachtung eventueller Praktiken rassischer Profilbildung bei Feststellungen der Personalien und Durchsuchungen, die in einem bestimmten Stadtviertel und zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgenommen werden, darüber wachen, dass die Zusammensetzung der zum fraglichen Zeitpunkt dort anwesenden Bevölkerung genau ermittelt wird, um festzustellen, ob die Polizei so viele Mitglieder von Minderheitsgruppen anhält, dass dies in der konkreten Situation als unverhältnismäßig anzusehen ist.
43. ECRI betont, dass die Polizei durch die Erhebung solcher Daten ihren guten Willen und ihre Bereitschaft demonstriert, auf die Klagen von Minderheitsgruppen einzugehen. Falls kein Fall rassischer Profilbildung festgestellt wird, kann das Vertrauensverhältnis wieder hergestellt oder gestärkt und die Gefahr, dass die Polizei aggressivem Verhalten ausgesetzt ist, vermindert werden. ECRI weist im übrigen darauf hin, dass der bloße Eindruck, dass die Polizei sich rassischer Profilbildung bediene, wenigstens ebenso schädlich ist wie die tatsächlich praktizierte rassische Profilbildung.
Ziffer 3 der Empfehlung lautet:
„Das Erfordernis vernünftig begründeten Verdachts einzuführen, dem zufolge die mit Kontrolle, Überwachung und Ermittlungen zusammenhängenden Befugnisse der Polizei nur auf Grund von Verdachtsmomenten wahrgenommen werden dürfen, die auf objektiven Kriterien beruhen“
44. Der Europäischer Verhaltenskodex für die Polizei sieht in Paragraph 47 vor, dass „Ermittlungen der Polizei sich mindestens auf den begründeten Verdacht einer begangenen oder geplanten Straftat stützen müssen“. Wie in der Begründung zu dem Kodex ausgeführt, heißt das, dass der Verdacht einer Zuwiderhandlung oder Straftat durch bestimmte objektive Kriterien gerechtfertigt sein muss, ehe Ermittlungen eingeleitet werden. ECRI ist der Ansicht, dass die Einführung des Erfordernisses eines vernünftig begründeten Verdachts bei der Wahrnehmung polizeilicher Ermittlungsbefugnisse und bei der Ausübung polizeilicher Befugnisse im Rahmen von Kontrollen und Überwachungen ein besonders wichtiges Hilfsmittel im Kampf gegen rassische Profilbildung darstellt. ECRI empfiehlt daher die Einführung dieses Erfordernisses im Rahmen der Gesetze und Verordnungen, die in den verschiedenen Mitgliedsstaaten die Ausübung dieser polizeilichen Befugnisse regeln.
Ziffer 4 der Empfehlung lautet:
„In der Polizeiausbildung auf das Problem rassischer Profilbildung und das Erfordernis vernünftig begründeter Verdachtsmomente einzugehen“
45. In dieser Ausbildung muss klar zum Ausdruck kommen, dass rassische Profilbildung – wie oben beschrieben – unrechtmäßig, ineffizient und schädlich ist.
46. Die Ausbildung zur Handhabung des Erfordernisses des vernünftig begründeten Verdachts muss praktische Beispiele aus Einsatzsituationen und Hinweise auf das erwartete Verhalten der Polizei bei Ausübung ihrer Befugnisse einschließen. Sie muss ferner praktische Grundsätze für polizeiliches Verhalten in konkreten Situationen umfassen, an Hand derer sich feststellen lässt, ob sich das Vorgehen der Polizei mit dem Erfordernis des vernünftig begründeten Verdachts vereinbaren lässt. Ein solcher Grundsatz könnte beispielsweise sein, dass die Gründe, auf die der Polizeibeamte seinen Verdacht stützt, auch einer vernünftigen dritten Person einleuchten würden. Ein weiterer Grundsatz könnte darin bestehen, dass ein vernünftig begründeter Verdacht jedenfalls dann nicht gegeben ist, wenn sich der Polizeibeamte von vornherein sagen muss, dass wenig oder keine Aussicht besteht, dass die Ausübung seiner Befugnisse zur Aufdeckung einer Straftat führen wird. Wenn im übrigen ein vernünftig begründeter Verdacht besteht, dass in einem geografisch klar begrenzten Gebiet eine Straftat begangen wurde oder geplant wird, so darf der Polizeibeamte seine Befugnisse gegenüber allen in diesem Gebiet befindlichen Personen wahrnehmen, vorausgesetzt, er diskriminiert niemanden.
47. Damit diese besondere Ausbildung , wie sie oben skizziert wurde, etwas bringt, muss sie Hand in Hand mit einer allgemeinen Ausbildung einhergehen, die der Sensibilisierung der Polizei in Menschenrechtsfragen und hinsichtlich der Notwendigkeit der Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung dient (vgl. zu diesem Punkt die übrigen Abschnitte der Empfehlung zur Ausbildung und Bewusstseinsschärfung).
II. Hinsichtlich aller Formen von Rassendiskriminierung und rassistisch motivierten Fehlverhaltens der Polizei
48. Die Empfehlungen in diesem Abschnitt beziehen sich auf sämtliche Formen von Rassendiskriminierung – einschließlich der rassischen Profilbildung – und rassistisch motivierten polizeilichen Fehlverhaltens.
Ziffer 5 der Empfehlung lautet:
„Sich zu vergewissern, dass der Anwendungsbereich gesetzlicher Verbote direkter oder indirekter Rassendiskriminierung auch die Polizeiarbeit umfasst“
49. Mit der vorliegenden Empfehlungen wiederholt ECRI die schon früher in der Allgemeinen Politik-Empfehlung Nr. 7 erhobene Forderung an die Mitgliedsstaaten, die Polizeiarbeit in den Anwendungsbereich der Gesetzgebung gegen Diskriminierung einzubeziehen. Im Rahmen dieser Empfehlung Nr. 7 versteht ECRI unter
a) „direkter Rassendiskriminierung“ jede auf ein Motiv wie Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder völkische Herkunft gegründete unterschiedliche Behandlung, für die sich keine objektive und vernünftige Begründung finden lässt. Unterschiedliche Behandlung ermangelt dann einer objektiven und vernünftigen Begründung, wenn sie kein rechtmäßiges Ziel verfolgt oder wenn die angewandten Mittel in keinem vernünftigen Verhältnis zum angestrebten Zweck stehen;
b) „indirekter Rassendiskriminierung“ den Fall, in dem ein anscheinend neutraler Faktor wie z.B. die Bereitschaft, etwas Bestimmtes zu tun,, ein bestimmtes Merkmal oder eine bestimmte Praxis nicht so leicht von Personen respektiert werden kann, die einer Gruppe angehören, die sich durch ein Merkmal wie Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder völkische Herkunft unterscheidet, oder in dem ein solcher Faktor diese Personen benachteiligt, es sei denn, dieser Faktor wäre objektiv und vernünftig zu begründen. Das ist dann der Fall, wenn ein rechtmäßiges Ziel verfolgt wird und die angewandten Mittel in einem vernünftigen Verhältnis zum angestrebten Zweck stehen.
50. Außer diesen Definitionen zählt ECRI in der Empfehlung Nr. 7 die wesentlichen Elemente einer effizienten Gesetzgebung gegen Diskriminierung auf, wozu auch die Frage der Beweislast für behauptete Diskriminierung, die vorgesehenen Sanktionen und die Handlungen, die ganz besonders als diskriminierend einzustufen sind, gehören. Alle diese Elemente müssen folglich auch auf die Polizeiarbeit Anwendung finden. ECRI erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass diese wesentlichen Elemente Teil einer umfassenderen Gesetzgebung sein können, welche die Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung in der Polizeiarbeit einschließt. Beim Erlass von Rechtsvorschriften gegen Diskriminierung in der Polizeiarbeit können die Mitgliedsstaaten zum Beispiel nicht nur die Rassendiskriminierung verbieten, sondern auch andere Formen der Diskriminierung, etwa aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Ausrichtung, einer Behinderung, politischer oder sonstiger Ansichten, der sozialen Herkunft, der Vermögensverhältnisse, der Geburt oder anderer Merkmale.
Ziffer 8 der Empfehlung lautet:
„Vorkehrungen zur Unterstützung und Beratung von Opfern rassischer Diskriminierung und rassistisch motivierten Fehlverhaltens der Polizei zu treffen“
51. Das Opfer von Rassendiskriminierung oder eines rassistisch motivierten polizeilichen Fehlverhaltens befindet sich in einer besonders prekären Lage. In der Praxis ist ja die Polizei der natürliche Ansprechpartner des Opfers solcher Handlungen, wenn sie von anderen begangen wurden. Man muss also juristischen Beistand und geeignete psychologische Unterstützung – innerhalb oder außerhalb der Polizei – sicherstellen, um den Opfern bei ihren Bemühungen um Wahrung ihrer Rechte zu helfen. Der Zugang zu gerichtlicher Hilfe und medizinischer Betreuung muss gewährleistet sein. Außerdem sind die Opfer vor Repressalien seitens der Polizei zu schützen, wozu auch missbräuchlich erhobene Gegenbeschuldigungen gehören.
52. Verfahren, um Opfern von Rassendiskriminierung und rassistischen Taten zu helfen, sind auch dann vorzusehen, wenn die Täter nicht der Polizei angehören. In einem solchen Fall kann die Polizei eine um so aktivere Rolle spielen, als sie die Opfer ermutigt, berät und an die für ihre Situation am besten geeignete Stelle weiterleitet.
53. Eine Hilfe könnte zum Beispiel die Einrichtung einer kostenlosen Telefonnummer darstellen, die rund um die Uhr den Opfern in mehreren Sprachen juristischen Rat und/oder psychologische Unterstützung anbietet. Informationen über soziale Dienststellen und/oder Einrichtungen der Zivilgesellschaft, die den Opfern Hilfe und Rat bieten können, müssen den Opfern rassischer Diskriminierung und rassistisch motivierten polizeilichen Fehlverhaltens zur Verfügung stehen. Denkbar wäre zum Beispiel die Aushändigung einer Broschüre mit Informationen über die verschiedenen, den Opfern zur Verfügung stehenden Hilfen.
Ziffer 9 der Empfehlung lautet:
„Die Einleitung wirksamer Untersuchungsverfahren zu gewährleisten, wenn behauptet wird, es sei zu rassischer Diskriminierung oder zu rassistisch motiviertem Fehlverhalten der Polizei gekommen, und gegebenenfalls dafür zu sorgen, dass die Täter in solchen Fällen angemessen bestraft werden“
54. Unter „wirksamem Untersuchungsverfahren“ versteht ECRI eine Untersuchung, die sowohl den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als auch vom Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) aufgestellten Kriterien entspricht. Um wirksam zu sein, muss eine Untersuchung vor allem geeignet, umfassend, vertieft, prompt, sorgfältig und unabhängig sein, vgl. die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (zum Beispiel EGMR, 26. Januar 2006, Mikheyev gegen Russland) und die Normen des Antifolter-Ausschusses (Die Normen des CPT, Oktober 2006, S. 84 seq., Auszug aus dem 14. Allgemeinen Bericht des CPT [CPT/Inf (2004) 28]). Es müssen Maßnahmen ergriffen werden um sicherzustellen, dass die Opfer über den weiteren Verlauf und die Ergebnissen der Untersuchung unterrichtet werden.
55. Was Untersuchungen über rassistisch motiviertes polizeiliches Fehlverhalten angeht, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Natchova gegen Bulgarien am 6. Juli 2005 wie auch in späteren Urteilen die Verpflichtung der Staatsbehörden zur Einleitung einer Untersuchung wegen eventuell rassistisch motivierten Verhaltens der Polizei betont, wenn Indizien für rassistische Beweggründe vorliegen. Unterbleibt eine hinreichende Untersuchung dieses Umstands macht sich der Staat einer Verletzung des Artikels 14 der Menschenrechtskonvention (Verbot der Diskriminierung) in Verbindung mit der Verletzung eines weiteren Artikels (zum Beispiel Artikel 2 – Recht auf Leben – oder Artikel 3 – Verbot von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ) schuldig, weil deswegen ein Verfahrensfehler vorliegt
56. Was die Verurteilung und angemessene Bestrafung von Polizeibeamten, die sich rassischer Diskriminierung oder rassistisch motivierten Fehlverhaltens schuldig gemacht haben, angeht, so erinnert ECRI an die in der Allgemeinen Empfehlung Nr. 7 aufgezählten wesentlichen Elemente einer effizienten Strafrechtsgesetzgebung zur Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung. Insbesondere erinnert ECRI daran, dass das Gesetz die rassistische Motivation als straferschwerend werten muss. Außerdem müssen die Opfer von Rassendiskriminierung und rassistische motiviertem polizeilichem Fehlverhalten eine gerechte Entschädigung für den erlittene körperlichen und seelischen Schaden erhalten.
57. Innerhalb der Polizei müssen Kontrollverfahren zur Überwachung der Polizeiarbeit in Fragen, die mit Fällen rassischer Diskriminierung oder rassistisch motiviertem Fehlverhalten zu tun haben, vorgesehen werden. Die Vorgesetzten müssen solchen Fällen besondere Priorität einräumen und ihre Untergebenen entsprechend unterrichten.
Ziffer 10 der Empfehlung lautet:
„Eine von der Polizei und der Staatsanwaltschaft unabhängige Stelle zur Untersuchung behaupteter Fälle rassischer Diskriminierung und rassistisch motivierten Fehlverhaltens der Polizei zu schaffen“
58. Die mit der Untersuchung behaupteter Fälle rassischer Diskriminierung und rassistisch motivierten polizeilichen Fehlverhaltens beauftragte Stelle muss neben den anderen Stellen errichtet sein, bei denen Beschwerden gegen die Polizei vorgebracht werden können wie etwa interne Disziplinarinstanzen (Polizeiinspektion, eine Abteilung im Innenministerium usw.) und die Staatsanwaltschaft. Die Erfahrung zeigt, dass die Opfer polizeilichen Fehlverhaltens internen Instanzen der Polizei misstrauen. Andererseits zögern sie im allgemeinen auch, sich bei Einrichtungen wie der Staatsanwaltschaft, die im Alltag eng mit der Polizei zusammenarbeiten, zu beschweren. Es ist mithin notwendig, ein System zu schaffen, dass es den Opfern erlaubt, sich vertrauensvoll bei einer unabhängigen Stelle zu beschweren, deren Hauptaufgabe darin besteht, die Arbeit der Polizei zu kontrollieren. Vgl. zu diesem Punkt auch den Abschnitt über das Verantwortungsbewusstsein der Polizei und die Transparenz ihres Handelns (Police accountability and transparency) der Handreichung über demokratische Polizeiarbeit (Guidebook on Democratic Policing) des Höheren Polizeiberaters des OSZE-Generalsekretärs (Senior Police Adviser to the OSCE Secretary General), Dezember 2006, S. 33 ff.
59. Diese mit der Untersuchung behaupteter Fälle rassischer Diskriminierung und rassistisch motivierten polizeilichen Fehlverhaltens beauftragte Stelle muss die erforderlichen Befugnisse besitzen, um ihre Aufgaben in effizienter Weise zu erfüllen. Folglich muss sie z.B. die Befugnis haben, zum Zweck der Kontrolle und Überprüfung Schriftstücke und sonstige Unterlagen anzufordern, ferner die Befugnis, Schriftstücke und sonstige Unterlagen zum Zweck der Anfertigung von Kopien oder Auszügen beschlagnahmen zu beschlagnahmen und schließlich die Befugnis, Vernehmungen durchzuführen. Wenn die Tatsachen, die dieser Stelle zur Kenntnis gebracht wurden, auf eine strafbare Handlung schließen lassen, muss die Stelle die Staatsanwaltschaft einschalten.
60. Die mit der Untersuchung behaupteter Fälle rassischer Diskriminierung und rassistisch motivierten polizeilichen Fehlverhaltens beauftragte Stelle kann verschiedene Formen annehmen. Es kann sich um eine nationale Instanz zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte handeln oder um einen auf Polizeifragen spezialisierten Ombudsman oder um eine zivile Kontrollkommission der Polizeiarbeit oder auch um das besondere Gremium, dessen Schaffung ECRI in der Allgemeinen Politik-Empfehlung Nr. 2 über besondere Gremien zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz auf nationaler Ebene empfiehlt.
61. Außer Untersuchungsvollmachten kann diese Stelle für Handlungen, die nicht unter das Strafrecht fallen, folgende Befugnisse besitzen: gütliche Streitschlichtung; Beobachtung der Polizeiarbeit und Ausarbeitung von Empfehlungen über mögliche Verbesserungen gesetzlicher oder anderer Rechtsvorschriften oder der Polizeipraxis, um gegen Rassismus und Rassendiskriminierung in der Polizeiarbeit vorgehen zu können; sowie die Festlegung von Verhaltensregeln für die Polizei. Es ist dafür zu sorgen, dass die fragliche Stelle eng mit den Organisationen zusammenarbeitet, die im Bereich der Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung tätig sind. Wichtig ist auch sicherzustellen, dass die von dieser Stelle zu schützenden Personen leichten Zugang zu ihr finden. Soweit erforderlich sind örtliche Zweigstellen einzurichten, um den Zugang zu erleichtern.
III. Hinsichtlich der Rolle der Polizei bei der Bekämpfung von rassistischen Straftaten der Verfolgung rassistischer Vorfälle
62. Die Empfehlung unterscheidet zwischen rassistischer Straftat und rassistischem Vorfall. Im Unterschied zur rassistischen Straftat (die unter das Strafrecht fällt) handelt es sich beim rassistischen Vorfall um einen Vorfall, der vom Betroffenen oder einem Dritten als rassistisch wahrgenommen wird. Mithin können alle rassistischen Straftaten zuerst einmal auch als rassistische Vorfälle eingestuft werden. Andererseits sind nicht alle rassistischen Vorfälle automatisch auch Straftaten. Es ist Sache der Untersuchungsbehörde und letztlich des Gerichts zu entscheiden, ob eine strafbare Handlung vorliegt und – falls ja – ob sie aus rassistischen Motiven heraus begangen wurde.
63. Unter rassistischen Straftaten versteht ECRI gewöhnliche Straftaten (wie Mord, Gewalttaten und andere Tätlichkeiten, Brandstiftung und Beleidigung), die aber aus rassistischen Motiven heraus begangen wurden (rassistisch motivierte Straftaten), sowie sonstige Straftaten, bei denen das rassistische Element zum Tatbestand gehört (wie Aufstachelung zum Rassenhass oder Mitgliedschaft in einer rassistischen Organisation).
64. Was die Beweggründe angeht, die der Begriff der rassistischen Straftat oder des rassistischen Vorfalls voraussetzt, so stellt ECRI in der Allgemeinen Empfehlung Nr. 7 klar, dass als Rassismus jedes Verhalten anzusehen ist, das sich auf die Rasse, die Hautfarbe, die Sprache, die Religion, die Staatsangehörigkeit oder die nationale oder ethnische Herkunft eines anderen bezieht.
Ziffer 11 der Empfehlung lautet:
„Sich zu vergewissern, dass die Polizei rassistische Straftaten gründlich untersucht, vor allem unter voller Berücksichtigung etwaiger rassistischer Beweggründe bei gewöhnlichen Straftaten“
65. Im Fall Šečić gegen Kroatien, der die polizeiliche Untersuchung eines vermutlich von Skinheads verübten rassistischen Überfalls auf einen Roma-Angehörigen betraf, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am 31. Mai 2007 ausgeführt, dass die Tatsache, dass die aus rassistischen Motiven verübte Gewalt und Brutalität in gleicher Weise wie nicht rassistisch motivierte Fälle behandelt wurde, die besonderen Natur von Handlungen, welche die Grundrechte in ganz besonderer Weise verletzen, völlig verkennt. Der Gerichtshof fand es mithin inakzeptabel, dass keine ernsthaften und sorgfältigen Maßnahmen zur Untersuchung eines sehr wahrscheinlich aus rassistischen Motiven verübten Gewaltakts ergriffen wurden, um die Täter zu ermitteln und zu bestrafen (vgl. Šečić gegen Kroatien, §§ 67-69).
66. Eine in Frage kommende praktische Maßnahme, um sicherzustellen, dass die Polizei rassistische Straftaten gründlich untersucht und insbesondere nicht die etwaige rassistische Motivation gewöhnlicher Straftaten übersieht, besteht in der Verständigung auf eine weit gefasste Definition des rassistischen Vorfalls wie er in dieser Empfehlung vorgeschlagen wird (Ziffer 14). In der Tat muss die Polizei, sobald nach dieser Definition ein rassistischer Vorfall vorliegt, dieser Spur gründlich nachgehen. Zu diesem Zweck müssen der Polizei Richtlinien an die Hand gegeben werden, wie bei Anzeige eines rassistischen Vorfalls im Einzelnen zu verfahren ist. Insbesondere müssen darin folgende Dinge angesprochen werden: Sensibilität gegenüber dem Betroffenen; die am Tatort zur Beweissicherung vorzunehmenden Maßnahmen; Ermittlung und Befragung von Zeugen; Suche nach dem Tatverdächtigen; Prüfung etwaiger Verbindungen zu organisierten rassistischen Gruppen, z.B. auch Neonazis oder Skinheads; Vorgehensweise zur Erlangung einer detaillierten Schilderung des Tathergangs durch den Betroffenen.
67. Weitere Maßnahmen können ergriffen werden, um sicher zu stellen, dass die Polizei rassistische Straftaten (einschließlich rassistisch motivierter Straftaten) gründlich untersucht. Solche Maßnahmen können z.B. sein: die Schaffung einer auf solche Straftaten spezialisierte Sondereinheit innerhalb jeder Polizeidirektion oder die Veröffentlichung entsprechender Ministerialerlässe oder anderer Verlautbarungen mit dem Ziel, das Bewusstsein der Polizei für die Notwendigkeit entschiedener Bekämpfung rassistischer Straftaten (einschließlich rassistisch motivierter Straftaten) zu schärfen.
Ziffer 12 der Empfehlung lautet:
„Ein System zu schaffen und zu unterhalten, um rassistische Vorfälle und die Anzahl der Fälle zu registrieren und zu verfolgen, in denen die Staatsanwaltschaft mit solchen Vorfällen befasst wurde und diese letztendlich als rassistische Straftaten eingestuft hat“
68. Um eine möglichst genaue Übersicht über die Situation im Hinblick auf die Häufigkeit von rassistischen Vorfällen in der Gesellschaft und die laufende Beobachtung der Reaktion der Strafgerichte auf derartige Bekundungen zu bekommen, ist es erforderlich, ein zuverlässiges System zur Registrierung und zur laufenden Beobachtung rassistischer Vorfälle zu entwickeln. Die Verständigung auf eine weit gefassten Definition des Begriffs „rassistischer Vorfall“ , die in der vorliegenden Empfehlung (Ziffer 14) vorgeschlagen wird, ist ein wichtiger Bestandteil eines solchen Systems. Die Definition will eine einheitliche Weiterverfolgung solcher Vorfälle ermöglichen und sicherstellen, dass alle Polizeieinheiten und alle zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Behörden sich derselben Konzepte bedienen.
69. Außerdem muss die Polizei (wie auch alle jene, die von rassistischen Vorfällen Kenntnis erlangen) über jeden Fall genaue Information einholen. Dies könnte z.B. mit Hilfe von Fragebögen über rassistische Vorfälle erfolgen, die verschiedene Angaben enthalten müssten, so etwa Angaben über das Opfer, den Tatverdächtigen oder den Täter, über die Art und den Ort des Vorfalls und die in Frage stehenden Motive. Ein Beispiel eines solchen Berichtsformulars über einen rassistischen Vorfall findet sich in der OSZE-Veröffentlichung „Combating Hate Crimes in the OSCE Region“ OSZE/ODIHR, 2005, Anhang D. Vgl. zu diesem Punkt auch die Veröffentlichung „La surveillance policière de la criminalité et de la violence racistes: analyse comparative“ , EUMC, September 2005.
70. Die polizeiliche Sammlung detaillierter und exakter Informationen über rassistische Vorfälle in diesem Stadium ist eine Vorbedingung für eine effiziente Weiterverfolgung der Situation, also der Frage, wie die Strafgerichtsbarkeit in ihrer Gesamtheit auf rassistische Vorfälle und rassistische Straftaten reagiert. Um eine Gesamtübersicht zu bekommen, ist es jedoch auch nötig, dass Staatsanwaltschaft und Gerichte solche Vorfälle oder Straftaten systematisch verfolgen und dieses System weiter ausfeilen. Ein derartiges System erfordert leicht zugängliche Informationen über in solchen Fällen durchgeführte Untersuchungen, eingeleitete Strafverfahren und erfolgte Verurteilungen.
71. Außerdem hilft die Tatsache, dass rassistische Vorfälle registriert werden, der Polizei, rassistische Straftaten besser zu untersuchen (wie in Ziffer 11 empfohlen), weil sie auf diese Weise Informationen erhält, die es ihr ermöglichen, besser den Zusammenhang aufzuhellen, in dem künftige Zuwiderhandlungen begangen werden.
Ziffer 13 der Empfehlung lautet:
„Die Opfer und Zeugen rassistischer Vorfälle zu ermutigen, diese Vorfälle anzuzeigen“
72. Die Opfer und Zeugen rassistischer Vorfälle können auf verschiedene Weise dazu gebracht werden, solche Vorfälle anzuzeigen. Allgemein lässt sich sagen, dass alle in Abschnitt II und Abschnitt IV dieser Empfehlung aufgezählten Maßnahmen mit dem Ziel, das Vertrauen von Minderheitsgruppen in die Polizei zu stärken, in hohem Maße geeignet sind, zur Anzeige rassistischer Vorfälle zu ermutigen. Genauer gesagt können Maßnahmen zur Ermutigung der Anzeige rassistischer Vorfälle zum Beispiel die Einführung eines Verfahrens umfassen, mit Hilfe dessen die Opfer und Zeugen rassistischer Vorfälle diese bei verschiedenen örtlichen Stellen, die koordiniert zusammenarbeiten, anzeigen können (Außerhalb der Polizei kommen die Kommunalbehörden und die Organisationen der Zivilgesellschaft in Frage.). Die Mitarbeiter all diese Stellen könnten dazu angeleitet werden, sich derselben Definition des Begriffs „rassistischer Vorfall“ zu bedienen, und Hinweise zu Maßnahmen zu befolgen, die sie zu ergreifen haben, wenn Opfer oder Zeugen sich an sie wenden. Diese Stellen, die nicht zur Polizei gehören und Beschwerden entgegennehmen, handeln mithin als Vermittler und können die erhaltenen Informationen, wenn nötig, an die Polizei weiterleiten.. Diese Vermittlerrolle kann besonders bedeutsam werden, wenn es sich um Personen handelt, die sich in einer recht prekären Lage befinden, z.B. Personen ohne gültige Papiere, die sich natürlich scheuen, rassistische Vorfälle der Polizei zu melden. Eine weitere spezielle, in diese Richtung gehende Maßnahme besteht darin, die Polizei entsprechend auszubilden, wie sie mit Beschwerden über Rassismus und Rassendiskriminierung umzugehen hat.
73. Die Opfer und Zeugen rassistischer Vorfälle müssen vor Vergeltungsmaßnahmen geschützt werden, das heißt vor jeder Art schlechter Behandlung oder Konsequenz als Reaktion auf eine Anzeige oder Beschwerde.
Ziffer 14 der Empfehlung lautet:
„Zu diesem Zweck eine weitgefasste Definition des Begriffs „rassistischer Vorfall“ vorzunehmen.
Im Sinne dieser Empfehlung versteht man unter einem rassistischen Vorfall:
‘Jeden Vorfall, der vom Betroffenen oder einem Dritten als rassistisch wahrgenommen wird’“
74. Die Empfehlung sieht vor, als rassistische Vorfälle alle Vorfälle einzustufen, die vom Betroffenen oder einem Dritten als rassistisch wahrgenommen wurden. Mit der Annahme einer so weit gefassten Definition des Begriffs „rassistischer Vorfall“ will man den Opfern zu verstehen geben, dass man auf sie hört. Diese Definition ist dem Bericht von Sir William Macpherson of Cluny über die 1999 erfolgte Untersuchung des Falls Stephen Lawrence entnommen (1999 Stephan Lawrence Inquiry Report, by Sir William Macpherson of Cluny – Cm 4262, Kapitel 47, Absatz 12).
75. Wie oben ausgeführt bezweckt die Verständigung auf eine Definition des Begriffs „rassistischer Vorfall“ zweierlei: Erstens geht es darum, die Registrierung und Verfolgung rassistischer Vorfälle zu verbessern, und zweitens geht es darum sicherzustellen, dass die Polizei alle rassistischen Straftaten gründlich untersucht und die mögliche rassistische Motivation gewöhnlicher Straftaten nicht außer acht lässt.
IV. Hinsichtlich der Beziehungen zwischen der Polizei und den Angehörigen von Minderheitsgruppen
76. In den Abschnitten I, II und III der vorliegenden Empfehlung befasst sich ECRI im wesentlichen mit den Umständen, in denen die Angehörigen von Minderheitsgruppen – im Sinn der vorliegenden Empfehlung also Gruppen, die sich durch Merkmale wie Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder ethnische Herkunft unterscheiden – Gefahr laufen, Opfer von Rassendiskriminierung einschließlich rassischer Profilbildung und rassistisch motivierten Verhaltens seitens der Polizei oder seitens gewöhnlicher Mitglieder der Gesellschaft zu werden. Es ist aber gleichfalls nötig, darüber zu wachen, dass die Polizei sich professionell und unparteiisch verhält, wenn sie es mit Straftaten zu tun hat, die zwar nicht rassistisch motiviert sind, in die aber Angehörige von Minderheitsgruppen als Opfer, Täter oder Zeugen usw. verwickelt sind. Die Berichte von ECRI zur Weiterverfolgung früherer Empfehlungen zeigen, dass auf Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder ethnischer Herkunft gegründete Vorurteile auch die Art und Weise beeinflussen, in der die Polizei mit Angehörigen von Minderheitsgruppen im Zusammenhang mit diesen Straftaten umgeht. Beispielsweise werden Angehörige von Minderheitsgruppen schneller verdächtigt, Urheber bestimmter Straftaten zu sein, als andere. Andererseits kann die Polizei weniger geneigt sein, den Angehörigen von Minderheitsgruppen Glauben zu schenken, wenn diese Zeugen oder Opfer einer gewöhnlichen Straftat sind. Die auf diesem Gebiet festgestellten Schwierigkeiten sind auch das Ergebnis mangelnder Kompetenz, in einer durch Vielfalt geprägten Gesellschaft zu arbeiten. Die im Abschnitt IV gegebenen Empfehlungen bezwecken eine Behandlung dieser Fragen, auch wenn sie so formuliert sind, dass sie auch einen größeren Anwendungsbereich einschließen.
Ziffer 15 der Empfehlung lautet:
„Die Pflicht der Polizei, bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die Gleichbehandlung zu fördern und rassischer Diskriminierung vorzubeugen, gesetzlich zu verankern“
77. In der Allgemeinen Empfehlung Nr. 7 hat ECRI bereits empfohlen, die Verpflichtung der öffentlichen Behörden zur Förderung der Gleichbehandlung und zur Verhinderung rassischer Diskriminierung bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben gesetzlich zu verankern. Mit dieser Empfehlung unterstreicht ECRI, wie wichtig es ist, vor allem der Polizei diese Verpflichtung aufzuerlegen. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, könnte die Polizei angehalten werden, besondere Programme zugunsten der Gleichbehandlung und zur Verhinderung rassischer Diskriminierung aufzustellen und zu verwirklichen. Solche Programme könnten eine ganze Reihe von Aktivitäten umfassen, angefangen mit der entsprechenden Ausbildung und der Schärfung des Bewusstseins für die laufende Beobachtung der Gleichbehandlung und die Festlegung der anzustrebenden Ziele in Bezug auf die Gleichbehandlung. Ein Beispiel für Initiativen, die Teil solcher Programme sein könnten, wäre die Schaffung eines internen Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung. Noch allgemeiner sollten die Programme der Polizei zur Förderung der Gleichbehandlung und zur Verhinderung von rassischer Diskriminierung Initiativen und Engagements auf allen in diesem Abschnitt angesprochenen Gebieten (gesellschaftliche Vielfalt, Anwerbung von Angehörigen von Minderheiten für den Polizeidienst sowie das Verhältnis zu den Minderheitsgruppen und den Medien) umfassen. Wie in der Allgemeinen Empfehlung Nr. 7 von ECRI empfohlen, könnte die Einhaltung der Pflicht der Polizei zur Förderung der Gleichbehandlung und zur Verhinderung rassischer Diskriminierung zum Gegenstand laufender Beobachtung gemacht und durch die Einschaltung einer auf die Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung spezialisierten unabhängigen Stelle auf nationaler Ebene vorgeschrieben werden.
Ziffer 16 der Empfehlung lautet:
„Die Polizei für die Arbeit in einer von Vielfalt geprägten Gesellschaft auszubilden“
78. Die Ausbildung der Polizei zur Arbeit im Rahmen einer von Vielfalt geprägten Gesellschaft verlangt, dass man Polizisten, die mit Angehörigen von Minderheitsgruppen, egal, ob Inländer oder Ausländer, zu tun haben, ganz gezielt auf diese Aufgabe vorbereitet. Dazu kann z.B. gehören, Polizeibeamten, die der Mehrheitsbevölkerung angehören, Unterricht in einer von einer Minderheitsgruppe gesprochenen Sprache zu erteilen. Weiter können dazu Wissensvermittlung über die kulturelle und religiöse Vielfalt oder Aktivitäten gehören, die darauf abzielen, das Zusammenspiel und den gegenseitigen Respekt unter Kollegen verschiedener Herkunft zu fördern. Ausbildung dieser Art muss so praxisnah wie möglich sein und konkrete Situationen sowie Zusammenwirken mit Angehörigen von Minderheitsgruppen einschließen.
Ziffer 17 der Empfehlung lautet:
„Angehörige unterrepräsentierter Minderheitsgruppen in den Polizeidienst aufzunehmen und dafür zu sorgen, dass ihnen beim beruflichen Aufstieg Chancengleichheit gewährt wird“
79. Wichtig ist sicherzustellen, dass die Zusammensetzung der Polizei die Vielfalt der Bevölkerung widerspiegelt, um eine Gesellschaft aufzubauen, deren Mitglieder das Gefühl haben, unabhängig von ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihrer Religion, ihrer Sprache oder ihrer sonstigen Merkmale Chancengleichheit zu genießen. Dies ist auch wichtig, um der Polizei neue Kompetenzen, z.B. auch sprachliche, zu verleihen und um ihre Effizienz durch bessere Verständigungsmöglichkeiten mit den Minderheitsgruppen zu erhöhen und das Vertrauen dieser Gruppen in die Polizei zu stärken.
80. Verschiedene Arten von Maßnahmen sind denkbar, um Angehörige von Minderheitsgruppen anzuwerben. Dazu gehören positive Maßnahmen wie (i) die Ausschreibung von Stellen in der Polizei und sonstige Fördermittel, um Angehörigen von Minderheitsgruppen einen Anreiz zur Bewerbung zu bieten; (ii) Hilfe zum Erwerb der nötigen Kenntnisse, um die Aufnahmeprüfung für die Polizei zu schaffen, damit Angehörige von Minderheitsgruppen, die nicht von vornherein über die nötigen Kenntnisse verfügen, sich diese in Vorbereitungskursen aneignen können; (iii) Feststellung und Ausmerzung von Praktiken, die Angehörige von Minderheitsgruppen direkt oder indirekt benachteiligen (z.B. Lehrgänge über Nichtdiskriminierung für Beamte, die für die Einstellung in den Polizeidienst zuständig sind, Überprüfung der Auswahlkriterien usw.); (iv) die Festlegung von anzustrebenden Zielen bei der Einstellung und Beförderung von Angehörigen von Minderheitsgruppen sowie die fortlaufende Beobachtung der diesbezüglichen Ergebnisse. Maßnahmen zur Erleichterung der Einstellung von Angehörigen von Minderheitsgruppen in den Polizeidienst dürfen selbstverständlich nicht zu einer Senkung der Anforderungen an die fachliche Kompetenzen führen.
81. Verschiedene Arten von Maßnahmen sind denkbar, um zu gewährleisten, dass die Angehörigen von Minderheitsgruppen bei der Entwicklung ihrer Laufbahn im Polizeidienst Chancengleichheit genießen. Dazu gehören: (i) das Verbot rassischer Belästigung im Polizeidienst; (ii) die Annahme und Umsetzung antirassistischer Politik innerhalb der Polizei; (iii) die Einführung und effiziente Handhabung interner Beschwerdemöglichkeiten; (iv) die Einleitung rechtlicher Schritte gegen Polizeibeamte, die Kollegen auf rassistische Weise beleidigt, geschmäht oder belästigt haben; (v) fortlaufende Beobachtung, wie Angehörige von Minderheitsgruppen im Polizeidienst vorankommen; (vi) das Angebot von Patenschaften für Angehörige von Minderheitsgruppen, die willens und fähig sind voranzukommen.
Ziffer 18 der Empfehlung lautet:
„Vorkehrungen für den ständigen Dialog und die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den Angehörigen von Minderheitsgruppen zu treffen“
82. Vorkehrungen für den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den Angehörigen von Minderheitsgruppen bilden ein wesentliches Element für den Erfolg im Kampf gegen Rassismus und Rassendiskriminierung in der Polizeiarbeit. Dabei handelt es sich auch um ein verlässliches Mittel, die Effizienz der Polizeiarbeit zu gewährleisten. Um ihre Aufgaben ordentlich zu erfüllen, bedarf die Polizei der Mitarbeit von Mitgliedern der Gesellschaft, wozu auch die Minderheitsgruppen gehören, und dies verlangt gegenseitiges Vertrauen. Sowohl die Polizei als auch die Angehörigen von Minderheitsgruppen profitieren von Vorkehrungen für einen Dialog, und dies hat unweigerlich einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft insgesamt. Damit solche Vorkehrungen für den Dialog und die Zusammenarbeit auch funktionieren, müssen sie von Maßnahmen begleitet werden, die es gestatten sicherzustellen, dass die Pflicht zum Dialog und zur Zusammenarbeit auch eingehalten und dies fortlaufend beobachtet wird.
83. Der Dialog zwischen der Polizei und den Angehörigen von Minderheitsgruppen ist ein Mittel zur Vermeidung rassischer Profilbildung. Er trägt auch dazu bei, dass die Angehörigen von Minderheitsgruppen sich nicht als Opfer rassischer Profilierung fühlen, wenn das nicht der Fall ist. Vgl. zu diesem Punkt die obigen Ausführungen zur rassischen Profilierung.
84. Die Polizei muss nicht nur mit den Minderheitsgruppen und der Zivilgesellschaft im allgemeinen, sondern auch mit Behörden zusammenarbeiten. Sie muss ebenfalls eng mit der besonderen Stelle zusammenarbeiten, deren Schaffung ECRI in der Allgemeinen Politik-Empfehlung Nr. 2 über besondere Gremien zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz auf nationaler Ebene empfiehlt. Diese Stelle kann die Rolle eines Vermittlers oder Schlichters übernehmen, aber auch mithelfen bei der Verwirklichung der oben erwähnten Programme, mit deren Hilfe die Polizei ihrer Verpflichtung zur Förderung der Gleichbehandlung und der Verhinderung von Diskriminierung nachkommen soll.
85. Mittel und Wege, Dialog und Zusammenarbeit zwischen der Polizei und Minderheitsgruppen auf den Weg zu bringen, können die Abhaltung regelmäßiger Konsultationstreffen mit Vertretern von Minderheitsgruppen sowie die Schaffung beratender Ausschüsse aus Vertretern von Minderheitsgruppen einschließen. Denkbar ist auch, eine Art Nachbarschaftspolizei vorzusehen sowie Kontaktstellen oder Kontaktpersonen (Verbindungsleute) in den Polizeidienststellen mit dem besonderen Auftrag zu benennen, Kontakte zu den Minderheitsgruppen zu pflegen. Die Erläuterungen zu den Empfehlungen des Hohen Kommissars für Nationale Minderheiten der OSZE zur Polizeiarbeit in einer ethnisch gemischten Bevölkerung (OSCE High Commissioner on National Minorities‘ Recommendations on Policing in Multi-Ethnic Societies) enthalten zahlreiche detaillierte Beispiele für Maßnahmen, die den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den Mitgliedern einer multi -ethnischen Gesellschaft erleichtern können.
86. Die Ernennung eines Mittlers stellt eine Möglichkeit dar, den Dialog und die Zusammenarbeit zu fördern. In dem Maße, in dem solche Mittler die nötige Kompetenz, vor allem auch sprachlich, besitzen und das Vertrauen sowohl der betroffenen Minderheitsgruppen als auch der Polizei genießen, können sie eine wesentliche Rolle als Vermittler spielen und auf diese Weise mithelfen, Konflikte zwischen der Polizei und den Minderheitsgruppen zu vermeiden.
Ziffer 19 der Empfehlung lautet:
„So weit wie möglich Personen, welche die Amtssprache nicht beherrschen und mit der Polizei zu tun bekommen, Zugang zu professionellen Dolmetscherdiensten zu veschaffen“
87. Nach der Europäischen Menschenrechtskonvention hat jede festgenommene und/oder beschuldigte Person das Recht, in einer Sprache, die sie versteht, über die Gründe ihrer Festnahme und/oder die Natur und den Grund der gegen sie erhobenen Anschuldigung unterrichtet zu werden. Für Personen, die mit der Polizei zu tun haben, aber weder Tatverdächtige noch Beschuldigte sind wie etwa Opfer oder Zeugen, empfiehlt es sich, dafür zu sorgen, dass ein Dolmetscher gefunden wird, der zum Beispiel telefonisch übersetzt, falls am Ort kein Dolmetscher aufzutreiben ist. Zusätzlich dazu ist es möglich, dafür Sorge zu tragen, dass sich innerhalb der Polizei Beamte finden, die außer der Amtssprache noch eine oder mehrere andere Sprachen sprechen, um die Verständigung mit Personen, die der Amtssprache nicht mächtig sind, zu erleichtern. In den Staaten, die das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten ratifiziert haben, sind ferner die darin festgelegten Erfordernisse hinsichtlich der Verständigungssprache zwischen den öffentlichen Behörden und den betroffenen Minderheitsgruppen zu beachten.
Ziffer 20 der Empfehlung lautet:
„Sicherzustellen, dass sich die Polizei gegenüber den Medien und der allgemeinen Öffentlichkeit in einer Weise äußert, die feindselige Haltung und Vorurteilen gegenüber Angehörigen von Minderheitsgruppen keinen Vorschub leistet“
88. Die Polizei darf weder den Medien noch der Öffentlichkeit Informationen über die Rasse, die Hautfarbe, die Sprache, die Religion, die Staatsangehörigkeit oder die nationale oder ethnische Herkunft eines Tatverdächtigen zukommen lassen. Der Polizei kann die Verbreitung solcher Informationen nur gestattet werden, wenn dies unbedingt erforderlich ist und damit ein rechtmäßiger Zweck verfolgt wird, was etwa bei einem Fahndungsaufruf der Fall ist.
89. Die Polizei hat auch – vor allem bei der Weitergabe statistischer Daten – sorgfältig darauf achten, dass sie nicht zur Verbreitung und Aufrechterhaltung des Mythos beiträgt, dem zufolge Kriminalität und ethnische Herkunft zusammenhängen; desgleichen darf sie nicht den Eindruck erwecken, dass der Anstieg der Kriminalität etwas mit zunehmender Einwanderung zu tun hat. Die Polizei muss darauf achten, nur objektive Informationen in einer Weise herauszugeben, welche die Vielfalt der Gesellschaft respektiert und den Gedanken der Gleichbehandlung aller stärkt.
GLOSSAR
Polizei
Beamte, welche die Machtbefugnis besitzen (oder je nach Gesetzeslage wahrnehmen können), Gewalt auszuüben, um die Wahrung des Rechts und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in der Gesellschaft sicherzustellen, wozu normalerweise die Verhütung und Aufdeckung von Straftaten gehört. Diese Definition umfasst auch die Geheimdienste, den Verfassungsschutz und die Grenzpolizei. Sie schließt auch private Firmen ein, die polizeiliche Machtbefugnisse der oben definierten Art ausüben.
Rassische Profilbildung
Die ohne objektive und vernünftige Begründung erfolgende polizeiliche Berücksichtigung von Merkmalen wie Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder ethnische Herkunft im Rahmen von Kontrollen, Überwachungen und Ermittlungen.
Vernünftiger Verdacht
Verdacht einer Straftat, der sich auf bestimmte objektive und vernünftige Kriterien stützt, die es der Polizei erlaubt, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten oder Kontrollen, Überwachungen oder Ermittlungen vorzunehmen.
Rassistischer Vorfall
Jeder Vorfall, der vom Betroffenen oder einem Dritten als rassistisch wahrgenommen wird.
Rassistische Straftat
Jede gewöhnliche Straftat (wie Mord, Gewalttaten oder andere Tätlichkeiten, Brandstiftung und Beleidigung), die aber aus rassistischen Motiven heraus begangen wurde (rassistische motivierte Straftaten), sowie sonstige Straftaten. denen ein rassistischer Aspekt anhaftet (wie Aufstachelung zum Rassenhass oder Mitgliedschaft in einer rassistischen Organisation).
Direkte rassische Diskriminierung
Jede auf ein Motiv wie Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder völkische Herkunft gegründete unterschiedliche Behandlung, für die sich keine objektive und vernünftige Begründung finden lässt. Unterschiedliche Behandlung ermangelt dann einer objektiven und vernünftigen Begründung, wenn sie kein rechtmäßiges Ziel verfolgt oder wenn die angewandten Mittel in keinem vernünftigen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen.
Indirekte rassische Diskriminierung
Der Fall, in dem ein anscheinend neutraler Faktor wie zum Beispiel die Bereitschaft, etwas Bestimmtes zu tun, oder eine bestimmte Praxis nicht so leicht von Personen respektiert werden kann. die einer Gruppe angehören, die sich durch Merkmale wie Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder völkische Herkunft unterscheidet oder in dem ein solcher Faktor diese Personen benachteiligt, es sei denn, dieser Faktor wäre objektiv und vernünftig zu begründen. Das ist dann der Fall, wenn ein rechtmäßiges Ziel verfolgt wird und die angewandten Mittel in einem vernünftigen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen.
Zuletzt aktualisiert am September 19, 2021 von eurogesetze
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