RECHTSSACHE BERGMANN gegen DEUTSCHLAND (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) Individualbeschwerde Nr. 23279/14

FÜNFTE SEKTION
RECHTSSACHE B. gegen DEUTSCHLAND
(Individualbeschwerde Nr. 23279/14)
URTEIL
STRASSBURG
7. Januar 2016

Dieses Urteil wird nach Maßgabe des Artikels 44 Absatz 2 der Konvention endgültig. Es wird gegebenenfalls noch redaktionell überarbeitet.

In der Rechtssache B. ./. Deutschland

hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Fünfte Sektion) als Kammer mit den Richterinnen und Richtern

Ganna Yudkivska, Präsidentin,
Angelika Nußberger,
Khanlar Hajiyev,
Faris Vehabović,
Yonko Grozev,
Síofra O’Leary,
Carlo Ranzoni,
sowie Claudia Westerdiek, Sektionskanzlerin,

nach nicht öffentlicher Beratung am 1. Dezember 2015

das folgende Urteil erlassen, das am selben Tag angenommen wurde:

VERFAHREN

1. Der Rechtssache lag eine Individualbeschwerde (Nr. 23279/14) gegen die Bundesrepublik Deutschland zugrunde, die der deutsche Staatsangehörige B. („der Beschwerdeführer“) am 18. März 2014 nach Artikel 34 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten („die Konvention”) beim Gerichtshof eingereicht hatte.

2. Der Beschwerdeführer, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, wurde von Herrn S., Rechtsanwalt in S. (Deutschland), vertreten. Die deutsche Regierung („die Regierung”) wurde von ihren Verfahrensbevollmächtigten Herrn H.-J. Behrens und Frau K. Behr vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vertreten.

3. Der Beschwerdeführer machte geltend, dass die nachträgliche Verlängerung seiner Sicherungsverwahrung in der Einrichtung für Sicherungsverwahrte in R. über die frühere gesetzlich zulässige Höchstdauer von zehn Jahren hinaus sein Recht auf Freiheit nach Artikel 5 Abs. 1 der Konvention verletze und gegen das Verbot rückwirkender Bestrafung nach Artikel 7 Abs. 1 der Konvention verstoße.

4. Am 17. Juni 2014 wurde die Beschwerde der Regierung übermittelt.

SACHVERHALT

i. DIE UMSTÄNDE DER RECHTSSACHE

5. Der Beschwerdeführer ist 19.. geboren und derzeit in der Einrichtung für Sicherungsverwahrte auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt R. (im Folgenden als „Einrichtung für Sicherungsverwahrte in R. bezeichnet”) untergebracht.

A. Die früheren Verurteilungen des Beschwerdeführers, die Anordnung seiner Sicherheitsverwahrung und deren Vollstreckung

6. Zwischen 1966 und 1984 wurde der Beschwerdeführer fünfmal durch Strafgerichte verurteilt. Er wurde der sexuellen Nötigung eines siebenjährigen Mädchens und der versuchten Vergewaltigung eines vierzehn Jahre alten Mädchens, begangen unter Alkoholeinfluss, sowie versuchter sexueller Handlungen an einem dreizehnjährigen Jungen schuldig gesprochen. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass er im Zustand der durch Vollrausch verursachten Schuldunfähigkeit weitere rechtswidrige Taten – hierzu gehörten Brandstiftung sowie das Würgen eines zehnjährigen Jungen während eines Einbruchs – begangen hatte. Er wurde insbesondere zu Freiheitsstrafen verurteilt, deren Dauer sechs Monate bis zehn Jahre betrug.

7. Am 18. April 1986 verurteilte das Landgericht Hannover den Beschwerdeführer wegen versuchten Mordes in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Vergewaltigung, sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen. Es verurteilte ihn zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe und ordnete gemäß § 66 Abs. 2 StGB seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an (siehe Rdnr. 46).

8. Gemäß den Feststellungen des Landgerichts hatte der Beschwerdeführer zwischen dem 7. Juli und dem 3. Oktober 1985 zur Befriedigung seines Sexualtriebs eine neunzehnjährige Radfahrerin durch einen Messerstich in den Rücken lebensgefährlich verletzt, einem männlichen Radfahrer, den er für eine Frau gehalten hatte, ebenfalls zur Befriedigung seines Sexualtriebs zwei Messerstiche in den Rücken und an der Schläfe zugefügt und eine dreiundzwanzigjährige Frau bei dem Versuch, sie zu vergewaltigen, durch drei Messerstiche lebensgefährlich verletzt. Diese Straftaten hatte er unter Alkoholeinfluss in einem Park in Hannover begangen. Schließlich war er im Zustand der Trunkenheit in ein Haus eingedrungen und hatte dort zur Befriedigung seines Sexualtriebs ein vierjähriges Mädchen gewürgt und sie mit einem Messer unterhalb der Taille verletzt. Er wurde am 9. Oktober 1985 festgenommen.

9. Das Landgericht, das zwei medizinische Sachverständige hinzugezogen hatte, stellte fest, dass sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Taten in einem Zustand verminderter Schuldfähigkeit befunden habe (§ 21 StGB, siehe Rdnr. 62). Es seien bei dem Beschwerdeführer eine sexuelle Devianz, eine Persönlichkeitsstörung sowie ein wahrscheinlich durch langen Alkoholmissbrauch hervorgerufenes organisches Psychosyndrom diagnostiziert worden. Solange der Beschwerdeführer keinen Alkohol trinke, führten diese Auffälligkeiten nicht zu einer Beeinträchtigung seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit, da er in der Lage sei, seine Aggressionen zu kontrollieren. In Verbindung mit dem Konsum von Alkohol führten sie jedoch zu einer Minderung seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit.

10. Das Landgericht war der Auffassung, dass gegen den Beschwerdeführer nach § 66 Abs. 2 StGB die Sicherungsverwahrung anzuordnen sei. Aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung habe er einen Hang zur Begehung schwerer Straftaten, durch die seine Opfer physisch und psychisch schwer geschädigt würden. Wie von den beiden medizinischen Sachverständigen bestätigt worden sei, bestehe ein hohes Risiko, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Freilassung weitere Gewaltstraftaten zur Befriedigung seines Sexualtriebs begehen werde, ähnlich denen, derer er für schuldig befunden worden sei. Daher sei er für die Allgemeinheit gefährlich.

11. Schließlich entschied sich das Landgericht gegen die Anordnung der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB (siehe Rdnr. 63) Das Gericht schloss sich dem Befund der Sachverständigen an, dem gemäß die Persönlichkeitsstörung des Beschwerdeführers nicht mehr behandelbar war, weil sein sexuell deviantes aggressives Verhalten bereits seit Jahrzehnten bestanden habe und weil der Beschwerdeführer in Anbetracht seiner eingeschränkten geistigen Leistungsfähigkeit nicht in der Lage sei, sich einer psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen. Die Sicherheit der Allgemeinheit könne daher besser durch die Unterbringung des Beschwerdeführers in Sicherungsverwahrung gewährleistet werden.

12. Nach vollständiger Verbüßung seiner Freiheitsstrafe wurde der Beschwerdeführer am 12. Juni 2001 erstmals in der Sicherungsverwahrung untergebracht; diese wurde in einem Gebäudetrakt der Justizvollzugsanstalt Celle vollzogen. Am 11. Juni 2011 waren gegen den Beschwerdeführer zehn Jahre Sicherungsverwahrung vollstreckt.

13. Die Fortdauer der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers wurde von den Strafvollstreckungsgerichten in regelmäßigen Abständen angeordnet. Insbesondere wurde sie am 13. Mai 2011 sowie am 5. Oktober 2012 vom Landgericht Lüneburg angeordnet.

B. In Rede stehende Verfahren

1. Der Beschluss des Landgerichts Lüneburg

14. Am 26. Juli 2013 ordnete die für die Strafvollstreckung zuständige Kammer des Landgerichts Lüneburg die Fortdauer der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers an. Darüber hinaus gab das Landgericht der Justizvollzugsanstalt R. auf, dem Beschwerdeführer binnen drei Monaten ab Rechtskraft des Beschlusses eine dort näher bezeichnete antihormonelle Therapie zur Minderung seiner sadistischen Fantasien und seiner Libido und somit seiner Gefährlichkeit anzubieten. Das Gericht hatte Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt Celle und der Staatsanwaltschaft eingeholt und den Beschwerdeführer sowie den Anwalt, der ihn während des gesamten innerstaatlichen Verfahrens vertrat, persönlich angehört.

15. Das Landgericht vertrat die Auffassung, dass die in Artikel 316f Abs. 2 Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB, siehe Rdnr. 53) niedergelegten Voraussetzungen für die Anordnung der weiteren Vollziehung der Sicherungsverwahrung im Fall des Beschwerdeführers gegeben seien.

16. Das Landgericht bestätigte, dass die genannte Übergangsvorschrift in der Rechtssache des Beschwerdeführers anwendbar sei. Es wies darauf hin, dass die erstmalige Unterbringung des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt seiner letzten Straftat am 3. Oktober 1985 auf maximal zehn Jahre begrenzt gewesen sei. Erst nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 31. Januar 1998 (siehe Rdnr. 51) hätten die Strafvollstreckungsgerichte die Sicherungsverwahrung ohne zeitliche Beschränkung verlängern können. Der Beschwerdeführer falle demnach in die Kategorie der Untergebrachten, deren Sicherungsverwahrung entsprechend den im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (siehe Rdnrn. 66 – 72) definierten Anforderungen nachträglich verlängert worden sei. Das Landgericht stellte weiter fest, dass Artikel 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt und die dort aufgestellten Anforderungen für die Fortdauer der nachträglich angeordneten oder der nachträglich verlängerten Sicherungsverwahrung übernommen habe.

17. Das Landgericht war der Auffassung, dass der Beschwerdeführer gemäß Artikel 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Abs. 1 des Therapieunterbringungsgesetzes (ThUG, siehe Rdnr. 64) leide. Es schloss sich den diesbezüglichen Feststellungen im Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen W. vom 8. Juni 2013 an, den das Landgericht hinzugezogen hatte. Der Sachverständige habe das Gutachten auf Aktengrundlage erstellen müssen, da sich der Beschwerdeführer einer Begutachtung verweigert habe. Der Sachverständige W. habe bestätigt, dass der Beschwerdeführer an einer sexuellen Deviation im Sinne eines Sadismus leide und alkoholabhängig sei, obwohl er seit seiner Inhaftierung nicht mehr getrunken habe. Das Landgericht betonte, dass die Einschätzung des Sachverständigen W. die Feststellungen bestätige, die bereits zuvor von einer Reihe anderer Sachverständiger getroffen worden seien, insbesondere sei im Januar und Mai 2011 von zwei Sachverständigen diagnostiziert worden, dass bei dem Beschwerdeführer eine Störung der Sexualpräferenz mit sadomasochistischen, fetischistischen und pädophilen Anteilen sowie eine Alkoholabhängigkeit bei aktueller Abstinenz vorlägen.

18. Darüber hinaus stellte das Landgericht fest, dass entsprechend dem Erfordernis aus Artikel 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB aufgrund konkreter Umstände in der Person und dem Verhalten des Beschwerdeführers immer noch die hochgradige Gefahr bestehe, dass er im Falle einer Entlassung schwerste sexuell motivierte Gewaltstraftaten, ähnlich denen, für die er verurteilt worden sei, begehen werde. Das Gericht, das sich auch diesbezüglich den mit den vorgenannten früheren Sachverständigengutachten im Einklang stehenden Feststellungen des Sachverständigen W. anschloss, stellte fest, dass der Beschwerdeführer sich zu seinen sadistischen Fantasien bekannt habe, es aber nicht geschafft habe, diese therapeutisch zu bearbeiten. Die Teilnahme an Angeboten und Aktivitäten für Sicherungsverwahrte in der Justizvollzugsanstalt Celle habe er eingestellt. Das Landgericht betonte, dass der Sachverständige bei seiner Einschätzung der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers dessen fortgeschrittenes Alter von 69 Jahren berücksichtigt habe. Dennoch habe der Sachverständige überzeugend dargelegt, dass die Sexualdeviation des Beschwerdeführers sich dadurch nicht beträchtlich abgeschwächt habe. Darüber hinaus sei seine Alkoholabhängigkeit bislang nicht angemessen therapiert worden. Der Konsum von Alkohol würde die ohnehin hohe Rückfallgefahr hinsichtlich der Begehung von Sexual- oder Gewaltstraf­taten im Falle einer Entlassung jedoch zusätzlich verschärfen.

19. Das Landgericht war der Auffassung, dass die Verlängerung der Sicherungsverwahrung des bereits seit fast dreißig Jahren inhaftierten bzw. untergebrachten Beschwerdeführers aufgrund der erheblichen Gefahr, die von ihm für die Allgemeinheit ausgehe, immer noch verhältnismäßig sei. In diesem Zusammenhang stellte es fest, dass die in seinem vorherigen Beschluss vorgeschlagene Unterbringung des Beschwerdeführers in einer betreuten Wohneinrichtung nicht praktikabel sei.

20. Hinsichtlich seines sich auf § 67d Abs. 2 StGB in Verbindung mit § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB (siehe Rdnrn 49 und 54) stützenden Beschlusses, die Justizvollzugsanstalt R. habe dem Beschwerdeführer eine bestimmte antihormonelle Therapie anzubieten, befand das Landgericht, dass dieser Beschluss erforderlich sei, um zu gewährleisten, dass dem Beschwerdeführer in der Sicherungsverwahrung eine ausreichende Betreuung angeboten werde. Der Sachverständige W. habe, wie schon im Jahr 2012, betont, dass die Justizvollzugsanstalt zumindest versuchen müsse, den Beschwerdeführer, der sich mit einer medikamentösen Behandlung einverstanden erklärt habe, zu behandeln. Die anzubietende antihormonelle Behandlung mindere nachweislich die sadistischen Fantasien und die Libido und könne somit die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers verringern.

2. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Celle

21. Am 1. August 2013 erhob der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Landgerichts Beschwerde, deren Begründung er am 14. August 2013 einreichte. Er brachte insbesondere vor, dass seine Sicherungsverwahrung, eine nachträglich verlängerte Strafe, mit der Konvention unvereinbar sei.

22. Am 2. September 2013 verwarf das Oberlandesgericht Celle die Beschwerde des Beschwerdeführers. Es schloss sich den vom Landgericht vorgebrachten Gründen an und bestätigte, dass die in Artikel 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB niedergelegten Voraussetzungen für die Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers erfüllt seien.

23. Im Hinblick auf das Gutachten des Sachverständigen W. vertrat das Oberlandesgericht die Auffassung, dass der Beschwerdeführer an einer psychischen Störung im Sinne des § 1 Abs. 1 ThUG leide. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (siehe Rdnrn. 73 – 76) stellte es fest, dass eine psychische Störung im Sinne dieses Gesetzes nicht voraussetze, dass die Schuldfähigkeit nach §§ 20 und 21 StGB vermindert oder ausgeschlossen sei (siehe Rdnrn. 61 – 62). Spezifische Störungen der Persönlichkeit, des Verhaltens, der Sexualpräferenz sowie der Impuls- und Triebkontrolle seien unter den Begriff der „psychischen Störung“ nach § 1 Abs. 1 ThUG zu fassen. Der sexuelle Sadismus des Beschwerdeführers und seine Alkoholabhängigkeit, die trotz gegenwärtiger Abstinenz fortbestehe, stellten eine psychische Störung im Sinne dieser Vorschrift dar.

24. Darüber hinaus bestehe aufgrund konkreter Umstände in der Person und im Verhalten des Beschwerdeführers immer noch ein sehr hohes Risiko, dass er im Falle seiner Entlassung schwerste Gewalt- und Sexualstraftaten, ähnlich denen, für die er verurteilt worden sei, begehen werde. Die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers sei nicht durch Therapie vermindert worden; auch sei er nicht aufgrund seines fortschreitenden Alters weniger gefährlich geworden. Er nehme derzeit an keinerlei ernsthaften therapeutischen Maßnahmen mehr teil und bagatellisiere seine Straftaten noch immer. Darüber hinaus habe der Sachverständige bestätigt, dass seine psychische Erkrankung schwer behandelbar sei. Ferner bestätigte das Oberlandesgericht die Auffassung des Landgerichts, dass die Fortdauer der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers trotz der erheblichen Gesamtdauer seiner Inhaftierung bzw. Verwahrung verhältnismäßig sei.

3. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts

25. Am 24. September 2013 legte der Beschwerdeführer gegen die Entscheidungen des Landgerichts Lüneburg und des Oberlandesgerichts Celle Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Er rügte, dass der Beschluss, mit dem die Fortdauer seiner Sicherungsverwahrung angeordnet worden sei, sein Grundrecht auf Freiheit in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgebot verletze.

26. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung – einer Strafe – über die frühere Höchstdauer von zehn Jahren hinaus nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (er berief sich auf die Rechtssache M. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 19359/04, ECHR 2009) gegen das Verbot der rückwirkenden Bestrafung nach Artikel 7 der Konvention verstoße sowie mit Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a der Konvention nicht vereinbar sei Die Fortdauer seiner Sicherungsverwahrung sei auch nicht nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e gerechtfertigt. Er leide nicht an einer psychischen Krankheit, wie es nach dieser Vorschrift erforderlich sei. Außerdem sei nach den anwendbaren Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts und der Rechtsprechung der innerstaatlichen Gerichte unklar, wie eine psychische Störung genau zu definieren und einzugrenzen sei.

27. Der Beschwerdeführer betonte weiter, dass das Landgericht seine Unterbringung in einer betreuten Wohneinrichtung empfohlen habe. Unter diesen Umständen sei seine fortdauernde Sicherungsverwahrung auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt R. nicht mehr verhältnismäßig. Der Beschwerdeführer räumte jedoch ein, dass seine Unterbringung in dem neuen Zentrum für Sicherungsverwahrung auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt R. das verfassungsrechtliche Abstandsgebot zwischen der Freiheitsentziehung in der Sicherungsverwahrung und der Freiheitsentziehung im Strafvollzug einhalte.

28. Mit Beschluss vom 29. Oktober 2013 nahm das Bundesverfassungsgericht die vom Beschwerdeführer erhobene Verfassungsbeschwerde ohne Angabe von Gründen nicht zur Entscheidung an (Nr. 2 BvR 2182/13). Die Entscheidung wurde dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers am 7. November 2013 zugestellt.

C. Parallele und weitere Entwicklungen

29. Am 5. Dezember 2011 ordnete die Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg die Unterbringung des Beschwerdeführers in dem psychiatrischen Krankenhaus M. nach dem ThUG an. Es stellte fest, dass der Beschwerdeführer an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 dieses Gesetzes leide und dass ein hohes Risiko bestehe, dass er nach seiner Entlassung weitere schwerwiegende Straftaten begehen werde. Am 31. Januar 2012 hob das Oberlandesgericht Celle diesen Beschluss mit der Begründung auf, dass eine Unterbringung nach dem ThUG nur angeordnet werden könne, wenn die Sicherungsverwahrung zuvor durch eine rechtskräftige Entscheidung beendet worden sei.

30. Am 25. April 2014 ordnete das Landgericht Göttingen in einem Beschluss im Rahmen der Überprüfung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers dessen weitere Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an. Es wies darauf hin, dass der Beschwerdeführer eine triebdämpfende medikamentöse Behandlung wiederholt abgelehnt habe.

31. Am 15. Januar 2015 ordnete das Landgericht Göttingen nach Konsultation des medizinischen Sachverständigen J. erneut die Fortdauer der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers nach § 67d Abs. 3 StGB in Verbindung mit Artikel 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB an (siehe Rdnrn. 51 und 53). Am 24. April 2015 verwarf das Oberlandesgericht Braunschweig eine vom Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Landgerichts erhobene Beschwerde.

D. Die Bedingungen der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung

1. Bedingungen vor dem in Rede stehenden Zeitraum der Unterbringung

32. Bis zum 20. Februar 2012 wurde die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers in einem Trakt der Justizvollzugsanstalt Celle vollzogen. Zwischen 2005 und 2010 hatte er an einer Therapie bei einem Psychologen teilgenommen, diese dann aber abgebrochen. Die ihm angebotene Teilnahme an einem Programm zur Behandlung seiner Alkoholabhängigkeit und an jeglichen weiteren Behandlungsmaßnahmen hatte er verweigert.

33. Am 20. Februar 2012 wurde der Beschwerdeführer mit seiner Einwilligung in die Abteilung für Sicherungsverwahrte der Justizvollzugsanstalt Celle verlegt, die nach einer Übergangskonzeption geführt wurde. Im Lichte des Abstandsgebots zwischen der Freiheitsentziehung in der Sicherungsverwahrung und im Strafvollzug zielte diese Konzeption auf eine Verbesserung der zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten ab, unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Rechtssache M. ./. Deutschland (a. a. O.) sowie das Urteil des Bundesverfassungs­gerichts vom 4. Mai 2011 (siehe Rdnrn. 66 – 72). Der Beschwerdeführer nahm dort an Gruppentherapiesitzungen teil, die von einem Arzt geleitet wurden, sowie an einem Trainingskurs für soziale Kompetenzen. Die Teilnahme an der Suchtkrankengruppe stellte er jedoch ein und weigerte sich aus Angst vor Nebenwirkungen, triebdämpfende Medikamente einzunehmen.

2. Die Bedingungen der Unterbringung des Beschwerdeführers in dem in Rede stehenden Zeitraum

34. Seit 2 Juni 2013 ist der Beschwerdeführer in der neuen Einrichtung für Sicherungsverwahrte untergebracht, die sich in einem separaten Gebäude auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt R. befindet.

35. Die Konzeption der Sicherungsverwahrung in der Einrichtung wurde entwickelt, um dem verfassungsrechtlichen Abstandsgebot zwischen der Freiheitsentziehung in der Sicherungsverwahrung und der Freiheitsent­ziehung im Strafvollzug Rechnung zu tragen, wie es im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (siehe Rdnrn. 67 und 70) definiert und in den Vorschriften des neu eingeführten § 66c StGB und des Niedersächsischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes (siehe Rdnrn. 54, 56 – 57 und 59 – 60) weiter konkretisiert worden war.

36. In der Einrichtung in R. können bis zu 45 Personen untergebracht werden. Die Insassen sind in 23 Quadratmeter großen Apartments mit zwei möblierten Zimmern und einem Bad untergebracht. Mit Ausnahme von Personen, die ein besonderes Sicherheitsrisiko darstellen, können sich die Insassen zwischen 6 Uhr und 21.45 Uhr innerhalb des Gebäudes für die Sicherungsverwahrung und auf dessen Außengelände frei bewegen. Sie können ihre Zimmer, zu denen sie eigene Schlüssel besitzen, selbst einrichten und streichen. Die Räume verfügen über einen kontrollierten Internetzugang einschließlich E-Mail, sowie über Telefon, Fernseher, CD- und DVD-Player und Radio. Es gibt Gemeinschaftsräume für die aus etwa sieben Untergebrachten bestehenden Wohngruppen, die eine Küche, ein Esszimmer, ein Fernsehzimmer sowie Spiel-, Handwerks- und Fitnessräume umfassen. Das etwa 1600 Quadratmeter große Außengelände kann für sportliche Betätigung und sonstige Freizeitbeschäftigungen oder zum Gärtnern genutzt werden.

37. Sicherungsverwahrte in der Einrichtung in R. dürfen ihre eigene Kleidung tragen. Sie können entweder die vom Personal der Einrichtung zubereiteten Mahlzeiten in Anspruch nehmen oder sich eigene Mahlzeiten zubereiten (in letzterem Fall erhalten sie einen Zuschuss zum Einkauf von Lebensmitteln im Supermarkt der Einrichtung). Sicherungsverwahrte können arbeiten, sind jedoch nicht dazu verpflichtet. Sie können regelmäßig Besuch empfangen.

38. Nach Angabe der Regierung war der Beschwerdeführer in dem in Rede stehenden Zeitraum eine von etwa 30 Personen, die in der Einrichtung für Sicherungsverwahrte in R. untergebracht waren. Um der Verpflichtung nachzukommen, den Untergebrachten die notwendige Behandlung und Betreuung zukommen zu lassen und ihre Mitwirkungsbereitschaft an den maßgeblichen Therapien und Behandlungsmaßnahmen zu fördern, gehörten ein Psychiater, vier Psychologen, fünf Sozialarbeiter sowie 25 Mitarbeiter des allgemeinen Justizvollzugsdienstes zum Personal der Einrichtung. Die personelle Ausstattung war ähnlich wie die im psychiatrischen Krankenhaus M., das sich im selben Bundesland befindet und in dem Personen nach § 63 StGB untergebracht sind.

39. Die Untergebrachten werden zu Beginn der Sicherungsverwahrung untersucht, um die notwendige Behandlung und Betreuung zu bestimmen. Dann wird ein Vollzugsplan erstellt.

40. In dem von der Einrichtung in R. am 28. November 2014 erstellten Vollzugsplan für den Beschwerdeführer war vermerkt, dass dieser in der Vergangenheit, nämlich von Juli 2013 bis August 2014, an Gruppensitzungen teilgenommen hatte, die darauf abzielten, einem Rückfall der Untergebrachten in übermäßigen Alkoholkonsum vorzubeugen. Dann habe er die Teilnahme an diesen Sitzungen eingestellt. Auch an regelmäßigen Gruppensitzungen, bei denen die Untergebrachten ihre Erfahrungen bei Ausgängen außerhalb der Einrichtung besprachen, habe er teilgenommen. Im August 2014 habe er auch die Teilnahme an diesen Treffen eingestellt und dies damit begründet, den Teilnehmern würden zu wenig zusätzliche Ausgänge gewährt. Zusätzlich hatte der Beschwerdeführer in vierzehntägigem Rhythmus Motivationsgespräche mit einer Psychologin geführt; im März 2014 stellte er diese ein und behauptete, die Psychologin sei zu unerfahren. Von Juni 2013 bis Februar 2014 hatte der Beschwerdeführer an den wöchentlichen Wohngruppensitzungen teilgenommen, dann aber auch die Teilnahme an diesen Sitzungen eingestellt mit dem Hinweis, sein Vollzugsplan entspreche nicht seinen Erwartungen. Er nahm keine der strukturierten Angebote zur Freizeitgestaltung wahr und verbrachte den größten Teil des Tages alleine mit Fernsehen. Wiederholte Einladungen zur Teilnahme an Gruppensitzungen des Behandlungsprogramms für Straftäter nahm er nicht an. Seit August 2014 nahm der Beschwerdeführer also an keinerlei Behandlungsmaßnahmen mehr teil. Bei begleiteten Ausgängen außerhalb der Einrichtung erwies er sich mehrfach als zuverlässig.

41. Laut dem Vollzugsplan der Einrichtung in R. für den Beschwerdeführer vom 28. November 2014 sowie einer internen Notiz eines Mitarbeiters der Einrichtung lehnte der Beschwerdeführer die regelmäßig wiederholten Angebote, sich einer Behandlung mit triebdämpfenden Medikamenten zu unterziehen, die 2013 von dem Sachverständigen W. empfohlen worden war, aus Angst vor Nebenwirkungen stets ab. Im Dezember 2014 ließ er erstmalig eine Bereitschaft zur Aufnahme einer solchen Behandlung erkennen.

II. Einschlägiges innerstaatliches Recht und einschlägige innerstaatliche Praxis

A. Bestimmungen über die Sicherungsverwahrung und deren Umsetzung

1. Allgemeiner rechtlicher Rahmen

42. Ein umfassender Überblick über die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung zur Unterscheidung zwischen Strafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung, insbesondere der Sicherungsverwahrung, nach dem zweispurigen Sanktionensystem im deutschen Strafrecht, sowie zum Erlass, zur Überprüfung und zum praktischen Vollzug von Anordnungen der Sicherungsverwahrung ist im Urteil in der Rechtssache M. ./. Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 19359/04, Rdnrn. 45 – 78, ECHR 2009) enthalten.

43. Die Bestimmungen zur Sicherungsverwahrung, namentlich im Strafgesetzbuch, wurden zwischenzeitlich geändert, insbesondere durch das Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5. Dezember 2012, das am 1. Juni 2013 in Kraft trat. Mit diesem Gesetz hat der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der Vorgaben aus dem Leiturteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwahrung vom 4. Mai 2011 (siehe Rdnrn. 66 – 72) neue Regelungen zum Vollzug der Sicherungsverwahrung und zum Vollzug vorhergehender Freiheitsstrafen eingeführt.

44. Die Bestimmungen, auf die im vorliegenden Fall Bezug genommen wird, besagen Folgendes:

2. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung durch das erkennende Gericht

45. Bei der Verurteilung eines Straftäters kann das erkennende Gericht unter bestimmten Umständen neben der Freiheitsstrafe (einer Strafe) seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (einer sogenannten Maßregel der Besserung und Sicherung) anordnen, wenn sich herausgestellt hat, dass er für die Allgemeinheit gefährlich ist (Artikel 66 StGB).

46. Insbesondere konnte das erkennende Gericht gemäß § 66 Abs. 2 StGB in der zur fraglichen Zeit geltenden Fassung neben einer Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn die betreffende Person drei vorsätzliche Straftaten begangen hatte, durch die sie jeweils eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hatte und wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wurde. Zusätzlich musste die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergeben haben, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, für die Allgemeinheit gefährlich ist. Nach dieser Bestimmung war es nicht erforderlich, dass der Täter bereits zuvor schon einmal verurteilt worden oder eine Freiheitsentziehung gegen ihn angeordnet worden war.

3. Gerichtliche Prüfung der Sicherungsverwahrung

47. Gemäß § 67e StGB kann das Gericht (d. h. die zuständige Strafvollstreckungskammer) jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Das Gericht muss dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen (§ 67e Abs. 1 StGB).

48. Nach § 67d Abs. 1 StGB in der seit dem 1. Juni 2013 geltenden Fassung beträgt diese Frist zur Überprüfung der Sicherungsverwahrung ein Jahr; nach dem Vollzug von zehn Jahren Sicherungsverwahrung verkürzt sich die Frist für die betreffende Person auf neun Monate.

4. Dauer der Sicherungsverwahrung

(a) Allgemeine Regelung

49. Nach § 67d Abs. 2 StGB setzt das Gericht in Fällen, in denen keine Höchstfrist vorgesehen ist oder die Frist noch nicht abgelaufen ist, die weitere Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Untergebrachte nach seiner Freilassung keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Seit dem 1. Juni 2013 sieht § 67d Abs. 2 außerdem vor, dass das Gericht die weitere Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung aussetzt, wenn es feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne von § 66c Abs. 1 Nummer 1 StGB angeboten worden ist (siehe Rdnr. 54). Wurde keine ausreichende Betreuung angeboten, so hat das Gericht bei Überprüfung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung diese Frist unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen festzusetzen. Mit der Aussetzung der Sicherungsverwahrung tritt automatisch Führungsaufsicht ein.

(b) Regelung in der vor dem 31. Januar 1998 geltenden Fassung

50. Nach § 67d Abs. 1 StGB in der vor dem 31. Januar 1998 geltenden Fassung durfte die Dauer der ersten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht über zehn Jahre hinausgehen. War die Höchstfrist abgelaufen, war der Untergebrachte zu entlassen (§ 67d Abs. 3 StGB).

(c) Geänderte Regelung in der seit dem 31. Januar 1998 geltenden Fassung

51. § 67d StGB wurde durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998, das am 31. Januar 1998 in Kraft trat, geändert. § 67d Abs. 3 in der geänderten Fassung sieht vor, dass das Gericht, wenn zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden sind, die Maßregel (nur dann) für erledigt erklärt, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seiner kriminellen Neigungen erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Erledigung tritt automatisch Führungsaufsicht ein. Die frühere Höchstdauer der erstmaligen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wurde aufgehoben. Nach Artikel 1a Abs. 3 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB) war die geänderte Fassung von § 67d Abs. 3 StGB zeitlich uneingeschränkt anzuwenden.

(d) Übergangsbestimmung

52. Artikel 316f EGStGB, der am 1. Juni 2013 in Kraft trat, enthält eine durch das Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung eingeführte Übergangsvorschrift.

53. Nach Artikel 316f Abs. 1 EGStGB sind die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung im StGB in der ab dem 1. Juni 2013 geltenden Fassung anzuwenden, wenn mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll, nach dem 31. Mai 2013 begangen wurde. In allen anderen Fällen sind grundsätzlich die bis zum 31. Mai 2013 geltenden Vorschriften über die Sicherungsverwahrung anzuwenden (Art. 316f Abs. 2 Satz 1 EGStGB) Allerdings ist die Anordnung oder Fortdauer der Sicherungsverwahrung auf Grund einer gesetzlichen Regelung, die zur Zeit der letzten Anlasstat noch nicht in Kraft getreten war, oder eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung oder die Fortdauer einer solchen nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung nur unter den folgenden Voraussetzungen zulässig: Beim Betroffenen muss ein psychische Störung vorliegen und aus konkreten Umständen in seiner Person oder seinem Verhalten muss eine hochgradige Gefahr abzuleiten sein, dass er infolge dieser Störung schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten begehen wird (Art. 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB) Liegen diese zusätzlichen Voraussetzungen für eine Fortdauer der Sicherungsverwahrung nicht mehr vor, erklärt das Gericht die Sicherungsverwahrung für erledigt; mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein (Art. 316f Abs. 2 Satz 4 EGStGB).

5. Der praktische Vollzug der Sicherungsverwahrung

54. § 66c StGB regelt die Ausgestaltung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und des vorhergehenden Strafvollzugs. Er wurde durch das Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung eingeführt (und trat somit am 1. Juni 2013 in Kraft ). Artikel 66c lautet, soweit maßgeblich, folgendermaßen:

„1. (1) Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erfolgt in Einrichtungen, die

(1) dem Untergebrachten auf der Grundlage einer umfassenden Behandlungsuntersuchung und eines regelmäßig fortzuschreibenden Vollzugsplans eine Betreuung anbieten,

a) die individuell und intensiv sowie geeignet ist, seine Mitwirkungsbereitschaft zu wecken und zu fördern, insbesondere eine psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlung, die auf den Untergebrachten zugeschnitten ist, soweit standardisierte Angebote nicht Erfolg versprechend sind, und

b) die zum Ziel hat, seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Maßregel möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder sie für erledigt erklärt werden kann,

2. eine Unterbringung gewährleisten,

a) die den Untergebrachten so wenig wie möglich belastet, den Erfordernissen der Betreuung im Sinne von Nummer 1 entspricht und, soweit Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen, den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasst ist, und

b) die vom Strafvollzug getrennt in besonderen Gebäuden oder Abteilungen erfolgt, sofern nicht die Behandlung im Sinne von Nummer 1 ausnahmsweise etwas anderes erfordert, und

3. zur Erreichung des in Nummer 1 Buchstabe b genannten Ziels

a) vollzugsöffnende Maßnahmen gewähren und Entlassungsvorbereitungen treffen, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, der Untergebrachte werde sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Maßnahmen zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen, sowie

b) in enger Zusammenarbeit mit staatlichen oder freien Trägern eine nachsorgende Betreuung in Freiheit ermöglichen.“

55. Nach Artikel 316f Abs. 3 EGStGB findet Artikel 66c StGB n. F. StGB auch auf Personen Anwendung, die Straftaten begangen haben, wegen denen vor dem 31. Mai 2013 Sicherungsverwahrung angeordnet wurde.

56. Die konkrete Ausgestaltung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung wird durch die einzelnen Bundesländer geregelt. In Niedersachsen, wo der Beschwerdeführer untergebracht war, hat der Landtag das Gesetz zur Neuregelung des Vollzuges der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in Niedersachsen vom 12. Dezember 2012 verabschiedet, das am 1. Juni 2013 in Kraft trat. Es umfasst insgesamt 126 Paragrafen.

57. In § 2 des Niedersächsischen Sicherungsverwahrungsvollzugs­gesetzes werden die Vollzugsziele der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung dargelegt. Gemäß § 2 Abs. 1 dient der Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung dem Ziel, die Gefährlichkeit des Sicherungsverwahrten für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Unterbringung möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder für erledigt erklärt werden kann. Im Vollzug sollen die Sicherungsverwahrten fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (§ 2 Abs. 2). Zugleich dient der Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren erheblichen Straftaten (§ 2 Abs. 3).

58. Die Ziele des Vollzugs der Freiheitsstrafe werden hingegen in § 5 des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes, das insbesondere den Vollzug von Freiheitsstrafen regelt, definiert. Hier heißt es, dass die Gefangenen im Vollzug der Freiheitsstrafe fähig werden sollen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Satz 1). Zugleich dient der Vollzug der Freiheitsstrafe dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten (Satz 2).

59. § 3 des Niedersächsischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes bestimmt insbesondere, dass der Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung freiheitsorientiert und therapiegerichtet auszugestalten ist (§ 3 Abs. 2). Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen anzupassen, soweit die Sicherungsverwahrten nicht den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit unterliegen (§ 3 Abs. 2).

60. Nach § 4 Abs. 1 des Niedersächsischen Sicherungsverwahrungs­vollzugsgesetzes sind den Sicherungsverwahrten die zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 erforderlichen Betreuungs- und sonstigen Maßnahmen unverzüglich anzubieten und die Bereitschaft der Sicherungsverwahrten, an der Erreichung dieser Vollzugsziele mitzuwirken, ist fortwährend zu wecken und zu fördern. Zu den Betreuungsmaßnahmen zählen insbesondere psychiatrische, psychotherapeutische und sozial-therapeutische Behandlungsmaßnahmen; soweit standardisierte Behandlungsmaßnahmen nicht ausreichen oder keinen Erfolg versprechen, sind neue Behandlungsangebote zu entwickeln (§ 4 Abs. 2).

B. Vorschriften zur Schuldfähigkeit

61. § 20 StGB regelt die Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen. Er bestimmt, dass Personen, die eine Straftat begangen haben und wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer anderen seelischen Abartigkeit unfähig sind, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, ohne Schuld gehandelt haben.

62. § 21 StGB regelt die verminderte Schuldfähigkeit. Danach kann die Strafe gemildert werden, wenn die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert ist.

C. Die Unterbringung psychisch Kranker

63. Die Unterbringung psychisch Kranker ist zunächst einmal im Strafgesetzbuch als Maßregel der Besserung und Sicherung vorgesehen, wenn die Unterbringung im Zusammenhang mit einer von dem Betroffenen begangenen rechtswidrigen Tat angeordnet wird. § 63 StGB sieht vor, dass das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ohne Angabe einer Höchstdauer anordnet, wenn jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit begangen hat. Die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten muss ergeben haben, dass von ihm infolge seines Zustands weitere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.

64. Überdies trat nach dem Urteil des Gerichtshofs in der Sache M. ./. Deutschland (a. a. O.) am 1. Januar 2011 das Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (ThUG) in Kraft. Nach § 1 Abs. 1 und 4 ThUG können die Zivilkammern der Landgerichte die Unterbringung einer Person in einer geeigneten Einrichtung anordnen, wenn diese angesichts des Verbots rückwirkender Verschärfungen im Hinblick auf die Sicherungsverwahrung nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann. Eine solche Therapieunterbringung kann angeordnet werden, wenn der Betroffene durch rechtskräftiges Urteil bestimmter schwerer Straftaten, derentwegen nach § 66 Abs. 3 StGB die Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann, für schuldig befunden worden ist. Zudem muss der Betroffene an einer psychischen Störung leiden, die dazu führt, dass er im Falle seiner Freilassung mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person erheblich beeinträchtigen würde. Die Unterbringung muss als notwendig erachtet werden, um den Schutz der Allgemeinheit zu gewährleisten.

65. Nach § 2 Abs. 1 ThUG sind nur solche Einrichtungen für die Therapieunterbringung geeignet, die aufgrund ihrer medizinischen und therapeutischen Angebote eine angemessene Behandlung der psychischen Störung des Betroffenen auf der Grundlage eines individuellen Behandlungsplans mit dem Ziel einer möglichst kurzen Unterbringungsdauer gewährleisten können (Nummer 1). Darüber hinaus müssen die betreffenden Einrichtungen unter Berücksichtigung therapeutischer Gesichtspunkte und der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit eine die Untergebrachten so wenig wie möglich belastende Unterbringung zulassen (Nummer 2). Sie müssen räumlich und organisatorisch von Einrichtungen des Strafvollzugs getrennt sein (Nummer 3). Nach § 2 Abs. 2 ThuG in der seit 1. Juni 2013 geltenden Fassung sind Einrichtungen im Sinne des § 66c Abs. 1 StGB ebenfalls für die Therapieunterbringung geeignet, wenn sie die Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 Nummer 1 und 2 ThUG erfüllen.

D. Jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

1. Das Leiturteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwahrung vom 4. Mai 2011

66. Am 4. Mai 2011 erließ das Bundesverfassungsgericht ein Leiturteil zur nachträglichen Verlängerung der Sicherungsverwahrung über die frühere Höchstdauer von zehn Jahren hinaus und auch zur nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 2 StGB (2 BvR 2365/09, 2 BvR 740/10, 2 BvR 2333/08, 2 BvR 1152/10 und 2 BvR 571/10). In Abkehr von seiner früheren Position stellte es fest, dass alle Vorschriften über die nachträgliche Verlängerung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung mit dem Grundgesetz unvereinbar seien, weil sie das rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot in Verbindung mit dem Freiheitsgrundrecht verletzten.

67. Das Bundesverfassungsgericht stellte ferner fest, dass alle einschlägigen Vorschriften des Strafgesetzbuchs über die Anordnung und die Dauer der Sicherungsverwahrung mit dem Freiheitsgrundrecht der sicherungsverwahrten Personen unvereinbar seien. Diese Vorschriften würden dem verfassungsrechtlichen Gebot, zwischen der Freiheitsentziehung in der Sicherungsverwahrung und der Freiheitsentziehung im Strafvollzug zu unterscheiden (Abstandsgebot), nicht gerecht. Zu diesen Vorschriften gehöre insbesondere § 66 StGB in der seit dem 27. Dezember 2003 geltenden Fassung.

68. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass sämtliche mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärten Vorschriften bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung, längstens bis zum 31. Mai 2013, weiter anwendbar seien. In Bezug auf die Untergebrachten, deren Sicherungsverwahrung nachträglich verlängert oder nach § 66b Abs. 2 StGB nachträglich angeordnet worden sei, hätten die Strafvollstreckungsgerichte unverzüglich zu prüfen, ob aus den konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten der Untergebrachten eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten abzuleiten sei und diese zudem im Sinne von § 1 Abs. 1 des neu verabschiedeten Therapieunterbringungsgesetzes an einer psychischen Störung litten. Was den Begriff „psychische Störung“ angeht, nahm das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich auf den Begriff „persons of unsound mind“ (psychisch Kranke) aus Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e der Konvention in der Auslegung Bezug, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung vorgenommen hat (siehe Rdnrn. 138 und 143 – 156 des Urteils des Bundesverfassungsgerichts). Bei Nichtvorliegen der oben genannten Voraussetzungen seien diese Sicherungsverwahrten spätestens zum 31. Dezember 2011 freizulassen. Die übrigen Vorschriften über die Anordnung und die Dauer der Sicherungsverwahrung seien während der Übergangszeit nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeits­prüfung weiter anzuwenden; in der Regel werde der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dann gewahrt sein, wenn die Gefahr bestehe, dass die betroffene Person im Falle ihrer Entlassung schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten begehen werde.

69. Das Bundesverfassungsgericht betonte in seinem Urteil, dass die Tatsache, dass das Grundgesetz in der innerstaatlichen Normenhierarchie über der Konvention stehe, einem internationalen und europäischen Dialog der Gerichte nicht entgegenstehe, sondern vielmehr dessen normative Grundlage darstelle, da das Grundgesetz völkerrechtsfreundlich auszulegen sei (a. a. O., Rdnr. 89) Aufgrund der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes versuche es, bei der Auslegung des Grundgesetzes Konventionsverstöße zu vermeiden (a. a. O., Rdnrn. 82 und 89).

70. In seiner Begründung berief sich das Bundesverfassungsgericht auf die Auslegung von Artikel 5 und Artikel 7 der Konvention, die der Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache M. ./. Deutschland (a. a. O., siehe Rdnrn. 137 ff. des Bundesverfassungsgerichtsurteils) vorgenommen hat. Es unterstrich insbesondere, dass es aufgrund des verfassungsrechtlichen Abstandsgebots und aufgrund der in Artikel 7 der Konvention niedergelegten Grundsätze erforderlich sei, den Betroffenen eine individuell zugeschnittene und intensive Therapie und Betreuung anzubieten. Entsprechend den Feststellungen des Gerichtshofs in der Rechtssache M. ./. Deutschland (a. a. O., Rdnr. 129) sei ein hohes Maß an Betreuung durch ein multidisziplinäres Team erforderlich, und dem Untergebrachten sei eine individuell zugeschnittene Therapie anzubieten, wenn die in der Einrichtung zur Verfügung stehenden standardisierten Therapiemethoden nicht erfolgversprechend seien (siehe Rdnr. 113 des Urteils des Bundesverfassungsgerichts).

71. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte seine ständige Rechtsprechung, nach der das absolute Verbot der rückwirkenden Anwendung von Strafgesetzen nach Artikel 103 Abs. 2 GG nicht die Sicherungsverwahrung erfasst. Letztere sei eine Maßnahme der Besserung und Sicherung, die nicht dem Ziel diene, strafrechtliche Schuld zu sühnen, sondern eine reine Präventivmaßnahme sei, die die Allgemeinheit vor einem gefährlichen Täter schützen solle (siehe Rdnrn. 100 – 101 und 141 – 142 des Urteils des Bundesverfassungsgerichts). Das Bundesverfassungsgericht wies darauf hin, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Sicherungsverwahrung als eine „Strafe“ im Sinne von Artikel 7 Abs. 1 der Konvention angesehen habe (a. a. O., Rdnrn. 102, 140). Es war der Auffassung, dass es nicht notwendig sei, die Bedeutung des verfassungsrechtlichen Begriffs „Strafe“ mit der Bedeutung dieses Begriffs nach der Konvention schematisch zu parallelisieren. Vielmehr sollten die Wertungen der Konvention zielorientiert aufgenommen werden, um Völkerrechtsverletzungen zu vermeiden (a. a. O., Rdnrn. 91 und 141 ff.).

72. Im Hinblick auf das rechtstaatliche Vertrauensschutzgebot in der Verfassung und die Wertungen der Artikel 5 und 7 der Konvention sei die Verlängerung der Sicherungsverwahrung der Beschwerdeführer über die frühere Zehnjahresfrist hinaus in der Praxis insbesondere nur dann verfassungsgemäß, wenn u. a. die Voraussetzungen von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e erfüllt seien (a. a. O., Rdnrn. 143 und 151 – 156). Das Bundesverfassungsgericht verwies in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wonach die Freiheitsentziehung einer Person wegen psychischer Krankheit nur dann im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e der Konvention rechtmäßig ist, wenn sie in einem Krankenhaus, einer Klinik oder einer anderen geeigneten Einrichtung erfolgt (a. a. O., Rdnr. 155).

2. Der Beschluss vom 15. September 2011

73. In einem Beschluss vom 15. September 2011 (2 BvR 1516/11) wies das Bundesverfassungsgericht unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 4. Mai 2011 (a. a. O.) erneut darauf hin, dass eine Verlängerung der Unterbringung einer Person in der Sicherungsverwahrung über die zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung anwendbare Zehnjahresfrist hinaus nur möglich sei, wenn die Voraussetzungen nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e der Konvention erfüllt seien.

74. Das Bundesverfassungsgericht stellte weiter klar, dass der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 ThUG an den Begriff „persons of unsound mind“ (psychisch Kranke) aus Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e der Konvention angeknüpft habe. In diesem Gesetz habe der Gesetzgeber eine neue Kategorie der „psychischen Störung“ eingeführt, die nicht voraussetze, dass die Schuldfähigkeit nach §§ 20 und 21 StGB vermindert oder ausgeschlossen sei. Spezifische Störungen der Persönlichkeit, des Verhaltens, der Sexualpräferenz sowie der Impuls- und Triebkontrolle seien unter den Begriff der „psychischen Störung“ nach § 1 Abs. 1 ThUG zu fassen. Der Begriff beschränke sich daher nicht auf psychische Erkrankungen, die klinisch behandelt werden könnten, sondern erstrecke sich auch auf dissoziale Persönlichkeitsstörungen.

3. Der Beschluss vom 11. Juli 2013 betreffend die Vereinbarkeit von § 1 Abs. 1 des Therapieunterbringungsgesetzes mit dem Grundgesetz

75. Durch Beschluss vom 11. Juli 2013 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass § 1 Abs. 1 ThUG (siehe oben) mit der Maßgabe der folgenden restriktiven Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar sei (2 BvR 2302/11 und 2 BvR 1279/12): Die Unterbringung oder deren Fortdauer nach diesem Gesetz dürfe nur angeordnet werden, wenn zwischen dieser Unterbringung und der Freiheitsentziehung im Strafvollzug ein Unterschied bestehe. Darüber hinaus müsse aufgrund konkreter Umstände in der Person oder im Verhalten des Betroffenen eine hochgradige Gefahr bestehen, dass er im Falle seiner Entlassung schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten begehen werde. Außerdem müssten die Voraussetzungen nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e der Konvention erfüllt sein. Das Bundesverfassungsgericht befand, dass die in Bezug auf die nachträglich angeordnete oder verlängerte Sicherungsverwahrung entwickelten Grundsätze (siehe oben) daher auch auf die Unterbringung nach dem Therapieunterbringungsgesetz anwendbar seien.

76. Es stellte in diesem Zusammenhang erneut fest, dass der Begriff der „psychischen Störung“ aus § 1 Abs. 1 ThUG im Hinblick auf die sich aus Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e ergebenden Maßstäbe nicht voraussetze, dass die Störung so schwerwiegend sei, dass sie die strafrechtliche Verantwortlichkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB ausschließe oder vermindere. Es nahm darüber hinaus auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e Bezug (insbesondere auf K. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 21906/09, 19. Januar 2012; und B. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 61272/09, 19. April 2012) und stellte fest, dass die Freiheitsentziehung bei „psychisch Kranken“ gerechtfertigt sein könne, wenn sie in einer geeigneten psychiatrischen Einrichtung erfolge, was wiederum voraussetze, dass die psychische Störung entsprechend intensiv ausgeprägt sei.

RECHTLICHE WÜRDIGUNG

i. BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 5 ABS. 1 DER KONVENTION

77. Der Beschwerdeführer rügte, dass die gerichtlich verfügte Fortdauer seiner Sicherungsverwahrung in dem in Rede stehenden Verfahren über die nach den zur Tat- und Urteilszeit geltenden Rechtsvorschriften geltende Höchstdauer von zehn Jahren hinaus sein Recht auf Freiheit verletzt habe. Er bezog sich auf Artikel 5 Abs. 1 der Konvention, der, soweit einschlägig, wie folgt lautet:

„1. Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

(a) rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;

(e) rechtmäßige Freiheitsentziehung mit dem Ziel, die Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern; …“

78. Die Regierung trat diesem Vorbringen entgegen.

A. Zulässigkeit

79. Die Regierung brachte vor, der Beschwerdeführer habe bezüglich der Verlängerung seiner Sicherungsverwahrung durch die innerstaatlichen Gerichte in der Zeit vor dem angegriffenen Beschluss des Landgerichts vom 26. Juli 2013 die innerstaatlichen Rechtsbehelfe nicht ausgeschöpft. Der Beschwerdeführer nahm hierzu nicht Stellung.

80. Der Gerichtshof stellt fest, dass der Beschwerdeführer in seiner Individualbeschwerde (lediglich) die Beschlüsse der innerstaatlichen Gerichte zur Fortdauer seiner Sicherungsverwahrung in dem in Rede stehenden Verfahren rügt, namentlich den Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 26. Juli 2013 und die Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 2. September 2013 sowie den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Oktober 2013 (siehe Rdnrn. 14 – 18, oben), die den Beschluss des Landgerichts bestätigt hatten. Diesbezüglich wurde von der Regierung der Einwand der Nichterschöpfung staatlicher Rechtsbehelfe nicht erhoben.

81. Der Gerichtshof stellt fest, dass die Individualbeschwerde nicht offensichtlich unbegründet im Sinne von Artikel 35 Abs. 3 Buchstabe a der Konvention ist. Er stellt ferner fest, dass sie auch nicht aus anderen Gründen unzulässig ist. Folglich ist sie als zulässig zu erklären.

B. Begründetheit

1. Die Stellungnahmen der Parteien

(a) Der Beschwerdeführer

82. Der Beschwerdeführer brachte vor, seine Sicherungsverwahrung verstoße gegen Artikel 5 Abs. 1 der Konvention. Insbesondere sei seine Freiheitsentziehung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (er bezog sich auf die Rechtssache M ./. Deutschland, a. a. O) nicht nach Buchstabe a der genannten Bestimmung gerechtfertigt. Sie sei auch nicht nach Buchstabe e gerechtfertigt.

83. Der Beschwerdeführer trug vor, dass er kein „psychisch Kranker“ im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e sei. Diese Bezeichnung beziehe sich auf psychisch kranke Personen, die für ihre Taten nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden könnten; er hingegen leide nicht an einer psychischen Krankheit. Unter Bezugnahme auf die Feststellungen des Gerichtshofs in der Rechtssache G. ./. Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 7345/12, Rdnr. 87, 28. November 2013) brachte er vor, dass Personen, die lediglich an einer Persönlichkeitsstörung litten, in der Regel nicht von diesem Begriff erfasst würden. Die Auslegung des Begriffs der „psychischen Störung“ durch die innerstaatlichen Gerichte sei in dieser Hinsicht zu weit gefasst (er nahm insbesondere Bezug auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. September 2011, Aktenzeichen 2 BvR 1516/11, siehe Rdnrn. 73 – 74, oben).

84. Der Beschwerdeführer brachte weiter vor, die Rechtfertigung seiner Freiheitsentziehung als die eines „psychisch Kranken“ käme einer Zulassung seiner Sicherungsverwahrung über die frühere gesetzliche Höchstdauer von zehn Jahren hinaus gleich, was im Widerspruch zu den Feststellungen des Gerichtshofs in der Rechtssache M ./. Deutschland (a. a. O.) stehe, ohne dass die Umstände anders gewesen wären. Die Anordnung seiner Sicherungsverwahrung durch das erkennende Gericht sei ausschließlich auf der Grundlage der Gefährlichkeit erfolgt, die er für die Allgemeinheit darstelle. Ob diese Gefährlichkeit auf einer psychischen Krankheit beruhe oder nicht, sei für das Gericht unerheblich gewesen. Wenn er nun als psychisch Kranker („person of unsound mind“) untergebracht werde, so umgehe man damit offensichtlich die Rechtsprechung des Gerichtshofs, nach der seine Sicherungsverwahrung nicht mehr nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a gerechtfertigt sei.

85. Der Beschwerdeführer brachte zudem vor, die Bedingungen seiner Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in der Einrichtung für Sicherungsverwahrte auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt R. seien dieselben gewesen wie in der Justizvollzugsanstalt Celle, in der er zuvor untergebracht gewesen sei.

86. Darüber hinaus sei die Fortdauer seiner Sicherungsverwahrung angesichts seines fortgeschrittenen Alters unverhältnismäßig – er befinde sich bereits seit 2001 in der Sicherungsverwahrung.

(b) Die Regierung

87. Die Regierung brachte vor, die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers stehe im Einklang mit Artikel 5 Abs. 1 der Konvention. Sie sei nach Buchstabe e dieser Bestimmung gerechtfertigt.

88. Nach Ansicht der Regierung ist der Beschwerdeführer im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e der Konvention psychisch krank („of unsound mind“), im Einklang mit der Definition des Gerichtshofs in seinem Urteil in der Rechtssache Winterwerp ./. Niederlande (24. Oktober 1979, Rdnr. 37, Serie A Nr. 33). Der Beschwerdeführer sei darüber hinaus alkoholabhängig und die von ihm aufgrund seiner psychischen Störung ausgehende Gefährlichkeit werde durch den Konsum von Alkohol verschärft.

89. Die Regierung argumentierte, die innerstaatlichen Gerichte hätten festgestellt, dass der Beschwerdeführer an einer psychischen Störung im Sinne von Artikel 316f Absatz 2 EGStGB leide, wobei sie diesen Begriff im Lichte der Anforderungen von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e ausgelegt hätten. Nach Konsultation des medizinischen Sachverständigen W. und unter Berücksichtigung mehrerer früherer Gutachten, die zum gleichen Ergebnis gekommen wären, hätten die Gerichte festgestellt, dass der Beschwerdeführer seit seiner Verurteilung 1986 an einer sexuellen Devianz, dem sexuellen Sadismus, leide und außerdem alkoholabhängig sei. Diese Störungen seien im medizinischen Sinne als Krankheiten einzustufen.

90. Zudem habe das erkennende Gericht die psychische Störung des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt seiner Verurteilung als so schwerwiegend erachtet, dass sie seine Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB vermindert hatte. Allein aufgrund seiner Sexualpräferenz bestehe ein hochgradiges Risiko, dass er im Falle seiner Freilassung schwerste Gewalt- und Sexualstraftaten begehen werde, ähnlich denen, derer er für schuldig befunden worden sei. Infolge seines Alkoholmissbrauchs werde die durch seine sexuelle Devianz hervorgerufene Gefahr noch verschärft. Die Fortdauer seiner Sicherungsverwahrung sei daher zum Schutz der Allgemeinheit notwendig.

91. Die Regierung brachte ferner vor, der Beschwerdeführer sei in einer für psychisch Kranke und Alkoholabhängige geeigneten Einrichtung untergebracht. Die Einrichtung für Sicherungsverwahrte in R. erfülle diese Voraussetzung zumindest seit Juni 2013. Die in der Einrichtung zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten seien vergleichbar mit denen in psychiatrischen Kliniken, und jedem Untergebrachten werde eine individuell zugeschnittene Behandlung angeboten.

92. Die Regierung erklärte, die Fachkräfte des psychologischen und sozialen Dienstes der Einrichtung führten Einzelgespräche mit den Insassen, um ihre Behandlungsmotivation zu fördern. Es gebe therapeutische Gruppenmaßnahmen für Sexual- und Gewaltstraftäter sowie Rückfallprophylaxetraining für Straftäter mit Suchtproblemen. Bei Sexualstraftätern könnten auch triebdämpfende Medikamente zum Einsatz kommen. Den Insassen könnten Einzelpsychotherapie angeboten und Ausgänge aus der Einrichtung gewährt werden. Ferner gebe es ergotherapeutische, sport- und freizeitpädagogische Maßnahmen, um die kommunikativen Fähigkeiten der Insassen zu verbessern und ihre Teilnahme an Therapiemaßnahmen zu fördern.

93. Die Regierung vertrat die Auffassung, in der Einrichtung in R. hätten, wie aus dem von der Einrichtung erstellten Vollzugsplan für den Beschwerdeführer im Einzelnen hervorgehe (siehe Rdnrn. 39 – 41, oben), sämtliche nach Ansicht der medizinischen Sachverständigen, die den Beschwerdeführeruntersucht hätten, für ihn geeigneten therapeutischen Maßnahmen zur Verfügung gestanden und seien ihm auch angeboten worden. Diese umfassten insbesondere eine Behandlung mit triebdämpfenden Medikamenten, eine Therapie zur Bearbeitung des sexuellen Sadismus des Beschwerdeführers sowie eine Suchttherapie zur Bekämpfung seiner Alkoholabhängigkeit. Dem Personal der Einrichtung sei es gelungen, den Beschwerdeführer zur Teilnahme an einer Gruppentherapie zu motivieren, um einen Rückfall in übermäßigen Alkoholkonsum zu verhindern. Er weigere sich jedoch noch immer, entscheidende Schritte zu unternehmen, insbesondere die ihm wiederholt angebotene Behandlung mit triebdämpfenden Medikamenten aufzunehmen sowie am Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter teilzunehmen.

94. Die Regierung brachte ferner vor, die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers sei die für ihn am wenigsten einschränkende Art, die Allgemeinheit zu schützen. Die von den innerstaatlichen Gerichten hinzugezogenen Sachverständigen hätten bestätigt, dass seine Gefährlichkeit nicht aufgrund seines Alters verringert worden sei, da er bei der Begehung seiner Straftaten Gewalt gegen erheblich schwächere Personen, nämlich Frauen oder Kinder, ausgeübt habe. Zudem würde eine Verlegung des Beschwerdeführers in ein als geschlossene Einrichtung geführtes, streng überwachtes Heim für den Beschwerdeführer keine weniger einschränkende Maßnahme darstellen, da sie gleichermaßen mit einer Freiheitsentziehung verbunden sei.

2. Würdigung durch den Gerichtshof

(a) Zusammenfassung der einschlägigen Grundsätze

95. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass eine erschöpfende Liste zulässiger Gründe für die Freiheitsentziehung in Artikel 5 Abs. 1 Buchstaben a bis f enthalten ist und eine Freiheitsentziehung nur rechtmäßig sein kann, wenn sie von einem dieser Gründe erfasst wird (siehe Del Rio Prada ./. Spanien [GK], Individualbeschwerde Nr. 42750/09, Rdnr. 123, 21. Oktober 2013 mit weiteren Verweisen). Die Anwendbarkeit eines Grundes schließt jedoch nicht notwendigerweise die eines anderen aus; eine Freiheitsentziehung kann je nach den Umständen nach mehr als einem der Buchstaben gerechtfertigt sein (siehe Kharin ./. Russland, Individualbeschwerde Nr. 37345/03, Rdnr. 31, 3. Februar 2011 mit weiteren Verweisen). Nur eine enge Auslegung der erschöpfenden Liste zulässiger Gründe für die Freiheitsentziehung entspricht dem Ziel von Artikel 5, nämlich sicherzustellen, dass niemandem willkürlich die Freiheit entzogen wird (siehe u. v. a. Winterwerp ./. Niederlande, 24. Oktober 1979, Rdnr. 37, Serie A Band 33; und Shimovolos ./. Russland, Individualbeschwerde Nr. 30194/09, Rdnr. 51, 21. Juni 2011).

96. Überdies weist der Gerichtshof erneut darauf hin, dass der Begriff „psychisch Kranke“ aus Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e sich nicht genau definieren lässt, weil seine Bedeutung sich mit dem Fortschreiten der psychiatrischen Forschung ständig verändert (siehe Winterwerp, a. a. O., Rdnr. 37, und Rakevich ./. Russland, Individualbeschwerde Nr. 58973/00, Rdnr. 26, 28. Oktober 2003). Einer Person kann wegen „psychischer Krankheit“ die Freiheit nur entzogen werden, wenn die drei folgenden Mindestvoraussetzungen vorliegen: Erstens muss die psychische Krankheit zuverlässig nachgewiesen sein, d. h. eine tatsächliche psychische Störung muss aufgrund objektiver ärztlicher Fachkompetenz vor einer zuständigen Behörde festgestellt werden; zweitens muss die psychische Störung ihrer Art oder ihrer Schwere nach eine Zwangsunterbringung rechtfertigen; drittens hängt die Fortdauer der Unterbringung vom Fortbestehen einer derartigen Störung ab (siehe Winterwerp, a. a. O., Rdnr. 39, und Stanev ./. Bulgarien [GK], Individualbeschwerde Nr. 36760/06, Rdnr. 145, ECHR 2012).

97. Eine psychische Störung kann dann als so schwerwiegend angesehen werden, dass sie eine Zwangsunterbringung erfordert, wenn festgestellt wird, dass die Unterbringung des Betroffenen erforderlich ist, weil er eine Therapie, Medikamente oder eine sonstige klinische Behandlung benötigt, damit sein Zustand geheilt oder verbessert werden kann, aber auch wenn der Betroffene der Kontrolle und Aufsicht bedarf, um ihn beispielsweise davon abzuhalten, sich selbst oder anderen zu schaden (vgl. z. B. Witold Litwa ./. Polen, Individualbeschwerde Nr. 26629/95, Rdnr. 60, ECHR 2000 III; und Hutchison Reid ./. Vereinigtes Königreich, Individualbeschwerde Nr. 50272/99, Rdnr. 52, ECHR 2003 IV).

98. Im Hinblick auf die Entscheidung, ob einer Person wegen „psychischer Krankheit“ die Freiheit entzogen werden sollte, ist anzuerkennen, dass die nationalen Behörden über einen gewissen Ermessensspielraum verfügen, insbesondere hinsichtlich der Bewertung klinischer Befunde, weil in erster Linie die nationalen Behörden dafür zuständig sind, die ihnen beigebrachten Beweise in einem bestimmten Fall zu würdigen; die Aufgabe des Gerichtshofs besteht darin, im Lichte der Konvention die Entscheidungen dieser Behörden zu überprüfen (siehe Rechtssachen Winterwerp, a. a. O., Rdnr. 40; X ./. Vereinigtes Königreich, 5. November 1981, Rdnr. 43, Serie A Band 46; H.L. ./. Vereinigtes Königreich, Individualbeschwerde Nr. 45508/99, Rdnr. 98, ECHR 2004 IX; und S. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 3300/10, Rdnr. 81, 28. Juni 2012). Der maßgebliche Zeitpunkt, zu dem die psychische Erkrankung einer Person für die Erfordernisse des Artikels 5 Abs. 1 Buchstabe e zuverlässig nachgewiesen sein muss, ist der Tag des Erlasses der Maßnahme, mit der jener Person aufgrund dieses Zustands die Freiheit entzogen wird (vgl. Luberti ./. Italien, 23. Februar 1984, Rdnr. 28, Serie A Band 75; B. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 61272/09, Rdnr. 68, 19. April 2012).

99. Darüber hinaus muss ein Zusammenhang zwischen dem angeführten Grund einer zulässigen Freiheitsentziehung und dem Ort und den Bedingungen der Freiheitsentziehung bestehen. Grundsätzlich ist die „Freiheitsentziehung“ einer Person wegen psychischer Krankheit nur dann im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e „rechtmäßig“, wenn sie in einem Krankenhaus, einer Klinik oder einer anderen geeigneten Einrichtung erfolgt (siehe Hutchison Reid, a. a. O., Rdnr. 49; Brand ./. Niederlande, Individualbeschwerde Nr. 49902/99, Rdnr. 62, 11. Mai 2004; K. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 17792/07, Rdnr. 46, 13. Januar 2011; und G. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 7345/12, Rdnr. 75, 28. November 2013 mit weiteren Verweisen).

100. Hinsichtlich der Auslegung des Begriffs „alkoholsüchtig“ mit Blick auf das Ziel und den Zweck von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e der Konvention weist der Gerichtshof erneut auf Folgendes hin: Das Ziel und der Zweck dieser Bestimmung können nicht so ausgelegt werden, dass nur die Freiheitsentziehung von „Alkoholsüchtigen“, die im engen Sinne einer Gruppe der nach klinischem Befund „alkoholkranken Personen“ zuzurechnen sind, zulässig ist. Personen, bei denen medizinisch keine „Alkoholsucht“ festgestellt wird, aber deren Verhalten in alkoholisiertem Zustand eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder für sie selbst darstellt, können zum Schutz der Allgemeinheit oder ihrer eigenen Interessen wie ihrer Gesundheit oder ihrer persönlichen Sicherheit in Gewahrsam genommen werden. Gleichwohl ist die Freiheitsentziehung einer Person lediglich aufgrund ihres Alkoholkonsums nicht zulässig (siehe Witold Litwa, a. a. O., Rdnrn. 61-62, und Hilda Hafsteinsdóttir ./. Island, Individualbeschwerde Nr. 40905/98, Rdnr. 42, 8. Juni 2004; Kharin, a. a. O., Rdnr. 34; und S. ./. Deutschland, a. a. O., Rdnr. 83).

101. Jede Freiheitsentziehung muss unter eine der Ausnahmen nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstaben a bis f fallen und darüber hinaus „rechtmäßig“ sein. Wo es um die „Rechtmäßigkeit“ der Freiheitsentziehung geht, was auch die Frage beinhaltet, ob sie „auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise“ erfolgt ist, verweist die Konvention im Wesentlichen auf das innerstaatliche Recht und erlegt die Verpflichtung auf, dessen materiell- und verfahrensrechtliche Bestimmungen einzuhalten (siehe u. v. a. Erkalo ./. Niederlande, 2. September 1998, Rdnr. 52, Reports 1998‑VI; Baranowski ./. Polen, Individualbeschwerde Nr. 28358/95, Rdnr. 50, ECHR 2000 III; und Saadi ./. Vereinigtes Königreich [GK], Individualbeschwerde Nr. 13229/03, Rdnr. 67, ECHR 2008).

102. Die Einhaltung des innerstaatlichen Rechts reicht jedoch nicht aus: Artikel 5 Abs. 1 verlangt auch, dass jede Freiheitsentziehung mit der Absicht, den Einzelnen vor Willkür zu schützen, vereinbar sein muss (siehe u. v. a. Winterwerp, a. a. O., Rdnrn. 37 und 45; Saadi, a. a. O., Rdnr. 67; und R. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 28527/08, Rdnr. 83, 19. Januar 2012).

(b) Anwendung dieser Grundsätze auf die vorliegende Rechtssache

(i) Gründe für die Freiheitsentziehung

103. Der Gerichtshof hat darüber zu entscheiden, ob die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers in dem in Rede stehenden Zeitraum nach einem der Buchstaben a bis f des Artikels 5 Abs. 1 gerechtfertigt war.

104. Der Gerichtshof stellt einleitend fest, dass der Beschwerdeführer über die zum Zeitpunkt seiner Taten und seiner Verurteilung geltende Höchstdauer von zehn Jahren hinaus (§ 67d Abs. 1 StGB in der damaligen Fassung, siehe Rdnr. 50, oben) in Sicherungsverwahrung untergebracht war; diese war 1986 vom erkennenden Gericht, dem Landgericht Hannover, bei seiner Verurteilung angeordnet worden. Unter Bezugnahme auf seine Feststellungen in der Rechtssache M ./. Deutschland (a. a. O., Rdnrn. 97 – 101) ist das Gericht der Auffassung, dass die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers daher nicht mehr nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a gerechtfertigt ist. Aufgrund des nicht hinreichenden Kausalzusammenhangs zwischen der Verurteilung des Beschwerdeführers im Jahr 1986 und seiner fortdauernden Freiheitsentziehung handelte sich nicht mehr um eine Freiheitsentziehung „nach Verurteilung“ durch ein zuständiges Gericht.

105. Der Gerichtshof muss daher prüfen, ob die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e gerechtfertigt war, wie dies von der Regierung vorgebracht und vom Beschwerdeführer bestritten wurde.

(α) Freiheitsentziehung von „psychisch Kranken“ /von „Alkoholsüchtigen”

106. Der Gerichtshof wird zunächst prüfen, ob die in Rede stehende Freiheitsentziehung des Beschwerdeführers als Freiheitsentziehung eines „psychisch Kranken“ im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e gerechtfertigt werden kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs (siehe Rdnrn. 96 und 98, oben) musste dazu zunächst zuverlässig nachgewiesen werden, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Anordnung der Fortdauer seiner Sicherungsverwahrung psychisch krank war. Anders ausgedrückt: Es musste aufgrund objektiver ärztlicher Fachkompetenz eine tatsächliche psychische Störung vor einer zuständigen Behörde festgestellt werden.

107. Der Gerichtshof merkt an, dass das Landgericht Lüneburg und das Oberlandesgericht Celle sich der Feststellung des Sachverständigen anschlossen, dass der Beschwerdeführer unter sexuellem Sadismus litt, und dass dies ihrer Auffassung nach eine psychische Störung im Sinne von Artikel 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB sowie § 1 Abs. 1 ThUG (siehe Rdnrn. 17 und 23, oben) darstellte.

108. Im Rahmen der Entscheidung darüber, ob die innerstaatlichen Gerichte damit festgestellt hatten, dass der Beschwerdeführer an einer psychischen Krankheit im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e litt, stellt der Gerichtshof fest, dass die für die Strafvollstreckung zuständigen Gerichte nach dem neuen Artikel 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB die Fortdauer der Sicherungsverwahrung – neben dem Vorliegen weiterer Voraussetzungen – nur dann anordnen konnten, wenn sie festgestellt hatten, dass er an einer psychischen Störung litt. Dieses Erfordernis war eben deshalb eingeführt worden, weil das Bundesverfassungsgericht die Anordnung einer nachträglich verlängerten Fortdauer der Sicherungsverwahrung in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 an strengere Kriterien geknüpft hatte (siehe Rdnr. 68, oben).

109. Die innerstaatlichen Gerichte hatten daher nicht mehr lediglich nach § 67d Abs. 3 StGB (siehe Rdnr. 51, oben) zu entscheiden, ob die Gefahr bestand, dass die betreffende Person im Falle ihrer Entlassung aufgrund ihrer kriminellen Neigungen weitere erhebliche Straftaten begehen würde, unabhängig davon, ob dies auf ihren psychischen Zustand zurückzuführen war oder nicht (siehe dazu K., a. a. O., Rdnr. 56; O.H. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 4646/08, Rdnr. 86, 24. November 2011; und K. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 21906/09, Rdnr. 79, 19. Januar 2012). Vielmehr mussten sie ausdrücklich feststellen, dass der Untergebrachte an einer psychischen Störung litt, aufgrund derer die hochgradige Gefahr bestand, dass er schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten begehen würde (siehe dazu auch G., a. a. O., Rdnr. 80).

110. Der Gerichtshof ist daher überzeugt, dass die innerstaatlichen Gerichte in dem in Rede stehenden Verfahren zuständige Behörden waren, die feststellten, dass bei dem Beschwerdeführer zumindest im Sinne des anzuwendenden innerstaatlichen Rechts eine psychische Störung vorlag. Die Schlussfolgerung der Gerichte war auf ein erst kürzlich von dem von ihnen hinzugezogenen externen psychiatrischen Sachverständigen erstelltes Gutachten vom 8. Juni 2013 gestützt, und damit auf objektive ärztliche Fachkompetenz.

111. Es bleibt festzustellen, ob die innerstaatlichen Gerichte auch befunden haben, dass der Beschwerdeführer „psychisch krank“ war, also bei ihm eine tatsächliche psychische Störung im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e der Konvention vorlag. Hierzu merkt der Gerichtshof an, dass dies vom Beschwerdeführer bestritten wurde, indem er argumentierte, die Auslegung des Begriffs „psychische Störung“ der innerstaatlichen Gerichte sei weiter gefasst als der Begriff „psychisch krank“, und dass er nicht an einer psychischen Krankheit leide.

112. Der Gerichtshof stellt fest, dass die innerstaatlichen Gerichte, indem sie sich dem Befund des psychiatrischen Sachverständigen, den sie hinzugezogen hatten, anschlossen, in dem in Rede stehenden Verfahren die Auffassung vertraten, dass der Beschwerdeführer zu dieser Zeit an sexuellem Sadismus, d. h. einer sexuellen Devianz litt, die medizinischer Behandlung und Therapie bedurfte. Zudem betonten sie, dass dieser Befund die Einschätzungen bestätige, zu der bereits zuvor eine Reihe anderer Sachverständiger gelangt sei, dass nämlich bei dem Beschwerdeführer eine Störung der Sexualpräferenz mit sadomasochistischen, fetischistischen und pädophilen Elementen vorliege. Der Gerichtshof weist in diesem Zusammenhang ferner darauf hin, dass bei dem Beschwerdeführer bereits für die Zeit seiner Straftaten, hinsichtlich derer seine Sicherungsverwahrung angeordnet worden war, insbesondere eine sexuelle Devianz festgestellt worden war. Seine psychische Auffälligkeit in Verbindung mit dem Konsum von Alkohol hatten zum Zeitpunkt der Straftaten zu einer Minderung seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit geführt (siehe Rdnr. 9, oben). Offenbar ist der Zustand des Beschwerdeführers seit seiner strafrechtlichen Verurteilung 1986 im Wesentlichen unverändert.

113. Der Gerichtshof betont noch einmal, dass die in Artikel 5 Abs. 1 aufgeführten Gründe für eine zulässige Freiheitsentziehung eng auszulegen sind (siehe Rdnr. 95, oben). Um als tatsächliche psychische Krankheit im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 (siehe G., a. a. O., Rdnr. 85) angesehen zu werden, muss diese so schwerwiegend sein, dass sie der Behandlung in einem Krankenhaus, einer Klinik oder sonstigen geeigneten Einrichtung bedarf. Der Gerichtshof hat diesbezüglich bereits festgestellt, dass es den Anschein habe, dass der Begriff „person of unsound mind“ („psychisch Kranke“) („aliené“ in der französischen Fassung) in Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e der Konvention enger gefasst sei als der Begriff „psychische Störung“ in § 1 Abs. 1 ThUG (siehe G., a. a. O., Rdnr. 87).

114. Gleichwohl ist der Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache der Auffassung, dass die von den innerstaatlichen Gerichten festgestellte psychische Störung des Beschwerdeführers so schwerwiegend war, dass sie als tatsächliche psychische Störung im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e angesehen werden kann. Die spezifische Form der sexuellen Devianz, nämlich die des sexuellen Sadismus, die bei dem Beschwerdeführer festgestellt wurde, bedurfte sowohl einer medikamentösen Behandlung unter ärztlicher Aufsicht als auch einer Therapie. In Verbindung mit dem Konsum von Alkohol war seine Störung als so schwerwiegend befunden worden, dass sie seine strafrechtliche Verantwortlichkeit zum Zeitpunkt seiner Straftaten vermindert hatte. Das erkennende Gericht erwog auch die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB, nahm aber angesichts seiner Zweifel hinsichtlich der Frage, ob die Störung des Beschwerdeführers, die grundsätzlich noch immer behandlungsbedürftig war, überhaupt noch therapiert werden konnte (siehe Rdnr. 11, oben) Abstand von der Anordnung dieser Art der Unterbringung.

115. Der Gerichtshof ist zudem davon überzeugt, dass die psychische Störung des Beschwerdeführers ihrer Art oder ihrer Schwere nach eine Zwangsunterbringung rechtfertigte, wie dies nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs erforderlich ist (siehe Rdnr. 96, oben). Die innerstaatlichen Gerichte befanden, dass im Falle der Entlassung des Beschwerdeführers die hochgradige Gefahr bestehe, dass er schwerste sexuell motivierte Gewaltstraftaten begehen würde, ähnlich denen, für die er verurteilt worden war, nämlich insbesondere versuchter Mord in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Vergewaltigung. Darüber hinaus hing die Gültigkeit der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers vom Fortbestehen seiner psychischen Störung ab. Nach Artikel 316f Abs. 2 EGStGB konnte die Fortdauer der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers nur angeordnet werden, wenn eine hochgradige Gefahr bestand, dass er im Falle seiner Freilassung infolge der Störung weitere Straftaten begehen würde, und nur für so lange, wie diese Voraussetzung gegeben war.

116. Daraus ist abzuleiten, dass der Beschwerdeführer ein „psychisch Kranker“ im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e war.

117. Angesichts dieser Feststellung ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die Frage offen bleiben kann, ob der Beschwerdeführer, bei dem eine Alkoholabhängigkeit diagnostiziert wurde, obwohl er seit seiner Festnahme 1985 nicht mehr getrunken hat, und der die Straftaten, derer er für schuldig befunden wurde, unter dem Einfluss von Alkohol verübt hatte, auch im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e in die Kategorie der „Alkoholsüchtigen“ einzustufen ist.

(β) Geeignete Einrichtung für einen psychisch kranken Patienten

118. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung die Freiheitsentziehung einer Person wegen psychischer Krankheit grundsätzlich nur dann „rechtmäßig“ im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e ist, wenn sie in einem Krankenhaus, einer Klinik oder einer anderen geeigneten Einrichtung erfolgt (siehe Rdnr. 99, oben).

119. Der Gerichtshof stellt fest, dass der Beschwerdeführer während der gesamten Dauer des in Rede stehenden Verfahrens, d. h. vom 26. Juli 2013 (Datum des Beschlusses des Landgerichts) bis zum 25. April 2014 (Datum der Anordnung einer weiteren Verlängerung der Sicherungsverwahrung durch das Landgericht im Rahmen der erneuten Überprüfung), in der neu erbauten Einrichtung für Sicherungsverwahrte, einem separaten Gebäude auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt R., untergebracht war.

119120. Der Gerichtshof nimmt zur Kenntnis, dass sich die Lage des Beschwerdeführers damit von der Lage einer Reihe weiterer Beschwerdeführer vor diesem Gerichtshof unterscheidet, die nach dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache M. ./. Deutschland (a. a. O.) weiterhin als „psychisch Kranke“ in unterschiedlichen Justizvollzugsanstalten in jeweils separaten Gebäudeflügeln für Sicherungsverwahrte untergebracht waren. Der Gerichtshof hat wiederholt festgestellt, dass diese Beschwerdeführer nicht in für psychisch Kranke geeigneten Einrichtungen untergebracht waren (siehe insbesondere K., a. a. O., Rdnr. 57; O.H. ./. Deutschland, a. a. O., Rdnrn. 87 – 92; K., a. a. O., Rdnrn. 80 – 85; sowie G., a. a. O., Rdnrn. 92 – 106).

121. Der Gerichtshof stellt fest, dass die Einrichtung für Sicherungsverwahrte in R. nach dem Leiturteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwahrung vom 4. Mai 2011 (siehe Rdnrn. 66 – 72, oben) zur Erfüllung der darin aufgestellten Vorgaben erbaut wurde. In diesem Urteil, das nach dem Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 2009 in der Rechtssache M. ./. Deutschland (a. a. O.) zur nachträglich verlängerten Sicherungsverwahrung erging, hatte das Bundesverfassungsgericht sämtliche einschlägigen Regelungen des StGB über die Anordnung und Dauer der Sicherungsverwahrung für mit dem Freiheitsgrundrecht der Untergebrachten unvereinbar erklärt. Nach Auffassung des Gerichts waren diese Regelungen mit dem verfassungsmäßigen Gebot, zwischen dem Freiheitsentzug in der Sicherungsverwahrung und dem Freiheitsentzug im Strafvollzug zu unterscheiden, nicht vereinbar. Es ordnete an, dass spätestens zum 1. Juni 2013 neue Gesetze in Kraft treten müssten.

1202. Angesichts dieser Vorgabe hat der Gesetzgeber mit dem „Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung“, das am 1. Juni 2013 in Kraft trat, neue Regelungen zum Vollzug der Sicherungsverwahrung eingeführt. Insbesondere sieht § 66c StGB nun vor, dass die Sicherungsverwahrung in Einrichtungen erfolgt, die den Untergebrachten eine individuelle und intensive Betreuung anbieten. Die Mitwirkungsbereitschaft der Untergebrachten ist zu wecken und zu fördern, insbesondere an einer psychiatrischen, psycho- oder sozialtherapeutischen Behandlung, die zum Ziel hat, ihre Gefährlichkeit für die Allgemeinheit zu mindern. Auch die Länder haben Gesetze verabschiedet, mit denen diese Aspekte genauer geregelt werden (siehe Rdnrn. 56 – 57 und 59 – 60, oben). Um diese justiziellen und gesetzlichen Anforderungen in die Praxis umzusetzen und die Unterbringung Sicherungsverwahrter damit in Einklang zu bringen, wurden auf dem Gelände zahlreicher Justizvollzugsanstalten in Deutschland umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt.

1213. Mit Blick auf diese Entwicklungen begrüßt der Gerichtshof die weitreichenden Maßnahmen, die im beschwerdegegnerischen Staat auf der justiziellen, legislativen und exekutiven Ebene getroffen wurden, um die Sicherungsverwahrung mit den Anforderungen insbesondere hinsichtlich des Grundrechts auf Freiheit in Einklang zu bringen (siehe auch G., a. a. O., Rdnr. 99).

1224. Um festzustellen, ob die Unterbringung des Beschwerdeführers als für psychisch Kranke geeignet gelten kann, hat der Gerichtshof die spezifischen Umstände der Unterbringung in der Einrichtung für Sicherungsverwahrte in R. zu beurteilen. In diesem Zusammenhang nimmt er zur Kenntnis, dass das neue Konzept der Sicherungsverwahrung auf alle Personen in dieser Form der Unterbringung Anwendung findet, unabhängig davon, ob ihre Sicherungsverwahrung nachträglich verlängert wurde, und dass es die psychische Störung der Betroffenen im Blick hat.

1235. Was die Personalausstattung in der Einrichtung für Sicherungsverwahrte in R. betrifft, stellt der Gerichtshof fest, dass diese sich laut den von der Regierung vorgelegten Angaben (siehe Rdnr. 38, oben), die vom Beschwerdeführer nicht bestritten wurden, wie folgt darstellt: Für die zum in Rede stehenden Zeitraum dreißig Untergebrachten umfasste der Personalschlüssel der Einrichtung eine Stelle im psychiatrischen Dienst, vier Stellen im psychologischen Dienst, fünf Stellen im Sozialdienst und fünfundzwanzig Stellen im allgemeinen Justizvollzugsdienst. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass diese Personalsituation, die ähnlich war wie die in einem psychiatrischen Krankenhaus im selben Bundesland, die zuständigen Stellen in die Lage versetzte, sich der psychischen Störung des Beschwerdeführers angemessen anzunehmen.

1246. Hinsichtlich der besonderen Betreuung, die dem Beschwerdeführer im Hinblick auf seine psychische Störung angeboten wurde, stellt der Gerichtshof fest, dass das Landgericht in Übereinstimmung mit den wiederholten Feststellungen des Sachverständigen W. eine Behandlung zur Minderung seiner sadistischen Fantasien und seiner Libido und somit seiner Gefährlichkeit für wesentlich erachtete. Entsprechend dieser Feststellung und in Wahrnehmung seiner Zuständigkeit, die ihm nach der Neufassung von § 67d Abs. 2 in Verbindung mit § 66c Abs. 1 Nr. 1 zusätzlich zukam, gab das Gericht der Einrichtung in R. auf, dem Beschwerdeführer eine solche Behandlung innerhalb von drei Monaten anzubieten (siehe Rdnrn. 14, 20, 49 und 54, oben). In dem für den Beschwerdeführer erstellten Vollzugsplan der Einrichtung in R. (siehe Rdnr. 41, oben) war auch vermerkt, dass dem Beschwerdeführer regelmäßig und wiederholt eine solche Behandlung angeboten wurde. Aus Angst vor Nebenwirkungen lehnte er diese Behandlung in dem in Rede stehenden Zeitraum jedoch ab. Auch wiederholte Angebote, an Gruppensitzungen des Behandlungsprogramms für Straftäter teilzunehmen, nahm der Beschwerdeführer nicht an.

1257. Der Gerichtshof stellt weiter fest, dass aus dem Vollzugsplan der Einrichtung in R. hervorgeht, dass der Beschwerdeführer erfolgreich dazu motiviert werden konnte, von Juli 2013 bis August 2014 an einer Gruppentherapie teilzunehmen, die darauf abzielte, einem Rückfall der Untergebrachten in übermäßigen Alkoholkonsum vorzubeugen. Außerdem wurden ihm mehrfach begleitete Ausgänge aus der Einrichtung gewährt, und er nahm in dem in Rede stehenden Zeitraum regelmäßig an Gruppensitzungen teil, in denen die Untergebrachten ihre Erfahrungen bei solchen Ausgängen besprachen. Darüber hinaus führte der Beschwerdeführer zumindest zu Beginn des in Rede stehenden Zeitraums in vierzehntägigem Rhythmus Motivationsgespräche mit einer Psychologin und nahm an den wöchentlich stattfindenden Wohngruppensitzungen teil, stellte seine Teilnahme an diesen Sitzungen dann aber ein.

1268. Nach Prüfung der besonderen Umstände der Unterbringung in der Einrichtung für Sicherungsverwahrte in R. und insbesondere der dem Beschwerdeführer angebotenen Behandlung zur Therapierung seiner psychischen Störung ist der Gerichtshof der Auffassung, dass sich hinsichtlich der medizinischen und therapeutischen Betreuung des Beschwerdeführers nach seiner Verlegung in diese Einrichtung wesentliche Veränderungen feststellen lassen. Der Gerichtshof ist überzeugt, dass dem Beschwerdeführer ein für die Unterbringung psychisch Kranker angemessenes therapeutisches Umfeld angeboten wurde und er somit in einer für derartige Patienten geeigneten Einrichtung untergebracht war.

(ii) „Rechtmäßige Freiheitsentziehung“ „auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise“

1279. Des Weiteren hat der Gerichtshof zu prüfen, ob die Freiheitsentziehung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung „rechtmäßig“ war und „auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise“ erfolgte, wie nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e erforderlich. Der Gerichtshof ist überzeugt, dass die Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers nach § 67d StGB in Verbindung mit Artikel 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB im Einklang mit den materiell- und verfahrensrechtlichen Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts erfolgt ist.

128. Die Freiheitsentziehung muss allerdings auch mit der Artikel 5 Abs. 1 zugrunde liegenden Absicht vereinbar sein, die darin besteht, den Einzelnen vor willkürlicher Freiheitsentziehung zu schützen (siehe Rdnr. 102, oben). Der Gerichtshof merkt in diesem Zusammenhang an, dass der Beschwerdeführer zu dem Zeitpunkt, zu dem die innerstaatlichen Gerichte angesichts der von ihm ausgehenden Gefahr die Fortdauer seiner Sicherungsverwahrung anordneten, neunundsechzig Jahre alt war und ihm bereits seit mehr als siebenundzwanzig Jahren die Freiheit entzogen wurde.

1291. Der Gerichtshof stellt jedoch fest, dass die innerstaatlichen Gerichte sich ausdrücklich mit der Frage befassten, ob der Beschwerdeführer aufgrund seiner sexuellen Devianz trotz seines fortgeschrittenen Alters noch immer eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellte. Unter Berücksichtigung der Feststellungen des psychiatrischen Sachverständigen, den sie hinzugezogen hatten, kamen sie zu dem Schluss, der sexuelle Sadismus des Beschwerdeführers habe sich noch nicht in Folge seines Alters wesentlich vermindert. Die innerstaatlichen Gerichte hatten außerdem berücksichtigt, dass dem Beschwerdeführer bereits seit fast dreißig Jahren die Freiheit entzogen worden war. Sie waren jedoch der Ansicht, es bestünde die hochgradige Gefahr, dass er im Falle seiner Freilassung weitere Sexual- und Gewaltstraftaten begehen könnte. Angesichts der erheblichen Gefahr, die vom Beschwerdeführer daher für die Allgemeinheit ausging, hielten sie die Verlängerung seiner Sicherungsverwahrung für verhältnismäßig. Darüber hinaus erklärten die innerstaatlichen Gerichte, dass sich die Unterbringung in einer betreuten Wohneinrichtung – die ebenfalls eine Freiheitsentziehung bedeutet hätte – als nicht praktikabel erwiesen habe.

1302. In Anbetracht dieser Argumente, die der Gerichtshof für stichhaltig erachtet, ist er überzeugt, dass die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers nicht willkürlich war. Sie erfolgte daher im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 „rechtmäßig“ und „auf gesetzlich vorgeschriebene Weise“.

(iii) Schlussfolgerung

133. Angesichts vorstehender Erwägungen gelangt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die in Rede stehende Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers eine nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e gerechtfertigte und damit rechtmäßige Freiheitsentziehung war, die „auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise“ für einen „psychisch Kranken“ angeordnet wurde.

134. Artikel 5 Abs. 1 der Konvention ist daher nicht verletzt worden.

II. BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 7 ABS. 1 DER KONVENTION

131. Der Beschwerdeführer machte außerdem geltend, dass die nachträgliche Verlängerung seiner Sicherungsverwahrung über die frühere gesetzlich zulässige Höchstdauer von zehn Jahren hinaus gegen das Verbot rückwirkender Bestrafung nach Artikel 7 Abs. 1 der Konvention verstoße, der wie folgt lautet:

„1. Niemand darf wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Es darf auch keine schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt werden.“

132. Die Regierung trat diesem Vorbringen entgegen.

A. Zulässigkeit

133. Der Gerichtshof stellt fest, dass die Individualbeschwerde nicht offensichtlich unbegründet im Sinne von Artikel 35 Abs. 3 Buchstabe a der Konvention ist. Er stellt ferner fest, dass sie unter Berücksichtigung seiner oben ausgeführten Feststellungen (siehe Rdnr. 80, oben) auch nicht aus anderen Gründen unzulässig ist. Folglich ist sie als zulässig zu erklären.

B. Begründetheit

1. Die Stellungnahmen der Parteien

(a) Der Beschwerdeführer

134. Der Beschwerdeführer war der Auffassung, durch die Anordnung der Fortdauer seiner Sicherungsverwahrung über die frühere zulässige Höchstdauer von zehn Jahren hinaus sei unter Verstoß gegen Artikel 7 Abs. 1 Satz 2 der Konvention rückwirkend eine schwerere Strafe gegen ihn verhängt worden.

135. Der Beschwerdeführer brachte vor, seine Situation sei vergleichbar mit der des Beschwerdeführers in der Rechtssache M. ./. Deutschland (a. a. O.), in der der Gerichtshof festgestellt habe, die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung über die frühere Höchstdauer von zehn Jahren hinaus verstoße gegen Artikel 7 Abs. 1. Dies sei später in der Rechtssache G. (a. a. O.) bestätigt worden. Die Feststellungen des Gerichtshofs, denen er sich anschließe, müssten daher auch für seinen Fall gelten.

136. Der Beschwerdeführer machte geltend, dass er weiterhin in einer Justizvollzugsanstalt untergebracht sei. Ihm werde keine andere Behandlung angeboten als in der Justizvollzugsanstalt Celle. Es gebe nur in sehr begrenztem Umfang Therapieangebote. Er betonte ferner, er habe der Einnahme triebdämpfender Medikamente zugestimmt.

(b) Die Regierung

137. Dem Vorbringen der Regierung zufolge ist die Verlängerung der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers über die frühere Höchstdauer von zehn Jahren hinaus mit Artikel 7 Abs. 1 der Konvention vereinbar.

138. Die Regierung legte dar, an die Stelle der anfänglich gegen den Beschwerdeführer verhängten Strafe sei eine andere Maßnahme getreten, deren Zweck ausschließlich darin bestehe, dem Beschwerdeführer die Behandlung zukommen zu lassen, derer er als psychisch Kranker bedürfe, und die Allgemeinheit zu schützen. Angesichts der tatsächlichen und der rechtlichen Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers handele es sich bei dieser Maßnahme nicht mehr um eine Strafe im Sinne von Artikel 7 Abs. 1 der Konvention, zumindest in dem in Rede stehenden Zeitraum ab Juli 2013.

139. Nach Ansicht der Regierung war die Sicherungsverwahrung im Fall M. ./. Deutschland (a. a. O., Rdnr. 127) insbesondere deshalb vom Gerichtshof als Strafe eingestuft worden, weil zwischen dem Strafvollzug und der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung kein wesentlicher Unterschied bestanden habe. Diese Feststellung treffe auf die in Rede stehende Verlängerung der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers, die im Juli 2013 angeordnet worden sei, nicht zu. Unter Bezugnahme auf ihre Argumentation hinsichtlich Artikel 5 Abs. 1 brachte die Regierung vor, die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers in der Einrichtung für Sicherungsverwahrte auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt R. stehe nunmehr im Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Abstandsgebot. Sämtliche Behandlungsmaßnahmen, die für den Beschwerdeführer erforderlich seien, stünden zur Verfügung und würden ihm angeboten.

140. Zudem werde die Sicherungsverwahrung nun durch andere Vorschriften geregelt als der Strafvollzug. Gemäß § 2 und § 3 des niedersächsischen Sicherungsverwahrungvollzugsgesetzes (siehe Rdnrn. 57 und 59, oben), das am 1. Juni 2013 in Kraft getreten sei, diene die Sicherungsverwahrung allein dem Ziel, die Gefährlichkeit des Sicherungsverwahrten durch Ausschöpfung sämtlicher verfügbarer Therapiemöglichkeiten so weit zu mindern, dass er möglichst bald freigelassen werden könne. Insbesondere würden Gesichtspunkte eines strafrechtlichen Schuldausgleichs darin nicht angesprochen. Eine solche Maßnahme sei keine Strafe im Sinne von Artikel 7 Abs. 1.

141. Die Regierung räumte ein, dass die Einrichtung für Sicherungsverwahrte in R. auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt R. betrieben werde. Dies sei jedoch darin begründet, dass man den Sicherungsverwahrten ermöglichen wolle, die den Insassen der Justizvollzugsanstalt zur Verfügung stehenden Sport- und Freizeiteinrichtungen mitzunutzen, und dass dadurch auch die Durchführung gruppentherapeutischer Maßnahmen erleichtert werde, für die eine ausreichende Anzahl von Teilnehmern gegeben sein müsse.

142. Die Regierung räumte auch ein, dass Entscheidungen über die Fortdauer von Sicherungsverwahrung noch immer von den Strafvollstreckungsgerichten getroffen würden, die Teil der Strafrechtspflege seien, und nicht von den Zivilgerichten. Dies beruhe jedoch auf Praktikabilitätserwägungen. Die für den Strafvollzug zuständigen Gerichte seien auch für die mit der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB verbundenen Entscheidungen zuständig. Daher seien diese Gerichte besonders erfahren darin zu beurteilen, ob es erforderlich sei, einer psychisch kranken Person die Freiheit zu entziehen.

143. Was die Schwere der Maßnahme anbelangt, betonte die Regierung, die Sicherungsverwahrten hätten realistische Aussichten auf Entlassung. Nicht nur sei in § 67d Abs. 3 StGB die Vermutung enthalten, dass eine Person nach zehnjähriger Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht mehr gefährlich sei, und diese Vermutung der Ungefährlichkeit müsse widerlegt werden, sondern es müsse auch nachgewiesen werden, dass der Untergebrachte an einer psychischen Störung leidet, infolge derer eine hochgradige Gefahr besteht, dass er im Falle seiner Entlassung schwerste Gewalt- oder Sexualverbrechen begehen wird.

144. Die Regierung brachte vor, in der Praxis habe die Beendigung der Sicherungsverwahrung im Jahr 2011 in 21 Prozent der Fälle entweder auf der Anwendung strengerer gesetzlicher Regelungen oder der vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 aufgestellten höheren Vorgaben beruht. Die durchschnittliche Dauer der Sicherungsverwahrung habe im Jahr 2011 bei 6,2 Jahren gelegen.

2. Würdigung durch den Gerichtshof

(a) Zusammenfassung der einschlägigen Grundsätze

1459. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass die in Artikel 7 verankerte Garantie, die ein wesentliches Element des Rechtsstaatsprinzips darstellt, eine herausragende Stellung im Schutzsystem der Konvention einnimmt, was dadurch unterstrichen wird, dass nach Artikel 15 der Konvention auch im Kriegsfall oder im Fall eines öffentlichen Notstands nicht davon abgewichen werden darf. Sie ist, wie sich aus ihrem Ziel und Zweck ergibt, so auszulegen und anzuwenden, dass sie einen wirksamen Schutz vor willkürlicher Verfolgung, Verurteilung und Bestrafung bietet (siehe M. ./. Deutschland, a. a. O., § 117 mit weiteren Verweisen).

14650. Der Begriff der „Strafe” in Artikel 7 ist in seiner Reichweite autonom. Um den durch Artikel 7 gewährleisteten Schutz wirksam werden zu lassen, muss es dem Gerichtshof freistehen, nicht nur den äußeren Anschein zu betrachten, sondern seine eigene Würdigung der Frage vorzunehmen, ob eine bestimmte Maßnahme im Wesentlichen eine „Strafe“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt (siehe Welch ./. Vereinigtes Königreich, 9. Februar 1995, Rdnr. 27, Serie A Band 307-A; Jamil ./. Frankreich, 8. Juni 1995, Rdnr. 30, Serie A Band 317-B; und Del Río Prada, a. a. O., Rdnr. 81). Aus dem Wortlaut von Artikel 7 Abs. 1 Satz 2 ergibt sich, dass der Ausgangspunkt und ein sehr gewichtiger Faktor jeder Prüfung, ob es sich bei der betreffenden Maßnahme um eine Strafe handelte, bei der Frage liegt, ob sie im Anschluss an eine Verurteilung wegen einer „Straftat“ verhängt wird (siehe G., a. a. O., Rdnr. 121). Weitere erhebliche Faktoren sind die Charakterisierung der Maßnahme nach innerstaatlichem Recht, die Art und der Zweck der Maßnahme, die mit ihrer Schaffung und Umsetzung verbundenen Verfahren und die Schwere der Maßnahme (siehe Welch, a. a. O., Rdnr. 28; Van der Velden ./. Niederlande (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 29514/05, ECHR 2006‑XV; und Kafkaris ./. Zypern [GK], Individualbeschwerde Nr. 21906/04, Rdnr. 142, ECHR 2008). Die Schwere der Maßnahme an sich ist jedoch nicht entscheidend, denn beispielsweise können auch viele Maßnahmen präventiver Art, die keine Strafen darstellen, erhebliche Auswirkungen auf die betroffene Person haben, ebenso wie Maßnahmen, die als Strafen zu klassifizieren sind (siehe Welch, a. a. O., Rdnr. 32; M. ./. Deutschland, a. a. O., Rdnr. 120, und Del Río Prada, a. a. O., Rdnr. 82).

(b) Anwendung dieser Grundsätze auf die vorliegende Rechtssache

(i) War die Maßnahme „schwerer“ als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe?

151. Hinsichtlich der Entscheidung darüber, ob die aus den angefochtenen Beschlüssen resultierende Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers das Verbot rückwirkender Bestrafung nach Artikel 7 Abs. 1 Satz 2 der Konvention verletzt hat, hat der Gerichtshof zunächst zu prüfen, ob die verlängerte Sicherungsverwahrung eine schwerere Maßnahme darstellte als die zur Zeit der Begehung der Straftaten durch den Beschwerdeführer angedrohte.

1472. Der Gerichtshof stellt fest, dass die innerstaatlichen Gerichte die Fortdauer der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers über einen Zeitraum von zehn Jahren hinaus anordneten. Er stellt weiter fest, dass der Beschwerdeführer die Straftaten, derentwegen die Sicherungsverwahrung gegen ihn angeordnet wurde – versuchter Mord in Tateinheit mit versuchter Vergewaltigung sowie gefährliche Körperverletzung – zwischen dem 7. Juli und dem 3 Oktober 1985 begangen hatte. Zu dieser Zeit bedeutete die erstmalige Anordnung der Sicherungsverwahrung durch das erkennende Gericht bei Zusammenschau mit § 67d Abs. 1 StGB in der damals geltenden Fassung (siehe Rdnr. 50, oben), dass der Beschwerdeführer höchstens zehn Jahre in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden konnte. Auf Grundlage der späteren Änderung von § 67d StGB im Jahr 1998, in Verbindung mit Artikel 1a Abs. 3 EGStGB (siehe Rdnr. 51, oben), wodurch diese Höchstfrist mit sofortiger Wirkung abgeschafft wurde, sowie in Verbindung mit Artikel 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB, ordneten die für die Strafvollstreckung zuständigen Gerichte dann in dem hier in Rede stehenden Verfahren die Fortdauer der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers über die Zehnjahresfrist hinaus an. Somit wurde die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers – wie die des Beschwerdeführers in der Rechtssache M. ./. Deutschland (a. a. O.) – rückwirkend verlängert, und zwar nach einem Gesetz, das in Kraft trat, nachdem er die Straftaten begangen hatte.

(ii) War die Maßnahme eine „Strafe“?

1483. Hinsichtlich der Prüfung, ob die in Rede stehende Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers als „Strafe“ im Sinne von Artikel 7 Abs. 1 Satz 2 einzustufen ist, stellt der Gerichtshof fest, dass er in der Rechtssache M. ./. Deutschland (a. a. O., Rdnrn. 124 – 33) zu dem Schluss kam, dass die Sicherungsverwahrung, die nach der zur damaligen Zeit geltenden Fassung des deutschen Strafgesetzbuchs angeordnet und vollzogen wurde, als „Strafe“ einzustufen war. In der Rechtssache G. (a. a. O., Rdnrn. 120 – 30), war er zu dem Ergebnis gelangt, dass die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers, wie sie in der Übergangszeit nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011, jedoch vor Inkrafttreten des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung am 1. Juni 2013 vollzogen wurde, noch immer eine „Strafe“ Im Sinne von Artikel 7 Abs. 1 darstellte. Der Gerichtshof stellte fest, dass in der Umsetzung der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers keine wesentlichen Veränderungen gegenüber der Situation erkennbar waren, die in der Rechtssache M. ./. Deutschland in Rede gestanden hatte.

1494. Der Gerichtshof nimmt das Argument der Regierung zur Kenntnis, dass die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers angesichts der wesentlichen Veränderungen sowohl ihres rechtlichen Rahmens als auch in ihrer praktischen Umsetzung nicht länger eine Strafe im Sinne von Artikel 7 Abs. 1 darstellte, zumindest in dem in Rede stehenden Zeitraum nach Juni 2013. Dies wurde vom Beschwerdeführer bestritten, nach dessen Auffassung der Vollzug seiner Sicherungsverwahrung, insbesondere in Bezug auf seine Therapie, im Wesentlichen unverändert geblieben war.

(α) Maßnahme, die nach Verurteilung wegen einer Straftat verhängt wurde

1505. Bei der Prüfung, ob die in Rede stehende Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers, die im Einklang mit dem neuen gesetzlichen Rahmen des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung erfolgte, noch als „Strafe“ einzustufen war, stellt der Gerichtshof fest, dass der Ausgangspunkt und ein sehr gewichtiger Faktor für die Würdigung, ob es sich bei der betreffenden Maßnahme um eine Strafe handelte, bei der Frage liegt, ob sie im Anschluss an eine Verurteilung wegen einer „Straftat“ verhängt wurde (siehe Rdnr. 150, oben).

156. Der Gerichtshof stellt fest, dass die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers erstmalig vom Landgericht Hannover in seinem Urteil vom 18. April 1986 nach § 66 Abs. 2 StGB angeordnet wurde, zusammen mit seiner Verurteilung wegen mehrerer Straftaten, unter anderem versuchter Mord in Tateinheit mit Vergewaltigung. Nach der genannten Bestimmung konnte das erkennende Gericht die Sicherungsverwahrung nur gegen Personen anordnen, die, wie der Beschwerdeführer – neben dem Vorliegen weiterer Voraussetzungen – wegen mindestens drei vorsätzlichen Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wurden.

1517. Der Gerichtshof stellt weiter fest, dass der Beschwerdeführer infolge dieser vom Landgericht Hannover in seinem Urteil von 1986 angeordneten Sicherungsverwahrung weiterhin in Sicherungsverwahrung untergebracht wurde. Die zusätzlichen Erfordernisse, die nach Artikel 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB vorliegen mussten, damit die Fortdauer der in Rede stehenden Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers angeordnet werden konnte, ändern nichts daran, dass es sich um die erstmalige Anordnung der Sicherungsverwahrung von 1986 handelte, die verlängert wurde, wenn auch unter zusätzlichen, strengeren Voraussetzungen.

152. Darüber hinaus wurde von der im Therapieunterbringungsgesetz (siehe Rdnrn. 64 – 65) vorgesehenen Möglichkeit, einen Beschluss einer Zivilkammer des zuständigen Landgerichts zu erwirken, um den Beschwerdeführer in Anbetracht seiner aktuellen Gefährlichkeit in einer für psychisch kranke Patienten geeigneten Einrichtung unterzubringen, kein Gebrauch gemacht. Der Gerichtshof stellt fest, dass es sich bei der Unterbringung nach ThUG, anders als bei der Sicherungsverwahrung nach StGB, nicht um eine Maßnahme handelt, die im Anschluss an und neben einer Verurteilung wegen einer Straftat verhängt wird, auch wenn sie nur für Personen angeordnet werden kann, die bestimmte schwere Straftaten begangen haben und zuvor in Sicherungsverwahrung untergebracht waren. Es handelt sich um eine Maßnahme, die von den Zivilgerichten, außerhalb des strafrechtlichen Kontextes, angeordnet wird und auf die medizinisch-therapeutische Behandlung von Personen abzielt, die an einer psychischen Störung leiden und zuvor durch die Begehung einer schweren Straftat gezeigt haben, dass sie für die Allgemeinheit gefährlich sind (siehe G., a. a. O., Rdnr. 122).

153. Der Gerichtshof stellt daher fest, dass die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers im Anschluss an seine Verurteilung wegen einer „Straftat” verhängt wurde. In dieser Hinsicht unterscheidet sich seine Situation nicht von der in den Rechtssachen M ./. Deutschland (a. a. O., Rdnr. 124) und G. (a. a. O., Rdnr. 121).

154. Der Gerichtshof wird zur Beurteilung der Frage, ob die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers als „Strafe“ im Sinne von Artikel 7 Abs. 1 angesehen werden kann, nun die anderen erheblichen Faktoren würdigen.

(β) Charakterisierung der Maßnahme nach innerstaatlichem Recht

161. Was die Charakterisierung der Sicherungsverwahrung nach innerstaatlichen Recht betrifft, stellt der Gerichtshof fest, dass diese Art der Freiheitsentziehung in Deutschland nicht als Strafe, auf die das absolute Verbot der rückwirkenden Bestrafung anwendbar ist, angesehen wird oder je angesehen wurde (siehe M ./. Deutschland, a. a. O., Rdnrn. 125 – 126, und G., a. a. O., Rdnr. 124). In seinem Leiturteil vom 4. Mai 2011 bekräftigte das Bundesverfassungsgericht erneut, dass die Sicherungsverwahrung, entgegen den Feststellungen des Gerichtshofs in Bezug auf Artikel 7 der Konvention, zu den Zwecken des grundgesetzlichen absoluten Verbots der rückwirkenden Anwendung von Strafgesetzen keine Strafe sei (siehe Rdnr. 71, oben). Ferner stellte es jedoch fest, dass die bis dahin bestehenden Bestimmungen des Strafgesetzbuchs über die Anordnung und Dauer der Sicherungsverwahrung mit dem verfassungsrechtlichen Gebot, zwischen einer Maßregel der Besserung und Sicherung wie der Sicherungsverwahrung und einer Freiheitsstrafe zu unterscheiden (siehe Rdnr. 67, oben), nicht vereinbar seien. Das Gericht gab dem Gesetzgeber daher auf, die Bestimmungen zur Sicherungsverwahrung im Strafgesetzbuch dahin gehend zu ändern, dass sie dieser Unterscheidung Rechnung tragen.

1552. Dementsprechend dienen die gesetzlichen Änderungen, die durch das Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung im Strafgesetzbuch vorgenommen wurden, der Konkretisierung und Verdeutlichung der Unterschiede zwischen dem Vollzug von Anordnungen zur Sicherungsverwahrung und dem Vollzug von Freiheitsstrafen (siehe insbesondere § 66c StGB n. F.). Sie bestätigen und vergrößern also die Unterschiede nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuchs zwischen Maßregeln der Besserung und Sicherung wie zum Beispiel der Sicherungsverwahrung und solchen Maßnahmen, die nach dem seit langem bestehenden zweispurigen Sanktionensystem im deutschen Strafrecht als Strafe gelten (siehe M. ./. Deutschland, a. a. O., Rdnrn. 45 ff und 125).

156. In diesem Zusammenhang stimmt der Gerichtshof mit dem Bundesverfassungsgericht darin überein, dass eine schematische Parallelisierung des verfassungsrechtlichen Begriffs „Strafe“ mit der Bedeutung dieses Begriffs nach der Konvention dann nicht zwingend erforderlich ist, wenn die durch die Konvention festgelegten Mindeststandards ihrem Wesen nach erfüllt sind (siehe Rdnr. 71, oben). Wie in seiner Rechtsprechung festgelegt, muss der Gerichtshof den Begriff „Strafe“ aus Artikel 7 Abs. 1 seinerseits autonom auslegen und dabei auch die Einstufung vergleichbarer Maßnahmen in anderen Vertragsstaaten der Konvention berücksichtigen (siehe M. ./. Deutschland, a. a. O., Rdnr. 126, oben, und G., a. a. O., Rdnr. 124).

(γ) Wesen der Maßnahme

157. Der Gerichtshof prüft daher außerdem, um welche Art von Maßnahme es sich bei der Sicherungsverwahrung handelt. Wie in den Rechtssachen M ./. Deutschland (a. a. O., Rdnr. 127) und G. (a. a. O., Rdnr. 125) stellt er zunächst fest, dass die Sicherungsverwahrung ebenso wie eine Freiheitsstrafe mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist. Allerdings stellt der Gerichtshof auch fest, dass die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers, anders als in den zitierten Rechtssachen, nicht in einem separaten Flügel für Sicherungsverwahrte in einer gewöhnlichen Justizvollzugsanstalt vollzogen wurde. In dem in Rede stehenden Zeitraum war der Beschwerdeführer als „psychisch Kranker“ in der Einrichtung für Sicherungsverwahrte auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt R. untergebracht, wo ihm die Behandlung seiner psychischen Störung angeboten wurde (vgl. auch Berland ./. Frankreich, Individualbeschwerde Nr. 42875/10, Rdnr. 44, 3. September 2015).

1585. Bei der Beurteilung, ob sich die Art des Vollzugs der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers daher, anders als in den oben genannten Fällen, wesentlich vom Vollzug einer Freiheitsstrafe unterschied, stellt der Gerichtshof fest, dass die Sicherungsverwahrung nunmehr durch konkrete Bestimmungen geregelt ist, die insbesondere in § 66c StGB sowie im Niedersächsischen Sicherungsverwahrungsvollzugs­gesetz enthalten sind. Im Einklang mit dem verfassungsmäßigen Gebot, zwischen dem Freiheitsentzug in der Sicherungsverwahrung und dem Freiheitsentzug im Strafvollzug zu unterscheiden, wird die Sicherungsverwahrung nun in einem separaten Gebäude auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt R. vollzogen.

166. Die äußeren Bedingungen der in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten in dieser Einrichtung sind wesentlich besser als die von Strafgefangenen. So sind die Sicherungsverwahrten in größeren und gut ausgestatteten Wohneinheiten untergebracht, es stehen ihnen Gemeinschaftsräume und Einrichtungen zur Verfügung, um sich selbst beschäftigen zu können, und es wird ihnen größere persönliche Freiheit, auch mehr Bewegungsfreiheit, zugestanden. Noch wesentlicher ist die Tatsache, dass erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt wurden, um den in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten individuelle und intensive psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlung zuteil werden zu lassen, die darauf abzielt, ihre Gefährlichkeit für die Allgemeinheit zu mindern, wie in § 66c StGB und § 4 Abs. 2 des Niedersächsischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes vorgeschrie­ben. Wenngleich die Sicherungsverwahrung auch weiterhin eine freiheitsentziehende staatliche Reaktion auf eine Straftat ist, so ist der Gerichtshof nunmehr davon überzeugt, dass die Art und Weise, in der die Maßnahme nun vollzogen wird, sich erheblich geändert hat.

1597. Nach Auffassung des Gerichtshofs sind die Änderungen am Wesen der Sicherungsverwahrung für Personen, die wie der Beschwerdeführer als psychisch Kranke untergebracht sind, grundlegend. Der Gerichtshof erachtet es als besonders bedeutsam, dass für die nachträglich verlängerte Sicherungsverwahrung nach Artikel 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB nun eine zusätzliche Bedingung zu erfüllen ist, die darin besteht, dass festgestellt werden muss, dass der Betroffene unter einer psychischen Störung leidet. Dieses Element, das für die Gerichte, die die Sicherungsverwahrung 1986 angeordnet hatten, nach innerstaatlichem Recht noch nicht relevant war, ändert das Wesen der Unterbringung für die Betroffenen. Wenn auch der Zusammenhang der Maßnahme mit den Straftaten, derentwegen sie angeordnet wurde, nicht ganz aufgehoben ist, so liegt jedoch der Fokus der Maßnahme nunmehr auf der medizinischen und therapeutischen Behandlung des Betroffenen.

1608. Zudem ist die individuelle und verstärkte medizinische und therapeutische Betreuung, einschließlich psychiatrischer und psychotherapeutischer Angebote, die nun zur Verfügung steht, für psychisch Kranke von besonderer Bedeutung.

1619. Der Gerichtshof stellt fest, dass dem Beschwerdeführer in der vorliegenden Rechtssache im Einklang mit dem neuen, seit 2013 geltenden Konzept der Sicherungsverwahrung im Hinblick auf seine psychische Störung entsprechende Behandlung angeboten wurde, die von ihm auch teilweise angenommen wurde. Das Behandlungsangebot umfasste insbesondere eine medikamentöse Behandlung, ein Behandlungs­programm für Straftäter, regelmäßige Sitzungen bei einer Psychologin sowie eine Behandlung, die darauf abzielte, einem Rückfall der Untergebrachten in übermäßigen Alkoholkonsum vorzubeugen. Der Gerichtshof ist daher der Ansicht, dass hinsichtlich der medizinischen und therapeutischen Behandlung, die dem Beschwerdeführer angeboten wurde, nach seiner Verlegung in die Einrichtung in R. eine wesentliche Veränderung stattfand. Somit änderte sich das Wesen der Sicherungsverwahrung im Falle des Beschwerdeführers, deren Verlängerung angeordnet wurde, da man davon ausging, dass er aufgrund seiner psychischen Störung eine besondere Gefahr für die Allgemeinheit darstellte.

(δ) Zweck der Maßnahme

162. Was den Zweck der gegen den Beschwerdeführer angeordneten Sicherungsverwahrung betrifft, stellt der Gerichtshof fest, dass er sich in den Rechtssachen M ./. Deutschland (a. a. O., Rdnrn. 128 – 130) und G. (a. a. O., Rdnrn. 126 – 127) dem Argument der Regierung, die Sicherungsverwahrung diene einem rein vorbeugenden und keinem Strafzweck, in Anbetracht ihrer damaligen rechtlichen Ausgestaltung sowie ihrer praktischen Umsetzung nicht anschließen konnte. Dabei hatte der Gerichtshof auf die Situation der Sicherungsverwahrten und insbesondere auf das Fehlen spezifischer, auf die Verminderung ihrer Gefährlichkeit für die Allgemeinheit gerichteter Maßnahmen abgestellt.

163. Der Gerichtshof nimmt das Argument der Regierung zur Kenntnis, dass die Sicherungsverwahrung nun durch eindeutige gesetzliche Bestimmungen geregelt sei und im vorliegenden Fall sowohl dazu gedient habe, dem Beschwerdeführer als psychisch Krankem eine entsprechende Behandlung zuteil werden zu lassen, als auch einem vorbeugenden Zweck, nämlich dem Schutz der Allgemeinheit. Dies wurde vom Beschwerdeführer bestritten, der behauptete, ihm sei keine andere Behandlung angeboten worden als in der Justizvollzugsanstalt.

164. Der Gerichtshof stellt fest, dass die jeweils Betroffenen nach § 2 Abs. 2 des Niedersächsischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes ebenso wie nach § 5 Satz 1 des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes befähigt werden sollen, in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Darüber hinaus dienen sowohl die Sicherungsverwahrung – im Einklang mit § 2 Abs. 3 des Niedersächsischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes – als auch der Justizvollzug – im Einklang mit § 5 Satz 2 des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes – zugleich dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten.

1653. Wie bereits in der Rechtssache M ./. Deutschland (a. a. O., Rdnr. 130) hinsichtlich der damals geltenden Bestimmungen festgestellt wurde, überlappen sich die Ziele von Strafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung noch immer teilweise.

1664. Jedoch hat der Gesetzgeber, wie vom Bundesverfassungsgericht in seinem Leiturteil vom 4. Mai 2011 verlangt, den vorbeugenden und therapeutischen Aspekt der Sicherungsverwahrung weiter entwickelt und gestärkt. Im Einklang mit § 2 Abs. 1 des Niedersächsischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes wurden Einrichtungen für Sicherungsverwahrte geschaffen, in denen den Untergebrachten eine Reihe spezieller Maßnahmen angeboten wird, um ihnen zu helfen, ihre Gefährlichkeit soweit zu mindern, dass sie entlassen werden können. Infolge der Veränderungen liegt der Fokus der Sicherungsverwahrung nunmehr auf der angemessenen Behandlung der Untergebrachten im Hinblick auf eine Minderung ihrer Gefährlichkeit.

1675. Der Gerichtshof hat dennoch gewisse Bedenken hinsichtlich der Tatsache, dass die Sicherungsverwahrung nur für Personen angeordnet werden kann, die mehrerer vorsätzlicher Straftaten einer gewissen Schwere für schuldig befunden wurden. Wenn ein erkennendes Gericht neben einer Strafe wegen einer Straftat die Sicherungsverwahrung anordnet, so kann diese vom Betroffenen durchaus als zusätzliche Bestrafung verstanden werden. Sie enthält jedenfalls trotz der zusätzlichen Behandlungsmaßnahmen und der besseren äußeren Unterbringungs­bedingungen ein klar erkennbares abschreckendes Element. Sowohl im Strafvollzug als auch in der Sicherungsverwahrung dienen diese dazu, die Betroffenen zu befähigen, ein Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu führen.

176. In Übereinstimmung mit seinen Feststellungen über das Wesen der Maßnahme (siehe Rdnrn. 167 – 169, oben) ist der Gerichtshof jedoch der Auffassung, dass der Befund, dass der Beschwerdeführer an einer psychischen Störung leidet, eine neue Voraussetzung für die Verlängerung seiner Sicherungsverwahrung war, die es zum Zeitpunkt der ursprünglichen Anordnung seiner Sicherungsverwahrung noch nicht gab, und dass sich seine Situation dadurch auch von derjenigen solcher Personen unterscheidet, deren Sicherungsverwahrung nicht nachträglich verlängert (oder angeordnet) wurde. Der Gerichtshof stellt fest, dass dem mit der geänderten gesetzlichen Regelung der Sicherungsverwahrung verfolgten vorbeugenden Zweck unter diesen Umständen eine entscheidende Bedeutung zukommt. Die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers konnte nur aufgrund seiner Gefährlichkeit als einer Folge seiner psychischen Störung verlängert werden. Diese psychische Störung war keine Bedingung für die ursprüngliche Anordnung der Sicherungsverwahrung durch das erkennende Gericht gewesen, sie ist daher ein neues, zusätzliches Element, das unabhängig von der anfänglich verhängten Sanktion ist, wodurch sich deren Wesen nunmehr eindeutig von dem seiner späteren Unterbringung unterscheidet, deren Zweck nun in der medizinischen Behandlung liegt. Zudem ist die medizinische Behandlung des Beschwerdeführers, wie oben dargelegt, ein zentrales Element der besonderen Betreuungsmaßnahmen, die ihm angeboten werden. Nach Auffassung des Gerichtshofs ist es dieser Fokus auf der medizinischen Behandlung zur Minderung seiner Gefährlichkeit, der die Situation des Beschwerdeführers und die von unter ähnlichen Bedingungen untergebrachten Personen von der Situation solcher Personen unterscheidet, die in der Sicherungsverwahrung untergebracht sind und denen eine Behandlung angeboten wird, die in weniger umfangreichem Ausmaß auch Gefangenen im Strafvollzug angeboten wird.

1687. Mit Blick auf die spezifischen Therapien, die dem Beschwerdeführer in der Einrichtung für Sicherungsverwahrte in R. angeboten wurden (siehe Rdnrn. 40 – 41, oben) ist der Gerichtshof, anders als im Fall M ./. Deutschland (a. a. O., Rdnrn. 128 – 129), der Ansicht, dass dem Beschwerdeführer, ein hohes Maß an individueller Betreuung durch ein multidisziplinäres Team von Mitarbeitern angeboten wurde, einschließlich kontinuierlicher Versuche, ihn zur Teilnahme an der Behandlung zu motivieren, und zwar innerhalb eines kohärenten Rahmens, der Fortschritte in Richtung Entlassung ermöglichte.

(ε) Mit der Schaffung und Umsetzung der Maßnahme verbundene Verfahren

1698. Hinsichtlich der Untersuchung der Verfahren, die mit der Schaffung und Umsetzung der Anordnung der Sicherungsverwahrung, wie sie gegen den Beschwerdeführer verhängt wurde, verbunden sind, stellt der Gerichtshof fest, dass die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers ebenso wie in der Rechtssache M. ./. Deutschland (a. a. O., Rdnr. 131) und in der Rechtssache G. (a. a. O., Rdnr. 128) von den erkennenden (Straf)gerichten angeordnet wurde. Über die Umsetzung entschieden die Strafvollstreckungsgerichte, d. h. Gerichte, die ebenfalls Teil der Strafrechtspflege sind, in einem eigenen Verfahren. Das Verfahren unterscheidet sich also in dieser Hinsicht von § 1 und § 4 ThUG, wonach die Zivilkammern der Landgerichte über die Unterbringung von besonders gefährlichen Straftätern entscheiden, die unter einer psychischen Störung leiden (siehe Rdnr. 64, oben). Der Gerichtshof nimmt jedoch das von der Regierung diesbezüglich vorgebrachte Argument (siehe Rdnr. 146, oben) zur Kenntnis, die mit der Strafvollstreckung befassten Gerichte seien besonders erfahren darin, die Erforderlichkeit der Unterbringung von psychisch Kranken zu beurteilen, da sie auch für Entscheidungen über die Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern nach § 63 StGB zuständig seien.

(ζ) Schwere der Maßnahme

170. Was die Schwere einer Sicherungsverwahrungsanordnung betrifft, die, wie oben erneut festgestellt wurde (siehe Rdnr. 150), an sich nicht entscheidend ist, stellt der Gerichtshof fest, dass diese Maßnahme, ebenso wie in den Rechtssachen M ./. Deutschland (a. a. O., Rdnr. 132) und G. (a. a. O., Rdnr. 129), eine Freiheitsentziehung bedeutete, die nach der Gesetzesänderung von 1998 keiner Höchstdauer mehr unterworfen war. Die Freilassung des Beschwerdeführers war also nicht mehr nach Ablauf einer bestimmten Zeit automatisch anzuordnen. Es muss jedoch ebenso darauf hingewiesen werden, dass es für diese Maßnahme im Gegensatz zur Freiheitsstrafe auch keine Mindestdauer gab. Die Dauer der Unterbringung hing somit also in erheblichem Maße von der Mitarbeit des Beschwerdeführers ab. Aber auch wenn er durch die neuen Rahmenbedingungen, innerhalb derer seine Sicherungsverwahrung umgesetzt wurde, in eine bessere Lage versetzt wurde, um auf eine Minderung seiner Gefährlichkeit hinzuarbeiten, so hing seine Freilassung dennoch davon ab, dass ein Gericht feststellte, dass es nicht mehr sehr wahrscheinlich sei, dass er infolge seiner psychischen Störung weitere schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten begehen würde.

17180. Die zuletzt genannten Vorgaben, die zunächst vom Bundesverfassungsgericht aufgestellt und dann vom Gesetzgeber in Artikel 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB aufgegriffen wurden, sind strenger als diejenigen, die in der Rechtssache M. ./. Deutschland (ebd.) in Rede standen. Die Sicherungsverwahrung ist jedoch nach wie vor eine der schwersten Maßnahmen, die nach dem Strafgesetzbuch verhängt werden kann. Es wird in diesem Zusammenhang angemerkt, dass der Beschwerdeführer zur Zeit des in Rede stehenden Verfahrens im Anschluss an die Verbüßung seiner fünfzehnjährigen Freiheitsstrafe bereits seit mehr als zwölf Jahren in der Sicherungsverwahrung untergebracht war.

(η) Schlussfolgerung

1721. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen und nach Würdigung der für die Entscheidung darüber, ob eine Maßnahme eine Strafe darstellt, erheblichen Faktoren in ihrer Gesamtheit, sowie nach Vornahme seiner eigenen Beurteilung gelangt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die nach dem neuen gesetzlichen Rahmen umgesetzte Sicherungsverwahrung in der Regel noch immer eine „Strafe“ im Sinne von Artikel 7 Abs. 1 darstellt. Er stellt fest, dass der mehr präventive Charakter und Zweck der Sicherungsverwahrung nach dem überarbeiteten Konzept nicht ausreichend sind, um die Tatsache auszublenden, dass die Maßnahme, die mit einer unbefristeten Freiheitsentziehung einhergeht, nach Verurteilung wegen einer Straftat verhängt wurde und über ihren Vollzug noch immer Gerichte entscheiden, die Teil der Strafrechtspflege sind.

1732. In Fällen wie dem des Beschwerdeführers, in dem die Sicherungsverwahrung aufgrund seiner psychischen Störung und im Hinblick auf die Notwendigkeit der Behandlung dieser Störung verlängert wird, lässt der Gerichtshof jedoch gelten, dass sich sowohl das Wesen als auch der Zweck seiner Sicherungsverwahrung grundlegend geändert haben, und dass der strafende Charakter und der Zusammenhang mit der strafrechtlichen Verurteilung soweit in den Hintergrund treten, dass die Maßnahme nicht länger als „Strafe“ im Sinne von Artikel 7 Abs. 1 einzustufen ist.

1743. Artikel 7 Abs. 1 der Konvention ist daher nicht verletzt worden.

AUS DIESEN GRÜNDEN ENTSCHEIDET DER GERICHTSHOF EINSTIMMIG,

1. Die Individualbeschwerde wird für zulässig erklärt;

2. Artikel 5 Abs. 1 der Konvention ist nicht verletzt worden;

3. Artikel 7 Abs. 1 der Konvention ist nicht verletzt worden.

Ausgefertigt in Englisch und schriftlich zugestellt am 7. Januar 2016 nach Artikel 77 Abs. 2 und 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs.

Claudia Westerdiek                                        Ganna Yudkivska
Kanzlerin                                                           Präsidentin

Zuletzt aktualisiert am Dezember 10, 2020 von eurogesetze

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