Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz
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CRI(2020)3
ECRI-Bericht über die Schweiz
Sechste Prüfungsrunde
Verabschiedet am 10. Dezember 2019
Veröffentlicht am 19. März 2020
ECRI Secretariat
Directorate General II – Democracy
Council of Europe
Vorwort
Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) wurde vom Europarat ins Leben gerufen. Sie ist ein unabhängiges Gremium, das über die Einhaltung der Menschenrechte wacht, wenn es um die Bekämpfung von Rassismus, Diskriminierung (aufgrund von „Rasse“, ethnischer/nationaler Herkunft, Hautfarbe, Staatsangehörigkeit, Religion, Sprache, sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität), Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz geht. Die Mitglieder der Kommission sind unabhängig und unparteiisch. Sie werden aufgrund ihrer moralischen Autorität und ihres anerkannten Sachverstands in Fragen von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz ernannt.
Im Rahmen ihres satzungsmäßigen Auftrags erstellt ECRI für jedes Land Länderberichte, in denen die Situation in Bezug auf Rassismus und Intoleranz in jedem Mitgliedstaat des Europarates analysiert und Vorschläge zur Lösung der aufgezeigten Probleme unterbreitet werden.
Bei diesen Länderberichten werden alle Mitgliedsstaaten des Europarats gleich behandelt. Die Arbeit findet in Fünfjahreszyklen statt. Die Berichte der ersten Prüfungsrunde wurden Ende 1998 abgeschlossen, jene der zweiten Runde Ende 2002, jene der dritten Runde Ende 2007, jene der vierten Runde Anfang 2014 und jene der fünften Runde Ende 2019. Die Arbeit an den Berichten der sechsten Runde begann Ende 2018.
Die Arbeitsmethode besteht in der Durchsicht schriftlicher Unterlagen, einem Kontaktbesuch in dem betreffenden Land und einem anschließenden vertraulichen Gespräch mit den Staatsbehörden.
Die ECRI-Berichte sind nicht das Ergebnis von Auskunftsersuchen oder Zeugenbefragungen. Ihre Feststellungen beruhen auf einer Vielzahl von Informationen aus den verschiedensten Quellen. Zahlreiche nationale und internationale schriftliche Quellen werden gesichtet. Die Besuche vor Ort ermöglichen direkte Gespräche mit den betroffenen (staatlichen und nichtstaatlichen) Stellen, um ein genaueres Bild zu bekommen. Die Praxis vertraulicher Gespräche mit den Staatsbehörden gestattet es diesen, notfalls Bemerkungen zum Berichtsentwurf einzureichen, um etwaige Irrtümer tatsächlicher Art im Bericht zu berichtigen. Zum Abschluss der Gespräche steht es den Staatsbehörden frei zu verlangen, dass ihr Standpunkt dem Schlussbericht von ECRI als Anhang beigeheftet wird.
Die sechste Runde der Länderberichte konzentriert sich auf drei Themen, die alle Mitgliedstaaten betreffen: (1) Effektive Gleichstellung und Zugang zum Recht, (2) Hassrede und hassmotivierte Gewalt und (3) Integration und Inklusion sowie eine Reihe von Unterthemen, die mit einem dieser drei Themen verbunden sind.
Im Rahmen der sechsten Prüfungsrunde wird erneut eine beschleunigte Umsetzung für zwei konkrete Empfehlungen gefordert, die in dem Bericht gemacht wurden. Spätestens zwei Jahre nach Veröffentlichung dieses Berichts wird ECRI in Bezug auf diese zwei Empfehlungen ein Verfahren zur zwischenzeitlichen Weiterverfolgung durchführen.
Der folgende Bericht wurde von ECRI in voller Eigenverantwortung erstellt. Er erstreckt sich auf die Situation, wie sie am 19. Juni 2019 bestand. Alle Entwicklungen nach diesem Zeitpunkt werden von der folgenden Analyse weder abgedeckt noch bei den Schlussfolgerungen und Vorschlägen von ECRI in Betracht gezogen.
ZUSAMMENFASSUNG
Seit der Annahme des fünften Berichts von ECRI über der Schweiz. am 19. Juni 2014 wurden in einigen Bereichen Fortschritte erzielt und gute Praktiken entwickelt.
Das Beratungsnetz für Rassismusopfer gewährleistet in allen Kantonen einen leichten Zugang zu einer anfänglichen Rechtsberatung und Unterstützung. Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus führt eine beeindruckende und nützliche Datenbank zu rassistischen Hassreden und Delikten.
2014 wurden die Kantonalen Integrations-programme (KIP) ins Leben gerufen und der gesamte Staat verfolgt nun die gleichen Ziele, einschließlich des Schutzes vor Diskriminierung. Die Integrationsagenda sorgt für eine frühzeitigere und intensivere Förderung der Integration von Flüchtlingen und vorläufig aufgenommenen Ausländern, und die Eidgenossenschaft hat ihre Finanzierung auf 18.000 CHF pro Person erhöht. Asylbewerber dürfen nach drei Monaten einer Arbeit nachgehen. In Genf wurde die Operation Papyrus gestartet, um gut integrierte Migranten ohne gültige Aufenthaltspapiere, die in dem Kanton leben, zu legalisieren.
2015 setzte der Bundesrat eine Arbeitsgruppe „Zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine nomadische Lebensweise und Förderung der Kultur der Jenischen, Sinti/Manouches und Roma in der Schweiz” ein. Das dreijährige Pilotprojekt Lernen unterwegs wurde 2016 in Bern gestartet; es gibt Kindern von Wanderfamilien die Gelegenheit, in den Wintermonaten an Schulen und im Sommer im Rahmen eines Fernunterrichts unterrichtet zu werden, wofür kostenlos Laptops und ein Internetzugang zur Verfügung gestellt werden.
ECRI begrüßt diese positiven Entwicklungen in der Schweiz. Es gibt jedoch, ungeachtet der erzielten Fortschritte, einige Themen, die Anlass zur Sorge geben.
Es gibt immer noch kein allgemeines Antidiskriminierungsgesetz. Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus entspricht nicht vollumfänglich einer Gleichstellungsstelle. Das Beratungsnetz für Rassismusopfer ist finanziell eingeschränkt und personell unterbesetzt und es gibt keine staatliche Unterstützung für LGBTI-Opfer.
Es ist ein starker Anstieg eines intoleranten Diskurses gegen Muslime zu verzeichnen, insbesondere in den Medien. Abgelehnte Asylbewerber, die nach 140 Tagen nicht abgeschoben werden können, bleiben im Ungewissen; sie dürfen nicht arbeiten und leben für lange Zeiträume in Notunterkünften, bevor eine Lösung gefunden wird.
Da es den Kantonen und Kommunen gestattet ist, die Integrationsziele auf ihre eigene Weise zu verfolgen, gibt es ein breites Spektrum an Ansätzen, was zu großen Unterschieden in den Standards und erheblichen Ungleichheiten führt.
Das Fehlen von Halteplätze für fahrende Jenische und Sinti/Manouches ist weiterhin ein großes Problem; es trägt auch erheblich zu den Vorurteilen und zur Feindseligkeit bei, mit denen sie konfrontiert sind, und stellt eine große Hürde für die Inklusion dar. Fahrende Roma, die keine Schweizer Staatsbürger sind, werden immer stärker ausgegrenzt und es wird ihnen häufig verboten, an bestimmten Plätzen zu stehen; dieser Ansatz verstärkt die Fremdenfeindlichkeit und Vorurteile, die zu Konflikten zwischen den verschiedenen Gruppen führen.
Institutioneller und struktureller Rassismus sind nach wie vor ein Problem bei der Polizei, die sich in Racial Profiling und Identitätsfeststellungen manifestiert, vor allem von Personen, die Fahrende oder Dunkelhäutige sind. Eine Reihe von Polizeiaktivitäten hat zum Tod von dunkelhäutigen Personen geführt.
In diesem Bericht fordert ECRI die Behörden auf, in einigen Bereichen weitere Maßnahmen zu ergreifen. In diesem Kontext spricht sie eine Reihe von Empfehlungen aus, u.a. die nachstehenden.
Es sollte eine vollständig unabhängige Gleichstellungsstelle mit ausreichend Personal eingerichtet werden, die die Aufgaben und Zuständigkeiten hat, die in ECRI GPR Nr. 2 aufgeführt sind. Das Beratungsnetz für Rassismusopfer sollte durch weitere Mittel und Personal gestärkt werden.*
Das Recht intergeschlechtlicher Kinder auf körperliche Unversehrtheit und körperliche Selbstbestimmung sollte wirksam geschützt werden, und medizinisch unnötige Operationen zur „Normalisierung“ des Geschlechts sowie andere Behandlungen sollten verboten werden, bis das Kind in der Lage ist, sich an der Entscheidung zu beteiligen.
Personen, die nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren können, sollte spätestens nach sechs Jahren ein regulärer Aufenthaltstitel gewährt werden.*
Es sollten, in Rücksprache mit den betroffenen Gemeinschaften, Investitionen zur Einrichtung einer ausreichenden Anzahl von Stellplätzen getätigt werden, um den Bedarf fahrender Jenische, Sinti/Manouches und Roma zu decken.
Polizeikräfte sollten eine weitere Schulung zum Thema Racial Profiling und zur Anwendung eines Standards des begründeten Verdachts erhalten. Es sollte eine Stelle, unabhängig von der Polizei und den Strafverfolgungsbehörden, eingerichtet werden, die die Aufgabe hat, mutmaßliche Fälle von Rassendiskriminierung und rassistisch motivierten Fehlverhaltens von Polizeikräften zu untersuchen.
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* Diese Empfehlung wird spätestens in zwei Jahren nach Veröffentlichung dieses Berichts Gegenstand eines Verfahrens zur zwischenzeitlichen Weiterverfolgung durch ECRI sein.
ERGEBNISSE UND EMPFEHLUNGEN
I. EFFEKTIVE GLEICHSTELLUNG UND ZUGANG ZUM RECHT
A. Gleichstellungsstellen[1]
1. Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR), 1995 von der Regierung eingesetzt, ist eine außerparlamentarische Kommission, die öffentliche Aufgaben für die Regierung und die Verwaltung wahrnimmt. Sie wurde weder durch eine verfassungsrechtliche Bestimmung noch durch ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz eingerichtet, wie in Ziffer 1 der Allgemeinen politischen Empfehlung (GPR) Nr. 2 der ECRI über Fachorgane zur Bekämpfung von Rassismus und Intoleranz auf nationaler Ebene gefordert. Obwohl die EKR ihre Aufgaben objektiv und unabhängig durchführt, wie im fünften Bericht der ECRI ausgeführt, hat sie keine eigene Reschtspersönlichkeit außerhalb der Exekutive und Legislative (GPR Nr. 2 Ziffer 2), sondern ist administrativ dem Eidgenössischen Departement des Innern angegliedert und hat seine Büroräume in staatlichen Räumlichkeiten.Darüber hinaus lautet das Mandat der EKR, Diskriminierung aufgrund von „Rasse“, Hautfarbe, Herkunft, ethnischer/nationaler Abstammung und Religion zu bekämpfen; sie befasst sich nicht mit der Diskriminerung aufgrund dersexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität, wie in der GPR Nr. 2 Ziffer 4b gefordert.
2. Obwohl die EKR einige der Aufgaben und Zuständigkeiten aufweist, die in GPR Nr. 2 Ziffer 13 und 14 aufgeführt sind, ist sie nicht befugt, eine umfassende Rechtsberatung anzubieten, Untersuchungen durchzuführen, auf Vermittlungsverfahren zurückzugreifen; Personen rechtlich zu vertreten, die Diskriminierung oder Intoleranz ausgesetzt sind, strategische Rechtsfälle zu verfolgen und Fälle vor Institutionen oder Gerichte zu bringen oder Beweise zu sammeln.
3. Bezüglich der Unabhängigkeit ihrer internen Struktur, ihres Haushalts, ihrer Personalverwaltung stellt ECRI fest, dass der Präsident oder die Präsidentin der EKR vom Bundesrat (Regierung) gewählt wird, ebenso wie ihre Mitglieder. Die Personalbesetzung wird durch das Eidgenössische Departement des Innern festgelegt, welches auch das Entscheidungsorgan für die Einstellung ist. Diese Aspekte stehen in Widerspruch zu ECRI GPR Nr. 2 Ziffer 23 und 27. Die EKR entscheidet jedoch unabhängig über die Verwendung ihres jährlichen Haushalts. Sie hat in den letzten Jahren Haushaltskürzungen erfahren, die von der Regierung und vom Parlament beschlossen wurden; so kann sie z. B. keine Aufklärungskampagnen auf nationaler Ebene durchführen. Zu loben ist die Tatsache, dass die 16 Mitglieder aus vielfältigen Bereichen kommen, einschließlich Gruppen der Jenischen, Roma, Juden und Muslime sowie von Gewerkschaften, Medien, Unternehmen und Universitäten. Das Büro besteht aus drei Teilzeitkräften, Bundesangestellte sind.
4. ECRI kommt zu dem Schluss, dass es wesentliche Mängel im Hinblick auf die Unabhängigkeit und Wirksamkeit der EKR gibt. Dies wird durch die Tatsache gestützt, dass die EKR weiterhin nur den Status C hat, was die Nichteinhaltung der Pariser Prinzipien für nationale Institutionen für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte widerspiegelt. Somit entspricht aus den oben genannten Gründen die EKR nicht vollumfänglich einer Gleichstellungsstelle im Sinne von ECRI GPR Nr. 2. Tatsächlich haben die Behörden darauf hingewiesen, sie sei auch nicht als eine solche Stelle gedacht, sondern eher als eine konsultative Beobachtungsstelle für die Situation im Land. ECRI besteht weiterhin darauf, dass die Behörden diese wichtige Lücke schließen, was umso dringlicher ist, da es in der Schweiz auf Bundesebene keinen Beauftragten gibt, und nur sechs Kantone und sechs Gemeinden über Beauftragte verfügen. Gleichstellungsstellen spielen eine ausschlaggebende Rolle bei der Förderung von Gleichheit und bei der Eliminierung von Rassismus und Intoleranz, da sie Menschen und Institutionen über die Bedeutung der Gleichbehandlung aufklären und sie darin unterstützen, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um diese Gleichbehandlung zu verwirklichen.
5. ECRI empfiehlt erneut dringend die Einrichtung einer vollständig unabhängigen Gleichstellungsstelle mit ausreichend Personal und mit den Aufgaben und Zuständigkeiten, die in der Allgemeinen politischen Empfehlung Nr. 2 über Gleichstellungsstellen zur Bekämpfung von Rassismus und Intoleranz auf nationaler Ebene beschrieben sind.
6. ECRI begrüßt, dass 2005 das Beratungsnetz für Rassismusopfer als Joint Venture zwischen der EKR und dem Verein humanrights.ch eingerichtet wurde. Es gibt Zentren in allen Kantonen des Landes, die eine niederschwellige anfängliche Rechtsberatung und Unterstützung anbieten und über das Kantonale Integrationsprogramm finanziert werden (siehe Ziffer 66-68). Allerdings unterscheidet sich die Finanzierung in den einzelnen Kantonen und sie kämpfen generell mit begrenzten Budgets. Die ECRI-Delegation besuchte das Zentrum in Freiburg, das lediglich zwei Mitarbeitende hat (jemand in Vollzeit, jemand in Teilzeit), von denen einer vollständig von der Caritas bezahlt wird. ECRI ist der Ansicht, dass auf lokaler Ebene noch Raum für dringende Arbeiten besteht, die besser unterstützt werden sollten.
7. ECRI empfiehlt dringend, die Beratungszentren für Rassismusopfer durch höhere Mittel (aus einem anderen Haushalt als dem der Kantonalen Integrationsprogramme) und Personal zu stärken.
B. Inklusive Bildung
8. ECRI unterstützt uneingeschränkt die inklusive Bildung, die gewährleistet, dass Kinder gleiche Chancen in der Bildung erhalten, indem vielfältige Bedürfnisse und Fähigkeiten respektiert und alle Formen der Diskriminierung beendet werden.
9. In ihrer GPR Nr. 10[2] empfiehlt ECRI, die Menschenrechtsbildung[3] zu einem integralen Bestandteil des Schullehrplans für alle Stufen und alle Fachbereiche zu machen. In der Schweiz fällt die staatliche Bildung ausschließlich in die Zuständigkeit der Kantone, und die Gemeinden sind die Hauptanbieter. 2014 wurden neue gemeinsame Lehrpläne für Vorschulen, Grund- und Sekundarschulen angenommen. Die Behörden erklärten, die Schulen seien verpflichtet, Menschenrechte und die Förderung der Gleichbehandlung in diese regionalen Unterrichtspläne aufzunehmen. Dessen ungeachtet kann jeder Kanton frei entscheiden, auf welche Weise er alle Aspekte des Lehrplans umsetzt.
10. Der Lehrplan 21 (LP21) ist der Lehrplan, der in deutschsprachigen Gebieten verwendet wird.[4] Im Fach „Ethik, Religionen, Gemeinschaft” entwickeln die Schüler Kompetenzen für das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen, Religionen, Weltanschauungen und Werte, reflektieren grundlegende menschliche Erfahrungen und gewinnen ein Verständnis für Werte und ethische Grundsätze. In den französischsprachigen Gebieten werden unter dem Plan d’études romand (PER)[5] Menschenrechtsthemen vorwiegend im Fach „Zusammen leben und Demokratie wahrnehmen“ behandelt. Die Themen sind u.a. das Kennenlernen unterschiedlicher Gemeinschaften und die Entwicklung einer offenen Haltung gegenüber anderen, das Identifizieren und Analysieren der Beziehungen, die jeden Menschen und jede soziale Gruppe mit der Welt und anderen Menschen vereinen, und die Entwicklung sozialer und kultureller Kompetenzen, um ein aktiver und verantwortungsvoller Bürger zu werden. Der Lehrplan im italienischsprachigen Tessin (Piano di studio) hat einen ähnlichen Aufbau wie der PER.[6]
11. Obwohl der Lehrplan den gegenseitigen Respekt ungeachtet von Kultur, Religion oder Lebensweise betont,[7] bedauert ECRI, dass die Frage von Rassismus und Homo-/Transphobie nicht ausdrücklich bei den Menschenrechtsthemen genannt werden. ECRI ist der Meinung, dass diese Themen in Schulen behandelt werden sollten, um die Achtung von Vielfalt und Inklusion zu fördern.
12. ECRI GPR Nr. 10 empfiehlt ebenfalls die Einrichtung eines Systems für die Überwachung rassistischer und intoleranter Vorfälle an Schulen. Obwohl es ein solches System an Schulen nicht gibt, registrieren die Beratungszentren für Rassismusopfer (siehe oben) rassistische Fälle, die ihnen gemeldet werden, einschließlich jener, die sich an Schulen ereignen. Der neuste Bericht der EKR zeigt, dass von allen 301 gemeldeten Fällen im Jahr 2017, in denen die Zentren eine Beratung durchführten, 42 in Schulen, Kitas oder anderen Bildungseinrichtungen stattfanden. Von diesen Fällen ereigneten sich 31 in der Regelschule.[8] Schüler oder Eltern kennen diese Möglichkeit aber häufig nicht, und ECRI ist der Ansicht, dass die Schulen selbst Richtlinien und Maßnahmen entwickeln sollten, um effektiv mit rassistischen und homo-/transphoben Vorfällen umzugehen.
13. ECRI empfiehlt, alle Schulen aufzufordern, eine Vorgehensweise zur Verhütung von und für den Umgang mit rassistischen und homo-/transphoben Vorfällen, einschließlich Mobbing, zu verabschieden, mit Richtlinien für Schüler, Lehrkräfte und Eltern.
C. Irreguläre Migranten
14. ECRI GPR Nr. 16 fordert die Schaffung wirksamer Maßnahmen („Schutzbarrieren”), um sicherzustellen, dass irreguläre Migranten Zugang zu Diensten in den Bereichen der Bildung, der Gesundheitsversorgung, des Wohnens, der sozialen Sicherheit und staatlichen Unterstützung, des Arbeitsschutzes und der Justiz erhalten. Diese Schutzbarrieren sollten die Einwanderungskontrolle und die entsprechenden Vollzugmaßnahmen von der Bereitstellung von Diensten trennen, so dass irreguläre Migranten sich nicht aus Angst vor Abschiebung dazu entscheiden, , ihre Rechte nicht wahrzunehmen (siehe insbesondere Ziffer 3, 11 und 12 der GPR Nr. 16).
15. Eine 2015 vom Staatssekretariat für Migration in Auftrag gegebene nationale Studie schätzte, dass ca. 76‘000 irreguläre Migranten in der Schweiz leben.[9] Die Behörden informierten ECRI, dass im Juni 2018 der Nationalrat (Parlament) den Bundesrat aufforderte, bis Juni 2020 einen detaillierten Bericht zur Situation der illegalen Migranten im Land zu erstellen und sich in diesem insbesondere auf die soziale Absicherung, den Zugang zu Schulen, Ausbildung, den Datenaustausch zwischen den verschiedenen Behörden, die mit irregulären Migranten zu tun haben, die Anwendung des Strafrechts, die Regelung von Status und Arbeitsgenehmigung zu konzentrieren und Lösungen für den Umgang mit diesen Personen vorzuschlagen. ECRI begrüßt diesen Schritt, der wichtige Daten zu dieser besonders schutzbedürftigen Gruppe erbringen dürfte.
16. ECRI stellt des Weiteren erfreut einige vielversprechende Praxisbeispiele im Hinblick auf Schutzbarrieren fest. Im Gesundheitsbereich dürfen weder die Krankenversicherungen noch die Anbieter einer medizinischen Versorgung personenbezogene Daten irregulärer Patienten an Dritte übermitteln. Darüber hinaus bieten acht medizinische oder soziale Anlaufstellen, die von gemeinnützigen Organisationen betrieben werden, Migranten mit irregulärem Aufenthaltsstatus eine medizinische Versorgung an und sie fordern von den Patienten keine Dokumente (im Einklang mit GPR Nr. 16 Ziffer 22). Im Bereich Bildung ist es Schulen und Lehrkräften nicht gestattet, Informationen über Kinder ohne regulären Aufenthalt an die Polizei weiterzuleiten, was den Zugang zur Bildung für diese Kinder gewährleistet (GPR Nr. 16 Ziffer 19). Im Beschäftigungssektor haben alle Angestellten, ungeachtet ihres Aufenthaltsstatus, Anspruch auf eine Versicherung gegen Berufsunfähigkeit/Invalidität und auf eine kleine Rente, wenn sie in ihre Heimatstaaten zurückkehren (GPR Nr. 16 Ziffer 31).
17. Obwohl GPR Nr. 16 keine Regelung für Personen in einer irregulären Situation fordert, lobt ECRI insbesondere als gute Praxis die Operation Papyrus, die von Februar 2017 bis Dezember 2018 in Genf durchgeführt wurde, um eine Regelung für gut integrierte irreguläre Migranten, die seit zehn aufeinanderfolgenden Jahren (fünf Jahre bei Familien mit Kindern in der Schule) in dem Kanton gelebt hatten, zu finden. Für eine Inanspruchnahme mussten die Personen eine vollständige finanzielle Unabhängigkeit, die Stufe A2 in Französisch und keinen Eintrag im Strafregister nachweisen. Informationen über diese Operation waren flächendeckend verbreitet worden, einschließlich bei Arbeitgebern über die Regularisierung des Aufenthaltssatus ihrer Angestellten und die Einhaltung des Arbeitsrechts. Die Behörden informierten ECRI, dass ca. 1‘700 Menschen (viele von ihnen weibliche Haushaltshilfen aus Südamerika) eine Aufenthaltserlaubnis im Rahmen dieser Operation erhielten, einschließlich rund 500 Schülerinnen und Schülern, und dass weitere 1‘500 Fälle noch anhängig sind. Die Operation bot nicht nur eine stabile und gesicherte Zukunft für jene, die sich um Integration bemüht hatten, sondern half auch bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit und der Ausbeutung schutzbedürftiger Migranten, vor allem im Bereich der Haushaltshilfe. ECRI ruft die anderen Kantone eindringlich auf, dem Beispiel von Genf zu folgen.
D. Gleichstellung von LGBTI-Personen[10]
18. ECRI empfiehlt den Behörden, eine umfassende Gesetzgebung gegen Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität zu verabschieden und diese Gründe in Art. 261bis StGB aufzunehmen. In Bezug auf das Zivilrecht ist die Situation nach wie vor unverändert (siehe Schweiz-spezifische Themen und die Empfehlung in Ziffer 109). In Bezug auf das Strafrecht andererseits stellt ECRI erfreut fest, dass eine Erweiterung des Artikel 261bis StGB, Diskriminierungsmerkmal auf die sexuelle Orientierung vom Schweizer Parlament im Dezember 2018 verabschiedet wurde.[11] Obwohl diese Ergänzung (wenn sie in Kraft getreten ist[12]) einen signifikanten Fortschritt darstellt, bedauert es ECRI, dass Transgender-Personen immer noch keinen Schutz durch das Strafrecht genießen.
19. ECRI wiederholt ihre Empfehlung, das Diskriminierungsmerkmal der Geschlechtsidentität in Artikel 261bis StGB aufzunehmen.
20. ECRI nimmt eine Reihe von gesetzlichen Entwicklungen und Vorschlägen zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI-Personen zur Kenntnis. Im Januar 2018 traten Änderungen des Schweizer Adoptionsrechts in Kraft, so dass neu zusammenlebenden gleichgeschlechtlichen Paaren und eingetragenen Partnerschaften die Adoption von Stiefkindern erlaubt ist. Zuvor stand diese Option nur verheirateten Paaren zur Verfügung. Der Bundesrat hat eine Änderung des Zivilrechts vorgeschlagen, um die Geschlechtsumwandlung und die Änderung des Vornamens bei Transgender- und intergeschlechtlichen Personen zu erleichtern.[13] Alles, was neu erforderlich wäre, ist eine einfache eigene Erklärung vor dem Zivilstandsamt, ohne medizinische Untersuchung oder Änderung des Familienstands oder der eingetragenen Partnerschaft. Ein weiterer Vorschlag betrifft entweder die Einführung eines dritten Geschlechts oder das Entfernen des Geschlechts aus Zivilstandsdokumenten.[14] Der Nationalrat diskutiert außerdem, nach einer 2013 eingereichten Initiative, die gleichgestellte Ehe. ECRI fordert die Behörden eindringlich auf, die Ansichten der relevanten LGBTI-Organisationen zu berücksichtigen, um den Bedürfnissen der direkt betroffenen Personen Rechnung zu tragen.
21. In Bezug auf intergeschlechtliche Personen[15] weiß ECRI, dass viele dieser Menschen unter den Folgen medizinischer Eingriffe leiden und Stigmatisierung, Diskriminierung, Gewalt, Isolation und Unsichtbarkeit ausgesetzt sind. Eine NRO für intergeschlechtliche Menschen informierte ECRI, es sei ihr Hauptziel, irreversible und medizinisch unnötige chirurgische und hormonelle Behandlungen an Kindern zu beenden, die sich nicht mit psychosozialen Bedenken oder Bedenken im familiären oder kulturellen Kontext rechtfertigen lassen. Die NRO setzt sich außerdem dafür ein, dass Eltern vollständig über jede „Variation der sexuellen Entwicklung“ ihres Kindes unterrichtet und nicht zu Entscheidungen gedrängt werden, die lebenslange Folgen nach sich ziehen. Sie fordert Unterstützung, damit Eltern und Schulen die Diskussion von Intersexualität aufnehmen können, um diese bekannter zu machen.
22. ECRI unterstützt die Position einer steigenden Zahl von internationalen Organen, dass das Recht von Kindern auf körperliche Unversehrtheit und körperliche Selbstbestimmung wirksam zu schützen sind und dass medizinisch unnötige Operationen und andere Behandlungen zur „Normalisierung“ des Geschlechts verboten sein sollten, bis das Kind in der Lage ist, auf Grundlage seines Rechts auf Selbstbestimmung und des Grundsatzes einer freien und informierten Einwilligung an der Entscheidung mitzuwirken.[16] In diesem Zusammenhang begrüßt ECRI zwei vom Parlament des Kantons Genf im April 2019 verabschiedete Anträge, nicht dringlich erforderliche Operationen zur „Normalisierung“ des Geschlechts bei intergeschlechtlichen Personen ohne deren Einwilligung zu verbieten. Tatsächlich wird diese Art der Operation am Universitätsklinikum Genf seit 2012 nicht mehr durchgeführt, und die Anträge formalisieren diese Praxis und machen sie in anderen Kliniken des Kantons zur Pflicht. ECRI hofft, dass dies andere Kantone inspirieren und schließlich zu einem Gesetz auf Bundesebene führen wird.
23. ECRI empfiehlt, das Recht von Kindern auf körperliche Unversehrtheit und körperliche Selbstbestimmung wirksam zu schützen und medizinisch unnötige Operationen und andere Behandlungen zur „Normalisierung“ des Geschlechts zu verbieten, bis das Kind in der Lage ist, auf Grundlage des Selbstbestimmungsrechts und des Grundsatzes einer freien und informierten Einwilligung an der Entscheidung mitzuwirken.
24. ECRI stellt fest, dass, obwohl es keinen Nationalen Aktionsplan zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI-Personen gibt, vielversprechende Aktionen auf lokaler Ebene durchgeführt werden. Im September 2018 stimmte das Parlament der Stadt Zürich in Zusammenarbeit mit NRO für Transgender-Menschen zugunsten der Entwicklung und Umsetzung eines umfassenden Aktionsplans, um die Menschenrechte und Gleichstellung von Transgender-Personen zu gewährleisten.[17] Die Stadt Bern schuf den neuen Posten eines LGBTI-Projektleiters in ihrer Fachstelle für die Gleichstellung von Frau und Mann[18] und Genf führte 2012 eine Beamtenstelle ein, die sich speziell mit diesen Themen befasst.[19] ECRI ruft zu weiteren diesbezüglichen Initiativen im ganzen Land auf, die zu einem besseren Verständnis der Probleme, mit denen LGBTI-Personen konfrontiert sind, und zu Lösungen beitragen.
II. HASSREDE UND HASSMOTIVIERTE GEWALT
A. Hassrede [20]
– Daten
25. Offizielle Daten zu Hassrede i. S. von Artikel 261 (Störung der Glaubens- und Kultusfreiheit) und Artikel 261bis (Aufrufen zu rassistisch motiviertem Hass und weitere Taten der Rassendiskriminierung) werden vom Bundesamt für Polizei (Fedpol), vom Nachrichtendienst des Bundes, dem Bundesamt für Statistik und der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) erfasst. Laut Daten von OSCE-ODHIR[21] hat die Polizei im Jahr 2017 179 Hassdelikte[22] protokolliert; 164 im Jahr 2016; 181 im Jahr 2015 und 161 im Jahr 2014.
26. Die EKR führt eine Datenbank mit allen Entscheidungen, die von den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten der Kantone sowie vom Bundesgericht nach Artikel 261bis ergingen. Die Datenbank zeigt, dass im Jahr 2017 in Bezug auf Artikel 261bis 25 Entscheidungen ergingen, 41 Entscheidungen im Jahr 2016, 57 im Jahr 2015 und 22 im Jahr 2014. ECRI lobt diese beeindruckende und nützliche Datenbank, die aktuell mehr als 1‘000 Entscheidungen enthält, die reichhaltige Informationen in Bezug auf rassistische Hassrede lieferen. Sie steht der Öffentlichkeit auf der Internetseite der EKR zur Verfügung und kann nach zahlreichen Kriterien durchsucht werden, u.a. Art der begangenen Tat, geschütztes Rechtsgut, Zielgruppe/Opfer, Täter, Alter, Nationalität und Kanton, bedauerlicherweise aber nicht nach Geschlecht oder Gender. Die Datenbank zeigt, dass insgesamt 89 % der Fälle mit einem Schuldspruch endeten und nur 9 % mit einem Freispruch. Im Hinblick auf die Art der begangenen Tat betrafen 25 % mündliche Äußerungen, 26 % schriftliche und 13 % elektronische Kommunikationen und 4 % Gewalttaten. 7 % der Täter waren politisch Handelnde, 4 % Redakteure oder Journalisten und 11 % rechte Extremisten. 27 % der Opfer waren Juden, 17 % Dunkelhäutige, 5 % Muslime und 1 % Jenische/Roma/Manouches/Sinti.
27. ECRI stellt fest, dass die EKR momentan an der Aktualisierung und Optimierung der Datenbank arbeitet. In diesem Zusammenhang, und sobald die Änderung von Artikel 261bis StGB in Kraft tritt (siehe Ziffer 18 oben), ruft sie dazu auf, das Diskriminierungsmerkmal dersexuellen Orientierung und LGBT-Opfer gebührend in die Suchkategorien aufzunehmen.
28. Eine weitere offizielle Datenquelle wird vom Beratungsnetz für Rassismusopfer geführt; diese verzeichnete für das Jahr 2017 301 rassistische Vorfälle. Vorfälle zu folgenden Kategorien werden erfasst: Gewalttaten, Kommunikationen (u.a. Drohungen, Beleidigungen, Gesten), Ausgrenzung (einschließlich Ungleichbehandlung und Herabsetzungen, Belästigung, Racial Profiling) und rechtsextreme Propaganda. Die häufigsten rassistischen Vorfälle betreffen Fremdenfeindlichkeit (112 Fälle), gefolgt von Anti-Schwarze-Rassismus (95 Fälle), Feindseligkeit gegen Muslime (54) und Rassismus gegen Araber (36). Drei Vorfälle betrafen Feindseligkeit gegen Jenische, Sinti/Manouches und Roma, und drei Vorfälle betrafen eine Mehrfachdiskriminierung, u.a. sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität. 223 Vorfälle fielen unter die Kategorie Kommunikationen, von denen 93 Beleidigungen, 20 Drohungen und 44 andere verstörende Behauptungen oder Darstellungen waren. Insgesamt waren von denen, die ihr Geschlecht angaben, 126 Männer und 119 Frauen.[23]
29. Nicht offizielle Daten werden von Organisationen der Zivilgesellschaft gesammelt, u.a. über Meldeoptionen auf ihren Internetseiten oder spezielle Hotlines. Die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) sammelt und kategorisiert seit 2005 Daten zu rassistischen Vorfällen. Aufihrer Internetseite gibt es eine Option „Vorfall melden“. 2018 konnten von den 39 Vorfällen, die bis einschließlich September gemeldet wurden, 29 als Hassrede betrachtet werden. Von diesen betrafen mehr als ein Drittel Dunkelhäutige; sie wurden als „Afrikaner“ wahrgenommen und sollten „nach Hause“ gehen. Andere, einige sogar gewalttätiger Natur, betrafen Asylbewerber und Migranten. Nahezu ein Viertel der Vorfälle waren antisemitisch, einige waren gewalttätig und involvierten ein Lob auf den Holocaust. Muslimen und mutmaßlichen Arabern wurde gesagt, sie sollten „nach Hause gehen“. Weitere Zielgruppen von Hassrede waren Fahrende, Roma und Osteuropäer sowie chinesische Studenten.[24]
30. Auf ähnliche Weise erfasste 2017 der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (FSCI) 39 antisemitische Vorfälle im deutschsprachigen Teil der Schweiz,[25] während die Koordinationsstelle gegen Antisemitismus und Diffamierung (CICAD) 150 Vorfälle in den französischsprachigen Teilen des Landes erfasste.[26] Das Transgender Network Switzerland (TGNS) informierte ECRI, dass im Jahr 2018 rund 400 Hilfeanrufe bei ihrer Hotline eingingen. InterAction (eine Organisation für intergeschlechtliche Menschen) erhält pro Monat ca. 10 Anrufe über ihre Hotline. PinkCop[27] hat eine 24 Stunden besetzte LGBT+-Helpline auf seiner Internetseite für Opfer von Diskriminierung oder Gewalt, und es gibt die Funktion „Vorfall melden” auf der Internetseite, um Hassdelikte zu melden.[28] ECRI begrüßt die oben aufgeführten Initiativen, die äußerst wirksam sein können, da es vielen Menschen leichter fällt, mit Angehörigen ihrer eigenen Community über traumatische Vorfälle zu sprechen.
31. Es scheint einen Anstieg bei der geäußerten Intoleranz gegen Roma, Jenische und Sinti/Manouches zu geben, u.a. im politischen Diskurs und im Internet.[29] Stereotypen über Roma, sie seien Diebe und Bettler und hätten viele Kinder und keine Bildung sind weit verbreitet. Es gab Proteste und Demonstrationen lokaler Gruppen gegen die Einrichtung von Stell- und Transitplätzen, begleitet von Plakaten, die diese Gemeinschaften in beleidigender Sprache und mit beleidigenden Bildern beschrieben.[30] Im Februar 2018 postete die Jungpartei der Schweizerischen Volkspartei (Junge SVP) aus dem Kanton Bern auf Facebook eine Karikatur im Rahmen ihrer Wahlkampagne, auf der ein Mann in traditioneller Schweizer Tracht sich die Nase zuhält, während er auf eine Gruppe von Wohnwagen umgeben von einem Berg Müll schaut. Im Hintergrund sah man einem dunkelhäutigen Mann, der in der Öffentlichkeit seine Notdurft verrichtet. Der Text zum Bild lautete: „Wir sagen Nein zu Transitplätzen für ausländische Zigeuner”.[31] Ein Mitglied der Regierung und die EKR kritisierten öffentlich diese Darstellung.[32] Im Januar 2019 wurden die Chefs der Jungen SVP vom Bezirksgericht wegen Diskriminierung von Sinti und Roma für schuldig befunden und zu bedingten Geldstrafen verurteilt.[33]
32. ECRI stellt außerdem einen starken Anstieg eines intoleranten Diskurses gegen Muslime fest, insbesondere in den Medien. Es existiert die These, dass dies im Zusammenhang mit Gesetzen oder Gesetzesvorschlägen steht, die insbesondere Muslime betreffen.[34] Die EKR gab eine Studie zur Qualität der Medienberichterstattung über Schweizer Muslime in 18 Printmedien in Auftrag, die von der Universität Zürich zwischen 2014 und2017 durchgeführt wurde. Sie stellte fest, dass 25 % der Artikel religiöse Symbole im öffentlichen Raum (so z. B. der Bau von Minaretten oder das Tragen von Kopftuch oder Burka) und 21 % Radikalisierung betrafen, während sich lediglich 2 % mit dem Alltag von Muslimen und 2 % mit einer erfolgreichen Integration befassten.[35] Die Studie untersuchte eingehend die Medienberichterstattung von drei Ereignissen, namentlich dem Burkaverbot im Tessin (145 Artikel); die Weigerung von zwei männlichen Schülern aus Therwil (Baselland), einer Lehrerin die Hand zu geben (64 Artikel), und den Fall der Moschee An’Nur in Winterthur, die sich Anschuldigungen von Radikalisierung ausgesetzt sah (241 Artikel).[36],[37] Die Berichterstattung verurteilte vorwiegend den fehlenden Willen zur Integration und eine Tendenz zur Radikalisierung unter Muslimen und forderte mehr Kontrollen und Sanktionen. Eine weitere Studie mit dem Titel „Schlussbericht Pilotstudie Diskriminierung Muslime „, die vom Schweizer Institut gfs.bern durchgeführt wurde, zeigt, dass 85 % der muslimischen Befragten die Darstellung des Islam in den Medien als eher negativ oder sehr negativ erleben. Des Weiteren erklärten 88 %, die Medien trügen eindeutig die Verantwortung für die verschlechterte Einstellung von Nicht-Muslimen gegenüber Muslimen.[38]
33. In Bezug auf muslimische Frauen stellt ECRI fest, dass das Tessin der erste Kanton mit einem gesetzlichen Burkaverbot war, das seit dem 1. Juli 2016 nach der Annahme einer Volksinitiative aus dem Jahr 2013 in Kraft ist. Im September 2018 wurde St. Gallen der zweite Kanton, der eine Gesichtsverhüllung in der Öffentlichkeit verbot, einschließlich islamischer Schleier wie Burka und Niqab.[39] Der Islamische Zentralrat Schweiz verurteilte das Verbot als „ein weiteres Zeichen der sozialen Islamophobie, die im Land grassiert“.[40] Fünf Kantone lehnten jedoch Vorschläge für ein Burkaverbot ab.[41] Am 10. Februar 2019 stimmte Genf zugunsten eines kontroversen neuen „Laizismusgesetzes”, das gewählten Amtsträgern und öffentlichen Bediensteten das sichtbare Tragen religiöser Symbole verbietet. Kritiker behaupten, das Gesetz werde eine unterdrückende und diskriminierende Wirkung haben, besonders auf muslimische Frauen, die ein Kopftuch tragen, und manche verurteilen es als islamophob.[42] ECRI erklärt, dass muslimische Frauen, die sichtbare religiöse Symbole tragen, aufgrund der Überschneidung von Geschlecht und Religion besonders anfällig für Hassrede sind, was zur Isolierung führt und den Aufbau inklusiver Gesellschaften behindert.
– Initiativen zur Abschreckung von Hassrede durch Gegendarstellungen
34. ECRI ist der Meinung, Staaten sollten ein Bewusstsein für die Gefahren, die von Hassrede ausgehen, und deren Inakzeptabilität schärfen, indem sie Fehlinformationen, negative Stereotypen und Stigmatisierung bekämpfen; Bildungsprogramme für Kinder und Jugendliche, öffentliche Bedienstete und die Allgemeinheit entwickeln; NRO und Gleichstellungsstellen, die Hassrede bekämpfen, unterstützen und rasche Reaktionen öffentlicher Persönlichkeiten auf Hassrede ermutigen.
35. ECRI begrüßt in diesem Zusammenhang die folgenden Aktionen: Die nationale Plattform zur Förderung der Medienkompetenz Jeunes et Médias (Jugendund Medien), die vom Bundesamt für Sozialversicherungen eingerichtet wurde, um Kindern und Jugendlichen die sichere und verantwortungsvolle Nutzung digitaler Medien zu vermitteln, betreibt vier Pilotprojekte zur Entwicklung von Gegendarstellungen und eines alternativen Diskurs bei Extremismus im Internet.[43]
36. 2015 hat die EKR die Kampagne Une Suisse à nos couleurs (Bunte Schweiz) gestartet, um über Rassendiskriminierung und Hassrede im Internet aufzuklären; Zielgruppe sind vorwiegend junge Menschen.[44] Die Kampagne dauerte rund sechs Monate und schloss eine öffentlich-private Partnerschaft ein, die die Bereiche Ausbildung und Kultur, Wirtschaft und Sport sowie NRO einschloss. Die Fachstelle für Rassismusbekämpfung FRB hat Projekte unterstützt, die mit Hassrede in den digitalen Medien verbunden waren. Informationen dazu waren auf der Homepage der FRB einsehbar.[45]
37. Am 21. März 2018 (Internationaler Tag gegen Rassendiskriminierung) forderte die EKR mehr Aufmerksamkeit für Hassrede im Internet und in den sozialen Medien. Sie betonte, das Strafrecht müsse angewendet werden, wo dies gerechtfertigt sei, Präventivmaßnahmen sollten jedoch signifikant gestärkt werden, besonders für Jugendliche.
38. Die Behörden machten darauf aufmerksam, dass die Bundesräte regelmäßig eingreifen und an die Notwendigkeit erinnern würden, das vivre ensemble (Zusammen leben) zu erhalten und Aufrufen zur Intoleranz nicht zu folgen. So hielt z. B. Alain Berset, Bundespräsident im Jahr 2018, zahlreiche Reden, in denen er Zusammenhalt und die Achtung des Zusammenlebens forderte. Laut dem beratendem Ausschuss für das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten ist jedoch die umgehende und öffentliche Verurteilung nicht systematisch.[46]
– Unterstützung für Opfer von Hassrede
39. Wie bereits festgestellt, gibt es Beratungszentren für Rassismusopfer in allen Kantonen. Die Internetseite des Netzwerkes gibt kurze Informationen in 14 Sprachen, die die Nutzerinnen und Nutzer zu den Zentren leiten, in denen eine dieser Sprachen gesprochen wird.[47] Sie enthält außerdem einen Link zu einem juristischen Leitfaden in Deutsch, Französisch und Italienisch über Rassendiskriminierung, der von der FRB produziert und verwaltet wird. Die online Version vom Juli 2017 ist eine Aktualisierung der Printausgabe von 2009. Der Leitfaden bietet eine klare Übersicht über die Verfahren, die im Fall einer Rassendiskriminierung in verschiedenen Lebensbereichen zur Verfügung stehen, z. B. auf der Arbeit oder bei einem Nachbarschaftskonflikt. Diese Zentren leiden jedoch unter finanziellen Einschränkungen und haben zu wenig Personal (siehe ECRI-Empfehlung in Ziffer 7). Es gibt also eine staatliche Unterstützung für Rassismusopfern, diese ist aber eher begrenzt. Darüber hinaus scheint es keine staatliche Unterstützung von LGBTI-Opfern zu geben.
– Selbstregulierung
40. ECRI ist der Ansicht, der Einsatz von Selbstregulierungsmassnahmen könnte ein geeigneter und effektiver Ansatz im Umgang mit Hassrede sein. Die Menschen, die Hassrede benutzen, gehören häufig unterschiedlichen Gruppierungen an, sowohl öffentlich-rechtlicher wie auch privater Natur, u.a. Parlamente, politische Parteien, Unternehmensverbände, Kultur- und Sportvereinen. Es liegt in der Verantwortung dieser Organisationen klarzustellen, dass der Einsatz von Hassrede durch Personen, die mit ihnen verbunden sind, inakzeptabel ist, und Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Einsatz zu verhindern und zu sanktionieren. ECRI betont insbesondere die Notwendigkeit von Verhaltenskodizes.[48]
41. Es gibt für Mitglieder des Parlaments keinen Ethikkodex oder formelle Verhaltensregeln, lediglich bestimmte Grundsätze. Auch politische Parteien kennen keine internen Verhaltensregeln.[49] Als Akteure eines demokratisch-politischen Prozesses sollten politische Führungskräfte und Mitglieder des Parlaments aufgefordert werden, diese Frage mit dem Ziel zu prüfen, den Einsatz von Hassrede zu bekämpfen, wobei sie sich von der Charta der europäischen politischen Parteien für eine nicht rassistische Gesellschaft und der Arbeit der Parlamentarischen Versammlung des Europarats inspirieren lassen und entsprechende Verhaltenskodizes annehmen sollten.[50]
42. In Bezug auf die Medien und das Internet, wo der Großteil von Hassrede generiert wird und effektiv bekämpft werden kann, empfiehlt ECRI sowohl eine Regulierung als auch Selbstregulierung. Deren besondere Signifikanz bei der Bekämpfung von Hassrede soll dabei abgebildet werden. Gleichzeitig ist sicher zu stellen, dass dieses Vorgehen nicht das Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt. In Bezug auf die Presse nimmt ECRI die Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten von 2000 zu Kenntnis (überarbeitet 2017). Prinzip 8 besagt: „Sie respektieren die Menschenwürde und verzichten in ihrer Berichterstattung in Text, Bild und Ton auf diskriminierende Anspielungen, welche die ethnische oder nationale Zugehörigkeit, die Religion, das Geschlecht, die sexuelle Orientierung, Krankheiten sowie körperliche oder geistige Behinderung zum Gegenstand haben.“ Der Schweizer Presserat dient als Beschwerdekammer im Hinblick auf redaktionelle Inhalte oder verbundene Fragen der beruflichen Ethik in allen öffentlichen Medien. Er entscheidet über die bei ihm eingereichten Beschwerden, die auf Grundlage der oben erwähnten Erklärung eingereicht werden, und veröffentlicht alle Entscheidungen auf seiner Internetseite.[51] 2017 wurden insgesamt 127 Beschwerden eingereicht (eine Rekordzahl); 12 betrafen Diskriminierung, von denen eine Verletzung darstellte.[52] Der Presserat kann seine Entscheidungen nicht durchsetzen und Medienorganisationen sind nicht verpflichtet, sie zu veröffentlichen.[53]
43. In Bezug auf das Internet anerkennt ECRI die „Melde-Mechanismen”, die von Konzernen wie Facebook und Google eingeführt wurden und die die Möglichkeit bieten, falsche oder beleidigende Inhalte ohne Einführung neuer Gesetze zu löschen.[54] Die Behörden haben ECRI informiert, dass das Nationale Cyber-Kompetenzzentrum (NC3) des Bundesamtes für Polizei (fedpol) sich um eine Zusammenarbeit mit relevanten Internet-Providern bemüht, um die Identifizierung von Verfasserinnen und Verfassern von Hassrede zu verbessern und diese Inhalte so rasch wie möglich zu löschen. So ermöglicht z. B. der Status von fedpol als „Trusted Flagger” (vertrauenswürdiger Melder), Google rasch über Hasskommentare auf YouTube zu informieren, wonach das Material umgehend gelöscht wird. Darüber hinaus können Internetnutzer Hasskommentare im Internet über die Internetseite der GRA melden (siehe Ziffer 29), sowohl direkt beim Provider als auch bei der Polizeidienststelle, die für die Koordinierung des Kampfes gegen Computerkriminalität zuständig ist. ECRI freut sich über die Bestätigung mehrerer Gesprächspartner, dass diese Mechanismen äusserst effektiv sind und dazu führen, dass beleidigende Inhalte schnell gelöscht werden.
44. Des Weiteren hat die Swiss Internet Industry Association (SIMSA), die mehrere Internetprovider, einschließlich Google Switzerland, 2013 einen Verhaltenskodex für Hosting-Provider angenommen.[55] Der Kodex besagt, dass Hosting-Provider keine Aufsichtspflicht für die von ihren Kunden gespeicherten, verarbeiteten und zur Verfügung gestellten Inhalte haben, es ihnen aber gestattet ist, den Zugriff auf eine Webseite teilweise oder vollständig zu blockieren, wenn sie den Hinweis erhalten, diese Seite enthalte „sehr wahrscheinlich“ illegale Inhalte. Dieser Vorgang ist auch als „notice and takedown“-Verfahren bekannt. Der Kodex ist rechtlich nicht bindend und betrifft nur SIMSA-Mitglieder. SIMSA hat die vom Europarat in Zusammenarbeit mit der European Internet Services Providers Association (EuroISPA) aufgesetzten Menschenrechtsrichtlinien für Internet-Provider begrüßt und auf ihrer Internetseite erklärt, sie fühle sich der Selbstregulierung im Internet verpflichtet.[56]
45. Im Hinblick auf Online-Foren von Radio- und Fernsehprogrammen wurde ECRI von den Behörden mitgeteilt, dass der größte öffentliche Sender, Das Unternehmen Schweizer Radio und Fernsehen, verpflichtet ist, eine so genannte „Netiquette” für ihre nutzergenerierten Inhalte (Videos, Stellungnahmen, etc.) festzulegen und diese entsprechend zu überwachen. Allgemein begrüßt ECRI die oben genannten Maßnahmen.
– Anwendung von Zivil-, Verwaltungs- und Strafrecht bei Hassrede
46. ECRI empfiehlt den Mitgliedstaaten, den Anwendungsbereich und die Anwendung bzw. Zuständigkeit laut Zivil- und Verwaltungsrecht bei Hassrede klarzustellen. Sie empfiehlt des Weiteren, dass sie unter Achtung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und im Rahmen des Strafrechts, sofern kein weniger restriktives Vorgehen effektiv wäre, geeignete und effektive Maßnahmen ergreifen sollen gegen Hassrede in der Öffentlichkeit, die darauf abzielt oder von der begründet angenommen werden kann, Gewalttaten, Einschüchterung, Feindseligkeit oder Diskriminierung hervorzurufen.[57]
47. Artikel 28 des Zivilgesetzbuchs verbietet die rechtswidrige Verletzung der Persönlichkeit. ECRI konnte keine Daten zu seiner Anwendung finden, wurde jedoch unterrichtet, dass sich aus Gründen der Komplexität, Verfahrensdauer und Kosten nur selten auf diesen Artikel berufen wird. Darüber hinaus haben NRO keinen locus standi (Klagebefugnis), die Rechte und Interessen von Opfern zu vertreten. In Folge ist das Zivilrecht bei der Bekämpfung von Hassrede nicht effektiv und der Rückgriff auf das Strafrecht scheint die einzige Option zu sein.
48. In Bezug auf die Medien besagt Artikel 4 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen: „Alle Sendungen eines Radio- oder Fernsehprogramms müssen die Grundrechte beachten. Die Sendungen haben insbesondere die Menschenwürde zu achten, dürfen weder diskriminierend sein noch zu Rassenhass beitragen noch die öffentliche Sittlichkeit gefährden noch Gewalt verherrlichen oder verharmlosen.“ Die Schweizer Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen bearbeitet Beschwerden, u.a. Verstöße gegen Artikel 4 (sie kann aber nicht ex officio (von Amts wegen) tätig werden). Bevor eine Beschwerde bei der Beschwerdeinstanz eingereicht werden kann, muss ein Verfahren bei der Ombudstelle eingereicht werden, die als Mediator fungiert.[58] Lediglich 35 Fälle wurden unter Artikel 4 seit 2007 eingereicht,[59] und ECRI wurde mitgeteilt, dass nur eine Handvoll Rassendiskriminierung betraf.
49. In Bezug auf das Internet gibt es kein Gesetz, das sich speziell mit den Pflichten und dem Haftungsumfang von Internet-Providern befasst, und die EU-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr findet in der Schweiz keine Anwendung.[60] 2008 kam der Bundesrat zu dem Schluss, die aktuelle allgemeine Regelung zur strafrechtlichen Verantwortung von Internet-Providern sei für die Bekämpfung von Computerkriminalität ausreichend.[61] Im Dezember 2015 veröffentlichte der Bundesrat einen Bericht über die Haftung von Providern unter dem Zivilrecht und kam zu dem Schluss, dass der aktuelle rechtliche Rahmen für einen angemessenen Schutz ausreichend sei. Wie oben erwähnt, können Hosting-Provider verpflichtet werden, rechtswidrige Inhalte zu entfernen, vorbehaltlich der Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.
50. Speziell im Hinblick auf soziale Medien kam der Bundesrat in einem im Mai 2017 veröffentlichten Bericht zu dem Schluss, es gebe keinen Regulierungsbedarf. Er riet, weiter wachsam zu sein und die Aufsicht fortzuführen und erklärte, das bestehende Recht, in Kombination mit einem überarbeiteten Datenschutzgesetz und der Ausweitung des Schutzes für Jugendliche und sollte – zusammen mit der Selbstregulierungstendenz der sozialen Netzwerkanbieter – ausreichen , um Internetnutzerinnen und -Nutzer zu schützen.[62] ECRI fordert die Behörden auf, sich die Regulierungslösungen anzuschauen, die von anderen Staaten gefunden wurden, und die geeignet sein könnten, Hassrede im Internet zu reduzieren, wie in GPR Nr. 15 Ziffer 7 empfohlen.
51. Andererseits scheint in Bezug auf strafrechtlich relevante Hassrede im öffentlichen Kontext Artikel 261bis Strafgesetzbuch ein wirksames Mittel zu sein. Er bestraft inter alia den öffentlichen Aufruf zu Hass oder Diskriminierung gegen eine Person oder Personengruppe aufgrund von „Rasse“, ethnischer Abstammung oder Religion.[63] Die Rechtsgüter Hautfarbe, Sprache und Nationalität wurden nicht aufgenommen, entgegen der Empfehlung im fünften Bericht von ECRI. Das zusätzliche Diskriminierungsmerkmal der sexuellen Orientierung wurde vom Parlament angenommen, ist aber noch nicht in Kraft. Daten zur Verurteilungen in den letzten Jahren sind oben angegeben. Die EKR informierte ECRI, dass in den meisten Fällen eher eine Geldbuße als eine Freiheitsstrafe verhängt wird.
B. Hassmotivierte Gewalt
52. Artikel 261bis Strafgesetzbuch bestraft auch jede Person, die öffentlich eine andere Person oder eine Personengruppe aufgrund ihrer „Rasse“, Ethnie oder Religion auf eine Weise herabsetzt oder diskriminiert, die die Menschenwürde verletzt, u.a. durch Tätlichkeiten oder auf andere Weise[64]. In ihrem fünften Bericht erklärte ECRI, dass Artikel 47 Strafgesetzbuch[65] nicht explizit vorsieht, ein rassistisches oder anderes Motiv als strafverschärfend zu betrachten (wie in Ziffer 21 von ihrer GPR Nr. 7 gefordert) und sie empfiehlt ausdrücklich, eine solche Bestimmung einzufügen. ECRI bedauert, dass dies bisher noch nicht geschehen ist.
53. ECRI wiederholt ihre Empfehlung, eine rassistische oder andere hassmotivierte Gesinnung ausdrücklich als strafverschärfenden Umstand für jede Straftat aufzunehmen.
54. In ihrem fünften Bericht empfahl ECRI den Behörden, das System zur Erfassung und Überwachung von Gewalttaten zu verbessern, um zuverlässigere statistische Daten über rassistische, homophobe oder transphobe Motive von Straftaten laut Strafgesetzbuch zu erheben. Die Behörden teilten ECRI mit, eine effiziente, einheitliche und verpflichtende Datenerfassung für polizeiliche Statistiken sei schwierig, insbesondere im Fall von Hassdelikten aufgrund von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität. Es ist der Polizei freigestellt und somit nicht obligatorisch, Motive zu protokollieren, die nicht unter Artikel 261bis fallen. ECRI ist besorgt, dass dies ein vollständiges Bild der hassmotivierten Straftaten, einschließlich Gewalt, verhindert und dadurchkeine angemessene Lösung gefunden werden kann.
55. ECRI empfiehlt die Einrichtung eines Systems für die Polizei für die Protokollierung und Überwachung aller Formen von hassmotivierter Vorfälle und eine klare Anweisung an die Polizei, Hassmotive, die vom Opfer oder einer anderen Person wahrgenommen werden, zu protokollieren. Diese Daten sollten öffentlich verfügbar gemacht werden.
56. Laut Informationen von OSCE-ODIHR meldeten die Beratungszentren für Rassismusopfer im Jahr 2016 acht Vorfälle gewalttätiger Angriffe auf Personen und eine Sachbeschädigung. Die Koordinationsstelle gegen Antisemitismus und Diffamierung (CICAD) meldete drei Vorfälle gewalttätiger Angriffe gegen Personen und vier Sachbeschädigungen. Die Stiftung für politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Forschung (SETA) meldete zwei Vorfälle gewalttätiger Angriffe von islamophober Natur; ein Fall betraf ein Kind, das mit einem Stock verprügelt wurde, und ein weiterer Fall drei Moscheebesucher, die während des Gebets angeschossen und verletzt wurden (der Täter tötete sich danach selbst). Die Zeugen Jehovahs in der Schweiz meldeten einen gewalttätigen Vorfall, bei dem zwei ältere Anhängerinnen der Zeugen Jehovahs beleidigt und körperlich angegriffen wurden.
57. 2017 verzeichnete das Beratungsnetz für Rassismusopfer 25 Taten rassistisch motivierter Gewalt, von denen 19 Gewalt gegen Personen und 4 Gewalt gegen Eigentum betrafen. Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gegen Dunkelhäutige waren die höchsten Kategorien. Dies ist im Vergleich zum Vorjahr ein großer Anstieg.[66] ECRI hat außerdem von NROs gehört, dass Transgender-Personen jeden Tag Gewalt erfahren, die zur Normalität geworden ist. Die Opfer melden die Vorfälle nicht der Polizei, sondern eher einer NRO oder dem Polizeiverein PinkCop (siehe Ziffer 30).
58. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2016 über Vielfalt und Koexistenz in der Schweiz,[67] die sich auf eine repräsentative Auswahl von 3‘000 zufällig ausgewählten Personen stützte, sagten 4 %, sie seien körperlicher Gewalt aufgrund ihrer Herkunft oder anderer Diskriminierungsgründe ausgesetzt. Im Zeitraum 2010 bis 2018 lag diese Zahl stabil zwischen 3 % und 6 %.
59. ECRI nimmt des Weiteren auch einige neuere Fälle von Polizeibrutalität gegen Schwarze zur Kenntnis; sie befasst sich damit im Abschnitt Schweiz-spezifische Themen (siehe Ziffer 110-112).
60. Obwohl ECRI erkennt, dass das Ausmaß hassmotivierter Gewalt nach wie vor allgemein recht niedrig ist, tritt sie dennoch auf und hat spezifische Zielgruppen. Den Behörden wird geraten, weiterhin wachsam zu sein und Präventivmaßnahmen in Kooperation mit den relevanten Gruppen zu prüfen, insbesondere Dunkelhäutige und Transgender-Gemeinschaften.
61. ECRI empfiehlt den Behörden, eine engere Zusammenarbeit und einen Dialog zwischen der Polizei und jenen Gruppen zu etablieren, die der Gefahr von Hassdelikten ausgesetzt sind, insbesondere Schwarze und Transgender-Gemeinschaften.
III. INTEGRATION UND INKLUSION
A. Migranten
62. Die Schweiz, wie viele europäische Staaten, muss sich mit der Ankunft und dem Aufenthalt hoher Zahlen von Migranten befassen, die höchstwahrscheinlich für lange Zeit bleiben werden und eventuell in der Schweiz eine Familie gründen. ECRI ist der Ansicht, dass diese Realität ein großes Potenzial und einen großen Wert hat, und dass die Staaten in Integration und Inklusion investieren sollten. In diesem Abschnitt untersucht ECRI die Situation von Migranten, einschließlich Flüchtlingen, vorläufig aufgenommener Ausländer[68] und Asylsuchender, mit dem Grundsatz, dass je früher die Integration beginnt, desto besser die Ergebnisse.
63. Ein Viertel aller Menschen, die in der Schweiz leben, sind Ausländer. Der Großteil stammt aus anderen europäischen Staaten, vorwiegend Italien (15 %), Deutschland (14 %) und Portugal (13 %), während 15 % aus nichteuropäischen Staaten kommen.[69] Laut Informationen, die auf der Internetseite des Staatssekretariats für Migration (SEM) verfügbar sind, hat die Schweiz mit Stand 31. Januar 2019 38‘184 Flüchtlinge, 46‘710 vorläufig ausgenommene Ausländer und 14‘588 Asylsuchende aufgenommen. Die Behörden teilten ECRI mit, dass die häufigsten Herkunftsstaaten weiterhin Eritrea (19 %), Syrien (9 %) und Afghanistan (8 %) sind.
64. Laut dem Migrant Integration Policy Index 2015 belegte die Schweiz bei 38 Staaten den 21. Platz.[70] ECRI nimmt jedoch zur Kenntnis, dass die Städte Genf und Neuchâtel/Neuenburg Mitglieder des Netzes „Interkulturelle Städte“ sind, wobei letztere die höchste Punktzahl für interkulturelle Integration auf dem Index für Interkulturelle Städte belegte.[71]
65. Die Integrationspolitik der Schweiz basiert auf dem neuen Bundesgesetz über Ausländer und Ausländerinnen und über die Integration vom 1. Januar 2019, das Maßnahmen für alle Ausländer vorsieht, die in die Schweiz ziehen, um sich dort langfristig legal aufzuhalten. Sie zielt auf eine verbesserte Integration im Land ab und soll die Koexistenz von Ausländerinnen und Ausländern und Schweizer Staatsbürgerinnen und Staatbürgern fördern. Artikel 53 besagt, dass die Integrationsunterstützung eine gemeinsame Aufgabe der kommunalen, kantonalen und Bundesbehörden ist.
66. 2014 wurden die Kantonalen Integrationsprogramme (KIPs) gestartet und seither arbeitet das ganze Land (26 Kantone) an den gleichen Integrationszielen. Es steht den Kantonen und Gemeinden allerdings frei, eigene Prioritäten bei der Umsetzung festzulegen, um lokalen Anforderungen und Umständen Rechnung zu tragen. Jedes KIP wird durch eine Programmvereinbarung mit dem Staatssekretariat für Migration (SEM)[72] geregelt und von der Eidgenossenschaft (50 %) und den Kantonen (50 %) finanziert. Die nächsten Programme laufen über den Zeitraum 2018-2021.[73]
67. Die acht Ziele der KIPs unterteilen sich in drei Bereiche: 1) Information und Beratung, 2) Bildung und Beschäftigung und 3) gegenseitiges Verständnis und soziale Integration.[74] Da zwei der Haupthürden für eine gelungene Integration Rassismus und Diskriminierung von Angehörigen schutzbedürftiger Gruppen durch Angehörige der Mehrheitsbevölkerung sind, stellt ECRI erfreut fest, dass der Schutz vor Diskriminierung eines der Ziele ist und dass Antidiskriminierungsmaßnahmen intensiviert wurden. So halten z. B. mehrere Städte und Kantone eine jährliche Antirassismus-Woche ab, und es wurde ein Handbuch für die Bekämpfung von Diskriminierung im öffentlichen Dienst herausgegeben.[75]
68. Nach zwei Jahren wird eine Beurteilung der KIPs durchgeführt. Laut den Behörden gab es viele Erfolge, obwohl es nach wie vor erhebliche Herausforderungen gibt. Integration erfolgt auf lokaler Ebene, und seitdem die KIPs in Kraft sind, haben Gemeinden eine aktivere Rolle bei der Bereitstellung von Diensten zur Orientierung und zur sozialen Integration angenommen und es gibt eine größere Bereitschaft, in Integrationshilfen zu investieren. ECRI stellt jedoch fest, dass die Dauer und der Umfang dieser Maßnahmen in den einzelnen Kantonen variieren und die Unterschiede erheblich sind. Darüber hinaus wird zugegeben, dass die Finanzierung unzureichend ist.
69. In Bezug auf Flüchtlinge und vorübergehend aufgenommene Ausländerinnen und Ausländer haben die Behörden ECRI informiert, dass die Eidgenossenschaft und die Kantone eine Integrationsagenda vereinbart haben, die eine frühzeitigere und intensivere Förderung der Integration dieser Personen vorsieht, vor allem durch Sprache, Ausbildung und Beschäftigungsmaßnahmen. Seit März 2019 hat die Eidgenossenschaft ihren einmaligen Beitrag von 6‘000 auf 18‘000 CHF pro Person erhöht und ein kontinuierliches Fallmanagement sichergestellt. Es liegt bei den Kantonen, diese zusätzlichen Mittel anzufordern.
– Sprachkurse
70. Da die Sprache ein Schlüsselfaktor für Integration und Inklusion ist, stellt ECRI erfreut fest, dass einer der Hauptbereiche der KIPs der Erwerb der lokalen Sprache ist. Die Kantone sind verpflichtet, Kurse der Stufe A1 bis B1 zu subventionieren; auch Alphabetisierungskurse werden subventioniert. Es wurde das sogenannte „Fide-Label“ geschaffen, um die Qualität des Sprachunterrichts zu gewährleisten, der Teil der Integrationsmaßnahmen ist. Er wird in Deutsch, Französisch und Italienisch angeboten und orientiert sich an der Kommunikation im Alltag. Eine große Zahl von Lehrkräften hat sich für den Unterricht gemäß Fide-Label qualifiziert (130 zwischen 2015 und 2016).
71. Im Hinblick auf Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Ausländer, zahlt die Eidgenossenschaft den Kantonen einen einmaligen Betrag pro Person, der zur Finanzierung der Sprachkurse verwendet werden kann.[76] Asylbewerber in den Bundeseinrichtungen können kostenlos an Sprachkursen teilnehmen. Für andere Migranten sind jedoch, obwohl Klassen in der lokalen Sprache in allen Gebieten des Landes verfügbar sind, die häufig von NRO angeboten und durch Zuschüsse der KIPs finanziert werden, viele Sprachschulen zu teuer, da es sich um private Unternehmen handelt.[77] Die Nachfrage nach Kursen übersteigt das Angebot, und die Klassen sind überbelegt.[78] Aus diesem Grund fordert ECRI die Behörden eindringlich auf, nach neuen Wegen zu suchen, um den Bedarf an Sprachkursen für alle Migranten zu decken.
– Rechtsstatus
72. Jedes Jahr werden in der Schweiz zwischen 30‘000 und 40‘000 Anträge auf eine Aufenthaltsbewilligung (bekannt als Ausweis C) gestellt. Unter dem Bundesgesetz über Ausländer und Ausländerinnen und über die Integration können die Behörden eine Niederlassungsbewilligung nur dann ausstellen oder verlängern, wenn bestimmte Kriterien erfüllt werden, u.a. die Achtung der Rechtsordnung und Verfassungswerte, Kenntnisse in einer der Amtssprachen (mindestens Stufe A2 mündlich und A1 schriftlich), Kenntnisse der Schweizer Werte und des Lebensstils und die Bereitschaft, zur lokalen Wirtschaft beizutragen und ausreichend geschult zu sein.[79] Personen, die keine Bereitschaft zur Integration zeigen, können verpflichtet werden, eine Integrationsvereinbarung zu unterschreiben, die die Erwartungen aufführt, die es zu erfüllen gilt. Werden diese nicht erfüllt, kann dies die Erneuerung der Niederlassungsbewilligung oder eine Herabstufung zu Ausweis B (vorläufiger Aufenthalt) zur Folge haben. Die Kantone sind jedoch nicht verpflichtet, diese Vereinbarungen zu schließen. Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Ausländer, die Sozialhilfe beziehen, können andererseits verpflichtet werden, an Integrations- oder Ausbildungsprogrammen teilzunehmen. Kommen sie dem ohne gute Begründung nicht nach, kann die Sozialhilfe reduziert werden.
73. Da diese neuen Regelungen erst kürzlich in Kraft traten, sieht sich ECRI außerstande, zu bewerten, wie diese in der Praxis funktionieren. Sie ist jedoch besorgt über den Bestrafungsansatz, der eher den Anschein einer Einschränkung der Migration erweckt, als einer Förderung der Integration, und dies wird jene Personen weiter marginalisieren, die bereits Schwierigkeiten haben, sich zu integrieren. Tatsächlich war die Schweiz laut einer Umfrage[80] einer der Staaten, in denen Sprache und Bürgerkunde als Hürde für eine Integration eingesetzt werden (fordern ohne zu fördern).
74. ECRI ist insbesondere besorgt im Hinblick auf eine bestimmte Gruppe von Personen, namentlich angelehnte Asylbewerber[81], die nach Ablauf von 140 Tagen nicht abgeschoben werden können (siehe Ziffer 89). Sie haben keinen Rechtsstatus und keine Arbeitserlaubnis. Die Unterbringung erfolgt in Notunterkünften, und jede Person erhält 8 CHF pro Tag zum Leben. Viele Gesprächspartner haben ECRI über die extrem harschen Lebensbedingungen und die lange Dauer der Unterbringung informiert (in einigen Fällen bis zu 10 Jahre), bevor eine Lösung gefunden wird. Häufig ist ihr einziger Ausweg, von den Kantonen als „Härtefall“ behandelt zu werden, wodurch sie eine Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen erhalten. Zum Zeitpunkt des Besuchs von ECRI befanden sich ca. 4‘000 Personen (größtenteils Eritreer und Tibeter) in dieser misslichen Lage. ECRI ist äußerst besorgt, dass diese Menschen ohne eigenes Verschulden im Unklaren belassen werden und keine Möglichkeit haben, ein normales Leben zu führen. Sie ist der Ansicht, dass eine angemessene zeitliche Begrenzung festgelegt werden sollte, nach deren Ablauf sie automatisch reguliert werden.
75. ECRI empfiehlt den Behörden eindringlich, Personen, die nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren können, spätestens nach sechs Jahren einen regulären Aufenthaltstitel zu gewähren.
76. ECRI ist der Überzeugung, dass Menschen am ehesten zu integrieren sind, wenn sie die Staatsbürgerschaft des Landes erhalten, in dem sie leben und die gleichen Rechte wie andere Staatsbürger haben. Die Einbürgerung ist auch ein wichtiger Faktor für die Verbesserung des Wohlergehens von Migranten[82], und die Staaten sollten den Prozess erleichtern, statt Hürden aufzustellen. Im Januar 2018 trat ein neues Bürgerrechtsgesetz in Kraft. Es verkürzt die geforderte Aufenthaltsdauer von 12 auf 10 Jahre, und die Zeit, die im Alter zwischen 8 und 18 Jahren im Land verbracht wurde, zählt doppelt. Andererseits wurden die Zulassungskriterien im Hinblick auf eine „erfolgreiche Integration“ verschärft.[83] Das SEM erstellt innerhalb von acht Monaten eine vorläufige Beurteilung, und die kantonalen Behörden müssen dann innerhalb von 12 Monaten eine Entscheidung treffen. Kantone und Gemeinden haben eigene Anforderungen, die erfüllt werden müssen, und diese variieren erheblich, ebenso die Dauer des Verfahrens.[84] ECRI ist der Ansicht, dass diese Faktoren Unsicherheit und Ungleichheiten schaffen, die behoben werden sollten. ECRI bedauert es ferner, dass es keine Bestimmung für eine erleichterte Einbürgerung von Flüchtlingen gibt.[85]
– Familienzusammenführung
77. ECRI bedauert, dass die Familienzusammenführung für Personen, denen laut Asylrecht ein Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde, 2012 weiter eingeschränkt wurde und nun lediglich Ehegatten und minderjährige Kinder betrifft. Vorläufig aufgenommene Ausländer können eine Familienzusammenführung nach einer Wartezeit von drei Jahren und Erfüllen zusätzlicher Anforderungen beantragen, u.a. kein Bezug von Sozialhilfe. ECRI ist der Ansicht, dass die Folge der eingeschränkten oder verzögerten Familienzusammenführung unnötiges menschliches Leid und schlechtere Integrationsergebnisse sind.[86] Die Verfahren zur Familienzusammenführung sollten zugänglich, bezahlbar, verhältnismäßig und zeitnah sein.
78. ECRI empfiehlt, das Asylrecht zu ändern und mehr Kategorien von Personen aufzunehmen, die Anspruch auf eine Familienzusammenführung haben. Auch sollen vorläufig aufgenommene Ausländer zu einem früheren Zeitpunkt Anspruch auf eine Familienzusammenführung erhalten, unter Berücksichtigung des Rechts auf Achtung des Familienlebens, um die Integration zu verbessern.
– Bildung
79. In der Schweiz liegt die Kinder- und Jugendpolitik vorrangig in der Verantwortung der Kantone. In Bezug auf die Vorschulerziehung informierten die Behörden ECRI, dass jeder Kanton eine Reihe von Maßnahmen für Migrantenkinder entwickelt und umsetzt, die auf Kinder der Altersgruppe 0-4 Jahre, ihre Eltern und das Personal der Einrichtungen abzielen. Dazu können Spielplätze, Kurse für Pflegeeltern und Fortbildungen für Mitarbeiter gehören. Nahezu alle Kantone haben eine Vorschulpflicht von einem oder zwei Jahren erlassen, um den Erwerb der Unterrichtssprache zu fördern. ECRI wurde informiert, dass die Kantone neben der Schulpflicht auch aktiv Kurse für Sprache und Kultur der Herkunftsländer für Schüler mit Migrationshintergrund unterstützen.
80. Für die Grundschule gaben die Behörden an, dass besondere Unterstützung entweder in Form von Begrüßungs- oder Förderklassen für Migrantenkinder mit Ziel ihrer Integration in reguläre Klassen verfügbar sind. In der Sekundarstufe besuchen ausländische Kinder reguläre Unterrichtsklassen und Ausbildungsplätze. Integrationsaktivitäten werden nur dann durchgeführt, wenn diese zusätzliche Unterstützung erforderlich ist. In der Hochschulbildung gibt es keine spezielle Unterstützung für junge Migranten. NRO haben ECRI informiert, dass es nur wenige Zugangsmöglichkeiten zur Bildung für erwachsene Migranten gibt.
81. ECRI stellt erfreut einige vielversprechende Praxisbeispiele fest. Die Stadt Freiburg hat zur Unterstützung des Integrationsprozesses den Kontaktdienst „Schule und Elternhaus“ eingerichtet, der den Kontakt zwischen Migrantenfamilien und den städtischen Schulen fördern soll.[87] Die Familien können mit einer Kontaktperson, ungeachtet des kulturellen Hintergrunds oder der von der Familie gesprochenen Sprache, schulische Belange besprechen, u.a. sensible Fragen wie Rassismus.[88] Familien mit Migrationshintergrund wird außerdem ein Workshop-Programm namens EcolePlus angeboten, das sich mit der Rolle befasst, die von den Eltern erwartet wird, sowie mit der Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule.[89]
82. Ungeachtet dieser Bemühungen sind, laut eines neuen OECD-Berichts, unzureichende schulische Leistungen bei Schülern mit Migrationshintergrund in bestimmten Staaten, einschließlich der Schweiz, besonders ausgeprägt. Migrantenschüler (in der Schweiz wie auch im Ausland geborene Kinder, die zwei im Ausland geborene Elternteile haben) weisen eine zweimal so hohe Wahrscheinlichkeit auf, keine grundlegende schulische Leistung zu erreichen als jene ohne Migrationshintergrund.[90]
83. ECRI empfiehlt den Behörden, auf jede unzureichende Leistung bei Schülern mit Migrationshintergrund zu achten und Maßnahmen zu ergreifen, um diese Lücken zu schließen. Sie sollten des Weiteren sicherstellen, dass erwachsene Migranten Zugang zu Lernprogrammen und die Gelegenheit erhalten, ihre Ausbildung in der Schweiz fortzusetzen.
– Beschäftigung
84. Laut Informationen, die von den schweizerischen Behörden übergeben wurden, besitzen 95,4 % der Angestellten in der öffentlichen Verwaltung die Schweizer Staatsbürgerschaft. 4,4 % besitzen die Staatsbürgerschaft eines anderen europäischen Staates und 0,2 % sind Bürger aus anderen Kontinenten. Die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung liefert Informationen zur Struktur der Arbeitskräfte und Beschäftigungsmuster für dauerhaft Ansässige im Alter ab 15 Jahren. Die Erhebung, die vierteljährlich erfolgt, basiert auf Telefoninterviews mit 105‘000 zufällig ausgewählten Personen. Am 31. August 2018 gingen 29,4 % der Personen mit Flüchtlingsstatus einer Beschäftigung nach (Ausweis B); 36,1 % der Personen mit vorläufiger Aufnahme waren berufstätig (Ausweis F); und 7,1 % der Asylbewerber gingen einer Arbeit nach (Ausweis N). In jeder Kategorie war der prozentuale Anteil der Männer, die einer Arbeit nachgingen, rund doppelt so hoch wie der von Frauen.
85. Die Integrationsagenda für Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Ausländer berücksichtigt, dass eine große Zahl dieser Personen auch nach Jahren noch keine Arbeit gefunden hat, von Sozialhilfe abhängig ist und kaum Kontakte zur örtlichen Bevölkerung hat. Eines der Ziele der Agenda ist, dass zwei Drittel der Personen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren fünf Jahre nach ihrer Ankunft eine Ausbildung machen. Ein weiteres Ziel ist es, dass sieben Jahre nach der Ankunft die Hälfte nachhaltig in den Arbeitsmarkt integriert ist.[91] Die Behörden haben ECRI informiert, dass die Eidgenossenschaft ein Bildungsprogramm im Vorlehrbereich für Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene gestartet hat; es sind 1‘000 Plätze pro Jahr über einen Zeitraum von vier Jahren vorgesehen. ECRI begrüßt diese Maßnahmen.
86. ECRI stellt erfreut fest, dass es Asylbewerbern nun nach drei Monaten erlaubt ist zu arbeiten, obwohl es bei den Kantonen liegt, die erforderlichen Ausweise auszustellen. Im Hinblick auf vorläufig Aufgenommene wurde ECRI mitgeteilt, dass in der Praxis die Arbeitgeber nur zögerlich diese Personen einstellen, weil sie davon ausgehen, dass deren Aufenthalt nur von kurzer Dauer ist. Zur Behebung dieses Nachteils registrieren seit Juli 2018 die Sozialdienste vorläufig Aufgenommene (sowie Flüchtlinge, die Sozialhilfe beziehen), die eine Beschäftigung über das Arbeitsamt suchen, vorbehalten, dass man sie für vermittelbar hält. [92] Die Behörden haben des Weiteren darauf hingewiesen, dass sie die Umbenennung dieser Gruppe von Personen in eine angemessenere Bezeichnung in Erwägung ziehen, was ECRI befürwortet. ECRI begrüßt auch die Rücknahme der 10 %igen Sondersteuer für Asylbewerber und vorläufig Aufgenommene, die 2018 in Kraft trat.
– Wohnen
87. ECRI stellt fest, dass die KIPs den Aspekt Wohnen nicht berücksichtigen, obwohl dieser unerlässlich für Sicherheit, Wohlergehen und die Aussichten auf eine Integration ist. Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene können ihren Wohnort frei wählen. Laut einer Studie aus dem Jahr 2017[93] leben sie in prekären Umständen, wobei sie im Vergleich zu Schweizer Staatsbürgern mit der Hälfte der Zimmeranzahl und der Hälfte des Raumes auskommen müssen. Sie mieten tendenziell in großen Wohnblöcken in Zentrumsgemeinden, zusammen mit Menschen aus ähnlichen Staaten. Sie haben Probleme, einen Mietvertrag zu erhalten, da die vermietenden Parteien Vorurteile haben.
88. Im Hinblick auf Asylbewerber haben die Änderungen des Asylrechts ein neues beschleunigtes Verfahren eingeführt, das am 1. März 2019 in Kraft trat. Alle Asylbewerber müssen nun in einem der 18 Bundeszentren untergebracht werden, die vom SEM in sechs Asylregionen betrieben werden. Es werden die besonderen Bedürfnisse der unterschiedlichen Gruppen berücksichtigt (u.a. unbegleitete Minderjährige und Familien mit Kindern), und die medizinische Versorgung und Schulbesuch werden gewährleistet. Jedem Asylbewerber wird ein Rechtsbeistand zu gewiesen und hat Anspruch auf kostenlose Rechtsberatung. Ein Testzentrum wurde 2014 in Zürich eröffnet und wird seit fünf Jahren betrieben. Eine neue Beurteilung stellte fest, dass das Modell „alle unter einem Dach“ positive Ergebnisse gezeitigt hat. ECRI begrüßt es, dass der Schwerpunkt auf Beschäftigung, und nicht auf Kontrolle oder Sicherheit gelegt wird. Sie bedauert jedoch, dass die Integrationsmaßnahmen nicht Teil des neuen Systems sein werden und erst dann beginnen, wenn der Status als Flüchtling oder vorläufig Aufgenommener gewährt wurde.
89. Asylbewerber werden nur dann einem der 26 Kantone zugewiesen, wenn ihr Antrag nicht innerhalb von 140 Tagen bearbeitet werden kann. Die Aufnahmebedingungen werden durch kantonale Gesetze geregelt und unterscheiden sich in den einzelnen Kantonen. Die Art der Unterbringungseinrichtungen sowie die Höhe der finanziellen Aufwendungen sind in den einzelnen Kantonen unterschiedlich. Von einigen weiß man, dass sie im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen restriktiv sind oder es sogar an Strukturen fehlt, die den Bedürfnissen schutzbedürftiger Personen angepasst sind.[94] Mehrere Unterbringungsmöglichkeiten werden angeboten, u.a. Gemeinschaftszentren, Familienapartments oder Jugendherbergen. Aus diesem Grund kann die Zuweisung zu einem Kanton zu großer Ungleichheit führen. ECRI verweist auf ihre nachstehende Empfehlung
– Politische Inklusion
90. Die Teilhabe an der Entscheidungsfindung über das passive und aktive Wahlrecht auf kommunaler Ebene ist ein wichtiger Aspekt der Integration von Migranten, die sich selbst als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft betrachten und auch als solche betrachtet werden.
91. Auf kantonaler Ebene gewähren lediglich zwei Kantone, Neuenburg und Jura, Nichtstaatsbürgerinnen und Bürgern das Wahlrecht. Neuenburg beschränkt dieses Recht auf jene Personen, die seit mindestens fünf Jahren in diesem Kanton leben, während der Kanton Jura jenen das Wahlrecht gewährt, die seit 10 Jahren in der Schweiz leben, von denen mindestens ein Jahr in diesem Kanton verbracht worden sein muss. Kein Kanton gewährt das passive Wahlrecht. Auf kommunaler Ebene gewähren die Kantone Freiburg, Vaud, Neuenburg und Jura unter bestimmten Umständen Nichtstaatsbürgern das aktive und passive Wahlrecht (leben seit 10 Jahren in der Schweiz und im Kanton zwischen einem und fünf Jahren). Genf sieht das aktive Wahlrecht, aber kein passives Wahlrecht vor.
92. In Anbetracht der Tatsache, dass ein Viertel der Gesamtbevölkerung in der Schweiz keine Schweizer Staatsbürgerschaft haben, ist ECRI der Ansicht, dass die bestehenden Regelungen für deren Teilhabe unangemessen restriktiv sind. Darüber hinaus könnte von der Schweiz, mit ihrem System der halbdirekten Demokratie, erwartet werden, offener für den Wert einer inklusiven Demokratie zu sein.
93. Abschließend begrüßt ECRI die Schweizer Bemühungen in den letzten Jahren, eine Integrationspolitik und Integrationsmaßnahmen zu etablieren. Es bestehen jedoch nach wie vor Herausforderungen und Lücken, wie oben aufgeführt, und die Bemühungen um Inklusion sind nicht immer erkennbar. Es sind weitere Anstrengungen für vorläufig Aufgenommene erforderlich, die trotz ihrer Bezeichnung tatsächlich häufig für lange Zeit im Land leben (bis zu 20 Jahre), aber Restriktionen unterworfen sind, die sich negativ auf ihre Integrationsaussichten auswirken.[95] Darüber hinaus gibt es, da es den Kantonen und Kommunen gestattet ist, die Integrationsziele auf ihre eigene Weise zu verfolgen, ein breites Spektrum an Ansätzen, was zu großen Unterschieden in den Standards innerhalb des Landes und erheblichen Ungleichheiten führt. Diese Mängel wurden während des Besuchs von ECRI im Land immer wieder angesprochen. ECRI ist der Ansicht, dass Optionen für eine größere Kohärenz der Ansätze für Integration untersucht werden sollten, damit alle Migranten gleich behandelt werden und die gleichen Chancen haben, wo immer sie sich im Land befinden.
94. ECRI empfiehlt dringend den Austausch guter Praxisbeispiele in den Ansätzen, die in Bezug auf Integration und Inklusion verfolgt werden, um die kantonale Politik zu vereinheitlichen und die Chancengleichheit für alle Migranten zu maximieren. ECRI empfiehlt des Weiteren, die Mittel für die Kantonalen Integrationsprogramme zu erhöhen, den Bedarf an Sprachkursen für alle Migranten zu decken und Asylbewerber in die Integrationsprogramme aufzunehmen.
B. Jenische, Sinti/Manouches und Roma
95. Laut Bundesamt für Kultur leben rund 30‘000 Jenische in der Schweiz, von denen rund 10 % einer nomadischen oder halbnomadischen Lebensweise nachgehen. Präzise Daten zu Sinti/Manouches stehen nicht zur Verfügung, ihre Zahl ist aber deutlich geringer als bei den Jenischen.[96] Daten zu Roma sind weniger genau, aber laut NRO in der Schweiz liegt ihre Zahl bei rund 80‘000. 99 % der Roma sind sesshaft und die meisten sind gut in die Schweizer Gesellschaft integriert.[97] Darüber hinaus wird geschätzt, dass sich in den Sommermonaten ca. 3‘000 ausländische fahrende Roma in der Schweiz aufhalten.[98]
96. Laut der Gesellschaft für bedrohte Völker sind Jenische und Sinti sowie Roma Diskriminierung, Vorurteilen und Rassismus ausgesetzt.[99] ECRI ist der Ansicht, dass gezielte Integrationsmaßnahmen erforderlich sind, wo diese Gemeinschaften schwere Diskriminierung und Ablehnung seitens der Mehrheitsbevölkerung erleben. In diesem Abschnitt befasst sich ECRI mit zwei Hauptbereichen, die sich besonders auf die Integration und Inklusion der Gemeinschaften der Jenischen, Sinti/Manouches und Roma in der Schweiz auswirken: Wohnen und Bildung.
97. 2015 setzte der Bundesrat eine Arbeitsgruppe „Zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine nomadische Lebensweise und Förderung der Kultur der Jenischen, Sinti/Manouches und Roma in der Schweiz” ein, die vom Bundesamt für Kultur geleitet wird. Sie setzt sich aus einer Bandbreite von Akteuren zusammen, u.a. Vertretern der Jenischen, Sinti/Manouches und Roma (50 %) und staatlichen Behörden, u.a. Angehörigen der Bundesbehörden, kantonalen Konferenzen und Kommunal- und Städteverbänden (50 %).[100] Anfangs waren die Roma nicht in der Arbeitsgruppe vertreten (weil sie vorwiegend sesshaft sind), sie wurden dann aber zur Teilnahme eingeladen.
98. Im Juni 2016 nahm die Arbeitsgruppe einen Aktionsplan mit einigen Empfehlungen für[101] fünf Bereiche an: Stellplätze; Bildung und Ausbildung; soziale Angelegenheiten; Kultur und Identität; und Erneuerung der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende als Verbindung zwischen Staat und den relevanten Gruppen. ECRI stellt fest, dass das Dokument vage ist und lediglich die Herausforderungen aufführt, die sich aus einer fahrenden Lebensweise ergeben. NRO und Vertreter der relevanten Gemeinschaften betrachten den Aktionsplan als Enttäuschung und erklären, dass dieser projektbasiert sei und keinen zeitlichen Rahmen nenne und unzureichend umgesetzt werde. Ein Bericht zur Umsetzung wurde im Dezember 2018 veröffentlicht.[102] Er stellte fest, es seien Verbesserungen in der Infrastruktur und bei bestimmten Praktiken der Behörden und Gesellschaft erforderlich und es sollten konkrete Lösungen zur Unterstützung der Initiativen der betroffenen Gruppen gefunden werden.
99. Im Hinblick auf Fragen der Identität und Kultur der Jenischen und Sinti/Manouches verweist ECRI auf die neuste Stellungnahme des Beratenden Ausschusses für das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten.[103] Sie lenkt dessen ungeachtet die Aufmerksamkeit auf die Ablehnung eines Antrags durch den Bundesrat im Jahr 2018, den Roma den Status als nationale Minderheit i. S. des oben genannten Rahmenübereinkommens zu gewähren, was diese mit großer Bitterkeit erfüllt.[104] ECRI ist der Ansicht, dass der Ausschluss dieser Gruppe auf diese Weise nicht hilfreich für die Förderung der Inklusion ist. Dessen ungeachtet nimmt ECRI zur Kenntnis, dass weitere Schritte ergriffen wurden, um Roma als Teil der Schweizer Gesellschaft anzuerkennen. So gibt es nun z. B. ein Roma-Mitglied in der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR)[105] und 2017 erwähnte der Bundesrat zum ersten Mal Roma als Opfer des Holocaust, was diese begrüßten.
– Wohnen
100. In ihrem fünften Bericht empfahl ECRI den Behörden, als dringliche Angelegenheit den Bedarf an Stellplätzen für nomadische Gemeinschaften zu erfüllen. ECRI erinnert daran, dass laut einer Entscheidung des Schweizerischen Bundesgerichts die Raumordnungspläne der Kantone eine ausreichende Anzahl von Stellplätzen für Fahrende ausweisen müssen, auf denen sie ihrer Tradition gemäß leben können. Mehrere Gesprächspartner informierten ECRI jedoch, dass diese Verpflichtung nicht respektiert wird, vorwiegend aufgrund eines fehlenden politischen Willens, besonders auf kommunaler, aber auch auf kantonaler Ebene. In Folge gibt es nach wie vor einen Mangel an Stellplätzen, was für die betroffenen Gemeinschaften ein großes Problem ist. Es trägt auch erheblich zu den Vorurteilen und zur Feindseligkeit bei, mit denen sie konfrontiert werden (siehe Ziffer 31), und behindert die Inklusion.
101. Es scheint, dass jedes Jahr immer mehr Plätze geschlossen werden. Die Behörden haben ECRI mitgeteilt, dass es gegenwärtig rund 30 offizielle Stellplätze in der Schweiz gibt, während doppelt so viele benötigt werden. Einige dieser Plätze stehen das ganze Jahr zur Verfügung, während kurzzeitige Stellplätze nur in einer bestimmten Zeit des Jahres geöffnet sind und Transitplätze vorwiegend von ausländischen Fahrenden benutzt werden. Viele Plätze befinden sich in der Nähe von Autobahnen oder Mülldeponien und verfügen nicht über die erforderliche Infrastruktur für ein angemessenes Leben, u.a. Zugang zu Stromleitungen und Trinkwasser. Jenische und Sinti sprachen über ihre Angst im Hinblick auf einen schrumpfenden „Lebensraum“ für sie. Darüber hinaus haben Änderungen am Bundesgesetz über das Gewerbe der Reisenden, das im Juli 2018 in Kraft trat, die traditionelle Praxis, spontan und mit Zustimmung des Grundbesitzers zu lagern, erschwert und komplexer gemacht. Diese Praxis, die zuvor auf der mündlichen Vereinbarung mit dem Grundbesitzer basierte, trug dazu bei, den Mangel an offiziellen Stellplätzen auszugleichen.
102. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich für die ausländischen fahrenden Roma (häufig als „ausländische Fahrende” bezeichnet). Sie reisen tendenziell in größeren Gruppen und bleiben mehrere Monate in der Schweiz. Sie werden immer häufiger ausgegrenzt und manchmal verbietet man ihnen, an Stellplätzen zu halten, die für Schweizer Jenische und Sinti/Manouches ausgewiesen sind.[106] Tatsächlich ist mehr als die Hälfte der bestehenden Stellplätze nicht mehr für „ausländische Fahrende“ offen. ECRI stellt fest, dass am 13. Februar 2019 das Schweizerische Bundesgericht in einem den Kanton Neuenburg betreffenden Fall entschieden hat, diese Praxis stelle keine Diskriminierung aufgrund der Nationalität dar und sie diene einem öffentlichen Interesse (Stellplätze für jede fahrende Gemeinschaft laut ihrer spezifischen Bedürfnisse zu finden) und erfülle den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.[107] ECRI ist jedoch nach wie vor besorgt, dass dieser Ansatz die Fremdenfeindlichkeit und Vorurteile gegen ausländische fahrende Roma noch verstärken wird, was zu Konflikten zwischen den unterschiedlichen Gruppen auf den Stellplätzen führt, die sie teilen. Diese Spannungen werden durch einen akuten Mangel an Stellplätzen und Lebensräumen verschärft.
103. Aus diesem und den oben erwähnten Gründen ist ECRI der Ansicht, es sei dringend erforderlich, mehr Stellplätze einzurichten.[108] Obwohl die Behörden ECRI mitgeteilt haben, es seien Fortschritte erzielt (z. B. hat der Kanton Freiburg 2017 einen neuen Übergangsplatz eingerichtet) und der Betrag von 300‘000 CHF sei von der Eidgenossenschaft für den Zeitraum 2016-2020 für die Schaffung von Stellplätzen zugewiesen worden, reicht dies eindeutig nicht aus.
104. ECRI empfiehlt dringend, in Rücksprache mit den betroffenen Gemeinschaften Investitionen zur Einrichtung einer ausreichenden Anzahl von Stellplätzen zu tätigen, um den Bedarf fahrender Jenische, Sinti/Manouches und Roma zu decken.
– Bildung
105. In ihrem fünften Bericht empfahl ECRI den Behörden, so rasch wie möglich ein Projekt oder Maßnahmen umzusetzen, die sicherstellen, dass Kinder von Fahrenden eine wirksame Bildung erhalten, unter Berücksichtigung der Lebensweise ihrer Familien. ECRI stellt fest, dass der Aktionsplan die Notwendigkeit nennt, Bedingungen für die Vereinbarkeit der Schulpflicht und dem Recht der Kinder auf Bildung mit dem Recht von Fahrenden zu schaffen, ihrer fahrenden Lebensweise nachzukommen. Die größte Schwierigkeit für diese Kinder, aufgrund ihrer langen Abwesenheit in den Sommermonaten und einem kürzeren Schulbesuch während der Winterzeit, ist, dass ihre Schulbildung wahrscheinlich unvollständig sein wird.[109]
106. Wie bereits erwähnt, liegt die Zuständigkeit für Bildung bei den Kantonen, und ECRI nimmt erfreut einige vielversprechende Praxisbeispiele zur Kenntnis. Der Kanton Bern und die Stadt Bern haben 2016 ein dreijähriges Pilotprojekt namens Lernen unterwegs gestartet, das Kindern von Fahrenden am Stellplatz Buech die Möglichkeit einräumt, in den Wintermonaten am Unterricht und pädagogischen Workshops sowie in den Sommermonaten mittels internetgestützter Unterrichtsmethoden an Fernunterricht teilzunehmen; die Kinder erhalten kostenlos Laptops und die Schulen stellen sicher, dass die Familien über einen Internetzugang verfügen.[110] ECRI traf sich mit Familien und Kindern, die von diesem System begeistert und mit diesem sehr zufrieden sind. Sie ruft die anderen Kantone und Städte auf, ähnlich kreative kindgerechte Projekte zu implementieren.
107. ECRI stellt des Weiteren erfreut fest, dass die Fachstelle für Rassismusbekämpfung des Eidgenössischen Departement des Innern hat einen Zuschuss von 78‘000 CHF für verschiedene Projekte zur Unterstützung des Lebens und der Kultur von Fahrenden gewährt, von denen 8.000 CHF in die Entwicklung von Lernmaterialien über Schweizer Jenische, Sinti/Manouches und Roma für Grundschulen im deutschsprachigen Teil der Schweiz investiert wurden. 2019 beabsichtigt sie, (zusammen mit anderen Partnern) ein Modul zum Thema Rassismus, der mit der fahrenden Lebensweise verbunden ist, zu entwickeln.[111]
IV. SCHWEIZ-SPEZIFISCHE THEMEN
– Fehlen umfassender Antidiskriminierungsgesetze
108. ECRI stellt fest, dass es immer noch kein allgemeines Antidiskriminierungsgesetz gibt und dass isolierte Bestimmungen auf mehrere Bereiche verteilt sind. Das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte hat eine groß angelegte Studie über den Zugang zu Rechtsschutz in Fällen mutmaßlicher Diskriminierung aufgrund von Gender, Geschlechtsidentität, sexueller Orientierung, „Rasse“, Religion oder Behinderung durchgeführt. Sein 2015 veröffentlichter Bericht lehnte Forderungen nach einem allgemeinen Gesetz gegen Diskriminierung ab. Der Bundesrat erklärte 2016, dass die aktuell geltenden Gesetze einen ausreichenden Schutz vor Diskriminierung bieten und erinnerte daran, dass ein allgemeines Antidiskriminierungsgesetz wiederholt vom Parlament abgelehnt wurde.[112] ECRI bedauert, dass die Situation bleibt wie in ihrem fünften Bericht und betont, dass diese Situation ein Hürde für den Zugang zur Justiz ist, da Opfer von Diskriminierung nicht von Sondermaßnahmen profitieren, die die Schwierigkeit der Beweisführung in diesen Fällen anerkennt, vor allem die Verschiebung der Beweislast.
109. ECRI wiederholt ihre Empfehlung, ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz zu verabschieden, das alle Gründe und alle Bereiche abdeckt, in Übereinstimmung mit ihrer Allgemeinen politischen Empfehlung Nr. 7.
– Machtmissbrauch durch die Polizei
110. ECRI nimmt mehrere Berichte zur Kenntnis,[113] die die Aufmerksamkeit auf den mutmaßlichen Machtmissbrauch durch die Polizei lenkt, u.a. Racial Profiling und Brutalität. Vertreter der Gemeinschaften der Jenischen und Sinti/Manouches haben alle ihre Sorge über ein mögliches Profiling von Personen mit fahrender Lebensweise und wiederholte Identitätsfeststellungen geäußert.[114] Eine Plakataktion im Jahr 2016 gegen Betteln, die von der Polizei in Lugano durchgeführt wurde, stereotypisierte Roma als Ausbeuter von Frauen und Kindern im Rahmen krimineller Vereinigungen.[115] Dunkelhäutige sind ebenfalls eine besondere Zielgruppe für polizeiliche Kontrollen, die häufig Festnahmen und die Durchsuchung auf Drogen einschließen.[116] ECRI ist insbesondere alarmiert, dass eine Reihe von Polizeiaktivitäten zum Tod von Schwarzen geführt hat. So verstarb z. B. im März 2018 ein nigerianischer Mann in Lausanne, nachdem er von der Polizei festgenommen und zu diesem Zweck auf den Boden gedrückt und gefesselt worden war;[117] im Oktober 2017 verstarb ein 23-jähriger gambischer Mann in Polizeigewahrsam in Kanton Wadt;[118] und im November 2016 wurde ein junger kongolesischer Mann in Lausanne während einer Polizeikontrolle erschossen.[119] Strafverfahren in Bezug auf diese Fälle im Kanton Wadt laufen. Laut der NRO humanrights.ch sind Gerichtsverfahren in Fällen von Polizeigewalt häufig langwierig und belastend und enden selten zugunsten des Klägers, was zu einem System führt, in dem sich Opfer hilflos fühlen und die Polizei als über dem Gesetz stehend wahrnehmen.[120]
111. Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus empfahl in Bezug auf Schwarze, die Opfer von Racial Profiling werden, eine Schulung für Polizeikräfte, um das Problem des institutionellen und strukturellen Rassismus zu bekämpfen.[121] Laut Polizeiausbildern und Regierungsberatern basieren rund 20 % der Polizeimaßnahmen nicht objektiven Kriterien. Als Gründe wurden eine mangelnde Ausbildung sowie das Fehlen eines unabhängigen Gremiums zur Untersuchung von Beschwerden gegen die Polizei genannt.[122]
112. ECRI empfiehlt eine weitere Schulung der Polizeikräfte zum Thema Racial Profiling und zur Anwendung eines Standards des begründeten Verdachts. Es wird des Weiteren dringend empfohlen, ein von der Polizei und Staatsanwaltschaft unabhängiges Gremium einzurichten, das mutmaßliche Fälle rassistisch motivierter Diskriminierung und Fehlverhaltens seitens der Polizei untersucht, im Einklang mit ihrer Allgemeinen politischen Empfehlung Nr. 11 zur Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung in der Polizeiarbeit.
EMPFEHLUNGEN DER ZWISCHENZEITLICHEN NACHVERFOLGUNG
Die zwei konkreten Empfehlungen, für die ECRI eine vorrangige Umsetzung seitens der Behörden der Schweiz fordert, sind die Folgenden:
• (§ 7) ECRI empfiehlt dringend, die Beratungszentren für Rassismusopfer durch höhere Mittel (aus einem anderen Haushalt als dem der Kantonalen Integrationsprogramme) und Personal zu stärken.
• (§ 75) ECRI empfiehlt den Behörden eindringlich, Personen, die nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren können, spätestens nach sechs Jahren einen regulären Aufenthaltstitel zu gewähren.
Spätestens zwei Jahre nach Veröffentlichung dieses Berichts wird ECRI in Bezug auf diese zwei Empfehlungen ein Verfahren zur zwischenzeitlichen Weiterverfolgung durchführen.
LISTE DER EMPFEHLUNGEN
Die Stelle der Empfehlungen im Berichtstext steht in Klammern.
1. (§ 5) ECRI empfiehlt erneut dringend die Einrichtung einer vollständig unabhängigen Gleichstellungsstelle mit ausreichend Personal und mit den Aufgaben und Zuständigkeiten, die in der Allgemeinen politischen Empfehlung Nr. 2 über Gleichstellungsstellen zur Bekämpfung von Rassismus und Intoleranz auf nationaler Ebene beschrieben sind.
2. (§ 7) ECRI empfiehlt dringend, die Beratungszentren für Rassismusopfer durch höhere Mittel (aus einem anderen Haushalt als dem der Kantonalen Integrationsprogramme) und Personal zu stärken.
3. (§ 13) ECRI empfiehlt, alle Schulen aufzufordern, eine Vorgehensweise zur Verhütung von und für den Umgang mit rassistischen und homo-/transphoben Vorfällen, einschließlich Mobbing, zu verabschieden, mit Richtlinien für Schüler, Lehrkräfte und Eltern.
4. (§ 19) ECRI wiederholt ihre Empfehlung, das Diskriminierungsmerkmal Geschlechtsidentität in Artikel 261bis StGB aufzunehmen.
5. (§ 23) ECRI empfiehlt, das Recht von Kindern auf körperliche Unversehrtheit und körperliche Selbstbestimmung wirksam zu schützen und medizinisch unnötige Operationen und andere Behandlungen zur „Normalisierung“ des Geschlechts zu verbieten, bis das Kind in der Lage ist, auf Grundlage des Selbstbestimmungsrechts und des Grundsatzes einer freien und informierten Einwilligung an der Entscheidung mitzuwirken.
6. (§ 53) ECRI wiederholt ihre Empfehlung, eine rassistische oder andere hassmotivierte Gesinnung ausdrücklich als strafverschärfenden Umstand für jede Straftat aufzunehmen.
7. (§ 55) ECRI empfiehlt die Einrichtung eines Systems für die Polizei für die Protokollierung und Überwachung aller Formen von hassmotivierter Vorfälle und eine klare Anweisung an die Polizei, Hassmotive, die vom Opfer oder einer anderen Person wahrgenommen werden, zu protokollieren. Diese Daten sollten öffentlich verfügbar gemacht werden.
8. (§ 61) ECRI empfiehlt den Behörden, eine engere Zusammenarbeit und einen Dialog zwischen der Polizei und jenen Gruppen zu etablieren, die der Gefahr von Hassdelikten ausgesetzt sind, insbesondere Schwarze und Transgender-Gemeinschaften.
9. (§ 75) ECRI empfiehlt den Behörden eindringlich, Personen, die nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren können, spätestens nach sechs Jahren einen regulären Aufenthaltstitel zu gewähren.
10. (§ 78) ECRI empfiehlt, das Asylrecht zu ändern und mehr Kategorien von Personen aufzunehmen, die Anspruch auf eine Familienzusammenführung haben. Auch sollen vorläufig aufgenommene Ausländer zu einem früheren Zeitpunkt Anspruch auf eine Familienzusammenführung erhalten, unter Berücksichtigung des Rechts auf Achtung des Familienlebens, um die Integration zu verbessern.
11. (§ 83) ECRI empfiehlt den Behörden, auf jede unzureichende Leistung bei Schülern mit Migrationshintergrund zu achten und Maßnahmen zu ergreifen, um diese Lücken zu schließen. Sie sollten des Weiteren sicherstellen, dass erwachsene Migranten Zugang zu Lernprogrammen und die Gelegenheit erhalten, ihre Ausbildung in der Schweiz fortzusetzen.
12. (§ 94) ECRI empfiehlt dringend den Austausch guter Praxisbeispiele in den Ansätzen, die in Bezug auf Integration und Inklusion verfolgt werden, um die kantonale Politik zu vereinheitlichen und die Chancengleichheit für alle Migranten zu maximieren. ECRI empfiehlt des Weiteren, die Mittel für die Kantonalen Integrationsprogramme zu erhöhen, den Bedarf an Sprachkursen für alle Migranten zu decken und Asylbewerber in die Integrationsprogramme aufzunehmen.
13. (§ 104) ECRI empfiehlt dringend, in Rücksprache mit den betroffenen Gemeinschaften Investitionen zur Einrichtung einer ausreichenden Anzahl von Stellplätzen zu tätigen, um den Bedarf fahrender Jenische, Sinti/Manouches und Roma zu decken.
14. (§ 109) ECRI wiederholt ihre Empfehlung, ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz zu verabschieden, das alle Diskriminierungsmerkmale und alle Bereiche abdeckt, in Übereinstimmung mit ihrer Allgemeinen politischen Empfehlung Nr. 7.
15. (§ 112) ECRI empfiehlt eine weitere Schulung der Polizeikräfte zum Thema Racial Profiling und zur Anwendung eines Standards des begründeten Verdachts. Es wird des Weiteren dringend empfohlen, ein von der Polizei und Staatsanwaltschaft unabhängiges Gremium einzurichten, das mutmaßliche Fälle rassistisch motivierter Diskriminierung und Fehlverhaltens seitens der Polizei untersucht, im Einklang mit ihrer Allgemeinen politischen Empfehlung Nr. 11 zur Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung in der Polizeiarbeit.
Bibliografie
Diese Bibliografie listet die wichtigsten veröffentlichen Quellen auf, die während der Prüfung der Situation in der Schweiz benutzt wurden. Dies ist nicht als abschließende Liste aller Informationsquellen zu betrachten, die ECRI während der Arbeit an diesem Bericht zur Verfügung standen.
European Commission against Racism and Intolerance (ECRI)
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13. ECRI (2000b), General Policy Recommendation No. 5: Combating intolerance and discrimination against Muslims, CRI(2000)21.
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Weitere Quellen in alphabetischer Reihenfolge
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_______________
[1] Siehe ECRI Glossar.
[2] Allgemeine politische Empfehlung Nr. 10 von ECRI: Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung im und durch Schulunterricht
[3] Menschenrechtsbildung ist das Unterrichten und Erziehung zur Förderung der Achtung der Menschenrechte und Freiheiten.
[4] www.lehrplan.ch/.
[5] www.plandetudes.ch/.
[6] www.educa.ch/en/digitization-and-education/curricula.
[7] Commission fédérale contre le racisme CFR 2016. Gibt es einen speziellen Grund, diese Quellen (und die nachfolgenden) in Französisch zu lassen ?
[8] Commission fédérale contre le racisme CFR 2018.
[9]Die Daten für die Studie wurden durch die Zusammenlegung von 60 qualitativen Interviews mit 12 kantonalen Behörden, bestehender Daten des Ordonnance sur le système d’information central sur la migration (SYMIC), von Daten zu Pensionsversicherungen und von Daten zur Demografie und zum Familienstand des Bundesamts für Statistik gesammelt.
[10] Siehe ECRI Glossar.
[11]Dies erfolgte aufgrund einer parlamentarischen Initiative, die eine Aufnahme des Grundes der sexuellen Orientierung in Artikel 261bis StGB forderte. Der Rechtsausschuss des Nationalrats hat außerdem die Aufnahme der Geschlechtsidentität vorgeschlagen. Der Bundesrat hat dies abgelehnt, da er die Vorlage zur Geschlechtsidentität als zu vage und ohne ausreichende Vorhersehbarkeit betrachtete (siehe www.bk.admin.ch/ch/f/pore/rf/cr/2018/20181644.html).
[12]Ein optionales Referendum wurde am 8. April 2019 vorgelegt, und die Bundeskanzlei bestätigte am 7. Mai 2019, die erforderlichen 50.000 gültigen Stimmen seien gesammelt worden. Der Bundesrat wird einen Termin für eine Volksabstimmung festlegen. Das Gesetz tritt nur dann in Kraft, wenn eine einfache Mehrheit der Bevölkerung diesem zustimmt.
[13] The Local 2018a.
[14] ILGA Europe 2018.
[15]Es besteht Konsens bei Vereinen für intersexuelle Menschen und internationalen Institutionen, dass laut Schätzungen rund 1,7 % der Neugeborenen intersexuell sind. Siehe Blackless, M. und andere 2000.
[16] Europäisches Parlament 2019; Parlamentarische Versammlung des Europarats 2017; Menschenrechtskommissar des Europarats 2015; EU FRA 2015. Gegenwärtig sind Malta und Portugal die einzigen europäischen Staaten, die ein Gesetz zum Verbot dieser Operationen verabschiedet haben.
[17] ILGA Europe 2018 und Transgender Network Switzerland 2018.
[18] ILGA Europe 2018. Der Antrag fordert u.a. die Bereitstellung einer kostenfreien psychosozialen Unterstützung von intersexuellen Menschen und deren Familien.
[19] Rainbow Cities Network.
[20] Siehe ECRI Glossar.
[21] http://hatecrime.osce.org/switzerland?year=2017.
[22] Im vorliegenden Bericht ist Hassverbrechen zu verstehen als jede Straftat, die durch Hass oder Vorurteile aufgrund von „Rasse”, Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit, nationale oder ethnische Herkunft, sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität motiviert ist, ungeachtet der Frage, ob diese real bestehen oder angenommen werden. Für weitere Informationen zum Verständnis von Hassverbrechen siehe http://hatecrime.osce.org/what-hate-crime.
[23] Réseau de centres de conseil pour les victimes du racisme 2018.
[24] https://chronologie.gra.ch/?fwp_date=2018.
[25] Fédération Suisse des Communautés israélites 2018.
[26] Coordination Intercommunautaire contre l’Antisémitisme et la Diffamation (CICAD) 2018.
[27] PinkCop wurde 2008 in Zürich als ein unabhängiger Verein für Homosexuelle und Transgender-Personen in der Polizei gegründet. Er setzt sich für die Akzeptanz innerhalb der Polizei ein und bekämpft die Vorbehalte der LGBT-Community gegenüber der Polizei.
[28] http://pinkcop.ch/about-us/.
[29] Siehe Europarat, Beratender Ausschuss für das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten (FCNM) 2018.
[30] Europarat, FCNM 2018.
[31] Fondation contre le racisme et l’antisémitisme (GRA) 2019; Commission fédérale contre le racisme 2018; Union des Associations et Représentants des Nomades Suisses 2018.
[32] Es wurde von Facebook-Moderatoren entfernt.
[33] The Local 2019a.
[34]Zum Beispiel Absatz 3, der Artikel 72 der Verfassung hinzugefügt wurde und den Bau neuer Minarette verbietet, und Regelungen in Bezug auf Schulen oder das Tragen bestimmter Kleidung in der Öffentlichkeit. Siehe Vereinte Nationen, Menschenrechtsausschuss 2017.
[35] Ettinger, P. 2018.
[36] Ettinger, P. 2018.
[37] The Local 2017a.
[38] Ademović-Omerčič, N. 2018.
[39] Zwei Rechtsbeschwerden wurden gegen den neuen Text eingereicht.
[40] Euronews 2018.
[41] Basel-Stadt, Glarus, Solothurn, Schwyz und Zürich.
[42] The Local 2019b.
[43] www.jeunesetmedias.ch/fr/plateforme/nos-activites.html.
[44] www.admin.ch/gov/fr/accueil/documentation/communiques.msg-id-57849.html.
[45] www.edi.admin.ch/edi/fr/home/fachstellen/frb/domaines-d_activites/medien-und-internet/internet.html.
[46] Europarat FCNM 2018.
[47] www.network-racism.ch/liste-d-adresses-membres/ch-karte-var3.html?changelang=2.
[48] GPR Nr. 15, Ziffer 6 und Ziffer 114-129 des Begründungstextes.
[49] Europarat, Gruppe der Staaten gegen Korruption 2017.
[50] Siehe https://rm.coe.int/16806fe48b.
[51] www.presserat.ch.
[52] https://presserat.ch/wp-content/uploads/2018/06/Jahresbericht_2017_SPR_f.pdf.
[53] https://medialandscapes.org/country/pdf/switzerland.
[54] Swissinfo.ch 2017.
[55] www.cyon.ch/legal/coc; Widmer T. und Lechtman D. 2016.
[56] www.cyon.ch/legal/coc.
[57] ECRI GPR Nr. 15, Ziffer 8 und 10.
[58] https://medialandscapes.org/country/pdf/switzerland.
[59] www.ubi.admin.ch/fr/decisions/decisions-utilisez-les-criteres-de-recherche/. Die Informationen erscheinen in der Sprache des Falls: Deutsch, Französisch oder Italienisch.
[60] 2000/31/EC; Widmer T. und Lechtman D. 2016.
[61] www.bakom.admin.ch/bakom/en/homepage/digital-switzerland-and-internet/internet/criminal-responsibility-of-isps.html.
[62] Swissinfo.ch 2017.
[63] Die Bestimmung stellt auch die öffentliche Verbreitung von Ideologien, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind, abzielt; wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt; wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstoßenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht; wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion verweigert, unter Strafe.
[64] Obwohl Tätlichkeiten (voies de fait) in Artikel 126 Strafgesetzbuch definiert sind als Handlungen, die keine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zur Folge haben, hat das Schweizerische Bundesgericht entschieden, schwere Körperverletzung (laut Artikel 122 StGB) können in den Anwendungsbereich von Artikel 261bis fallen, wenn sie in der Öffentlichkeit begangen wird und wenn sie, unter Berücksichtigung aller Umstände, eindeutig als Akt der Rassendiskriminierung in den Augen eines unvoreingenommenen Dritten erkennbar ist (siehe BGE 133 IV 308, wo diese Bedingung nicht erfüllt wurde, obwohl das Opfer dunkelhäutig war und die Täter Skinheads waren, die Kleidung mit Nazi-Symbolen trugen).
[65] Artikel 47 StGB besagt, dass bei der Beurteilung der Schuld u.a. die Motive und Ziele des Täters berücksichtigt werden.
[66] Réseau de centres de conseil pour les victimes du racisme 2018.
[67]Die Umfrage möchte ein akkurates Bild der Probleme wiedergeben, die sich durch die Koexistenz unterschiedlicher Gruppen ergeben, die gegenwärtig in der Schweiz leben. Sie ermöglicht eine Beobachtung der Trends in der Gesellschaft in den Bereichen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Feindseligkeit, insbesondere gegen Muslime, Dunkelhäutige und jüdische Menschen, und Diskriminierung (www.bfs.admin.ch/bfs/en/home/statistics/population/surveys/zids.html).
[68]Laut der Internetseite des Staatssekretariats für Migration (SEM) sind vorläufig (oder vorbehaltlich) aufgenommene Ausländer Personen, denen befohlen wurde, in ihre Heimatländer zurückzukehren, in deren Fällen jedoch der Vollzug dieser Anordnung unzulässig (Verstoß gegen Völkerrecht), unzumutbar (konkrete Gefährdung des Ausländers) oder unmöglich ist (aus vollzugstechnischen Gründen). Somit stellt ihre vorläufige Aufnahme eine Ersatzmaßnahme dar. Die vorläufige Aufnahme kann für die Dauer von zwölf Monaten angeordnet werden und vom Kanton, in dem sich der Wohnort befindet, jeweils für weitere zwölf Monate verlängert werden. Die kantonalen Behörden können vorläufig aufgenommenen Ausländern eine Arbeitsbewilligung für eine Erwerbstätigkeit ausstellen.
[69] Bundeskanzlei 2018.
[70] www.mipex.eu/switzerland.
[71] Neuchâtel Intercultural Profile.
[72] Staatssekretariat für Migration (SEM) 2016.
[73] SEM 2018a.
[74] SEM 2016.
[75] SEM 2016.
[76] SEM 2018b.
[77] Migraweb 2018.
[78] SEM 2016.
[79] www.legalexpatgeneva.com/update-swiss-federal-law-foreigners-integration/; www.swissinfo.ch/eng/society/good-behaviour_renewal-of-swiss-residence-permits-contingent-on-integration/44325176.
[80] Menschenrechtskommissar des Europarats 2016.
[81]Jene Personen, deren Asylanträge in einer endgültigen Entscheidung im Asylverfahren abgelehnt wurden. Die Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr ist verfügbar.
[82] Menschenrechtskommissar des Europarats 2016.
[83] Die Bewerber müssen Sprachkenntnisse nachweisen (Stufe A2 im Schriftlichen und Stufe B1 im Sprechen) und dürfen in den drei Jahren vor ihrem Antrag keine Sozialhilfe bezogen haben. Es gibt des Weiteren die Anforderung von Kenntnissen der Schweizer Lebensart in Bezug auf Geografie, Geschichte, Politik und Gesellschaft, sowie für die Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben und für Kontakte zu Schweizern.
[84] Swissinfo.ch 2018a.
[85] Artikel 34 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge aus dem Jahr 1951 besagt, dass Staaten sich bemühen müssen, die Einbürgerungsverfahren für Flüchtlinge zu beschleunigen. UNHCR ist der Ansicht, dass im Hinblick auf beste Praxis die geforderte Aufenthaltsdauer für die Einbürgerung bei Flüchtlingen fünf Jahre nicht übersteigen sollte.
[86] Siehe Menschenrechtskommissar des Europarats 2016.
[87] Ville de Fribourg 2018.
[88] Ville de Fribourg 2018.
[89] Commission fédérale contre le racisme 2016.
[90] OECD 2018a.
[91] Siehe www.sem.admin.ch/dam/data/sem/integration/agenda/faktenblatt-integrationsagenda-f.pdf.
[92] OECD 2018b.
[93] Office fédéral du logement 2017.
[94] Schweizerische Flüchtlingshilfe.
[95] Siehe UN CERD 2014.
[96] www.bak.admin.ch/bak/fr/home/sprachen-und-gesellschaft/les-yeniches-et-les-manouches-sont-une-minorite-nationale/autres-informations.html.
[97] Gesellschaft für bedrohte Völker 2017a.
[98] Roma Foundation.
[99] www.gfbv.ch/en/campaigns/for-the-rights-of-roma-sinti-and-yenish/.
[100] www.admin.ch/gov/fr/accueil/documentation/communiques.msg-id-56424.html.
[101] Département fédéral de l’intérieur, Office fédéral de la culture 2018a.
[102] Département fédéral de l’intérieur, Office fédéral de la culture 2018b.
[103] Europarat FCNM 2018.
[104] Swissinfo.ch 2018d; Roma Foundation.
[105] Bundesrat 2018.
[106] Roma Foundation.
[107] Humanrights.ch 2019.
[108] Gesellschaft für bedrohte Völker 2017a.
[109] Conseil fédéral 2017.
[110] Stadt Bern 2016.
[111] Das zwischenzeitliche Modul zur„ Lebensweise der Fahrenden” des Omnibus 2019, das Teil der Hauptumfrage „Zusammenleben in der Schweiz“ ist.
[112] Conseil fédéral 2016. Siehe auch www.humanrights.ch/en/switzerland/internal-affairs/national/disappointing-federal-council-report-protection-discrimination.
[113] UN-Menschenrechtsausschuss 2017; Europarat, Menschenrechtskommissar 2017; und Europarat FCNM 2018.
[114] Europarat FCNM 2018.
[115] www.liberatv.ch/news/cronaca/1291543/non-dare-denaro-per-strada-lugano-lancia-la-campagna-contro-l-accattonaggio-ecco-i-numeri-di-un-fenomeno-dietro-il-quale-si-nascondono-racket-e-sfruttamento-di-minorenni.
[116] Conseil de l’Europe, Commissaire aux Droits de l’Homme 2017.
[117] Le Temps 2018.
[118] Carrefour de réflexion et d’action contre le racisme anti-Noir (CRAN) 2017.
[119] Afrique Connection 2016.
[120] Humanrights.ch 2018.
[121] Eidgenössische Kommission gegen Rassismus 2018.
[122] Le Temps 2016.
Zuletzt aktualisiert am September 17, 2021 von eurogesetze
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