Österreich: Antirassismus-Kommission lobt Initiativen zur Förderung der Integration und Bekämpfung von Diskriminierung, auch wenn einige Herausforderungen fortbestehen

Sechster Bericht über Österreich

Österreich: Antirassismus-Kommission lobt Initiativen zur Förderung der Integration und Bekämpfung von Diskriminierung, auch wenn einige Herausforderungen fortbestehen

Straßburg, 02.06.2020 – In ihrem sechsten Bericht über Österreich begrüßt die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) Maßnahmen, die die Behörden in mehreren Bereichen ergriffen haben.

Seit der Veröffentlichung ihres vorausgegangenen Bericht wurden lobenswerte Gesetzgebungsmaßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI ergriffen, wie z. B. die Anerkennung einer dritten Geschlechtskategorie „divers/offen“ im Jahr 2018 und die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe im Jahr 2019. Die Regierung hat des Weiteren eine Reihe von Empfehlungen für intergeschlechtliche Personen verabschiedet.

ECRI empfiehlt Maßnahmen für eine bessere Aufdeckung von Hass im Internet und zur Unterstützung von Menschen, die Opfer dieses Hasses werden. 2016 wurde Cyber-Mobbing als Straftatbestand eingeführt und 2018 schlossen die Behörden mit den Anbietern sozialer Netzwerke eine Vereinbarung, derzufolge Hassrede innerhalb von 24 Stunden zu löschen ist.

Nach dem Inkrafttreten des österreichischen Integrationsgesetzes im Jahr 2017 wurden Ressourcen in eine bessere Integration von Neuankömmlingen investiert, wobei die Schwerpunkte auf den Spracherwerb und die langfristigen Integration in den Arbeitsmarkt gelegt wurden. Das Bundesministerium für Bildung hat „Mobile interkulturelle Teams“ eingerichtet, die eine steigende Zahl von Schülern mit Migrationshintergrund unterstützen, und der österreichische Arbeitsmarktservice hat „Kompetenzchecks“ zur Beurteilung der Fähigkeiten und Qualifikationen von Flüchtlingen eingeführt.

ECRI begrüßt darüber hinaus, dass die Behörden in ihrem Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung 2017 im Rahmen einer überarbeiteten nationalen „Roma-Strategie“ dem Antiziganismus Priorität eingeräumt haben.

Dessen ungeachtet kritisiert ECRI das „hohe Ausmaß” an Islamophobie, die sich immer häufiger in einem fremdenfeindlichen öffentlichen Diskurs widerspiegelt. Politische Reden haben hochgradig spaltende und feindselige Töne angenommen, die sich laut Bericht vor allem gegen Muslime und Flüchtlinge richten. Die Medien haben über rassistische Aussagen von Mitgliedern rechtsextremer Parteien berichtet. Der Bericht hebt auch die Untererfassung von Hassdelikten hervor und empfiehlt den Behörden, eine engere Zusammenarbeit von Polizei und den Gruppen, die dem Risiko hassmotivierter Straftaten ausgesetzt sind, herbeizuführen und zu institutionalisieren, um auf diesem Wege Vertrauen aufzubauen.

Das Tragen eines Kopftuches in Grundschulen ist ein anderes in dem Bericht behandeltes Thema, besonders die kürzlich erfolgte Änderung des Schulunterrichtsgesetzes, die Schülern unter zehn Jahre das Tragen von „ideologisch oder religiös beeinflusster Kleidung, die mit dem Bedecken des Kopfes verbunden ist” verbietet. ECRI weist erneut auf die Wichtigkeit der Gleichbehandlung aller religiösen Gruppen hin und ruft die Behörden dazu auf, diese neue Bestimmung zu überdenken, um sicherzustellen, dass sie das Neutralitätsgebot achtet, ein legitimes Ziel verfolgt und frei von jeglicher Diskriminierung einer bestimmten Schülergruppe ist.

ECRI weist auch darauf hin, dass der positive Trend der Umsetzung umfassender Integrationsrichtlinien vor Kurzem durch mehrere Gesetzesänderungen umgekehrt wurde, die signifikante Einschränkungen von Integrationsmaßnahmen vorsehen, u.a. in den Bereichen Familienzusammenführung und Einbürgerung. Darüber hinaus hat die Verabschiedung des Gesetzes zur Einrichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen im Juni 2019 ernste Fragen zur Bereitstellung kostenloser Rechtshilfe für Asylsuchende aufgeworfen. Laut Bericht gibt es weiterhin Meldungen über mutmaßliches Racial Profiling durch die Polizei gegen Angehörige von Minderheiten, insbesondere Schwarze und Muslime. ECRI zeigt sich insbesondere darüber besorgt, dass bisher nur zwei Urteile zum Racial Profiling dokumentiert sind, obwohl das österreichische Recht das Racial Profiling verbietet und einen rechtlichen Rahmen für den Umgang mit Beschwerden vorgibt.

Allgemein stellt ECRI fest, dass die Unterscheidung zwischen dem Gleichbehandlungsgesetz auf Bundesebene und den Antidiskriminierungsgesetzen der neun österreichischen Bundesländer häufig zu Verwirrung und Rechtsunsicherheit führt. Tatsächlich sind die Gleichheitsstellen in den einzelnen Bundesländern weder untereinander verbunden noch teilen sie sich Zuständigkeiten mit Bundesstellen. Daher ist es für Diskriminierungsopfer nicht immer leicht zu erkennen, an wen sie sich bei Problemen wenden müssen. Bisher gab es keinen Vorstoß, die bestehenden Antidiskriminierungseinrichtungen des Bundes und der Bundesländer zusammenzulegen, obwohl dies eine vorrangige Empfehlung im vorausgegangenen Bericht der ECRI war. ECRI empfiehlt daher den österreichischen Behörden, auf Bundes- und Bundesländerebene Gesetzesänderungen vorzunehmen, um eine zugängliche und effektive Antidiskriminierungsgesetzgebung zu gewährleisten, die alle Diskriminierungsgründe abdeckt.

Von den 15 Empfehlungen an die österreichische Behörden sollen zwei vorrangig umgesetzt werden; ihre Umsetzung wird von ECRI nach Ablauf von zwei Jahren einer Nachprüfung unterzogen:

Die Behörden sollen der institutionellen und strukturellen Unabhängigkeit der zukünftigen Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen größere Aufmerksamkeit widmen und sicherstellen, dass Asylsuchende durch eine vollständig unabhängige Einrichtung kostenlose Rechtsberatung und -hilfe erhalten.

ECRIs zweite konkrete Empfehlung war, dass die Behörden diejenigen Bestimmungen des neuen Sozialrechts überarbeiten, die bessere Sprachkenntnisse in Deutsch oder Englisch zur Vorrausetzung für den Bezug höherer Sozialleistungen gemacht hätten. Diese Empfehlung wurde von ECRI ausgesprochen, um Diskriminierung und soziale Ungleichheit bei der Bereitstellung von Sozialleistungen zu verhindern. Im Zeitraum zwischen dem Verfassen und der Verabschiedung dieses Berichts hat der österreichische Verfassungsgerichtshof diese Bestimmungen jedoch für verfassungswidrig erklärt. ECRI ist daher zu dem Schluss gekommen, dass diese Empfehlung bereits umgesetzt ist.

Soweit nicht anders angegeben, deckt der ECRI-Bericht die Situation bis zum 11. Dezember 2019 ab. Die Kommentare der österreichischen Behörden sind dem Bericht beigefügt.

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Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) ist eine einzigartige Stelle zur Überwachung von Menschenrechten, die sich insbesondere mit der Bekämpfung von Rassismus, Diskriminierung (aufgrund von „Rasse“, ethnischer/nationaler Herkunft, Hautfarbe, Staatsangehörigkeit, Religion, Sprache, sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität), Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz befasst; sie verfasst Berichte und gibt den Mitgliedsstaaten Empfehlungen.

Zuletzt aktualisiert am September 17, 2021 von eurogesetze

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