JURTZ v. GERMANY (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) Individualbeschwerde Nr. 33289/12

EUROPÄISCHER GERICHTSHOF FÜR MENSCHENRECHTE
FÜNFTE SEKTION
ENTSCHEIDUNG
Individualbeschwerde Nr. 33289/12
J. gegen Deutschland

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Fünfte Sektion) hat in seiner Sitzung am 31. Mai 2016 als Ausschuss mit dem Richter und den Richterinnen

Ganna Yudkivska, Präsidentin,
André Potocki,
Síofra O’Leary,

sowie Milan Blaško, Stellvertretender Sektionskanzler,

im Hinblick auf die oben genannte Individualbeschwerde, die am 22. Mai 2012 erhoben wurde,

nach Beratung wie folgt entschieden:

SACHVERHALT UND VERFAHREN

Der 19.. geborene Beschwerdeführer, J., ist deutscher Staatsangehöriger und in H. wohnhaft. Vor dem Gerichtshof wurde er von Herrn R., Rechtsanwalt in B., vertreten.

Die deutsche Regierung („die Regierung“) wurde durch einen ihrer Verfahrensbevollmächtigten, Herrn H. J. Behrens, vertreten.

Am 2. Oktober 2009 beantragte der Beschwerdeführer beim Familiengericht, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für seine Tochter, die bei ihrer Mutter lebte, zu übertragen.

Das Familiengericht bestimmte Termine zur Anhörung auf den 29. Januar und den 17. und 24. März 2010 und ordnete anschließend die Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Am 27. Mai 2010 wurde die Gerichtsakte an die gerichtlich bestellte Sachverständige übersandt, die dem Familiengericht mit Schreiben vom 30. Juni 2010 mitteilte, dass das Gutachten erst im März 2011 vorgelegt werden könne. Am 2. Februar, 3. und 6. Juni 2011 sowie am 20. September 2011 rügte der Beschwerdeführer die Verzögerung des Verfahrens. Am 13. Juli 2011 legte er Verzögerungsrüge ein und beantragte, der Sachverständigen eine Frist zu setzen. Am 10. Oktober 2011 stellte der Beschwerdeführer wegen der überlangen Dauer der Erstellung des Gutachtens Befangenheitsantrag gegen die Sachverständige. Am 18. Oktober 2011 legte die Sachverständige ihr Gutachten vor, das das Familiengericht am 9. Januar 2012 übermittelte. Am 16. Januar 2012 lehnte der Beschwerdeführer den Vorsitzenden Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Am 31. Mai 2012 gab das Oberlandesgericht dem Befangenheitsantrag des Beschwerdeführers gegen den Vorsitzenden Richter statt. Am 14. November 2012 gab das Oberlandesgericht dem Befangenheitsantrag des Beschwerdeführers gegen die gerichtlich bestellte Sachverständige statt. Am 3. Juli 2013 lehnte sich die nachfolgende Richterin wegen der Besorgnis der Befangenheit
selbst ab.

Am 28. Juli 2015, als der Beschwerdeführer seine Beschwerde beim Gerichtshof einlegte, war das Verfahren vor dem Familiengericht noch anhängig. Der Beschwerdeführer rügte nach Artikel 8 der Konvention, dass das Familiengericht das Verfahren nicht mit der gebotenen besonderen Zügigkeit betrieben habe. Unter Bezugnahme auf Artikel 8 i. V. m. Artikel 13 der Konvention rügte der Beschwerdeführer ferner, dass das deutsche Recht keinen wirksamen Rechtsbehelf zur Beschleunigung überlanger Verfahren in Familiensachen vorsehe.

Am 14. und 21. Januar 2016 ging beim Gerichtshof eine von beiden Parteien ordnungsgemäß unterzeichnete gemeinsame Erklärung ein, in der die Regierung eine Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers nach Artikel 8 für sich genommen und in Verbindung mit Artikel 13 anerkannte. Ferner erklärte sie, an den Beschwerdeführer 12.000 Euro zur Abdeckung aller materiellen und immateriellen Schäden sowie der Kosten und Auslagen zu zahlen. Der Beschwerdeführer erklärte sein Einverständnis mit der Streichung seiner Beschwerde aus dem Register des Gerichtshofs.

Am 4. April 2016 teilte der Beschwerdeführer dem Gerichtshof mit, dass er den Betrag von 12.000 Euro erhalten habe und erklärte sein Einverständnis mit der Streichung seiner Beschwerde aus dem Register des Gerichtshofs.

RECHTLICHE WÜRDIGUNG

Im Lichte vorstehender Ausführungen ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die Streitigkeit im Sinne von Artikel 37 Abs. 1 Buchstabe b der Konvention einer Lösung zugeführt worden ist und dass die Achtung der Menschenrechte, wie sie in der Konvention und den Protokollen dazu definiert sind, keine weitere Prüfung dieser Beschwerde erfordert (Artikel 37 Abs. 1 in fine).

Daher sollte der Fall im Register gestrichen werden.

Aus diesen Gründen entscheidet der Gerichtshof einstimmig,

die Beschwerde in seinem Register zu streichen.

Ausgefertigt in Englisch und schriftlich zugestellt am 23. Juni 2016.

Milan Blaško                                                                 Ganna Yudkivska
Stellvertretender Sektionskanzler                                     Präsidentin

Zuletzt aktualisiert am Dezember 10, 2020 von eurogesetze

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