Gericht: VG Frankfurt (Oder) 6. Kammer. Entscheidungsdatum: 18.08.2021. Aktenzeichen: 6 K 637/14

Gericht: VG Frankfurt (Oder) 6. Kammer
Entscheidungsdatum: 18.08.2021
Aktenzeichen: 6 K 637/14
ECLI: ECLI:DE:VGFRANK:2021:0818.6K637.14.00
Dokumententyp: Urteil
Normen: § 86c SGB 9, § 89c SGB 9

Leitsatz

Dem Träger einer Kindertagesbetreuungseinrichtung, der wegen des Fortzuges eines Kindes aus seinem Zuständigkeitsbereichs unzuständig geworden ist, steht gegenüber den Eltern des Kindes kein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch für den Aufwand der weiter gewährten Kindertagesbetreuung zu.
Vielmehr sind nach § 89c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 86c Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches – Achtes Buch und des Artikel 7 Abs. 4 Staatsvertrages zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg über die gegenseitige Nutzung von Plätzen in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung vom 7. Dezember 2001 die Ausgleichszahlungen wegen einer Tagesbetreuung eines Kindes mit Wohnsitz im Brandenburg in einer Berliner Einrichtung nicht vom Leistungsempfänger, sondern von dem im Land Brandenburg örtlich zuständigen Jugendhilfeträger bzw. der leistungsverpflichteten Körperschaft zu entrichten.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt als öffentlicher Träger der Jugendhilfe und Träger einer Horteinrichtung im Bundesland Berlin die Erstattung der Hortbetreuungskosten für das Kind der Beklagten für einen Zeitraum, nachdem die Beklagte aus dem Zuständigkeitsbereich der Klägerin heraus in das Land Brandenburg umgezogen ist.

Für das im Jahre 2003 geborene Kind der im Jahre 2009 noch im Bundesland Berlin wohnhaften Beklagten hatte der Kläger mit Bescheid des Bezirksamts vom 20. Mai 2009 über die ergänzende Förderung und Betreuung an allgemeinbildenden Schulen festgestellt, dass dieses Kind berechtigt ist, einen Platz für die ergänzende Förderung und Betreuung an allgemeinbildenden Schulen bis zum Ende der 4. Klasse in Anspruch zu nehmen. Hierfür war festgelegt worden, dass mit dem Träger, der die ergänzende Förderung und Betreuung anbietet, ein Vertrag zu schließen war. Des Weiteren war die in diesem Bescheid festgestellte Berechtigung für die Belegung eines öffentlich finanzierten Platzes im Land Berlin unter die auflösende Bedingung gestellt worden, dass diese Berechtigung entfällt, wenn der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes im Land Berlin aufgegeben wird.

Auf der Grundlage dieses Bescheides hatten die Beteiligten mit Vertrag vom 4. August 2009 über die Aufnahme und Teilnahme von Schülern an einer ergänzenden Betreuung an Grundschulen vereinbart, dass das Kind der Beklagten ab dem 1. September 2009 nachmittäglich durch die Grundschule, die das Kind in Berlin besuchte, ergänzend betreut wird. In der Ziffer 7.1. des Vertrages war vereinbart, dass der Vertrag, ohne dass es einer Kündigung bedarf, zum Ende des Monats endet, in dem der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in dem Land Berlin aufgegeben wird. Nach der Ziffer 9.1. des Vertrages hatten die Eltern bedeutsame Änderungen, wie unter anderem der Wohnanschrift, umgehend dem Bezirksamt schriftlich mitzuteilen. Für den Hortbesuch setzte der Kläger eine Kostenbeteiligung in monatlicher Höhe von 35 € fest, welche die Beklagte in Folgezeit beglich.

Am 1. Dezember 2010 zog die Beklagte mit ihrem Kind in einen Ort im Landkreis Barnim (Bundesland Brandenburg) um, ohne den Kläger hierüber in Kenntnis zu setzen. Das Kind wurde weiterhin in dem Hort in Berlin betreut.

Dass die Beklagte mit ihrem Kind seit dem 1. Dezember 2010 nicht mehr in Berlin wohnte, stellte der Kläger am 9. März 2011 im Zuge einer Validierung fest. Mit Schreiben vom 17. März 2011 bat er die Beklagte um die Vorlage einer Kostenübernahmeerklärung der „leistungsverpflichteten Gemeinde“ für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2011. Ferner wies er sie darauf hin, dass die Leistungsverpflichtung des Landes Berlin infolge des am 1. Dezember 2010 erfolgten Umzuges in das Bundesland Brandenburg zum 31. Dezember 2010 geendet habe und bei einer Finanzierungslücke infolge einer nicht erfolgten Kostenübernahme die Betreuungskosten von der Beklagten zurückgefordert werden könnten.

Auf den Antrag der Beklagten vom 29. März 2011 entsprach der Landrat des Landkreises Barnim mit Bescheid vom 8. Juni 2011 zum Antrag auf Wunsch- und Wahlrecht, dass für den Zeitraum vom 29. März 2011 bis zum 31. Juli 2011 dem Wunsch auf Hortbetreuung in der betreffenden Grundschule in Berlin entsprochen werde und eine Kostenübernahmeerklärung erfolge.

Für den Betreuungszeitraum vom 29. März 2011 bis zum 31. Juli 2011 machte der Kläger mit Rechnung vom 20. März 2013 unter Zugrundelegung eines monatlichen Kostensatzes in Höhe von 303,86 € gegenüber dem Landkreis Barnim einen Kostenerstattungsanspruch in einer Höhe von insgesamt 1.215,44 € auf der Grundlage von dessen Kostenübernahmeerklärung vom 8. Juni 2011 und auf Grundlage der Nr. 2.2 Absatz 3.3. des Staatsvertrages zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg über die gegenseitige Nutzung von Plätzen in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung geltend; diese Rechnung beglich der Landkreis Barnim.

Gegenüber der Beklagten machte der Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. März 2011 einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 575,58 € geltend, der sich aus den Betreuungskosten für drei Monate in Höhe von 911,58 € (3 Monate x 303,86 € Betreuungskosten pro Monat) abzüglich der von der Beklagten in Höhe von 336,00 € eingezahlten Erstattungsbeiträge errechnete (911,58 € – 336,00 € = 575,58 €). Der Kläger führte hierzu aus, die „Gemeinde Barnim“ sei weder bereit noch verpflichtet, für diesen Zeitraum die Kosten zu erstatten. Nunmehr sei die Beklagte aufzufordern, diese Kosten selbst zu erstatten, weil der Vertrag mit dem Auszug aus dem Land Berlin zum Ende des Monats erloschen sei. Mit Schreiben vom 3. April 2014 forderte der Kläger die Beklagte bis zum 25. Mai 2014 zur Zahlung von 575,78 € auf und wies sie darauf hin, dass Leistungsklage erhoben werde, wenn der geforderte Betrag nicht bis zu diesem Tag gezahlt worden sei.

Am 3. Juni 2014 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

Er trägt vor, die Beklagte habe den Betrag von 575,58 € zu zahlen, weil die Betreuung ohne Rechtsgrund geleistet worden sei und die Beklagte diese Leistung auf Grund ihrer pflichtwidrig unterlassenen Mitteilung weiter in Anspruch genommen habe, ohne dass sie hierzu berechtigt gewesen wäre. Ein vertragliches Verhältnis habe auf Grund der Klausel in der Ziffer 7.1. des Betreuungsvertrages vom 4. August 2009 nicht mehr bestanden, nachdem die Beklagte aus Berlin fort- und in das Bundesland Brandenburg gezogen sei. Der Erstattungsanspruch sei nicht nach § 814 des Bürgerlichen Gesetzbuches ausgeschlossen, weil die Beklagte auch nach dem Umzug ihres Kindes auf Grund des Artikels 5 des Staatsvertrages zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg über die gegenseitige Nutzung von Plätzen in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung vom 7. Dezember 2001 einen Anspruch auf Weiterbetreuung gehabt habe, dessen Bestehen obergerichtlich geklärt sei. Die Höhe des Ausgleichzahlungsbetrages von 303,86 € für die Hortbetreuung ergebe sich aus der Anlage 6 zu diesem Staatsvertrag.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 575,58 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, sie habe nicht vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Klägers Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige allgemeine Leistungsklage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung des Aufwandes für die Betreuung ihres Kindes für die Zeit ab dem 1. Januar 2011, nachdem er wegen des im Dezember 2010 erfolgten Umzuges der Beklagten in das Bundesland Brandenburg und der damit einhergehenden Änderung des gewöhnlichen Aufenthaltes auf Grund der Vorschrift des § 86 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches – Achtes Buch – (SGB VIII), der für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit eines örtlichen Jugendhilfeträgers an den gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern des Kindes anknüpft, unzuständig geworden war für die Tagesbetreuung des Kindes der Beklagten.

Für diese Fallkonstellation gibt es keine spezialgesetzliche Grundlage, auf Grund derer der unzuständig gewordene Jugendhilfeträger die Erstattung des Aufwandes für die Tagesbetreuung direkt von dem Leistungsempfänger, mithin den Eltern des Kindes, verlangen könnte. Eine derartige Anspruchsgrundlage findet sich weder im Sozialgesetzbuch – Achtes Buch – noch im Staatsvertrag zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg über die gegenseitige Nutzung von Plätzen in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung vom 7. Dezember 2001 – Staatsvertrag –, der in Berlin durch das Gesetz vom 15. März 2002 (GVBl. S. 105) und in Brandenburg durch das Gesetz vom 10. Juli 2002 (GVBl. I/02 [Nr. 6], S. 54) ratifiziert wurde. Vielmehr sind nach den entsprechenden Regelungen des Sozialgesetzbuches und des Staatsvertrages die Ausgleichszahlungen wegen einer Tagesbetreuung eines Kindes mit Wohnsitz im Brandenburg in einer Berliner Einrichtung nicht vom Leistungsempfänger, sondern von dem im Land Brandenburg örtlich zuständigen Jugendhilfeträger bzw. der leistungsverpflichteten Körperschaft zu entrichten.

Nach § 89c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtung nach § 86c SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zuständig geworden ist. Nach dem hiernach in Bezug genommenen § 86c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII bleibt in dem Fall, dass eine örtliche Zuständigkeit für die Leistung wechselt, der bisher zuständige örtliche Träger so lange zur Gewährung der Leistung verpflichtet, bis der nunmehr zuständige örtliche Träger die Leistung fortsetzt. Es ist höchstrichterlich geklärt, dass die Vorschriften der §§ 86c, 89c SGB VIII auch für die Kindertagesbetreuung gelten (vgl. Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 14. November 2002 – 5 C 57/01 – BVerwGE 117, 184 [186 ff.], Rdnrn. 12 bis 17). Demnach steht bzw. stand dem Kläger ein Ausgleichsanspruch zu gegen den örtlich zuständig gewordenen Träger der Jugendhilfe aus dem Bundesland Brandenburg, in dessen Bezirk die Beklagte nach ihrem Fortzug aus Berlin am 1. Dezember 2010 ihren neuen Wohnsitz genommen hatte.

Auch der Staatsvertrag vom 7. Dezember 2001 begründet keinen Erstattungsanspruch gegenüber den leistungsberechtigten Eltern. Vielmehr sind nach dem Artikel 7 Abs. 4 Satz 1 des Staatsvertrages die nach dem Absatz 1 dieser Vorschrift zu entrichtenden Ausgleichszahlungen für die Betreuung von der zuständigen (brandenburgischen) Gemeinde oder dem Amt zu zahlen (vgl. jedoch zur Landesverfassungwidrigkeit der Übertragung der Aufgabe der Kindertagesbetreuung von den Landkreisen auf kreisangehörige Gemeinden: Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 20. März 2003 – 54/01 – LKV 2003, 372), wobei die Höhe der Ausgleichszahlung für Kinder, die einen Anspruch auf Betreuung in einer Tageseinrichtung in Brandenburg haben und eine Betreuung im Land Berlin erhalten, nach dem Absatz 2 dieser Vorschrift der jeweils garantierten Erstattungsquote für Berliner Einrichtungen der Tagesbetreuung im Bereich der Träger der freien Jugendhilfe zuzüglich der Quote der Elternbeiträge entspricht. Offen bleiben kann im Zusammenhang mit der hier relevanten Frage nach dem richtigen Anspruchsschuldner für den vom Kläger geltend gemachten Erstattungsanspruch, ob dieser Staatsvertrag und der Ausgleichsanspruch des Artikel 7 dieses Vertrages überhaupt auf den vorliegenden Fall anwendbar ist, weil das Kind der Beklagten seinen Wohnsitz im Zeitpunkt des Abschluss des Betreuungsvertrages am 4. August 2009 noch in Berlin und damit nicht im Sinne des Artikel 4 Abs. 1 Nr. 1 des Staatsvertrages nach dem 31. Dezember 2000 in einem anderen Bundesland hatte und weil es sich bei diesem Betreuungsvertrag nicht um einen „bestehenden Betreuungsvertrag“ im Sinne des Artikels 4 Abs. 1 Nr. 2 des Staatsvertrages handelte, der bereits vor dem Abschluss des Staatsvertrages vom 7. Dezember 2001 geschlossen worden war; denn nach Artikel 1 Abs. 2 Satz 1 des Staatsvertrages bleiben die gesetzlichen Leistungsverpflichtungen und damit auch die §§ 86c, 89c SGB VIII unberührt, so dass der Kläger auch im Falle der Unanwendbarkeit des Staatsvertrages jedenfalls ein Erstattungsanspruch nach §§ 86c, 89c SGB VIII gegen den örtlich zuständig gewordenen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zusteht bzw. zugestanden hat.

Schließlich kann das Erstattungsbegehren des Klägers gegenüber dem hier verklagten Elternteil des weiter betreuten Kindes auch nicht auf den nicht kodifizierten allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gestützt werden, bei dem es sich – wie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist – um ein aus Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts handelt, dessen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind (vgl. etwa § 12 des Bundesbesoldungsgesetzes), denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs entsprechen (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. März 1985 – BVerwG 7 C 48.82 – BVerwGE 71, 85 [88], vom 30. November 1990 – BVerwG 7 A 1.90 – BVerwGE 87, 169 [172], vom 30. November 1995 – BVerwG 7 C 56.93 – BVerwGE 100, 56 [59] und vom 18. Januar 2001 – BVerwG 3 C 7.00 – BVerwGE 112, 351 [353 f.]). Danach sind Leistungen ohne Rechtsgrund und sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Januar 2001 – BVerwG 3 C 7.00 – BVerwGE 112, 351 [353 f.]. Der Anspruch ist gegeben, „wenn die Gerechtigkeit einen Ausgleich der mit der Rechtslage nicht mehr übereinstimmenden Vermögenslage erfordert“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1975 – BVerwG VI C 163.73 – BVerwGE 48, 279 [286] mit weiteren Nachweisen).

Diese Anspruchsvoraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Zwar hat der Kläger die Tagesbetreuungsleistungen nicht mehr auf der Grundlage des zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrages vom 4. August 2009 über die Aufnahme und Teilnahme von Schülern an einer ergänzenden Betreuung an Grundschulen erbracht, weil dieser Vertrag nach dessen Ziffer 7.1. zum Ende des Monats und damit zum 31. Dezember 2010 endete, nachdem die Beklagte am 1. Dezember 2010 mit ihrem Kind in das Bundesland Brandenburg gezogen war und damit den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in dem Land Berlin aufgegeben hatte; des Weiteren war das Kind der Beklagten wegen dieses Umzuges auch nicht mehr auf Grund des Bescheides des Bezirksamtes des Klägers vom 20. Mai 2009 über die ergänzende Förderung und Betreuung an allgemeinbildenden Schulen zur Inanspruchnahme der Betreuung berechtigt, weil die in diesem Bescheid enthaltene auflösende Bedingung, wonach diese Berechtigung bei einer Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthaltes in Berlin entfällt, mit dem Fortzug des Kindes aus Berlin eingetreten war.

Gleichwohl ist entgegen der Ansicht des Klägers die Betreuung des Kindes der Beklagten in der Zeit nach dem Fortzug nicht ohne Rechtsgrund gegenüber der Beklagten bzw. gegenüber deren Kind erfolgt. Denn gegenüber der Beklagten bzw. gegenüber deren Kind war der Kläger auch nach dem Umzug und dem damit einhergehenden Wechsel der örtlichen Zuständigkeit weiterhin nach § 86c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII verpflichtet, die Kindestagesbetreuung zu gewähren. Gegenüber der Beklagten bzw. gegenüber deren Kind wurde demnach die fortgesetzte Betreuung auf der Grundlage des § 86c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII und damit nicht ohne Rechtsgrund erbracht.

Insoweit besteht vor dem Hintergrund des hier dem Grunde nach auf der Grundlage des § 89c SGB VIII bestehenden bzw. bestanden habenden Erstattungsanspruchs des Klägers gegenüber dem (brandenburgischen) öffentlichen Träger der Jugendhilfe auch keine Notwendigkeit, dass dem Kläger neben diesem Anspruch auch noch mit dem nicht kodifizierten allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch eine weitere Anspruchsgrundlage bereitgestellt würde gegen die Beklagte als Empfängerin der Tagesbetreuungsleistungen. Denn der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch hat die Funktion, eine dem materiellen Recht nicht entsprechende Vermögensverschiebung zu korrigieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Mai 2008 – 5 C 25/07 -, BVerwGE 131, 153 [155], Rdnr. 13). Hier entsprach die Weitergewährung der Tagesbetreuung jedoch dem materiellen Recht, weil der Kläger auf Grund der Vorschrift des § 86c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII auch nach dem Umzug der Beklagten und ihres Kindes zur Fortsetzung der Tagesbetreuung verpflichtet gewesen war. In diesem Falle hat nicht der Leistungsempfänger, sondern nach § 89c SGB VIII der zuständig gewordene Leistungsträger die weiter angefallenen Kosten zu erstatten. Denn das Regelungsgefüge der Erstattungsansprüche der §§ 89 bis 89h SGB VIII, zu denen die hier einschlägige Anspruchsgrundlage des § 89c SGB VIII gehört, bezweckt einen angemessenen Finanzausgleich allein zwischen den Jugendhilfeträgern, ohne dass dabei der Leistungsberechtigte mit einbezogen wird (vgl. Hauck, Sozialgesetzbuch SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe Kommentar, Vorbemerkungen K §§ 89 89 bis 89h, Rdnr. 1 [Lfg. 3/20 . IX/20]).

Vor dem Hintergrund dessen, dass bereits die anspruchsbegründen Voraussetzungen des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs nicht erfüllt sind, stellt sich hier nicht mehr die in Ansehung der nach § 86c Abs. 1 Satz 1 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII weiterbestehenden Betreuungspflicht zu verneinende Frage, ob – ab dem Zeitpunkt der klägerseitigen Kenntniserlangung von dem Umzug – auch der Anwendungsbereich des Anspruchsausschlusstatbestandes des § 814 des Bürgerlichen Gesetzbuches eröffnet gewesen wäre, nach dem das Geleistete nicht zurückgefordert werden kann, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war.

Schließlich steht dem Kläger kein Zinsanspruch für die geltend gemachte Hauptforderung zu, weil für die dem Zinsanspruch zu Grunde liegende Hauptforderung bereits keine Anspruchsgrundlage existiert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Gemäß § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO werden für dieses Gerichtsverfahren keine Gerichtskosten erhoben, weil es sich bei dem Rechtsstreit um eine dem Sachgebiet der Jugendhilfe zuzuordnende (vgl. § 188 Satz 1 VwGO) Erstattungsstreitigkeit handelt, die nicht zwischen zwei Sozialleistungsträgern im Sinne des § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO geführt wird, sondern zwischen einem Leistungsträger und einem Leistungsempfänger.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

Gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO ist hier bereits durch das erkennende Gericht die Berufung zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und damit der Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vorliegt. Grundsätzliche Bedeutung in dem vorstehenden Sinne hat die vorliegende Rechtssache, weil zum Einen sich die hier getroffene entscheidungserhebliche Feststellung nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz ergibt, dass dem Träger einer Kindertagesbetreuungseinrichtung, der wegen des Fortzuges eines Kindes aus seinem Zuständigkeitsbereichs unzuständig geworden ist, für den Aufwand der weiter gewährten Kindertagesbetreuung ein nicht kodifizierter allgemeiner öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegenüber den Eltern des Kindes nicht zusteht, und weil zum Anderen der Beantwortung dieser Frage in Ansehung dessen, dass bei einem bundeslandübergreifenden Wohnortwechsel zwischen den Bundesländern Berlin und Brandenburg die Kindertagesbetreuung nach der allgemeinen Lebenserfahrung in vielen Fällen in derselben Betreuungseinrichtung fortgesetzt wird, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beizumessen ist.

Zuletzt aktualisiert am August 27, 2021 von eurogesetze

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