EUROPÄISCHER GERICHTSHOF FÜR MENSCHENRECHTE
FÜNFTE SEKTION
ENTSCHEIDUNG
Individualbeschwerde Nr. 46026/16
K. ./. Deutschland
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Fünfte Sektion) hat in seiner Sitzung am 24. September 2019 als Kammer mit den Richtern und der Richterin
André Potocki, Präsident,
Angelika Nußberger,
Mārtiņš Mits
sowie Milan Blaško, Stellvertretender Sektionskanzler,
im Hinblick auf die oben genannte Individualbeschwerde, die am 28. Juli 2016 erhoben wurde,
im Hinblick auf die von der beschwerdegegnerischen Regierung vorgelegte Erklärung, mit der sie den Gerichtshof ersucht, die Individualbeschwerde aus dem Register zu streichen, und die Erwiderung des Beschwerdeführers auf diese Erklärung,
im Hinblick auf die Stellungnahmen der beschwerdegegnerischen Regierung und die Erwiderungen des Beschwerdeführers,
nach Beratung wie folgt entschieden:
SACHVERHALT
1. Der 19… geborene Beschwerdeführer ist deutscher Staatsangehöriger und derzeit in der Einrichtung für Sicherungsverwahrte auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt W. untergebracht. Vor dem Gerichtshof wurde er von Herrn H:, Rechtsanwalt in A, vertreten.
2. Die deutsche Regierung („die Regierung“) wurde durch einen ihrer Verfahrensbevollmächtigten, Herrn H.-J. Behrens vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, vertreten.
3. Insbesondere rügte der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf Artikel 5 Abs. 1 der Konvention, dass seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung unrechtmäßig sei und folglich sein Recht auf Freiheit verletze, weil die innerstaatlichen Gerichte die gesetzliche Frist zur gerichtlichen Überprüfung der Notwendigkeit der weiteren Vollstreckung seiner Unterbringung nicht eingehalten hätten. Er stützte sich auf die Urteile des Gerichtshofs in den Rechtssachen S. ./. Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 48038/06, 24. November 2011) und H.W. ./. Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 17167/11, 19. September 2013).
4. Am 18. April 2018 wurde die Artikel 5 Abs. 1 der Konvention betreffende Rüge der Regierung übermittelt und die Individualbeschwerde gemäß Artikel 54 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs im Übrigen für unzulässig erklärt.
A. Die Umstände der Rechtssache
1. Der Hintergrund der Rechtssache
5. Mit Urteil vom 7. Juni 1999 verurteilte das Landgericht A den Beschwerdeführer wegen Vergewaltigung, begangen am 2. Mai 1998, zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Gleichzeitig ordnete es nach § 66 Abs. 3 Strafgesetzbuch (StGB) seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ohne eine Höchstdauer an. Unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen O., nach dessen Auffassung der Beschwerdeführer an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung litt, stellte dieses Gericht fest, dass der Beschwerdeführer, der bereits zuvor vier Frauen angegriffen und eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung verbüßt hatte, einen Hang zu erheblichen Straftaten, die das Opfer schwer schädigten, habe und er für die Allgemeinheit gefährlich sei. Mit Gesamtstrafenbeschluss des Landgerichts A vom 14. Juni 2000 wurde unter Einbeziehung einer Verurteilung durch das Landgericht B vom 8. Januar 1999, u. a. wegen Körperverletzung in drei Fällen, eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verhängt und die Sicherungsverwahrungsanordnung aufrecht erhalten. Der Beschwerdeführer verbüßte die Strafhaft vollständig. Seit dem 16. Januar 2004 ist er in der Sicherungsverwahrung untergebracht.
6. Am 19. März 2013 lehnte das Landgericht C die Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung ab. Nachdem der Beschwerdeführer erfolglos Rechtsmittel beim Oberlandesgericht und beim Verfassungsgericht eingelegt hatte, erhob er Individualbeschwerde bei diesem Gerichtshof (Nr. 30860/15). Am 11. Oktober 2016 strich der Gerichtshof dieses Individualbeschwerdeverfahren gemäß Art. 37 Abs. 1 c der Konvention aus dem Register, nachdem die Regierung eine einseitige Erklärung abgegeben hatte, in der sie einen Verstoß gegen Artikel 5 Abs. 1 der Konvention anerkannte, weil die innerstaatlichen Gerichte die gesetzliche Frist für die Überprüfung der Notwendigkeit der Fortdauer der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers erheblich überschritten hätten.
2. Das in Rede stehende Verfahren
7. Gegenstand der vorliegenden Individualbeschwerde ist das Überprüfungsverfahren, das sich dem in der vorangegangenen Individualbeschwerde des Beschwerdeführers in Rede stehenden Verfahren anschloss. Während des in Rede stehenden Verfahrens wurde seine Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt A vollzogen.
8. Am 10. Juni 2014 fand ein Anhörungstermin vor dem Landgericht C statt, in dem der Beschwerdeführer erklärte, dass er nicht mehr dazu bereit sei, mit der Sachverständigen L. zu arbeiten, sich aber von einem von ihm selbst ausgewählten Sachverständigen begutachten lassen würde. Am selben Tag lehnte es das Landgericht ab, die weitere Vollstreckung der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung auszusetzen. Es war der Auffassung, dass die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der bis zum 31. Mai 2013 geltenden Fassung nach Maßgabe des Artikels 316f Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB) anzuwenden seien, und befand, dass die weitere Vollstreckung der Unterbringung des Beschwerdeführers notwendig sei, weil nicht zu erwarten sei, dass er im Falle seiner Freilassung keine schwerwiegenden Straftaten wie diejenigen mehr begehen werde, derer er schuldig gesprochen worden sei (§ 67d Abs. 2 StGB). Seiner Einschätzung legte es ein Gutachten der Sachverständigen L. vom 19. Februar 2013 zugrunde, das für die vorangegangene Überprüfung erstellt worden war und führte aus, dass es bei dem Beschwerdeführer bislang nicht zu einer durchgreifenden Persönlichkeitsveränderung gekommen sei, nicht zuletzt deshalb, weil er sämtliche therapeutischen Maßnahmen verweigere. Es sehe sich nicht verpflichtet, einen weiteren Sachverständigen zu bestellen, solange der Beschwerdeführer die gerichtlich bestellte Sachverständige nicht aus berechtigten Gründen ablehne. In Anbetracht der fortbestehenden Persönlichkeitsstörung des Beschwerdeführers und seiner daraus resultierenden Gefährlichkeit sei die Fortdauer seiner Sicherungsverwahrung verhältnismäßig.
9. Am 22. September 2014 hob das Oberlandesgericht A den Beschluss des Landgerichts C auf und verwies die Sache an dieses Gericht zurück. Es führte aus, dass eine Begutachtung, die den Voraussetzungen des Artikels 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB genüge, unterblieben sei. Nach dieser Vorschrift sei die Fortdauer der Sicherungsverwahrung über einen Zeitraum von zehn Jahren hinaus – was bei dem Beschwerdeführers seit dem 16. Januar 2014 der Fall sei – nur zulässig, wenn bei dem Betroffenen eine psychische Störung im Sinne des Therapieunterbringungsgesetzes (ThUG) vorliege und aufgrund von konkreten Umständen in seiner Person oder seinem Verhalten eine hochgradige Gefahr bestehe, dass er infolge dieser Störung schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten begehen werde. Die hierfür nötigen Feststellungen, für die es sachverständiger Beratung bedürfe, seien bisher nicht getroffen worden. Das Gutachten der Sachverständigen L. vom 19. Februar 2013 habe noch die frühere Rechtslage betroffen. Es könne nicht Grundlage der jetzigen Überprüfungsentscheidung sein, weil inzwischen strengere Maßstäbe für die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung gälten. Folglich müsse das Landgericht das entsprechende Sachverständigengutachten nach der Zurückverweisung einholen. Eine Entscheidung darüber, ob eine Aussetzung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angezeigt wäre, könne das Oberlandesgericht zu diesem Zeitpunkt noch nicht treffen.
10. Das Oberlandesgericht fügte hinzu, dass die Überprüfungsentscheidung des Landgerichts vom 10. Juni 2014 die gesetzliche Frist für die gerichtliche Überprüfung nicht eingehalten habe. Da sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der letzten Überprüfungsentscheidung des Landgerichts C vom 19. März 2013 noch keine zehn Jahre in der Sicherungsverwahrung befunden hätte, betrage die gesetzliche Frist für die gerichtliche Überprüfung nach § 67e StGB ein Jahr (siehe Rdnr. 18) und habe daher am 19. März 2014 geendet. In dieser Fristüberschreitung sei grundsätzlich eine Grundrechtsverletzung zu sehen, die jedoch keine Freilassung des Beschwerdeführers zur Folge habe. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen das Überprüfungsverfahren lediglich um einige Monate verzögert worden sei, trete das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor erheblichen Rechtsgutverletzungen noch nicht hinter die Interessen des Untergebrachten zurück (siehe Rdnr. 20). Schwerwiegende Versäumnisse seien dem Landgericht insoweit nicht anzulasten, denn es habe das Überprüfungsverfahren zeitnah begonnen und die eingetretenen Verzögerungen seien zu einem überwiegenden Teil nicht ihm zuzurechnen. Die weiteren Verzögerungen, die infolge der Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts und der Zurückverweisung der Sache zwecks Einholung weiteren Sachverständigenbeweises zu erwarten waren, führten zu keinem anderen Ergebnis.
11. Nach Rückkehr der Akten am 10. Oktober 2014 gab das Landgericht mit Verfügung vom 14. Oktober 2014 sowohl dem Beschwerdeführer als auch der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Benennung eines Sachverständigen innerhalb einer Frist von zehn Tagen. Auf Antrag des Beschwerdeführers vom 27. Oktober 2014 wurde ihm eine Fristverlängerung bis zum 7. November 2014 gewährt. Am 13. November 2014 beauftragte das Landgericht den externen Sachverständigen R. Am 30. Dezember 2014 teilte R. dem Beschwerdeführer einen Explorationstermin für den 22. Januar 2015 mit. An jenem Tag fühlte sich der Beschwerdeführer zu müde für eine Exploration, weshalb der Termin auf den 25. Februar 2015 verlegt wurde. Am 6. März 2015 ging das Gutachten des R. beim Landgericht ein. Drei Tage später übersandte es das Gutachten an den Beschwerdeführer und an die Staatsanwaltschaft zur Stellungnahme binnen zwei Wochen. Nach Ablauf dieser Frist bestimmte es mit Verfügung vom 2. April 2015 einen Anhörungstermin für den 15. Mai 2015, den frühesten Termin, den sowohl der Verteidiger des Beschwerdeführers als auch R. wahrnehmen konnten. Zwischenzeitlich forderte es auch die Justizvollzugsanstalt A. zur Stellungnahme auf, die am 12. Mai 2015 vorgelegt wurde.
12. Am 15. Mai 2015 lehnte es das Landgericht erneut ab, die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung auszusetzen (§ 67d Abs. 2 und 3 StGB). Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts war es der Ansicht, dass die strengeren Voraussetzungen des Artikels 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB im Fall des Beschwerdeführers nicht erfüllt sein müssten: Diese Vorschrift regele eine Situation, in der die erstmalige Sicherungsverwahrung seit mehr als zehn Jahren vollzogen werde und die zu Grunde liegende Anlasstat vor dem 31. Januar 1998 (als die frühere zehnjährige Höchstdauer abgeschafft wurde) begangen worden sei; die Anlasstat, wegen der gegen den Beschwerdeführer die Sicherungsverwahrung angeordnet worden sei, sei am 2. Mai 1998 begangen worden, als die geltende Rechtslage eine Höchstdauer für die erstmalige Sicherungsverwahrung nicht mehr vorgesehen habe. Jedoch komme es auf diesen Aspekt jedenfalls nicht entscheidend an, weil selbst die strengeren Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers erfüllt seien. Das Landgericht schloss sich den Feststellungen des R. an, wonach der Beschwerdeführer an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Abs. 1 ThUG, nämlich an einer dissozialen Persönlichkeitsstörung (ICD-10), leide und aufgrund dieser Störung von ihm weiterhin eine hochgradige Gefahr schwerster Sexualstraftaten ausgehe. Die Fortdauer seiner Sicherungsverwahrung sei verhältnismäßig.
13. Am 27. August 2015 verwarf das Oberlandesgericht die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers. In Abweichung von seiner früheren Auffassung schloss es sich der Schlussfolgerung des Landgerichts an, wonach der Fall des Beschwerdeführers nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB falle. Die erneute Sachverständigenbegutachtung sei aber aufgrund des verfassungsrechtlichen Gebots der bestmöglichen Sachaufklärung geboten gewesen. Es führte aus, dass der Beschwerdeführer nach wie vor sämtliche therapeutischen Maßnahme verweigere, dass seine Persönlichkeitsstörung und Gefährlichkeit fortbestünden und dass eine hochgradige Gefahr bestehe, dass er erhebliche Sexualstraftaten begehen werde, durch die die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt würden. Die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung seien nicht erfüllt.
14. Soweit der Beschwerdeführer geltend machte, sein Recht auf Freiheit sei durch die Nichteinhaltung der gesetzlichen Frist für die regelmäßige gerichtliche Prüfung nach § 67e StGB verletzt worden, stellte das Oberlandesgericht fest, dass sein Beschluss vom 22. September 2014, mit der die Überprüfungsentscheidung des Landgerichts vom 10. Juni 2014 aufgehoben wurde, diese nicht ungeschehen mache. Dass es zu einer Aufhebung einer Überprüfungsentscheidung kommen könne, sei dem Rechtsmittelsystem immanent. Zu einer grundrechtsverletzenden Fristüberschreitung, die eine Freilassung des Untergebrachten gebieten würde, könne ein solcher Verfahrensablauf nicht führen, solange die Überprüfungsentscheidung nach der Zurückverweisung der Rechtssache mit der gebotenen Beschleunigung getroffen werde. Diese letztere Voraussetzung sei in der vorliegenden Rechtssache erfüllt worden.
15. Am 20. Januar 2016 lehnte es das Bundesverfassungsgericht ohne Begründung ab, die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zur Entscheidung anzunehmen (2 BvR 2514/16). Der Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 28. Januar 2016 zugestellt.
B. Das einschlägige innerstaatliche Recht und die einschlägige innerstaatliche Praxis
16. Eine ausführliche Zusammenfassung des innerstaatlichen Rechts und der einschlägigen innerstaatlichen Praxis, der Neuregelung der Sicherungsverwahrung in Deutschland sowie der einschlägigen Rechtsvergleichung und internationaler Materialien ist in der RechtssacheI. ./. Deutschland ([GK], Individualbeschwerden Nrn. 10211/12 und 27505/14, Rdnrn. 48-98, 4. Dezember 2018) enthalten. Zur Dauer einer solchen durch das Tatgericht verhängten Unterbringung siehe Rdnr. 49 des Urteils in der Rechtssache I. sowie die Rechtssache B. ./. Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 23279/14, Rdnrn. 49-53, 7. Januar 2016), die auch die Übergangsvorschrift des Artikels 316f EGStGB enthält.
17. Nach § 67e StGB kann das Gericht (d. h. die zuständige Strafvollstreckungskammer) jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist, und es muss dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen (§ 67e Abs. 1 StGB). Die nach dem innerstaatlichen Recht vorgesehenen Erfordernisse in Bezug auf die Feststellung des Sachverhalts in dem Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung der Notwendigkeit der weiteren Unterbringung sind in der Rechtssache H.W../. Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 17167/11, Rdnrn. 47-49, 19. September 2013) zusammengefasst.
18. Nach § 67d Abs. 1 StGB in der seit dem 1. Juni 2013 geltenden Fassung beläuft sich die Frist für die regelmäßige Überprüfung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung auf ein Jahr; nach dem Vollzug von zehn Jahren Sicherungsverwahrung verkürzt sich die Frist für die betreffende Person auf neun Monate. Die Frist für die regelmäßige Überprüfung nach § 67e StGB beginnt zu laufen, wenn das zuständige Gericht die Erklärung der Erledigung oder Aussetzung der Vollstreckung einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ablehnt, auch wenn diese Entscheidung nicht rechtskräftig wird (siehe z. B. Oberlandesgericht B., 2 Ws 154/14, Beschluss vom 29. April 2014). Wenn eine Überprüfungsentscheidung im Rechtsmittelverfahren aufgehoben wird, hat das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen wird, innerhalb der Frist des § 67e Abs. 2 StGB zu entscheiden; es ist nicht erforderlich, parallel dazu ein gesondertes Überprüfungsverfahren durchzuführen (ebda.).
19. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann in Fällen, in denen die Strafvollstreckungsgerichte die in § 67e StGB vorgesehene Frist für die regelmäßige Überprüfung, ob die Sicherungsverwahrung des Betroffenen im Hinblick auf ihren Zweck noch erforderlich war (§ 67d StGB), überschritten haben, das Grundrecht auf Freiheitverletzt sein, wenn es sich um eine nicht vertretbare Fehlhaltung gegenüber diesem Verfahrensrecht handelt, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts auf Freiheit schließen lässt (siehe z. B. Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 1103/16, Beschluss vom 10. Oktober 2016, mit weiteren Nachweisen). Die Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung dienen der Wahrung der Verhältnismäßigkeit bei der Beschränkung des Freiheitsgrundrechts (ebda.). Allerdings führt nicht jede Verzögerung, die zu einer Überschreitung der genannten Fristvorgaben führt, automatisch auch zu einer Grundrechtsverletzung, weil es zu solchen Verzögerungen auch bei sorgfältiger Führung des Verfahrens kommen kann (ebda.). Im Falle einer Fristüberschreitung sind die Gründe hierfür in der Überprüfungsentscheidung darzulegen, zum einen zur verfahrensrechtlichen Absicherung des Freiheitsgrundrechts und zum anderen, um den im Anschluss mit der Sache befassten Gerichten die Prüfung zu ermöglichen, ob die Grundrechte des Untergebrachten angemessen berücksichtigt worden sind (Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 1665/10, Beschluss vom 29. November 2011). Die angegebenen Gründe müssen eine sorgfältige Führung des Verfahrens mit dem Ziel einer rechtzeitigen Überprüfungsentscheidung erkennen lassen (Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 1103/16, Beschluss vom 10. Oktober 2016).
20. Eine Verletzung des Grundrechts auf Freiheit durch Untätigkeit der Strafvollstreckungsgerichte im Überprüfungsverfahren führt nicht automatisch zur Freilassung des Untergebrachten (Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 2004/04, Beschluss vom 16. November 2004). Wenn das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor erheblichen Rechtsgutverletzungen die Interessen des Untergebrachten deshalb überwiegt, weil das Überprüfungsverfahren lediglich um einige Monate verzögert wurde, ist die Freilassung des Untergebrachten nicht geboten (ebda.).
RÜGE
21. Der Beschwerdeführer rügte unter Bezugnahme auf Artikel 5 Abs. 1 der Konvention, dass seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung unrechtmäßig sei und folglich sein Recht auf Freiheit verletze, weil die innerstaatlichen Gerichte die gesetzliche Frist zur gerichtlichen Überprüfung der Notwendigkeit der weiteren Vollstreckung dieser Unterbringung nicht eingehalten hätten. Unter Berufung auf die Urteile des Gerichtshofs in den Rechtssachen S. ./. Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 48038/06, 24. November 2011) und H.W. ./. Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 17167/11, 19. September 2013) trug er vor, dass seine Unterbringung daher willkürlich gewesen sei. Das Landgericht C. habe die Fortdauer dieser Unterbringung am 10. Juni 2014, also nahezu drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Frist am 19. März 2014, angeordnet. Im weiteren Verlauf des Verfahrens sei es zu zusätzlichen Verzögerungen gekommen. Ferner habe kein Rechtfertigungsgrund für seine Freiheitsentziehung vorgelegen. Insbesondere sei er nicht „psychisch krank“ („of unsound mind“) im Sinne des Artikels 5 Abs. 1 Buchst. e der Konvention.
RECHTLICHE WÜRDIGUNG
A. Die einseitige Erklärung der Regierung
22. Nach Übermittlung der Rechtssache und Scheitern einer gütlichen Einigung setzte die Regierung den Gerichtshof mit Schreiben vom 17. September 2018 über ihren Vorschlag in Kenntnis, eine einseitige Erklärung zur Erledigung der in der Beschwerde aufgeworfenen Frage abzugeben. Ferner beantragte sie beim Gerichtshof, die Individualbeschwerde gemäß Artikel 37 der Konvention zu streichen.
23. Die Erklärung lautete wie folgt:
„[…]
2. Die Bundesregierung bedauert, dass eine gütliche Einigung mit dem Beschwerdeführer nicht zustande gekommen ist. Da ein Verstoß gegen die Konvention von Seiten der Bundesregierung anerkannt wird, unterbreitet sie dem Gerichtshof hiermit die folgende einseitige Erklärung:
3. Die Bundesregierung erkennt an, dass der Beschwerdeführer durch die Überprüfungsentscheidung des Landgerichts C. vom 10. Juni 2014 in seinen Rechten aus Art. 5 Abs. 1 EMRK verletzt wurde. […]
4. Die Bundesregierung ist bereit, im Falle der Streichung dieses Individualbeschwerdeverfahrens durch den Gerichtshof die Entschädigungsforderung des Beschwerdeführers in Höhe von 2.500,00 Euro anzuerkennen. Mit diesem Betrag in Höhe von 2.500,00 Euro würden alle in Betracht kommenden Ansprüche des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der o. g. Individualbeschwerde und den Überprüfungsentscheidungen des Landgerichts C. vom 10. Juni 2014 und vom 15. Mai 2015 gegen die Bundesrepublik Deutschland und das entsprechende Bundesland, insbesondere die Entschädigung des Beschwerdeführers (auch für Nichtvermögensschäden), Kosten und Auslagen, als abgegolten gelten. Einen Betrag von 2.500,00 Euro hält die Bundesregierung im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs in vergleichbaren Fällen für angemessen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Verteidiger des Beschwerdeführers ebenfalls zur Überschreitung der am 19. März 2014 abgelaufenen Überprüfungsfrist beigetragen hat, weil der auf den 12. Dezember 2013 anberaumte Termin zur Anhörung des Beschwerdeführers wegen Verhinderung des Verteidigers des Beschwerdeführers auf den 16. Januar 2014 verlegt werden musste.
5. Die Bundesregierung beantragt daher, dass dieses Individualbeschwerdeverfahren gemäß Art. 37 Abs. 1c) der Konvention aus dem Register gestrichen wird. Die Anerkennung der Verletzung von Art. 5 Abs. 1 der Konvention sowie der Entschädigungsforderung in Höhe von 2.500,00 Euro durch die Bundesregierung stellt einen „anderen Grund“ im Sinne dieser Vorschrift dar.
[…]“
24. Mit Schreiben vom 4. Oktober 2018 erklärte der Beschwerdeführer, dass er sich zu den Bedingungen der einseitigen Erklärung nicht äußern werde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ist dies als Ablehnung der Erklärung anzusehen.
25. In ihrer anschließenden Stellungnahme hielt die Regierung den Umfang ihrer einseitigen Erklärung aufrecht und erläuterte, dass die angebotene Entschädigung in Höhe von 2.500 Euro – neben einer Erstattung von Kosten und Auslagen in Höhe von 1.200 Euro – eine Entschädigung in Höhe von ca. 1.300 Euro für den immateriellen Schaden enthalte, was in Anbetracht der vom Gerichtshof in vergleichbaren Rechtssachen zugesprochenen Beträge sowie der Tatsache, dass lediglich etwa zwei Monate der zwischen dem 19. März 2014 und dem 10. Juni 2014 eingetretenen Verzögerung den staatlichen Stellen zuzurechnen sei, mehr als angemessen sei. Die von dem Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme geltend gemachten Kosten seien überzogen und der von ihr angebotene Betrag entspreche der Höhe der gesetzlichen Anwaltsvergütung. Ferner hielt sie ihren Antrag aufrecht, die Beschwerde insgesamt zu streichen.
26. In seiner Stellungnahme machte der Beschwerdeführer Kosten in Höhe von 2.885,51 Euro im Zusammenhang mit seiner Verfassungsbeschwerde geltend. Entsprechende Unterlagen, etwa eine Honorarvereinbarung mit seinem Verteidiger oder eine Rechnung, legte er nicht vor.
27. Der Gerichtshof erinnert daran, dass er nach Artikel 37 der Konvention jederzeit während des Verfahrens entscheiden kann, eine Beschwerde in seinem Register zu streichen, wenn die Umstände Grund zu einer der in Absatz 1 Buchst. a, b oder c genannten Annahmen geben. Insbesondere kann der Gerichtshof nach Artikel 37 Abs. 1 Buchst. c eine Rechtssache in seinem Register streichen, wenn
„[…] eine weitere Prüfung der Beschwerde aus anderen vom Gerichtshof festgestellten Gründen nicht gerechtfertigt ist.“
28. Der Gerichtshof erinnert auch daran, dass er unter bestimmten Umständen eine Beschwerde auch dann nach Artikel 37 Abs. 1 Buchst. c aufgrund einer einseitigen Erklärung einer beschwerdegegnerischen Regierung streichen kann, wenn der Beschwerdeführer die Fortsetzung der Prüfung der Rechtssache wünscht.
29. Zu diesem Zweck berücksichtigt der Gerichthof die in seiner Rechtsprechung festgelegten Grundsätze zu einseitigen Erklärungen, insbesondere das Urteil in der Rechtssache Tahsin Acar (siehe Tahsin Acar ./. Türkei (prozessuale Einreden) [GK], Individualbeschwerde Nr. 26307/95, Rdnr. 75-77, ECHR 2003-VI; siehe auch Jeronovičs ./. Lettland ([GK], Individualbeschwerde Nr. 44898/10, Rdnrn. 64-71, ECHR 2016).
30. In der Erklärung der Regierung wurde ein Verstoß gegen Artikel 5 Abs. 1 der Konvention anerkannt, der auf der zu spät ergangenen Überprüfungsentscheidung des Landgerichts vom 10. Juni 2014 beruhte. Gleichzeitig hieß es in der Erklärung, dass mit der angebotenen Entschädigung alle etwaigen Forderungen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit den Überprüfungsentscheidungen des Landgerichts vom 10. Juni 2014 und 15. Mai 2015 als abgegolten gelten würden. Im Hinblick auf letztere Entscheidung des Landgerichts wurde in der Erklärung der Regierung kein Verstoß gegen die Konventionsrechte des Beschwerdeführers anerkannt. Der Beschwerdeführer hatte behauptet, dass es im weiteren Verfahrensverlauf nach der Entscheidung des Landgerichts vom 10. Juni 2014 zusätzliche Verzögerungen gegeben habe, und der Gerichtshof hatte die Frage übermittelt, ob das Landgericht mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen sei, nachdem die Sache mit Beschluss des Oberlandesgerichts vom 22. September 2014 an dieses Gericht zurückverwiesen worden sei.
31. In ihrer anschließenden Stellungnahme erläuterte die Regierung, dass der angebotene Betrag eine Entschädigung in Höhe von ca. 1.300 Euro für den immateriellen Schaden enthalte, was in Anbetracht der vom Gerichtshof in vergleichbaren Rechtssachen zugesprochenen Beträge sowie der Tatsache, dass lediglich etwa zwei Monate der zwischen dem 19. März 2014 und dem 10. Juni 2014 eingetretenen Verzögerung den staatlichen Stellen zuzurechnen sei, mehr als angemessen sei. Sie trug vor, dass es, insbesondere nach dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 22. September 2014, keine weiteren den innerstaatlichen Stellen zuzurechnenden Verzögerungen gegeben habe, und hielt ihren Antrag an den Gerichtshof, die Beschwerde aufgrund ihrer einseitigen Erklärung insgesamt aus dem Register zu streichen, aufrecht (vgl. und im Gegensatz dazu S. ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 486/14, Rdnr. 60, 26. Juni 2018).
32. Wie der Gerichtshof aus den vorstehenden Ausführungen schließt, scheint die Regierung die Auffassung zu vertreten, dass der einzige Teil der Unterbringung des Beschwerdeführers, der die Frage der Vereinbarkeit mit Artikel 5 Abs. 1 der Konvention aufwirft, der Zeitraum zwischen dem Ablauf der Frist zur gerichtlichen Überprüfung am 19. März 2014 und dem Beschluss des Landgerichts vom 10. Juni 2014 sei. Er verfährt ausgehend von dem Verständnis weiter in der Sache, dass die Regierung diesen Teil der Beschwerde durch die einseitige Erklärung erledigen möchte.
33. Diese Fragestellung ist vergleichbar mit der, um die es in der Rechtssache H.W. ./. Deutschland (a. a. O.) ging, in welcher der Gerichtshof seine Praxis bei Verstößen gegen Artikel 5 Abs. 1 der Konvention festgelegt hat, die darauf beruhen, dass die innerstaatlichen Gerichte die gesetzlichen Fristen zur gerichtlichen Überprüfung der Notwendigkeit der weiteren Vollstreckung der Unterbringung einer Person in der Sicherungsverwahrung nicht eingehalten haben.
34. Unter Berücksichtigung der Art des in der Erklärung der Regierung enthaltenen Eingeständnisses und der vorgeschlagenen Entschädigungssumme – die hinsichtlich des in Rede stehenden Zeitraums den in ähnlich gelagerten Fällen zugesprochenen Beträgen entspricht – ist der Gerichtshof der Auffassung, dass eine Fortsetzung der Prüfung dieser Beschwerde nicht gerechtfertigt ist, soweit sie sich auf die Unterbringung des Beschwerdeführers zwischen dem 19. März 2014 und dem 10. Juni 2014 bezieht (Artikel 37 Abs. 1 Buchst. c).
35. Darüber hinaus ist der Gerichtshof im Lichte der vorstehenden Erwägungen und insbesondere in Anbetracht der eindeutigen und umfangreichen Rechtsprechung zu dieser Thematik überzeugt, dass die Achtung der Menschenrechte, wie sie in der Konvention und den Protokollen dazu definiert sind, keine weitere Prüfung dieses Teils der Beschwerde erfordert (Artikel 37 Abs. 1 aE).
36. Was die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers nach dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 22. September 2014 bis zur zweiten Überprüfungsentscheidung des Landgerichts vom 15. Mai 2015 betrifft, kann der Gerichtshof nicht zu demselben Schluss gelangen. Der Beschwerdeführer hatte behauptet, dass es im weiteren Verlauf des Verfahrens zusätzliche Verzögerungen gegeben habe, der Gerichtshof hatte eine Frage zu der von dem Landgericht während dieses Zeitraums an den Tag gelegten Sorgfalt übermittelt, und die Regierung hatte insoweit keinen Verstoß gegen die Konventionsrechte des Beschwerdeführers anerkannt, sondern erklärt, mit der in ihrer Erklärung angebotenen Entschädigung würden auch etwaige Forderungen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der Entscheidung des Landgerichts vom 15. Mai 2015 als abgegolten gelten. Dieser Teil der Beschwerde wirft ferner eine Frage auf, die sich von der in der Rechtssache H. W. ./. Deutschland (a. a. O.) und in anderen Sicherungsverwahrungsfällen entschiedenen Fragen unterscheidet, und zwar insbesondere, ob die nahezu acht Monate nach der Zurückverweisung der Sache ergangene zweite Überprüfungsentscheidung des Landgerichts – mit anderen Worten die gegen den Beschwerdeführer bis dahin vollstreckte Sicherungsverwahrung – die Anforderungen des Artikels 5 Abs. 1 der Konvention erfüllte. Daher kann der Gerichtshof nicht zu dem Schluss gelangen, dass die vorgenannten Anforderungen für die Streichung dieses Teils der Beschwerde aus dem Register nach Artikel 37 Abs. 1 der Konvention erfüllt sind.
37. Der Antrag der Regierung, die Beschwerde insgesamt nach Artikel 37 der Konvention aus dem Register zu streichen, ist daher zurückzuweisen.
38. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass die in dem Urteil in der Rechtssache Tahsin Acar genannten Erwägungen, die bei der Entscheidung darüber zu berücksichtigen sind, ob ein Fall oder ein Teil davon nach Artikel 37 Abs. 1 Buchst. c der Konvention auf Grundlage einer einseitigen Erklärung zu streichen ist, keine erschöpfende Auflistung darstellen sollte. Je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls ist es vorstellbar, dass bei der Bewertung einer einseitigen Erklärung für die Zwecke des Artikels 37 Abs. 1 Buchst. c der Konvention noch weitere Erwägungen eine Rolle spielen können (Tahsin Acar, a. a. O., Rdnr. 77). Der Gerichtshof bekräftigt sein Verständnis, wonach die Regierung der Auffassung zu sein scheint, dass die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers zwischen dem Ablauf der Frist für die gerichtliche Überprüfung am 19. März 2014 und dem Beschluss des Landgerichts vom 10. Juni 2014 der einzige Teil der Beschwerde ist, der eine Frage der Vereinbarkeit mit Artikel 5 Abs. 1 der Konvention aufwirft, dass sie diesen Teil der Beschwerde auf Grundlage der einseitigen Erklärung erledigen möchte, und dass die Anforderungen für die Streichung der Beschwerde aus dem Register in Bezug auf diesen Zeitraum erfüllt sind.
39. Unter diesen Umständen ist es nicht angezeigt, den Antrag der Regierung, die Beschwerde in Bezug auf diesen Zeitraum der Unterbringung des Beschwerdeführers nach Artikel 37 der Konvention aus dem Register zu streichen, ebenfalls zurückzuweisen.
40. Nach Ansicht des Gerichtshofs sollte der Betrag in Höhe von 2.500 Euro binnen drei Monaten nach Bekanntgabe der Entscheidung des Gerichtshofs nach Artikel 37 Abs. 1 der Konvention gezahlt werden. Erfolgt die Zahlung innerhalb dieser Frist nicht, fallen für den betreffenden Betrag einfache Zinsen in Höhe eines Zinssatzes an, der dem Spitzenrefinanzierungssatz (marginal lending rate) der Europäischen Zentralbank zuzüglich drei Prozentpunkten entspricht.
41. Schließlich möchte der Gerichtshof betonen, dass dieser Teil der Beschwerde nach Artikel 37 Abs. 2 der Konvention wieder in das Register eingetragen werden könnte, falls die Regierung die Bedingungen ihrer einseitigen Erklärung nicht einhalten sollte (Josipović ./. Serbien (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 18369/07, 4. März 2008).
42. Nach alledem ist es angezeigt, die Rechtssache aus dem Register zu streichen, soweit sie die Unterbringung des Beschwerdeführers zwischen dem Ablauf der Frist für die gerichtliche Überprüfung am 19. März 2014 und dem Beschluss des Landgerichts vom 10. Juni 2014 betrifft. Gleichzeitig ist der Antrag der Regierung, die Beschwerde im Übrigen aus dem Register zu streichen, zurückzuweisen.
B. Die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers ab dem 10. Juni 2014
1. Die Stellungnahmen der Parteien
43. Die Regierung trug vor, dass das Landgericht Aachen mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen sei, was das Erfordernis angehe, nach der Zurückverweisung der Sache durch das Oberlandesgericht innerhalb kurzer Frist über die Notwendigkeit der Fortdauer der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers zu entscheiden. Eine Verzögerung von etwa eineinhalb Monaten sei dem Beschwerdeführer zuzurechnen, insbesondere die Fristverlängerung bezüglich der Beauftragung des Sachverständigen auf seinen Antrag hin sowie die Verlegung des Termins für die Exploration durch den Sachverständigen. Es habe keine den staatlichen Stellen zuzurechnenden Verzögerungen gegeben. Das Landgericht habe einen neuen Sachverständigen beauftragen müssen, der bisher mit dem Fall des Beschwerdeführers nicht befasst gewesen sei. In Anbetracht dessen, dass sich der externe Sachverständige R. zunächst in die umfangreiche Gerichtsakte und in die bereits zuvor erstellten Gutachten habe einarbeiten, eine persönliche Exploration des Beschwerdeführers durchführen und anschließend ein schriftliches Gutachten erstellen müssen, in dem komplexe psychiatrische Fragen zu beantworten gewesen seien, sei das Gutachten zügig erstellt worden. Das Landgericht habe das Gutachten innerhalb von drei Tagen nach Eingang an die Beteiligten zur Stellungnahme weitergeleitet, um ihnen rechtliches Gehör zu gewähren. Nach Eingang dieser Stellungnahmen habe das Landgericht zügig einen Anhörungstermin anberaumt und noch am Tag der Anhörung entschieden.
44. Der Beschwerdeführer machte geltend, dass es im weiteren Verfahrensverlauf nach der Entscheidung des Landgerichts vom 10. Juni 2014 zusätzliche Verzögerungen gegeben habe. Ferner habe kein Rechtfertigungsgrund für seine Freiheitsentziehung vorgelegen. Insbesondere sei er nicht „psychisch krank“ im Sinne des Artikels 5 Abs. 1 Buchst. e der Konvention.
2. Würdigung durch den Gerichtshof
a) Allgemeine Grundsätze
45. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass in Artikel 5 Abs. 1 Buchst. a bis f eine erschöpfende Liste der zulässigen Gründe für die Freiheitsentziehung enthalten ist und eine Freiheitsentziehung nur rechtmäßig sein kann, wenn sie von einem dieser Gründe erfasst ist. Die Anwendbarkeit eines Grundes schließt jedoch nicht zwangsläufig die eines anderen aus; je nach den Umständen kann eine Freiheitsentziehung auch nach mehr als einem Buchstaben gerechtfertigt sein (I. ./. Deutschland [GK], Individualbeschwerden Nrn. 10211/12 und 27505/14, Rdnr. 126, 4. Dezember 2018, mit weiteren Nachweisen). Die maßgeblichen Grundsätze zu der Frage, wann eine zusammen mit einer strafrechtlichen Verurteilung angeordnete Sicherungsverwahrung nach Artikel 5 Abs. 1 Buchst. a der Konvention gerechtfertigt ist, sind in der Rechtssache D.J. ./. Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 45953/10, Rdnrn. 57-62, 7. September 2017) enthalten. Die maßgeblichen Grundsätze zur Sicherungsverwahrung einer Person wegen „psychischer Krankheit“ im Sinne des Artikels 5 Abs. 1 Buchst. e der Konvention wurden zuletzt im Urteil in der Rechtssache I.zusammengefasst (ebda., Rdnrn. 127-144).
46. Ein maßgebliches Kriterium bei der Prüfung, ob die Freiheitsentziehung einer Person im Sinne des Artikels 5 Abs. 1 als willkürlich anzusehen ist, ist die Zügigkeit, mit der die innerstaatlichen Gerichte eine abgelaufene oder für rechtsfehlerhaft befundene Unterbringungsanordnung ersetzt haben; weitere Kriterien sind u. a. das Vorliegen angemessener Garantien, die sicherstellen, dass die Freilassung nicht unangemessen verzögert wird, ferner die Frage, ob der Beschwerdeführer zu den Verfahrensverzögerungen beigetragen oder sich gegen eine vorhersehbare Verfahrensverzögerung gewandt hat, sowie die Frage, ob die Verzögerung auf die Komplexität des Verfahrens zurückzuführen sein könnte (siehe H.W. ./. Deutschland, a. a. O., Rdnrn. 68-73).
b) Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall
47. Bezüglich der Frage, ob die Unterbringung des Beschwerdeführers mit Artikel 5 Abs. 1 Buchst. a vereinbar war, stellt der Gerichtshof fest, dass sie sowohl nach Artikel 5 Abs. 1 Buchst. a als rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht, als auch nach Buchst. e dieser Bestimmung als Freiheitsentziehung bei einem „psychisch Kranken“ gerechtfertigt sein könnte.
48. Die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers wurde vom Landgericht A. am 7. Juni 1999 zusammen mit seiner Verurteilung wegen Vergewaltigung, begangen am 2. Mai 1998, angeordnet und anschließend in dem Gesamtstrafenbeschluss dieses Gerichts vom 14. Juni 2000 bestätigt (siehe Rdnr. 5). Nach dem zum Zeitpunkt der Tat und der Verurteilung des Beschwerdeführers geltenden Recht war keine gesetzliche Höchstgrenze für seine Sicherungsverwahrung vorgesehen und das Tatgericht legte eine solche auch nicht fest. Sowohl die Sicherungsverwahrungsanordnung des Tatgerichts als auch die angegriffenen Entscheidungen, den Beschwerdeführer nicht freizulassen, beruhten auf demselben Grund, nämlich, dass die hochgradige Gefahr bestehe, dass er weitere schwere Straftaten ähnlich denen begehen werde, derer er schuldig gesprochen worden sei, und er daher für die Allgemeinheit gefährlich sei. Dem Beschwerdeführer wurden auch die erforderlichen Möglichkeiten zur Verringerung seiner Gefährlichkeit angeboten, etwa eine geeignete Therapie. Wenngleich das Oberlandesgericht den Beschluss des Landgerichts vom 10. Juni 2014 aufhob und, ebenfalls in seinem Beschluss vom 27. August 2015, die Auffassung vertrat, dass eine erneute Sachverständigenbegutachtung zur bestmöglichen Sachaufklärung geboten gewesen sei, stellt der Gerichtshof fest, dass das Landgericht seine Einschätzung in der betreffenden Entscheidung auf ein Sachverständigengutachten stützte, das rund ein Jahr zuvor in dem vorangegangenen Überprüfungsverfahren eingeholt worden war, und es der Ansicht war, dass angesichts der Verweigerung sämtlicher therapeutischer Maßnahmen seitens des Beschwerdeführers keine durchgreifenden Veränderungen hinsichtlich seiner dissozialen Persönlichkeitsstörung eingetreten seien (siehe Rdnr. 8 und D.J. ./. Deutschland, a. a. O., Rdnrn. 60-62). Nach der Zurückverweisung der Sache holte das Landgericht ein neues Sachverständigengutachten ein, in dem bestätigt wurde, dass die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers fortbestehe,und stützte sich somit auf aktuelle ärztliche Fachkompetenz. Die Entscheidung, den Beschwerdeführer nicht freizulassen, gründete sich daher nicht auf eine Einschätzung, die im Hinblick auf diese Ziele unangemessen war. Es bestand ein hinlänglicher Kausalzusammenhang im Sinne des Artikels 5 Abs. 1 Buchstabe a zwischen der Verurteilung des Beschwerdeführers aus dem Jahr 1999 und der in den Jahren 2014/2015 angeordneten Fortdauer seiner Freiheitsentziehung. Angesichts dieser Feststellung ist eine Entscheidung darüber entbehrlich, ob die Unterbringung des Beschwerdeführers auch nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e gerechtfertigt sein könnte.
49. Soweit der Beschwerdeführer geltend machte, die Fortdauer seiner Sicherungsverwahrung nach den Überprüfungsentscheidungen gemäß § 67d Abs. 2 und 3 StGB seien unrechtmäßig gewesen, weil die innerstaatlichen Gerichte die gesetzliche Frist für die gerichtliche Überprüfung der weiteren Notwendigkeit dieser Unterbringung nicht eingehalten hätten und es zu zusätzlichen Verzögerungen gekommen sei, weist der Gerichtshof erneut darauf hin, dass der Ablauf dieser Frist am 19. März 2014 und der Beschluss des Landgerichts vom 10. Juni 2014 von der einseitigen Erklärung der Regierung erfasst sind (siehe Rdnrn. 22-42). Der Gerichtshof versteht die Rüge des Beschwerdeführers bezüglich zusätzlicher Verzögerungen im Verlauf des Überprüfungsverfahrens so, dass er damit geltend macht, dass das Landgericht im Anschluss an den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 22. September 2014, mit dem die betreffende Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und die Sache an dieses Gericht zurückverwiesen wurde, nicht mit der erforderlichen Zügigkeit eine erneute Überprüfungsentscheidung getroffen habe. Im Anschluss an die Zurückverweisung erging die nächste Überprüfungsentscheidung des Landgerichts am 15. Mai 2015, mit der die Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Sicherungsverwahrung erneut abgelehnt wurde.
50. Der Gerichtshof stellt fest, dass sich weder das Landgericht in seinem Beschluss vom 15. Mai 2015 noch das Oberlandesgericht in seinem Beschluss vom 27. August 2015 dazu äußerte, bis wann das Landgericht seine Entscheidung nach der Zurückverweisung der Sache zu treffen hatte. Auch die Parteien haben zu diesem Aspekt nicht vorgetragen. Der Gerichtshof nimmt zwar zur Kenntnis, dass die Frist für die Zwecke des § 67e StGB mit dem Beschluss des Landgerichts vom 19. Juni 2014 zu laufen begann und der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als zehn Jahre in der Sicherungsverwahrung verbracht hatte – was für eine Verkürzung der Frist auf neun Monate sprechen würde (siehe Rdnr. 18) –, weist aber erneut darauf hin, dass es zunächst den innerstaatlichen Stellen, insbesondere den Gerichten, obliegt, das innerstaatliche Recht auszulegen und anzuwenden.
51. Das Oberlandesgericht vertrat in seinem Beschluss vom 22. September 2014 die Auffassung, dass die weiteren Verzögerungen, die infolge der Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht eintraten, eine Freilassung des Beschwerdeführers nicht rechtfertigten (siehe Rdnr. 10). In seinem Beschluss vom 27. August 2015 führte es aus, dass die zweite Überprüfungsentscheidung des Landgerichts nach der Zurückverweisung zügig ergangen sei (siehe Rdnr. 14). In Anbetracht dieser Feststellungen sowie der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (siehe Rdnrn. 19-20) ist der Gerichtshof bereit zu akzeptieren, dass die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers während des in Rede stehenden Zeitraums weiterhin rechtmäßig war (vgl. H.W. ./. Deutschland, a. a. O., Rdnrn. 76-80).
52. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von der Rechtssache H.W. ./. Deutschland (a. a. O.), in der den innerstaatlichen Stellen die maßgebliche Frist im Überprüfungsverfahren lange im Voraus bekannt war, sie das Verfahren, aber dennoch verspätet einleiteten (ebda., Rdnrn. 87-88). Anders verhält es sich in Bezug auf die Vorhersehbarkeit, dass das Oberlandesgericht die vorangegangene Überprüfungsentscheidung des Landgerichts aufheben und die Sache an dieses Gericht zurückverweisen würde. Die sich daraus für das Landgericht ergebende Notwendigkeit, zusätzlichen Sachverständigenbeweis einzuholen, führte unweigerlich zu einer erheblichen Komplexität des Verfahrens (vgl. und im Gegensatz dazu die Rechtssache H.W. ./. Deutschland, a. a. O., in der die innerstaatlichen Gerichte keinen medizinischen Sachverständigen zur Beurteilung der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers hinzugezogen hatten, was für sich genommen bereits zu der Feststellung eines Verstoßes gegen Artikel 5 Abs. 1 der Konvention durch den Gerichtshof führte) sowie dazu, dass es erhebliche Zeit dauerte, bis dieses Gericht erneut beurteilen konnte, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ausgesetzt werden konnte.
53. Nach Rückkehr der Akten am 10. Oktober 2014 setzte sich das Landgericht am 14. Oktober 2014 im Hinblick auf die Bestimmung eines Sachverständigen sowohl mit der Staatsanwaltschaft als auch mit dem Beschwerdeführer in Verbindung und setzte dafür eine Frist bis zum 24. Oktober 2014. Es gab also bei der Einleitung des Verfahrens nach der Zurückverweisung der Sache keine Verzögerung und die kurze Frist deutet darauf hin, dass das Landgericht das Verfahren zügig betreiben wollte. Angesichts dessen, dass der Beschwerdeführer es zuvor abgelehnt hatte, mit einem Sachverständigen zusammenzuarbeiten, war es sinnvoll, dass das Landgericht die entsprechende Frist auf Antrag des Beschwerdeführers verlängerte. Die dadurch entstandene Verzögerung von ca. zwei Wochen ist dem Beschwerdeführer zuzurechnen.
54. Was etwaige Verzögerungen im weiteren Verlauf des Verfahrens angeht, stellt der Gerichtshof fest, dass sich die Erstellung des Sachverständigengutachtens um ca. einen Monat verzögerte, weil die persönliche Exploration verlegt werden musste, da sich der Beschwerdeführer an dem zunächst vorgesehenen Termin zu müde für eine Exploration fühlte. Zwar stellte weder dieser noch der vorangegangene Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Bestimmung eines Sachverständigen ein fehlerhaftes Verhalten seinerseits dar, dennoch trug er zu den sich auf ca. sieben Wochen belaufenden Verzögerungen bei. Darin liegt ein weiterer wesentlicher Unterschied zu der Rechtssache H.W. ./. Deutschland, in der der Beschwerdeführer weder zu den Verzögerungen beigetragen, noch diese akzeptiert hatte (a. a. O., Rdnrn. 84‑85).
55. Die Regierung erläuterte, dass sowohl der Sachverständige R. als auch das Landgericht mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen seien, was die zügige Entscheidung über die Notwendigkeit der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung angehe. Der Beschwerdeführer substantiierte seine Behauptung, dass es in diesem Abschnitt des Überprüfungsverfahrens Verzögerungen gegeben habe, nicht. Der Gerichtshof stellt fest, dass zwischen dem Eingang des Sachverständigengutachtens am 6. März 2015 und der Entscheidung des Landgerichts am 15. Mai 2015 mehr als zwei Monate verstrichen. Dazu gehörte ein Zeitraum von zwei Wochen für eine Stellungnahme des Beschwerdeführers und der Staatsanwaltschaft zu dem Sachverständigengutachten, um ihnen rechtliches Gehör zu gewähren. Ein wesentlicher Teil der Verzögerung wurde jedoch dadurch verursacht, dass der Sachverständige und der Verteidiger des Beschwerdeführers nicht für Anhörungstermine verfügbar waren (siehe Rdnr. 11). Diese Verzögerung ist nicht den staatlichen Stellen zuzurechnen.
56. Auch wenn die Dauer von mehr als siebeneinhalb Monaten – vom 22. September 2014 bis zum 15. Mai 2015 – beträchtlich war, bis eine weitere Entscheidung des Landgericht darüber erging, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung ausgesetzt werden konnte, stellt der Gerichtshof fest, dass die innerstaatlichen Gerichte mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen sind, um zu verhindern, dass die Unterbringung des Beschwerdeführers willkürlich wurde und somit gegen Artikel 5 Abs. 1 der Konvention verstieß. Im Hinblick darauf, dass die Zügigkeit, mit der die innerstaatlichen Gerichte eine für rechtsfehlerhaft befundene Unterbringungsanordnung ersetzt haben, nur eines der maßgeblichen Kriterien bei der Prüfung ist, ob die Freiheitsentziehung einer Person als willkürlich anzusehen ist (siehe Rdnr. 46), stellt er fest, dass das Verfahren komplex war und die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens erforderte sowie dass vor der Bestimmung eines Sachverständigen Rücksprache mit dem Beschwerdeführer gehalten wurde und den Parteien vor der Anhörung zu dem Sachverständigengutachten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde,eine Anhörung erfolgte und der Beschwerdeführer zur eineinhalbmonatigen Verzögerung beigetragen hat, wohingegen den staatlichen Stellenkeine Verzögerung zuzurechnen ist. 57. Der Gerichtshof teilt die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass seine Entscheidung vom 22. September 2014, mit der die Überprüfungsentscheidung des Landgerichts vom 19. Juni 2014 aufgehoben wurde, diese nicht ungeschehen machte, und dass die Möglichkeit der Aufhebung einer Überprüfungsentscheidung dem Rechtsmittelsystem immanent ist (siehe Rdnr. 14). Solange das Gericht mit der gebotenen Zügigkeit vorgegangen ist, was im vorliegenden Fall geschehen ist, würde es ferner dem Zweck des Artikels 5 Abs. 1 der Konvention, den Einzelnen vor willkürlicher Freiheitsentziehung zu schützen, zuwiderlaufen, wenn diese Vorschrift dadurch verletzt wäre, dass ein für die Überprüfung der Notwendigkeit der Fortdauer einer Sicherungsverwahrung zuständiges Gericht einen externen medizinischen Sachverständigen hinzuzieht, um festzustellen, ob der Untergebrachte weiterhin gefährlich ist, was zwangsläufig Verzögerungen mit sich bringt.
58. Die vorstehenden Ausführungen reichen aus, um dem Gerichtshof die Schlussfolgerung zu erlauben, dass die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers ab dem 10. Juni 2014 im Einklang mit Artikel 5 Abs. 1 der Konvention stand. Diese Rüge ist daher offensichtlich unbegründet und nach Artikel 35 Abs. 3 Buchst. a und Abs. 4 der Konvention zurückzuweisen.
Aus diesen Gründen entscheidet der Gerichtshof einstimmig wie folgt:
1. Der Wortlaut der Erklärung der beschwerdegegnerischen Regierung und die Modalitäten für die Erfüllung der darin bezeichneten Verpflichtungen werden zur Kenntnis genommen;
2. die Individualbeschwerde wird gemäß Artikel 37 Abs. 1 Buchstabe c der Konvention aus dem Register gestrichen, soweit sie die Unterbringung des Beschwerdeführers bis zum 10. Juni 2014 zum Gegenstand hat;
3. der Antrag der Regierung, die Individualbeschwerde im Übrigen aus dem Register zu streichen, wird zurückgewiesen;
4. die Individualbeschwerde wird im Übrigen für unzulässig erklärt.
Ausgefertigt in englischer Sprache und schriftlich zugestellt am 17. Oktober 2019 nach Artikel 77 Abs. 2 und 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs.
Milan Blaško André Potocki
Stellvertretender Sektionskanzler Präsident
Zuletzt aktualisiert am Dezember 5, 2020 von eurogesetze
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