RECHTSSACHE MOOG ./. DEUTSCHLAND (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) Individualbeschwerden Nrn. 23280/08 und 2334/10

EUROPÄISCHER GERICHTSHOF FÜR MENSCHENRECHTE
FÜNFTE SEKTION
RECHTSSACHE M. ./. DEUTSCHLAND
(Individualbeschwerden Nrn. 23280/08 und 2334/10)
URTEIL
STRASSBURG
6. Oktober 2016

Dieses Urteil wird nach Maßgabe des Artikels 44 Absatz 2 der Konvention endgültig. Es wird gegebenenfalls noch redaktionell überarbeitet.

In der Rechtssache M. ./. Deutschland

hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Fünfte Sektion) als Kammer mit den Richterinnen und Richtern

Ganna Yudkivska, Präsidentin,
Angelika Nußberger,
Erik Møse,
André Potocki,
Yonko Grozev,
Carlo Ranzoni,
Mārtiņš Mits,
sowie Milan Blaško, Stellvertretender Sektionskanzler,
nach nicht öffentlicher Beratung am 6. September 2016
das folgende Urteil erlassen, das am selben Tag angenommen wurde.

VERFAHREN

1. Der Rechtssache lagen zwei Individualbeschwerden (Nrn. 23280/08 und 2334/10) gegen die Bundesrepublik Deutschland zugrunde, die ein deutscher Staatsangehöriger, M. („der Beschwerdeführer“), am 30. April 2008 beziehungsweise am 24. Dezember 2009 nach Artikel 34 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten („die Konvention“) beim Gerichtshof eingereicht hatte. Der Beschwerdeführer erhob die zweite Beschwerde auch im Namen seines Sohnes D.

2. Der Beschwerdeführer wurde von Frau K., Rechtsanwältin in H., vertreten. Die deutsche Regierung („die Regierung“) wurde durch ihren Verfahrensbevollmächtigten, Herrn H.-J. Behrens vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, vertreten.

3. Der Beschwerdeführer machte insbesondere geltend, dass die Entscheidungen über den Umgang mit seinem Sohn sein Recht auf Achtung seines Familienlebens verletzt hätten.

4. Am 21. November 2012 wurden die Beschwerden der Regierung übermittelt.

SACHVERHALT

I. DIE UMSTÄNDE DER RECHTSSACHE

5. Der 19.. geborene Beschwerdeführer, M., ist in K. wohnhaft.

A. Hintergrund der Rechtssache

6. Der Sohn des Beschwerdeführers, D., wurde 1998 geboren. Der Beschwerdeführer und die Mutter von D., Frau K., trennten sich 1999. D. lebt seither bei seiner Mutter.

7. Seit 1999 streiten die Eltern über den Umgang und das Sorgerecht. Am 18. Mai 1999 gewährte das Amtsgericht Köln – Familiengericht (im Folgenden: das Familiengericht) dem Beschwerdeführer auf dessen Antrag hin zweimal wöchentlich Umgang. Diese Entscheidung wurde am 24. März 2000 durch einen Vergleich abgeändert, wonach dem Beschwerdeführer jeden Samstag für acht Stunden Umgang gewährt wurde. Auf den Antrag des Beschwerdeführers auf Erweiterung seines Umgangsrechts hin führte das Familiengericht am 16. Januar 2001 einen Erörterungstermin durch, verband das Verfahren über das Umgangsrecht mit dem von Frau K. bereits 1999 angestrengten Verfahren über das Sorgerecht und gab ein Sachverständigengutachten bezüglich des Sorgerechts für D. in Auftrag. Am 1. Oktober 2001 stellte der Beschwerdeführer beim Familiengericht einen Antrag auf Verhängung eines Zwangsgeldes gegen Frau K., da diese die Mitwirkung verweigere. Am 16. November 2001, nachdem die bestellte psychologische Sachverständige dem Familiengericht mitgeteilt hatte, dass der Umgang mit dem Vater ihrer Auffassung nach dem Kindeswohl diene, schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, wonach der Umgang zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn wieder aufgenommen werden sollte. Bis Ende des Jahres 2001 besuchte der Beschwerdeführer das Kind zweimal im Kinderhort.

8. Am 7. Januar 2002 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf Verhängung eines Zwangsgeldes, da Frau K. die Mitwirkung verweigere. Im Anschluss erließ das Familiengericht eine einstweilige Verfügung betreffend das Umgangsrecht des Beschwerdeführers. Daraufhin besuchte der Beschwerdeführer seinen Sohn einmal im Kinderhort. Am 20. März 2002 forderte das Amtsgericht Frau K. unter Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 2.000 Euro auf, ihren Verpflichtungen aus dem Vergleich vom 16. November 2001 nachzukommen.

9. Am 28. Juli 2002 legte die gerichtlich bestellte Sachverständige, Dr. K., ihr Gutachten zur Frage des Umgangs vor, nachdem sie die Situation beider Elternteile und des Kindes begutachtet hatte. Sie vertrat die Auffassung, dass das Kind den Umgang mit seinem Vater positiv erlebe. Jedoch neigten beide Elternteile dazu, bei der Verfolgung ihrer eigenen Interessen das Kind zu instrumentalisieren. Sie kommunizierten nicht miteinander. Folglich gebe es keine Grundlage für die gemeinsame Sorge. Eine Übertragung des Sorgerechts auf den Vater würde das Problem nicht lösen, sondern lediglich verlagern. Am 22. Oktober 2002 übertrug das Familiengericht Frau K. das Sorgerecht und lehnte ihren zuvor gestellten Antrag auf Umgangsausschluss ab; es gewährte dem Beschwerdeführer einmal wöchentlich für sechs Stunden Umgang mit seinem Sohn. Darüber hinaus bestellte es einen Umgangspfleger, der die Umgangskontakte zwischen dem Vater und dem Sohn erleichtern sollte, lehnte aber die Bestellung eines Verfahrenspflegers mit der Begründung ab, dass das Kindeswohl durch die gerichtlich bestellte Sachverständige hinreichend gewahrt sei.

10. Am 18. Februar 2003 wies das Oberlandesgericht Köln die entsprechende Beschwerde von Frau K. zurück. Es stellte fest, dass Frau K. den Umgang des Beschwerdeführers mit seinem Sohn „vorsätzlich boykottiert“ habe. Wenn sie nicht dafür sorge, dass das Umgangsrecht des Beschwerdeführers umgesetzt werde, müsse die Zuordnung der elterlichen Sorge möglicherweise neu überdacht werden.

11. Am 6. August 2003 beantragte der Beschwerdeführer erneut beim Familiengericht die Verhängung eines Zwangsgeldes gegen Frau K., da diese die Mitwirkung verweigere. Am 12. August 2003 forderte das Familiengericht Frau K. unter Androhung eines Zwangsgelds auf, das Umgangsrecht des Beschwerdeführers zu gewährleisten. Frau K. legte Beschwerde ein. Am 2. Dezember 2003 hob das Oberlandesgericht Köln den Beschluss auf. Es stellte fest, dass das Kind nach den Angaben von Frau K. und dem Bericht der behandelnden Kinderärztin und Psychotherapeutin Dr. D. nach den Umgangsterminen mit dem Beschwerdeführer psychische Auffälligkeiten zeige. Nach Auffassung der Ärztin sei dies auf den Konflikt zwischen den Eltern zurückzuführen. Es bestehe daher kein Zweifel, dass eine zwangsweise Durchsetzung des Umgangsrechts des Beschwerdeführers zum Schaden des Kindes wäre.

B. Das in Rede stehende Verfahren

12. Am 20. Juni 2005 beantragte Frau K., nachdem sie erfahren hatte, dass der Beschwerdeführer D. in seinem Kinderhort besucht hatte, den Umgang auszusetzen.

13. Am 15. November 2005 hörte das Familiengericht das Kind an, das erklärte, dass es seinen Vater nicht mehr sehen wolle.

14. Am 18. Januar 2006 beantragte der Beschwerdeführer erneut die Einräumung eines Umgangsrechts.

15. Am 30. Januar 2006 entschied das Familiengericht, eine eidesstattlich versicherte schriftliche Zeugenaussage von Dr. D., der Kinderärztin von D., einzuholen.

16. Am 11. März 2006 legte Dr. D. diese Zeugenaussage vor, in der sie erklärte, dass das Kind durch die Trennungen von der Mutter, die es seit dem Alter von 10 Monaten aufgrund des erzwungenen Umgangs mit dem Beschwerdeführer erfahren habe, sowie durch das zunehmend feindselige Verhältnis zwischen seinen Eltern traumatisiert sei. 2003 sei es nach dem Umgang mit seinem Vater zu extrem aggressiven Ausbrüchen gekommen. D. bedürfe einer Psychotherapie, mit der jedoch aufgrund seines jungen Lebensalters und seiner mangelnden Reife noch nicht begonnen werden könne.

17. Am 19. Mai 2006 gewährte das Familiengericht dem Beschwerdeführer drei von zwei gerichtlich bestellten psychologischen Sachverständigen beaufsichtigte Umgangskontakte mit dem Kind.

18. Am 13. September 2006 teilten die Sachverständigen dem Familiengericht mit, die Beaufsichtigung eines Umgangskontakts sei nicht möglich gewesen, weil ihnen die Rechtsvertreterin von Frau K. mitgeteilt habe, dass Frau K. und dem Kind geraten worden sei, aus medizinischen Gründen nicht mit dem Beschwerdeführer zu sprechen.

19. Am 18. Dezember 2006 beschloss das Familiengericht, eine Zeugenaussage der Leiterin des Kinderhortes von D. bezüglich des Verhaltens des Kindes und seines Verhältnisses zum Beschwerdeführer und zu seiner Mutter einzuholen.

20. Am 13. März 2007 legte die Leiterin des Kinderhortes eine Zeugenaussage vor. Sie war der Auffassung, dass der Umgang des Beschwerdeführers mit dem Kind, der im Juni 2005 stattgefunden habe, positiv gewesen sei. Sie empfahl dringend, die Umgangskontakte fortzusetzen, weil das Kind in einer eingeengten realitätsfremden Welt lebe, wobei es von seiner Mutter stark kontrolliert werde und es ihm nicht möglich sei, seine Spielkameraden oder Spiele frei zu wählen. Das Kind reagiere gewalttätig auf diese übermäßige Kontrolle. Um das Kind in der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit zu stärken und es die reale Welt erfahren zu lassen, sei als Gegengewicht eine Autoritätsperson, die nicht aus dem familiären Umfeld der Mutter stamme, dringend notwendig.

21. Am 30. März 2007 stellte der Beschwerdeführer einen erneuten Antrag auf Übertragung des Sorgerechts auf ihn.

22. Am 24. April 2007 erließ das Familiengericht eine einstweilige Verfügung und gewährte dem Beschwerdeführer einmal im Monat für sieben Stunden Umgang mit dem Kind. Weiterhin wurde der Kindesmutter aufgegeben, D. auf den Umgang vorzubereiten und es zu unterlassen, das Kind gegen seinen Vater zu beeinflussen. Es stellte fest, dass D. das Treffen mit seinem Vater positiv erlebt habe. Wenn es den Anschein gehabt habe, dass er emotional reagiert habe, so sei dies vermutlich von seiner Mutter provoziert worden. Der Umgang des Beschwerdeführers mit seinem Sohn diene dem Kindeswohl. Das Familiengericht kündigte ferner an, es werde Frau K. ein Zwangsgeld auferlegen, wenn sie ihre Mitwirkung verweigere.

23. Bei dem ersten Besuch, der am 2. Juni 2007 vorgesehen war, weigerte sich der Sohn, mit dem Beschwerdeführer mitzukommen.

24. In seiner Stellungnahme vom 22. Juni 2007 berichtete das Jugendamt über seine Gespräche mit Frau K., mit der Kinderärztin von D., Dr. D, mit der Klassenlehrerin des Kindes, mit dem Beschwerdeführer und mit dem Kind. Nach diesem Bericht empfahl Dr. D. dringend eine Familientherapie, um den Umgang des Kindes mit dem Beschwerdeführer vorzubereiten. Das Kind erklärte, es wolle seine Ruhe haben und seinen Vater nicht sehen. Wenn seine Eltern keinen Streit mehr hätten und sein Vater ihn nicht zwinge, zum Jugendamt zu gehen, könne es sich Besuche vorstellen. Der Klassenlehrerin zufolge brauche das Kind eine Atempause von der rechtlichen Situation und dem Beschwerdeführer mangele es an Empathie. Das Jugendamt gelangte zu dem Schluss, dass im Hinblick auf die Diskrepanz zwischen diesen Stellungnahmen ein Sachverständigengutachten erforderlich sei.

25. Am 9. Juli 2007 verhängte das Amtsgericht ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000 Euro gegen Frau K., weil sie ihren Verpflichtungen aus der gerichtlichen Anordnung vom 24. April 2007 nicht nachgekommen sei.

26. Am 8. Januar 2008 hörte das Familiengericht das Kind im Sorgerechtsverfahren an; es erklärte, nicht bei seinem Vater leben zu wollen und nicht mehr zum Gericht gehen zu wollen. Es fügte hinzu, dass es nur selten zu seiner Kinderärztin gehe.

27. Am 8. Februar 2008 hob das Oberlandesgericht Köln auf eine Beschwerde von Frau K. hin die Zwangsgeldfestsetzung mit der Begründung auf, es bestünden erhebliche Bedenken, ob Frau K. in der Lage sei, daran mitzuwirken, D. auf den Umgang mit dem Beschwerdeführer vorzubereiten. Laut eines ärztlichen Attests eines Psychologen vom 7. Januar 2008 leide Frau K. unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, die sich bei ihr in Form eines nicht steuerbaren Erregungsmusters mit Herzrasen, Panikgefühlen, Zittern, Übelkeit und Gefühlen der Hilflosigkeit und Verzweiflung äußere. Aufgrund dieses Krankheitsbildes bestünden erhebliche Bedenken, ob sie in der Lage sei, das Kind angemessen auf Umgangskontakte mit dem Beschwerdeführer einzustellen. Darüber hinaus habe das Kind im Sorgerechtsverfahren angegeben, derzeit keinen Umgang mit seinem Vater haben zu wollen. Es sei nicht angemessen, gegen den Kindeswillen zu handeln; vielmehr seien therapeutische Maßnahmen einzuleiten. Das Gericht war ferner der Ansicht, dass angesichts der psychischen Probleme von Frau K. auch die Sorgerechtsfrage
geklärt werden müsse und dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens im parallelen Sorgerechtsverfahren unerlässlich sei.

28. Am 20. März 2008 teilte das Familiengericht den Parteien mit, dass die Durchführung des Umgangs nicht möglich scheine. Dementsprechend habe es beschlossen, das Umgangsverfahren einstweilen ruhen zu lassen und das Sorgerechtsverfahren abzuwarten, in dem ein Sachverständigengutachten eingeholt werde. In Anschluss bestellte das Familiengericht im Sorgerechtsverfahren einen Sachverständigen zur Klärung der Frage, ob es dem Kindeswohl diene, wenn die Mutter das Sorgerecht beibehalte.

29. Am 25. November 2008 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Familiengericht statt, bei der der Beschwerdeführer und die Prozessbevollmächtigte der Mutter anwesend waren.

30. Am 12. Dezember 2008 entschied das Familiengericht, noch vor der Erstattung des Sachverständigengutachtens das Umgangsrecht des Beschwerdeführers bis zum 31. Dezember 2011 auszusetzen. Durch die massiven, weiterhin andauernden Konflikte der Eltern würde das Kind bei einer zwangsweisen Durchsetzung des Umgangs in große Loyalitätskonflikte gebracht. Diese würden sein Wohl erheblich gefährden. Aufgrund ihrer eigenen, durch ärztliche Atteste belegten Belastungsstörung sei Frau K. nicht in der Lage, das Kind angemessen auf Umgangskontakte mit dem Beschwerdeführer vorzubereiten. Wie bereits von der gerichtlich bestellten Sachverständigen im Jahr 2002 hervorgehoben worden sei (siehe Rdnrn. 9), würde ein Umgang ohne ein Mindestmaß an Kooperation der Eltern eine erhebliche Belastung für das Kind darstellen. Dies sollte angesichts seiner noch andauernden therapeutischen Behandlung vermieden werden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass ein erzwungener Umgang angesichts der fehlenden Mitwirkungsbereitschaft seitens Frau K. zu einer Retraumatisierung des Kindes führen würde. Folglich erfordere das Kindeswohl eine Aussetzung des Umgangsrechts des Beschwerdeführers für die Dauer von drei Jahren, damit das Kind eine Traumatherapie machen könne.

31. Am 5. Januar 2009 legte der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Umgangsausschluss durch das Familiengericht ein. Er rügte u. a., dass sich das Familiengericht auf ein veraltetes Sachverständigengutachten berufen habe, dass es die tatsächlichen Wünsche des Kindes nicht untersucht habe und dass es von einer Traumatisierung des Kindes ausgegangen sei, die nie von einem unabhängigen Sachverständigen bestätigt worden sei.

32. Am 30. Januar 2009 erstattete der Sachverständige ein vorläufiges Gutachten im Sorgerechtsverfahren, in dem er u. a. ausführte, dass der Umgang mit dem Beschwerdeführer das Kindeswohl nicht gefährden würde.

33. Am 12. Mai 2009 lehnte das Familiengericht den Antrag des Beschwerdeführers auf Übertragung des Sorgerechts auf ihn ab, unter Berücksichtigung, dass aufgrund der Verweigerung von Frau K. weder der bestellte Verfahrenspfleger noch die Sachverständige in der Lage gewesen seien, Frau K. und das Kind zu begutachten. Es stützte sich auf das vorläufige Gutachten des Sachverständigen, wonach eine Übertragung des Sorgerechts dem Kindeswohl nicht entspreche, obwohl es keine Hinweise darauf gebe, dass der Umgang mit dem Beschwerdeführer das Wohl des Kindes gefährden würde. Auf der anderen Seite gebe es Hinweise darauf, dass die Verweigerungshaltung von Frau K., was den Umgang des Beschwerdeführers mit dem Kind angehe, das Kindeswohl gefährde. Am 30. Juni 2009 wies das Oberlandesgericht Köln die entsprechende Beschwerde des Beschwerdeführers zurück.

34. Am 30. Juni 2009 traf das Oberlandesgericht Köln seine Entscheidung nach Aktenlage und bestätigte die Entscheidung des Familiengerichts, den Umgang auszuschließen (siehe Rdnr. 30), auch wenn diese Entscheidung bedeute, dass Frau K., die – aus welchen Gründen auch immer – den Umgang mit dem Beschwerdeführer verhindern wolle, ihr Ziel erreicht habe. Es stellte fest, dass das Kind bei seiner Anhörung vor dem Familiengericht am 8. Januar 2008 im Sorgerechtsverfahren klar geäußert habe, dass es seinen Vater derzeit nicht sehen wolle. In einem Brief an den Verfahrenspfleger aus dem Jahr 2008 habe das Kind erklärt, dass es nicht mehr über dieses Thema sprechen wolle, nachdem es seine Meinung bereits fünfmal geäußert habe. Das Jugendamt habe am 22. Juni 2007 bestätigt, dass D. in Ruhe gelassen werden wolle und er seinen Vater nicht habe sehen wollen, weil dieser mache, „dass ich immer zum Jugendamt muss“. Dies entspreche dem, was D. 2007 gegenüber seiner Kinderärztin geäußert habe. Diese Äußerungen zeigten, dass D. eine Verknüpfung zwischen seinem Vater und den Anhörungsterminen bei Gericht, die er nicht möge, hergestellt habe. Nur durch eine Ruhephase könne D. das Gefühl vermittelt werden, dass er allein entscheiden könne, ob er den Vater sehen wolle. Durch diese Zeitspanne habe zudem auch Frau K. die Gelegenheit, ihre Verhaltensweisen zu überdenken. Sie sollte sich bewusst machen, dass D. als Heranwachsender seinen Vater als ausgleichende Autoritätsperson dringend benötigen würde. Die Darlegungen des Beschwerdeführers würden zu keiner anderen Beurteilung führen. Die Ursachen für den Loyalitätskonflikt, in dem sich D. befinde, seien sicherlich nicht allein Frau K. zuzurechnen. Ferner sei die von dem Beschwerdeführer angedeutete Möglichkeit, ihn von beiden Elternteilen zu trennen und in einem Internat aufwachsen zu lassen, ohne Zweifel nicht mit dem Wohl des Kindes vereinbar. Unter Verweis auf seinen Beschluss zum Sorgerecht vom selben Tag stellte das Oberlandesgericht abschließend fest, dass sich D. positiv entwickele.

35. Am 10. August 2009 lehnte es das Bundesverfassungsgericht ohne Angabe von Gründen ab, die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers betreffend das Umgangsrecht und das Sorgerecht zur Entscheidung anzunehmen (1 BvR 1831/09).

II. DAS EINSCHLÄGIGE INNERSTAATLICHE RECHT

36. Hinsichtlich der einschlägigen Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts verweist der Gerichtshof auf sein Urteil in der Rechtssache K. ./. Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 62198/11, Rdnrn. 81-86, 15. Januar 2015).

RECHTLICHE WÜRDIGUNG

I. VERBINDUNG DER BESCHWERDEN

37. Aufgrund ihres ähnlichen tatsächlichen und rechtlichen Hintergrunds entscheidet der Gerichtshof, die beiden Individualbeschwerden nach Artikel 42 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu verbinden.

II. DER UMFANG DER BESCHWERDEN

38. Im Hinblick auf das Verfahren vor den innerstaatlichen Gerichten sieht es der Gerichtshof als erforderlich an, eingangs klarzustellen, dass der Umfang der vorliegenden Rechtssache auf die von dem Beschwerdeführer in seinen ursprünglichen Beschwerden an den Gerichtshof erhobenen Rügen beschränkt ist. Der Gerichtshof weist insoweit darauf hin, dass der Beschwerdeführer in seinen Beschwerden und Schriftsätzen nicht nur zum Umgangsverfahren, sondern auch zum Sorgerechtsverfahren Tatsachen vorgetragen hat. Darüber hinaus hat er Tatsachen vorgetragen, die sich auf vor 2005 ergangene Entscheidungen der Familiengerichte beziehen, aber keine Rügen im Zusammenhang mit der Übertragung des Sorgerechts in seine Beschwerdeformulare aufgenommen. Auch hat er in diese Formulare keine Rügen in Bezug auf vor 2005 ergangene Entscheidungen aufgenommen. Der Gerichtshof kommt daher zu dem Schluss, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer bezüglich der Ablehnung der Sorgerechtsübertragung durch die innerstaatlichen Gerichte und bezüglich der vor 2005 geführten Gerichtsverfahren wirksam Rügen erhoben hat.

III. DIE BEFUGNIS DES BESCHWERDEFÜHRERS, IM NAMEN SEINES SOHNES ZU HANDELN

39. Die Regierung bestritt, dass der Beschwerdeführer in dem Verfahren vor dem Gerichtshof im Namen seines Sohnes D. handeln kann.

40. Der Beschwerdeführer trat dieser Auffassung entgegen. Auch wenn die Kindesmutter das alleinige Sorgerecht habe, bestehe die Gefahr, dass einige Belange des Kindes dem Gerichtshof nicht zur Kenntnis gelängen, wenn dem Beschwerdeführer nicht gestattet werde, das Kind im Falle eines Konflikts mit seiner Mutter zu vertreten. Der Beschwerdeführer verwies auf die Rechtssachen P. ./. Deutschland ((Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 31178/96, 6. Dezember 2001) und Iosub Caras ./. Rumänien (Individualbeschwerde Nr. 7198/04, 27. Juli 2006).

41. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass in Fällen, die aus Streitigkeiten zwischen den Eltern erwachsen, dem sorgeberechtigten Elternteil die Wahrung der Interessen der Kinder anvertraut ist. In diesen Situationen kann die Stellung als leiblicher Elternteil nicht als ausreichende Grundlage dafür angesehen werden, eine Individualbeschwerde auch im Namen eines Kindes zu erheben (siehe S. ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 30943/96, 10. Dezember 2000, und Eberhard und M. ./. Slowenien, Individualbeschwerden Nrn. 8673/05 und 9733/05, Rdnr. 88, 1. Dezember 2009; und Z. ./. Slowenien, Individualbeschwerde Nr. 43155/05, Rdnr. 115, 30. November 2010).

42. Der Gerichtshof stellt fest, dass die vorliegende Rechtssache einen Streit über das Umgangsrecht zwischen dem Beschwerdeführer und der Kindesmutter, der das alleinige Sorgerecht für das Kind zusteht, betrifft. Dementsprechend ist der Beschwerdeführer nicht befugt, im vorliegenden Verfahren im Namen seines Kindes zu handeln. Der Gerichtshof beschränkt seine Prüfung der Rechtssache daher auf den Teil, der den Beschwerdeführer betrifft (vgl. Eberhard und M., a. a. O., Rdnr. 90).

IV. BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 8 DER KONVENTION

43. In seiner ersten Beschwerde, die er am 30. April 2008 erhob (Nr. 23280/08), rügte der Beschwerdeführer zum einen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 8. Februar 2008, mit der die Verhängung eines Zwangsgeldes aufgehoben wurde, und zum anderen, dass die Familiengerichte ihm den Umgang mit seinem Sohn nicht ermöglicht hätten. Ferner rügte er, dass Frau K. durch die überlange Dauer des Umgangsverfahrens die Möglichkeit gehabt habe, seine Beziehung zu seinem Sohn zu zerstören. In seiner zweiten Beschwerde, die er am 24. Dezember 2009 erhob (Nr. 2334/10), rügte der Beschwerdeführer die Entscheidung des Familiengerichts Köln vom 12. Dezember 2008, sein Umgangsrecht auszusetzen, sowie die entsprechende Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 30. Juni 2009. Zudem rügte er, dass die Familiengerichte nicht rechtzeitig einen Verfahrenspfleger zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes bestellt und ein Sachverständigengutachten beauftragt hätten. Der Beschwerdeführer berief sich auf Artikel 8 der Konvention, der, soweit entscheidungserheblich, bestimmt:

„1. Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres […] Familienlebens […]

2. Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.“

A. Zulässigkeit

44. Die Regierung führte aus, der Beschwerdeführer habe aus formaler Sicht den innerstaatlichen Rechtsweg in Bezug auf die Entscheidungen der Familiengerichte aus den Jahren 2008 und 2009 erschöpft. Um Umgang gewährt zu bekommen, habe der Beschwerdeführer jedoch seit dem 1. Januar 2012 die Gelegenheit gehabt, ein neues Umgangsverfahren vor dem Familiengericht anzustrengen, da die Aussetzung des Umgangs am 31. Dezember 2011 ausgelaufen sei. Aus praktischer Sicht hätte ihm also ein wirksamer Rechtsbehelf zur Verfügung gestanden.

45. Was die Verfahrensdauer angeht, wies die Regierung darauf hin, dass der Beschwerdeführer keinen Entschädigungsanspruch nach dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (Rechtsschutzgesetz) geltend gemacht habe und dass diese Rüge wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs für unzulässig zu erklären sei.

46. Ferner habe der Beschwerdeführer vor den innerstaatlichen Gerichten keine Beschwerde gegen das behauptete Versäumnis, einen Verfahrenspfleger zu bestellen, erhoben.

47. Der Beschwerdeführer erwiderte, er habe zwei Anträge auf Umgang gestellt, die letztlich erfolglos geblieben seien. Seiner Ansicht nach könne ihm nicht zugemutet werden, ein gerichtliches Umgangsverfahren weiter zu betreiben, bis D. volljährig sei.

48. Was den ersten Punkt der Regierung angeht, stellt der Gerichtshof fest, dass einer Umgangsaussetzung für die Dauer von drei Jahren nicht durch ein Recht, im Anschluss daran ein neues Umgangsverfahren anzustrengen, abgeholfen werden kann. Folglich ist dieser Einwand der Regierung zurückzuweisen.

49. Was das weitere Vorbringen der Regierung angeht, wonach der Beschwerdeführer es versäumt habe, einen Entschädigungsanspruch nach dem Rechtsschutzgesetz geltend zu machen, verweist der Gerichtshof auf sein Urteil in der Rechtssache K. (a. a. O., Rdnrn. 139-141), in dem festgestellt wurde, dass in Verfahren, in denen sich die Verfahrensdauer eindeutig auf das Familienleben des Beschwerdeführers auswirkt, die Bestimmungen des Rechtsschutzgesetzes kein wirksames Mittel darstellen. Daher hat der Beschwerdeführer den innerstaatlichen Rechtsweg insoweit erschöpft.

50. Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass der Beschwerdeführer nicht dargelegt hat, dass er in Bezug auf das behauptete Versäumnis der Familiengerichte, bereits in einem früheren Verfahrensstadium einen Verfahrenspfleger zu bestellen, von den innerstaatlichen Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht hat. Daraus folgt, dass diese Rüge nach Artikel 35 Abs. 1 und 4 der Konvention wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs zurückzuweisen ist.

51. Der Gerichtshof stellt fest, dass die verbleibenden Rügen nach Artikel 8 der Konvention nicht im Sinne von Artikel 35 Abs. 3 Buchst. a der Konvention offensichtlich unbegründet und auch nicht aus anderen Gründen unzulässig sind. Folglich sind sie für zulässig zu erklären.

B. Begründetheit

52. Der Gerichtshof stellt fest, dass sich die Fragen der vorliegenden Rechtssache erstens auf die Durchsetzung der Umgangsentscheidung vom 24. April 2007 (siehe Rdnrn. 64-83), zweitens auf die Aussetzung des Umgangs (siehe Rdnrn. 64-83) und schließlich auf die Verfahrensführung (siehe Rdnrn. 84-91) beziehen. Es ist die Aufgabe des Gerichtshofs zu prüfen, ob das Familienleben des Beschwerdeführers im Hinblick auf diese drei Fragen missachtet wurde.

53. Der Gerichtshof weist darauf hin, dass der Staat in Fällen, in denen nachweislich Familienbande bestehen, grundsätzlich so handeln muss, dass diese Bande aufrecht erhalten werden können. Für einen Elternteil und sein Kind stellt das Zusammensein einen grundlegenden Bestandteil des Familienlebens dar, und innerstaatliche Maßnahmen, die die Betroffenen an diesem Zusammensein hindern, bedeuten einen Eingriff in das durch Artikel 8 der Konvention geschützte Recht (siehe u. a. Monory ./. Rumänien und Ungarn, Individualbeschwerde Nr. 71099/01, Rdnr. 70, 5. April 2005, und K. und T. ./. Finnland, Individualbeschwerde Nr. 25702/94, Rdnr. 151, 27. April 2000).

54. Auch wenn das Hauptziel des Artikels 8 im Schutz des Einzelnen vor willkürlichen Maßnahmen von staatlicher Seite besteht, so sind mit einer wirksamen „Achtung“ des Familienlebens zusätzlich auch positive Schutzpflichten verbunden. Diese Pflichten können Maßnahmen beinhalten, die zur Sicherstellung der Achtung des Privatlebens auch im Verhältnis von einzelnen Personen untereinander ergriffen werden; dies umfasst sowohl die Schaffung eines rechtlichen Rahmens, der ein Gerichtswesen und Vollstreckungsmittel zum Schutz der Rechte des Einzelnen bietet, als auch gegebenenfalls die Umsetzung konkreter Schritte (siehe mit weiteren Nachweisen Nazarenko ./. Russland, Individualbeschwerde Nr. 39438/13, Rdnr. 61, ECHR 2015 (Auszüge)).

1. Aufhebung der Zwangsgeldfestsetzung gegen die Mutter durch Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 8. Februar 2008

55. Der Gerichtshof muss zunächst prüfen, ob die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 8. Februar 2008, mit der die Zwangsgeldfestsetzung gegen die Kindesmutter aufgehoben wurde, die Achtung des Familienlebens des Beschwerdeführers, so wie sie in Artikel 8 der Konvention niedergelegt ist, nicht berücksichtigt hat.

(a) Die Stellungnahmen der Parteien

56. Der Beschwerdeführer rügte, dass durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 8. Februar 2008, kein Zwangsgeld gegen Frau K. zu verhängen, sein Umgangsrecht faktisch unterbunden worden sei. Des Weiteren sei die behauptete Belastungsstörung von Frau K. nie durch einen unabhängigen ärztlichen Sachverständigen festgestellt worden. Er bestritt, dass Frau K. jemals an Traumata gelitten habe, die zu einer posttraumatischen Belastungsstörung hätten führen können.

57. Die Regierung vertrat die Ansicht, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 8. Februar 2008 zum Schutz der Gesundheit von Frau K. erforderlich gewesen sei. Durch ein ärztliches Attest vom 7. Januar 2008 sei bestätigt worden, dass Frau K. an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide und sie daher nicht in der Lage gewesen sei, D. entsprechend auf den Umgang mit dem Beschwerdeführer vorzubereiten. Zudem habe D. den Umgang mit seinem Vater wiederholt und vehement abgelehnt. Es sei zu erwarten, dass ein erzwungener Umgang die Ablehnung seitens des Kindes nur verstärken würde.

(b) Würdigung durch den Gerichtshof

58. Was die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln betrifft, die Zwangsgeldfestsetzung gegen die Kindesmutter aufzuheben, muss der Gerichtshof darüber entscheiden, ob die innerstaatlichen Behörden alle notwendigen Schritte unternommen haben, die unter den besonderen Umständen dieses Falls vernünftigerweise von ihnen erwartet werden konnten, um die Vollstreckung der Umgangsentscheidung vom 24. April 2007 zu fördern.

59. Er weist erneut darauf hin, dass im Hinblick auf die Verpflichtung des Staates, positive Maßnahmen zu ergreifen, Artikel 8 das Recht der Eltern beinhaltet, dass Maßnahmen zur Wiederzusammenführung mit ihren Kindern getroffen werden, und die innerstaatlichen Behörden verpflichtet, eine solche Zusammenführung zu fördern (siehe u. a. Ignaccolo-Zenide ./. Rumänien, Individualbeschwerde Nr. 31679/96, Rdnr. 94, ECHR 2000-I). In Fällen, die die Durchsetzung von Entscheidungen in Familiensachen betreffen, hat der Gerichtshof wiederholt die Auffassung vertreten, dass entscheidend ist, ob die innerstaatlichen Behörden alle für die Förderung der Vollstreckung erforderlichen Schritte unternommen haben, die unter den besonderen Umständen des Einzelfalles vernünftigerweise von ihnen erwartet werden konnten (siehe sinngemäß Hokkanen ./. Finnland, 23. September 1994, Rdnr. 58, Serie A Nr. 299‑A; und Nuutinen ./. Finnland, Individualbeschwerde Nr. 32842/96, Rdnr. 128, ECHR 2000‑VIII).

60. Im Hinblick auf die Umstände der vorliegenden Rechtssache stellt der Gerichtshof fest, dass das Familiengericht Köln im Wege einer einstweiligen Anordnung vom 24. April 2007 dem Beschwerdeführer ein Recht auf Umgang einmal im Monat einräumte und Frau K. aufgab, das Kind entsprechend vorzubereiten. Am 9. Juli 2007 verhängte das Familiengericht ein Zwangsgeld gegen Frau K. wegen Nichtbefolgung dieser Entscheidung. Auf die Beschwerde von Frau K. hin hob das Oberlandesgericht diese Entscheidung mit der Begründung auf, es bestünden erhebliche Bedenken, ob Frau K. zu einer Mitwirkung in der Lage sei. Das Oberlandesgericht berücksichtigte, dass Frau K. laut eines privaten ärztlichen Attests eines Psychologen an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Ferner hob es hervor, dass die psychischen Probleme von Frau K. geklärt werden müssten und die Einholung eines Sachverständigengutachtens im parallel geführten Sorgerechtsverfahren unerlässlich sei.

61. Der Gerichtshof stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die Entscheidung, die Zwangsgeldfestsetzung aufzuheben, vor allem auf die Annahme gestützt wurde, dass ein solches Zwangsgeld negative Auswirkungen auf Frau K. und somit auf das Kind haben könnte. Sie stütze sich also auf das Kindeswohl betreffende Erwägungen. In Anbetracht der Gefährdung seines Wohlergehens akzeptiert der Gerichtshof, dass das Oberlandesgericht Köln in diesem Verfahrensstadium angesichts der Tatsache, dass es sich nicht um die endgültige Entscheidung über den Umgang handelte, innerhalb seines Beurteilungsspielraums blieb, als es zu dem Schluss kam, dass die Beweisgrundlage ausreiche, um zur Abwendung einer potentiellen Kindeswohlgefährdung die Vollstreckung der Umgangsentscheidung vorübergehend auszusetzen.

62. Was die Zügigkeit des Vollstreckungsverfahrens angeht, nimmt der Gerichtshof zur Kenntnis, dass das Amtsgericht das Zwangsgeld am 9. Juli 2007 anordnete, also etwa einen Monat, nachdem der erste geplante Besuchskontakt am 2. Juni 2007 gescheitert war. Am 8. Februar 2008 entschied das Oberlandesgericht über das von Frau K. eingelegte Rechtsmittel. Das Vollstreckungsverfahren dauerte somit insgesamt sieben Monate und erstreckte sich über zwei Instanzen. Unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen kann der Gerichtshof nicht feststellen, dass das Vollstreckungsverfahren nicht mit besonderer Zügigkeit geführt wurde.

63. Folglich ist Artikel 8 der Konvention im Hinblick auf die Nichtdurchsetzung der Umgangsentscheidung vom 24. April 2007 nicht verletzt worden.

2. Aussetzung des Umgangsrechts

64. Der Gerichtshof muss als nächstes prüfen, ob bei der Aussetzung des Umgangs des Beschwerdeführers mit seinem Sohn das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Familienlebens, so wie es in Artikel 8 der Konvention niedergelegt ist, geachtet wurde.

(a) Die Stellungnahmen der Parteien

65. Der Beschwerdeführer behauptete, die Familiengerichte hätten sein Recht auf Achtung seines Familienlebens verletzt, weil sie ihn daran gehindert hätten, Umgang mit seinem Sohn zu haben, obwohl seine Fähigkeit und Bereitschaft, ihn zu betreuen, nie bestritten worden sei. Sie hätten es versäumt, ein unabhängiges Sachverständigengutachten zum Kindeswohl und zu der Frage einzuholen, ob seine Ablehnung, den Vater zu sehen, echt gewesen sei. Unter Bezugnahme auf seine Rügen bezüglich der Entscheidung des Oberlandesgerichts (siehe Rdnr. 56) wies der Beschwerdeführer ferner darauf hin, dass die Familiengerichte die von Frau K. vorgelegten privaten ärztlichen Atteste nie in Frage gestellt hätten, obwohl es dafür genügend Gründe gegeben hätte; auch hätten sie den behandelnden Psychologen von Frau K. nicht persönlich vernommen.

66. Die Regierung erkannte an, dass die angegriffenen Entscheidungen in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privatlebens eingriffen. Sie seien jedoch im Sinne von Artikel 8 gerechtfertigt gewesen, weil sie in einer demokratischen Gesellschaft notwendig gewesen seien. Die Aussetzung des Umgangsrechts sei unter den besonderen Umständen des vorliegendes Falls gerechtfertigt gewesen, um dem Kind die Möglichkeit zu geben, zur Ruhe zu kommen, und um zu erreichen, dass das Bild, das es von dem Beschwerdeführer habe, nicht mehr von den ständigen gerichtlichen Auseinandersetzungen überlagert sei. Es sei zulässig gewesen, dass das Oberlandesgericht D. nicht persönlich vernommen habe, bevor es über die Umgangsaussetzung entschieden habe, denn es hätten keine Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass sich die Auffassung von D. seit seiner Aussage vor dem Familiengericht im Jahr 2008 geändert habe. Darüber hinaus wäre mit einem erzwungenen Umgang die Gefahr einer nicht zu verantwortenden Retraumatisierung sowohl der Mutter als auch des Kindes verbunden gewesen.

(b) Würdigung durch den Gerichtshof

67. Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die Parteien darin übereinstimmen, dass die angegriffenen Entscheidungen einen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung des Familienlebens darstellten. Der Gerichtshof sieht keinen Grund, von dieser Schlussfolgerung abzuweichen.

68. Der vorstehend erwähnte Eingriff stellt eine Verletzung von Artikel 8 dar, es sei denn, er ist „gesetzlich vorgesehen“, verfolgt ein oder mehrere Ziele, die nach Abs. 2 dieser Bestimmung legitim sind, und kann als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ angesehen werden.

(i) „Gesetzlich vorgesehen“

69. Es war vor dem Gerichtshof nicht strittig, dass die betreffenden Entscheidungen auf innerstaatlichem Recht beruhten, nämlich § 1384 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in der zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung (siehe Rdnr. 36).

(ii) Legitimes Ziel

70. Nach Auffassung des Gerichtshofs zielten die von dem Beschwerdeführer gerügten Gerichtsentscheidungen auf den Schutz „der Gesundheit oder der Moral“ und „der Rechte und Freiheiten“ des Kindes ab. Sie verfolgten also legitime Ziele im Sinne von Artikel 8 Abs. 2.

(iii) „In einer demokratischen Gesellschaft notwendig“

71. Nun muss der Frage nachgegangen werden, ob im Lichte der einschlägigen Grundsätze der Rechtsprechung des Gerichtshofs, u. a. in der Rechtssache E. ./. Deutschland ([GK] Individualbeschwerde Nr. 25735/94, Rdnrn. 48-50, ECHR 2000‑VIII), die Aussetzung des Umgangs des Beschwerdeführers mit seinem Sohn „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war“.

72. Bei der Entscheidung über diese Frage prüft der Gerichtshof, ob im vorliegenden Fall die innerstaatlichen Gerichte im Lichte der Gesamtumstände und in Ausübung ihres Beurteilungsspielraums ihre Entscheidung, den Umgang des Beschwerdeführer für die Dauer von drei Jahren auszusetzen, auf zutreffende und hinreichende Gründe gestützt haben (siehe mit weiteren Nachweisen S. ./. Deutschland [GK], Individualbeschwerde Nr. 31871/96, Rdnr. 62, ECHR 2003‑VIII (Auszüge)).

73. Der Gerichtshof stellt fest, dass das Familiengericht bei seiner Entscheidung vom 12. Dezember 2008 (siehe Rdnr. 30) der Auffassung war, dass ein erzwungener Umgang das Kindeswohl ernsthaft gefährden würde, was es mit der mangelnden Kooperation zwischen den Eltern und der Tatsache, dass Frau K. aufgrund ihrer Belastungsstörung nicht in der Lage sei, das Kind auf Umgangskontakte vorzubereiten, begründete. Vor diesem Hintergrund sah es das Familiengericht als erforderlich an, den Umgang für die Dauer von drei Jahren auszusetzen, um dem Kind zu ermöglichen, eine Traumatherapie zu machen. Das Oberlandesgericht hob hervor, dass D. klar und nachdrücklich geäußert habe, seinen Vater nicht sehen zu wollen.

74. Unter diesen Umständen stellt der Gerichtshof fest, dass davon ausgegangen werden kann, dass die innerstaatlichen Gerichtsentscheidungen, mit denen der Umgang des Beschwerdeführers mit seinem Kind ausgesetzt wurde, zum Wohl des Kindes ergangen sind, das aufgrund seiner erheblichen Bedeutung den Interessen des Beschwerdeführers vorgehen muss. Der Gerichtshof ist folglich überzeugt, dass die deutschen Gerichte zutreffende Gründe für ihre Entscheidungen angeführt haben.

75. Bei der Beurteilung der Frage, ob diese Gründe auch im Sinne von Artikel 8 Abs. 2 hinreichend waren, prüft der Gerichtshof, ob der Entscheidungsprozess insgesamt dem Beschwerdeführer den erforderlichen Schutz seiner Interessen zuteil werden ließ (siehe u. a. T. P. und K. M. ./. Vereinigtes Königreich [GK], Individualbeschwerde Nr. 28945/95, Rdnr. 72, ECHR 2001‑V (Auszüge); und S. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 40324/98, Rdnr. 89, 10. November 2005). Hierbei kommt es auf den konkreten Hintergrund der Rechtssache an. Der Beschwerdeführer muss insbesondere in der Lage gewesen sein, alle Argumente vorzubringen, die für einen Umgang mit seinem Kind sprechen (siehe S., a. a. O., Rdnr. 68-69).

76. Der Gerichtshof stellt insoweit fest, dass dem Beschwerdeführer in dem Verfahren vor dem Familiengericht reichlich Gelegenheit gegeben wurde, sich persönlich oder über seinen Anwalt mündlich vor Gericht zu äußern. Er konnte seine Sache in der Verhandlung vom 25. November 2008, an der er teilnahm, vortragen (siehe Rdnr. 29); ferner hatte er Zugang zu allen relevanten Informationen, auf die sich die Gerichte stützten (siehe S., a. a. O., Rdnr. 69).

77. Der Gerichtshof erinnert ferner daran, dass die von den innerstaatlichen Gerichten angeführten Gründe für eine Verweigerung des Umgangsrechts nur dann hinreichend sind, wenn außerdem die Verfahrensweise des innerstaatlichen Gerichts als angemessen angesehen werden kann und genügend Material erbracht hat, um zu einer begründeten Entscheidung über die Frage des Umgangs in dem betreffenden Fall zu gelangen (siehe u. a. S., a. a. O., Rdnr. 94). Er stellt fest, dass sich der Beschwerdeführer in der vorliegenden Rechtssache in erster Linie gegen die Einschätzung der Gerichte in Bezug auf das Kindeswohl sowie gegen die fehlende Beweisgrundlage für diese Einschätzung, insbesondere eines Sachverständigengutachtens, wendete.

78. In diesem Zusammenhang nimmt der Gerichtshof zur Kenntnis, dass das Familiengericht im Sorgerechtsverfahren die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet hatte und das Umgangsverfahren am 20. März 2008 aussetzte, um dieses Gutachten abzuwarten (siehe Rdnr. 28). Allerdings wartete es die Fertigstellung dieses Gutachtens nicht ab, sondern traf stattdessen am 12. Dezember 2008 eine Entscheidung, bei der er sich auf das Sachverständigengutachten aus dem Jahr 2002 stützte. Wie der Gerichtshof in der Rechtssache S. (a. a. O., Rdnr. 71) festgestellt hat, ginge es zu weit zu sagen, dass innerstaatliche Gerichte in der Frage des Umgangsrechts eines nicht sorgeberechtigten Elternteils stets einen psychologischen Sachverständigen hinzuziehen müssen; ausschlaggebend hierfür sind vielmehr die besonderen Umstände des jeweiligen Falls. Im vorliegenden Fall führt die Berücksichtigung des Alters des Gutachtens, auf das sich das Familiengericht stützte – ca. sieben Jahre –, die Stellungnahme der Leiterin des Kinderhortes, wonach ein weiterer Umgang mit dem Beschwerdeführer für das Kind positiv gewesen wäre (siehe Rdnr. 20), und der Tatsache, dass das Jugendamt aufgrund der widersprüchlichen Darstellungen zur Situation des Kindes bereits 2007 die Einholung eines Sachverständigengutachtens empfohlen hatte (siehe Rdnr. 24) dazu, dass der Gerichtshof nicht überzeugt ist, dass eine ausreichende Beweisgrundlage vorhanden war, um ohne die Einholung eines solchen Gutachtens zu beurteilen, ob die Aussetzung des Umgangs dem Kindeswohl entsprach.

79. Soweit sich das Familiengericht auf die von Frau K. selbst vorgelegten privaten ärztlichen Atteste stützte, um nachzuweisen, dass sie nicht in der Lage sei, das Kind auf den Umgang vorzubereiten, stellt der Gerichtshof fest, dass Frau K. an der Verhandlung vom 25. November 2008 nicht teilgenommen hatte. Unter Berücksichtigung der Verhaltens von Frau K. während des Verfahrens insgesamt und im Hinblick auf die Bedeutung der Sache hätte das Familiengericht unter den gegebenen Umständen die Feststellung, dass Frau K. an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide, aufgrund derer sie das Kind nicht auf einen Umgang mit dem Beschwerdeführer vorbereiten könne, nicht auf Grundlage dieses privaten ärztlichen Gutachten treffen sollen, ohne ein Sachverständigengutachten oder jedenfalls den Vorteil des unmittelbaren Kontakts zu Frau K. gehabt zu haben. Der Gerichtshof stellt insoweit fest, dass das Oberlandesgericht in seiner Entscheidung vom 8. Februar 2008 festgestellt hat, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum psychischen Zustand von Frau K. unerlässlich sei (siehe Rdnr. 27).

80. Was die Tatsache angeht, dass das Familiengericht zur Begründung der Umgangsaussetzung auf die laufende therapeutische Behandlung des Kindes sowie auf seine Einschätzung, dass das Kind eine Ruhepause und eine Traumatherapie brauche, verwies, stellt der Gerichtshof fest, dass diese Feststellungen nicht auf Beweise gestützt zu sein scheinen. Die Äußerung des Kindes bei der Anhörung vom 8. Januar 2008 (siehe Rdnr. 26), dass es nur selten zu seiner Kinderärztin gehe, kann keine Bestätigung dafür sein, dass es sich im Dezember 2008 in einer laufenden Behandlung befand. In der Stellungnahme der Kinderärztin vom 11. März 2006, wonach das Kind einer Psychotherapie bedürfe, dafür aber noch zu jung sei (siehe Rdnr. 16), war von einer Traumatherapie überhaupt nicht die Rede. Vor allem aber lag die Stellungnahme zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits zwei Jahre und neun Monate zurück.

81. Was das Beschwerdeverfahren angeht, nimmt der Gerichtshof zur Kenntnis, dass der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde die Entscheidung des Familiengerichts, u. a. in Bezug auf die Beweisgrundlage, auf die es seine Entscheidung stützte (siehe Rdnr. 31), und die Tatsache, dass das Oberlandesgericht seine Entscheidung nach Aktenlage traf (siehe Rdnr. 34), rügte. Das Oberlandesgericht stützte sich insbesondere auf einen Brief des Kindes an seinen Verfahrenspfleger aus dem Jahr 2008, die Stellungnahme des Jugendamts vom 22. Juni 2007 und die Stellungnahme der Kinderärztin aus dem Jahr 2007, auf Stellungnahmen also, die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zwischen 18 und 24 Monate zurücklagen. Darüber hinaus stützte es sich auf die Äußerung des Kindes in seiner Anhörung vor dem Familiengericht im Januar 2008. Zur Frage der Anhörung des Kindes vor Gericht stellt der Gerichtshof fest, dass es generell Sache der nationalen Gerichte ist, das ihnen vorliegende Beweismaterial zu würdigen; dies gilt auch für die eingesetzten Mittel zur Feststellung des erheblichen Sachverhalts (siehe Vidal ./. Belgien, Urteil vom 22. April 1992, Serie A Bd. 235-B, S. 32-33, Rdnr. 33; und S. ./. Deutschland [GK], Individualbeschwerde Nr. 30943/96, Rdnr. 73, ECHR 2003‑VIII). In diesem Zusammenhang war das Kind zum letzten Mal 16 Monate zuvor durch das Familiengericht zur Frage des Sorgerechts angehört worden. In der Zwischenzeit hatte der Sachverständige am 30. Januar 2009 geäußert, dass ein Umgang mit dem Beschwerdeführer das Kindeswohl nicht gefährden würde. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Kind 16 Monate zuvor geäußert hatte, nicht mehr zum Gericht gehen zu wollen (vgl. Rdnr. 26), ist der Gerichtshof nicht überzeugt, dass die Anhörung des Kindes oder die Einholung neuer Erklärungen des Verfahrenspflegers, des Jugendamts oder der Kinderärztin keine relevanten Informationen über die gegenwärtige Haltung des Kindes ergeben hätten. Er ist daher der Auffassung, dass das Oberlandesgericht seinen Beurteilungsspielraum überschritt, als es seine Entscheidung traf, ohne neue Erklärungen der Beteiligten zu einzuholen.

82. Angesichts der vorgenannten Erwägungen und unter Berücksichtigung der bei Einschränkungen des Umgangsrechts gebotenen genauen Kontrolle und des engen Beurteilungsspielraums, der den innerstaatlichen Gerichten in Angelegenheiten zusteht, die das Recht eines Elternteils auf Umgang mit seinem noch nicht volljährigen Kind betreffen (siehe u. a. S., a. a. O., Rdnr. 63) haben nach Auffassung des Gerichtshofs die innerstaatlichen Gerichte nicht einwandfrei festgestellt, dass die Aussetzung des Umgangs des Beschwerdeführers für die Dauer von drei Jahren nach Artikel 8 Abs. 2 der Konvention gerechtfertigt war.

83. Folglich ist Artikel 8 der Konvention hinsichtlich der Entscheidung, das Umgangsrecht des Beschwerdeführers für die Dauer von drei Jahren auszusetzen, verletzt worden.

3. Die Durchführung des Umgangsverfahrens

84. Der Gerichtshof prüft schließlich, ob das Umgangsverfahren unter Wahrung des Rechts des Beschwerdeführers auf Achtung seines Familienlebens geführt wurde.

(a) Die Stellungnahmen der Parteien

85. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass ihm aufgrund der Ineffektivität des innerstaatlichen Verfahrens seit 1999 der Umgang mit seinem Sohn nicht möglich gewesen sei. Er vertrat die Ansicht, dass die innerstaatlichen Gerichte in dem Umgangsverfahren ihrer Pflicht zu außergewöhnlich zügigem Vorgehen nicht nachgekommen seien, wodurch seinem Familienleben ein irreparabler Schaden zugefügt worden sei, denn er habe keine stabile Beziehung zu seinem Sohn aufbauen können.

86. Die Regierung war der Ansicht, dass das Verfahren zügig geführt worden sei.

(b) Würdigung durch den Gerichtshof

87. In Bezug auf die positiven Pflichten des Staates nach Artikel 8 der Konvention (siehe Rdnr. 59) hat der Gerichtshof in früheren Rechtssachen bereits die Auffassung vertreten, dass die ineffektive und insbesondere verzögerte Durchführung von Sorgerechtsverfahren einen Verstoß gegen Artikel 8 der Konvention begründen kann (siehe Z. ./. Slowenien, Individualbeschwerde Nr. 43155/05, Rdnr. 142, 30. November 2010; und V.A.M. ./. Serbien, Individualbeschwerde Nr. 39177/05, Rdnr. 146, 13. März 2007).

88. Was die vorliegende Rechtssache angeht, nimmt der Gerichtshof zunächst zur Kenntnis, dass das Umgangsverfahren nach Meinung des Beschwerdeführers 1999 begann (siehe Rdnr. 85). Der Gerichtshof kann sich dieser Auffassung jedoch nicht anschließen. Zwar wurde das erste Umgangsverfahren 1999 eingeleitet (siehe Rdnr. 7), allerdings wurde es am 22. Oktober mit der Entscheidung des Familiengerichts Köln zur Frage des Umgangs abgeschlossen (siehe Rdnrn. 9 und 10). Das in Rede stehende Verfahren begann mit dem Antrag der Kindesmutter vom 20. Juni 2005, das Umgangsrecht des Beschwerdeführers auszusetzen (siehe Rdnr. 12). Im Rahmen dieses Verfahrens beantragte der Beschwerdeführer am 18. Januar 2006 eine neue Umgangsregelung. Da das Umgangsverfahren am 10. August 2009 mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers durch das Bundesverfassungsgericht endete (Rdnr. 35), dauerte es folglich durchschnittlich vier Jahre und zwei Monate in drei Instanzen. Während dieses Zeitraums erließ das Familiengericht zwei einstweilige Verfügungen, mit denen dem Beschwerdeführer Umgang gewährt wurde, der im Anschluss jedoch nicht stattfand.

89. Ferner ist der Gerichtshof angesichts der Tatsache, dass der Antrag der Kindesmutter auf die Aussetzung des Umgangs des Beschwerdeführers mit seinem Sohn abzielte, der Auffassung, dass das in Rede stehende Verfahren eine erhebliche Auswirkung auf das Familienleben des Beschwerdeführers hatte. Daher hatten die innerstaatlichen Behörden eine positive Verpflichtung zu außergewöhnlich zügigem Vorgehen bei der Verfahrensführung (vgl. Prodělalová ./. Tschechische Republik, Individualbeschwerde Nr. 40094/08, Rdnr. 62, 20. Dezember 2011).

90. Der Gerichtshof stellt insoweit fest, dass das Familiengericht für erhebliche Verfahrensverzögerungen verantwortlich war, insbesondere die fünf Monate von der Einleitung des neuen Verfahrens bis es einen Termin abhielt (siehe Rdnrn. 12 und 13), die drei Monate von der Mitteilung im September 2006, dass Umgangskontakte nicht hergestellt werden könnten, bis zu der Entscheidung, eine weitere Zeugenaussage einzuholen (siehe Rdnrn. 18 und 19), und eine achtmonatige Verzögerung, als das Familiengericht im März 2008 das Umgangsverfahren aussetzte (siehe Rdnr. 28). Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die sehr lange Verfahrensaussetzung zur Einholung eines Sachverständigengutachtens nur hätte gerechtfertigt sein können, wenn das Familiengericht im Rahmen der Prüfung der für seine Entscheidung erheblichen Tatsachen dieses Gutachten abgewartet und seinen Inhalt berücksichtigt hätte.

91. Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass der Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens trotz der beiden einstweiligen Verfügungen des Familiengerichts keinen Umgang mit seinem Sohn hatte.

92. Im Lichte der vorstehenden Ausführungen und im Hinblick auf die erhebliche Auswirkung auf das Familienleben des Beschwerdeführers gelangt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die deutschen Behörden ihren positiven Verpflichtungen aus Artikel 8 der Konvention nicht nachgekommen sind, was zur Folge hatte, dass der Umgang des Beschwerdeführers mit seinem Sohn mehr als vier Jahre lang eingeschränkt war.

93. Folglich ist Artikel 8 der Konvention in dem Umgangsverfahren verletzt worden.

V. BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 6 DER KONVENTION

A. Rüge der mangelnden Fairness in dem Verfahren vor den Familiengerichten

94. Der Beschwerdeführer rügte darüber hinaus, das Verfahren vor den Familiengerichten sei unfair gewesen. Insbesondere rügte er, dass das Oberlandesgericht das Kind nicht persönlich angehört habe. Er berief sich auf Artikel 6 der Konvention, der wie folgt lautet:

„Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche […] von einem […] Gericht in einem fairen Verfahren […] verhandelt wird.“

95. Der Gerichtshof stellt fest, dass diese Rüge mit der vorstehend geprüften Rüge verbunden ist und ebenfalls für zulässig zu erklären ist.

96. Im Hinblick auf die Feststellung zum verfahrensrechtlichen Aspekt von Artikel 8 ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die vorliegende Rüge keine eigene Frage nach Artikel 6 in Bezug auf die Fairness des Verfahrens vor den Familiengerichten aufwirft.

B. Rüge der Verfahrensdauer

97. Der Beschwerdeführer rügte auch, dass die Dauer des Verfahrens unter Verletzung von Artikel 6 Abs. 1 der Konvention über eine angemessene Frist hinausgegangen sei; diese Bestimmung lautet, soweit maßgeblich, wie folgt:

„Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen […] von einem […] Gericht […] innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.“

98. Die Regierung trug vor, dass der Beschwerdeführer den innerstaatlichen Rechtsweg im Sinne von Artikel 35 Abs. 1 der Konvention nicht erschöpft habe, weil er keinen Entschädigungsanspruch nach dem Rechtsschutzgesetz geltend gemacht habe.

99. Der Beschwerdeführer erwiderte, ein Entschädigungsanspruch hätte keine Aussicht auf Erfolg gehabt, wenn man berücksichtige, dass selbst die Regierung eine überlange Verfahrensdauer abstreite.

100. Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass er die Durchführung des Umgangsverfahrens, ihre Auswirkung auf den Ausgang dieses Verfahrens und die Auswirkung auf das Familienleben des Beschwerdeführers im Rahmen von Artikel 8 der Konvention geprüft hat. Hinsichtlich der Rüge der Verfahrensdauer nach Artikel 6 der Konvention stellt der Gerichtshof fest, dass dem Beschwerdeführer seit Inkrafttreten der Übergangsvorschrift des Rechtsschutzgesetzes am 3. Dezember 2011 die Möglichkeit offenstand, einen Anspruch auf gerechte Entschädigung geltend zu machen. Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass das Rechtsschutzgesetz grundsätzlich geeignet ist, angemessene Wiedergutmachung für eine Verletzung des Rechts auf ein Verfahren innerhalb angemessener Frist zu leisten, und dass von einem Beschwerdeführer erwartet werden kann, von diesem Rechtsbehelf Gebrauch zu machen, auch wenn er erst verfügbar wurde, nachdem er seine Individualbeschwerde beim Gerichtshof erhoben hat (siehe T. ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 53126/07, Rdnrn. 40-43, 19. Mai 2012). Nach Auffassung des Gerichtshof hat der Beschwerdeführer keine Gründe vorgebracht, die die Schlussfolgerung nahelegen würden, dass ein Anspruch auf gerechte Entschädigung keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, wenn er diesen im Hinblick auf die angeblich unangemessene Dauer des gerichtlichen Verfahrens geltend gemacht hätte. Die Tatsache allein, dass die Regierung eine überlange Verfahrensdauer bestritt, reicht nicht aus, um die Wirksamkeit dieses Rechtsbehelfs in Frage zu stellen.

101. Folglich ist dieser Teil der Beschwerde nach Artikel 35 Abs. 1 und 4 der Konvention wegen Nichterschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs zurückzuweisen.

VI. ANWENDUNG VON ARTIKEL 41 DER KONVENTION

102. Artikel 41 der Konvention lautet:

„Stellt der Gerichtshof fest, dass diese Konvention oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, und gestattet das innerstaatliche Recht der Hohen Vertragspartei nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen dieser Verletzung, so spricht der Gerichtshof der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung zu, wenn dies notwendig ist.“

A. Schaden

103. Der Beschwerdeführer forderte insgesamt 156.314,08 Euro in Bezug auf den materiellen Schaden. Er trug vor, dass die Nichtdurchsetzung seines Umgangsrechts durch das Gericht bei ihm zu erheblichen Symptomen von Stress und Depression geführt hätte, die ihn schließlich dazu gezwungen hätten, durch die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses im März 2002 eine vielversprechende berufliche Karriere aufzugeben. Die geforderte Summe entspreche dem Verdienstausfall in den Jahren 2003-2005, einschließlich Zinsen und entgangenen Betriebsrentenansprüchen.

104. Die Regierung bestritt, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses des Beschwerdeführers im Jahr 2002 und den in dem in Rede stehenden Verfahren gerügten Entscheidungen bestehe.

105. Der Gerichtshof kann keinen Kausalzusammenhang zwischen dem festgestellten Verstoß und dem behaupteten materiellen Schaden erkennen und weist diese Forderung daher zurück.

106. Der Beschwerdeführer machte ferner einen durch den Verlust des Umgangs mit seinem Sohn verursachten immateriellen Schaden geltend, dessen Bemessung er in das Ermessen des Gerichtshofs stellte.

107. Die Regierung stellt die Bemessung einer etwaigen Entschädigung für immateriellen Schaden in das Ermessen des Gerichtshofs.

108. Der Gerichtshof entscheidet nach Billigkeit und spricht dem Beschwerdeführer hinsichtlich der Verletzung seiner Rechte aus Artikel 8 der Konvention 10.000 Euro für den immateriellen Schaden zu.

B. Kosten und Auslagen

109. Der Beschwerdeführer machte ferner 18.934,65 Euro nebst Zinsen in Höhe von 3.709,04 Euro für die vor den innerstaatlichen Gerichten entstandenen Kosten und Auslagen sowie 2.748,42 Euro für Kosten und Auslagen vor dem Gerichtshof geltend.

110. Die Regierung trug vor, dass sich die in Bezug auf das Verfahren vor den innerstaatlichen Gerichten geltend gemachte Summe zum großen Teil aus Beträgen zusammensetze, die lange vor den Gerichtsbeschlüssen, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gewesen seien, entstanden seien. Die Regierung trug ferner vor, der Beschwerdeführer habe nicht plausibel dargelegt, welche Kosten ihm tatsächlich entstanden seien, und er habe auch nicht nachgewiesen, dass er die geltend gemachten Kosten beglichen habe.

111. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs hat ein Beschwerdeführer nur insoweit Anspruch auf Ersatz von Kosten und Auslagen, als nachgewiesen wurde, dass diese tatsächlich und notwendigerweise entstanden sind, um einer Verletzung von Konventionsrechten abzuhelfen, und wenn sie der Höhe nach angemessen sind. Der Gerichtshof stellt fest, dass er einen Verstoß gegen Artikel 8 der Konvention in Bezug auf die Aussetzung des Umgangsrechts und der Verfahrensführung festgestellt hat. Vor diesem Hintergrund hält es der Gerichtshof für angemessen, 4.000 Euro für Kosten und Auslagen vor den innerstaatlichen Gerichten und 2.748,42 Euro für das Verfahren vor dem Gerichtshof zuzusprechen.

C. Verzugszinsen

112. Der Gerichtshof hält es für angemessen, für die Berechnung der Verzugszinsen den Spitzenrefinanzierungssatz (marginal lending rate) der Europäischen Zentralbank zuzüglich drei Prozentpunkten zugrunde zu legen.

AUS DIESEN GRÜNDEN ENTSCHEIDET DER GERICHTSHOF EINSTIMMIG:

1. Die Individualbeschwerden werden verbunden;

2. der Beschwerdeführer ist nicht befugt, im Namen von D. zu handeln;

3. die Rügen des Beschwerdeführers nach Artikel 6 (hinsichtlich der Behauptung, dass das Verfahren vor den Familiengerichten unfair gewesen sei) und Artikel 8 der Konvention werden für zulässig und die Rügen nach Artikel 6 der Konvention bezüglich der überlangen Verfahrensdauer sowie die Rüge bezüglich der unterbliebenen Bestellung eines Verfahrenspflegers für unzulässig erklärt;

4. Artikel 8 der Konvention ist hinsichtlich der Nichtdurchsetzung der Umgangsentscheidung vom 24. April 2007 nicht verletzt worden;

5. Artikel 8 der Konvention ist in Bezug auf die Entscheidung, den Umgang des Beschwerdeführers für die Dauer von drei Jahren auszusetzen, und in Bezug auf die Führung des Umgangsverfahrens nicht verletzt worden;

6. es besteht keine Notwendigkeit, die Rüge bezüglich der Behauptung, dass das Verfahren vor den Familiengerichten unfair gewesen sei, im Hinblick auf Artikel 6 Abs. 1 der Konvention zu prüfen;

7.

(a) der beschwerdegegnerische Staat hat dem Beschwerdeführer binnen drei Monaten nach dem Tag, an dem das Urteil nach Artikel 44 Abs. 2 der Konvention endgültig wird, folgende Beträge zu zahlen:

(i) 10.000 EUR (zehntausend Euro) für immateriellen Schaden, zuzüglich gegebenenfalls zu berechnender Steuern;

(ii) 6.748,42 Euro (sechstausendsiebenhundertachtundvierzig Euro und zweiundvierzig Cent) für Kosten und Auslagen, zuzüglich der dem Beschwerdeführer gegebenenfalls zu berechnenden Steuern;

(b) nach Ablauf der vorgenannten Frist von drei Monaten fallen für die oben genannten Beträge bis zur Auszahlung einfache Zinsen in Höhe eines Zinssatzes an, der dem Spitzenrefinanzierungssatz (marginal lending rate) der Europäischen Zentralbank im Verzugszeitraum zuzüglich drei Prozentpunkten entspricht;

8. im Übrigen wird die Forderung des Beschwerdeführers nach gerechter Entschädigung zurückgewiesen.

Ausgefertigt in Englisch und schriftlich zugestellt am 6. Oktober 2016 nach Artikel 77 Abs. 2 und 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs.

Milan Blaško                                                        Ganna Yudkivska
Stellvertretender Sektionskanzler                           Präsidentin

Zuletzt aktualisiert am Dezember 5, 2020 von eurogesetze

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