Bei der im Leitfaden der Senatsverwaltung zur Sprachstandserhebung „Spiel mit mir!“ (für die Aufnahme in die Staatliche Europaschule Berlin) genannten Zeitangabe von „ca. 35-45 Minuten“ handelt es sich nicht um eine verbindliche Mindest- und Höchstdauer des Sprachtests.

Gericht: VG Berlin 35. Kammer
Entscheidungsdatum: 21.07.2021
Aktenzeichen: 35 L 169/21
ECLI: ECLI:DE:VGBE:2021:0721.35L169.21.00
Dokumenttyp: Beschluss

Leitsatz

Bei der im Leitfaden der Senatsverwaltung zur Sprachstandserhebung „Spiel mit mir!“ (für die Aufnahme in die Staatliche Europaschule Berlin) genannten Zeitangabe von „ca. 35-45 Minuten“ handelt es sich nicht um eine verbindliche Mindest- und Höchstdauer des Sprachtests. Auch eine Unterschreitung der genannten Zeitangabe stellt für sich genommen noch keinen Verfahrensfehler dar.
Die im Einzelfall erforderliche Mindestdauer des Sprachtests wird nur dann unterschritten, wenn der Prüfungszweck nicht erreicht wird. Der Prüfungszweck besteht vorliegend darin, mit jedem Kind alle Aufgaben des im Leitfaden vorstrukturierten Prüfungsprogramms zu absolvieren, um sich so ein hinreichend sicheres Bild von seinen sprachlichen Leistungen und Befähigungen machen zu können.

Verfahrensgang
vorgehend VG Berlin, 35 L 169/21, Beschluss

Tenor

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

1. Die Antragsteller begehren im Wesentlichen die Aufnahme der am 1…2015 geborenen Antragstellerin zu 1, Tochter der Antragstellerin zu 2 und des Antragstellers zu 3, in die Jahrgangsstufe 1 eines Zuges der Staatlichen Europa-Schule Berlin – SESB – an der Judith-Kerr-Grundschule mit den Partnersprachen Deutsch und Französisch zum kommenden Schuljahr 2021/2022.

2. Der Antrag vom 14. Juni 2021,

3. den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin zu 1 zum Schuljahr 2021/2022 vorläufig in eine erste Klasse der Judith-Kerr-Grundschule, Staatliche Europaschule Berlin – SESB –, aufzunehmen,

4. hilfsweise, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, die Sprachkenntnisse der Antragstellerin zu 1 in der Muttersprache Deutsch erneut zu überprüfen und für den Fall einer erfolgreichen Überprüfung zu verpflichten, die Antragstellerin zu 1 zum Schuljahr 2021/2022 vorläufig in eine erste Klasse der Judith-Kerr-Grundschule – SESB – aufzunehmen,

5. hat keinen Erfolg.

6. Der Antrag ist nach § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – zulässig, aber unbegründet.

7. Wegen des im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich zu beachtenden Verbots, die Entscheidung in einem Klageverfahren in der Hauptsache vorwegzunehmen, käme der Erlass der begehrten, dem (möglichen) Prozessergebnis in der Hauptsache weitgehend vorgreifenden einstweiligen Anordnung nur dann in Betracht, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten wäre, dass die von den Antragstellern am 14. Juni 2021 erhobene Klage VG 35 K 170/21 mit dem Ziel, die Antragstellerin zu 1 zum Schuljahr 2021/2022 als Schulanfängerin in die Judith-Kerr-Grundschule – SESB – aufzunehmen, Erfolg hätte (Anordnungsanspruch) und dass den Antragstellern durch die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren unzumutbare, irreparable Nachteile entstünden (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

8. Nach der im Eilverfahren gebotenen und nur möglichen summarischen Prüfung haben die Antragsteller gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung – ZPO – bereits nicht glaubhaft gemacht, dass sie über einen Anordnungsanspruch verfügen. Der Bescheid des Antragsgegners vom 19. Februar 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2021, zugestellt am 14. Mai 2021, mit dem eine Aufnahme der Antragstellerin zu 1 als Schulanfängerin an der Judith-Kerr-Grundschule – SESB – mangels Mindesteignung abgelehnt wird, erscheint als rechtmäßig und die Antragsteller nicht in ihren Rechten verletzend (§ 113 Abs. 5 VwGO).

9. 1. Rechtliche Grundlage für das Begehren der Antragsteller ist das Schulgesetz für das Land Berlin – SchulG – in Verbindung mit der gemäß § 18 Abs. 3 SchulG erlassenen Verordnung über die Aufnahme in Schulen besonderer pädagogischer Prägung – AufnahmeVO-SbP –.

10. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 AufnahmeVO-SbP ist die Judith-Kerr-Grundschule eine Staatliche Europa-Schule Berlin – SESB – mit den Partnersprachen Deutsch und Französisch. Nach § 3 Abs. 4 Sätze 1 und 10 AufnahmeVO-SbP nimmt die genannte Schule im Rahmen der Einschulung ausschließlich Kinder auf, die Deutsch oder Französisch altersgemäß wie eine Muttersprache beherrschen sowie bilinguale Kinder, die eine Partnersprache auf muttersprachlichem Niveau und die andere Sprache auf mindestens annähernd muttersprachlichem Niveau beherrschen (Mindesteignung). Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AufnahmeVO-SbP ist auch bei freien Kapazitäten die Eignung der Schülerinnen und Schüler für das spezifische Angebot der jeweiligen Schule erforderlich.

11. § 3 Abs. 4 Satz 3 AufnahmeVO-SbP regelt, dass die für die Aufnahme erforderlichen sprachlichen Kompetenzen in einer von der Schulaufsichtsbehörde einheitlich genehmigten Überprüfung nachzuweisen sind. Maßgeblich sind die zum Zeitpunkt der Überprüfung festgestellten Sprachkenntnisse (Satz 4). Die Überprüfung der muttersprachlichen Kenntnisse erfolgt durch die SESB (Satz 5). Je nachdem, welche Sprache als Muttersprache angegeben wird, erfolgt die Überprüfung in einem in Deutsch oder in der nichtdeutschen Partnersprache geführten Test; bei Kindern, die als bilingual angemeldet wurden, erfolgt sie in beiden Unterrichtssprachen (Satz 6). Das Testergebnis eines Standorts gilt für alle Standorte derselben Sprachkombination (Satz 7). Die Wiederholung des Tests ist unzulässig (Satz 8). Muttersprachliche Kenntnisse hat, wer im Test mindestens 80 Prozent der möglichen Punkte erreicht, annähernd muttersprachliche Kenntnisse hat, wer mindestens 60 Prozent der möglichen Punkte erreicht (Satz 9).

12. 2. Hiervon ausgehend haben die Antragsteller keinen Anspruch darauf, dass die Antragstellerin zu 1 im kommenden Schuljahr (vorläufig) in die Jahrgangsstufe 1 der Judith-Kerr-Grundschule – SESB – aufgenommen bzw. – als Minus – im Rahmen eines fiktiven Losverfahrens berücksichtigt wird (Hauptantrag), oder darauf, dass ihre Sprachkenntnisse zum Zweck der Aufnahme erneut überprüft werden (Hilfsantrag). Denn die Antragstellerin zu 1 verfügt nicht über die erforderliche Mindesteignung im Sinne der genannten Vorschriften. Entgegen der Ansicht der Antragsteller sind keine Fehler bei der Durchführung, Auswertung oder Bewertung der für die Aufnahme auf die Judith-Kerr-Grundschule – SESB – erforderlichen sprachlichen Kompetenzen der Antragstellerin zu 1 zu erkennen, aufgrund derer ein Anspruch auf Aufnahme in die genannte Schule bzw. auf weitere Berücksichtigung im Platzvergabeverfahren oder jedenfalls auf Neuüberprüfung ihrer Sprachkenntnisse bestehen könnte.

13. Die Überprüfung der Sprachkompetenzen der Antragstellerin zu 1 erfolgte am 6. November 2020 in der deutschen Sprache, nachdem die Antragstellerin zu 2 und der Antragsteller zu 3 sie am 6. Oktober 2020 für die Sprachgruppe „muttersprachlich Deutsch“ angemeldet hatten (Bl. 1734 des Verwaltungsvorgangs – VV –). Bei der Sprachprüfung erzielte die Antragstellerin zu 1 lediglich 75 von 100 möglichen Punkten. Sie erreichte somit nicht mindestens 80 Prozent der möglichen Punkte. Muttersprachliche Deutschkenntnisse im Sinne von § 3 Abs. 4 Sätze 1 und 9 AufnahmeVO-SbP liegen nicht vor.

14. Die Bewertung der muttersprachlichen Deutschkenntnisse der Antragstellerin zu 1 mit weniger als 80 Punkten ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Bei der Überprüfung der Sprachkenntnisse eines Bewerberkindes kommt der Schule ein Bewertungsspielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Das Gericht kann daher nur prüfen, ob die Testenden die rechtlichen Grenzen ihres Bewertungsspielraums überschritten haben. Dies ist der Fall, wenn Verfahrensfehler gemacht werden, die Testenden anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen (vgl. bspw. VG Berlin, Beschluss vom 12. Juni 2020 – VG 35 L 135/20 -, juris Rn. 35, m. w. N.).

15. a) Überschreitungen des Bewertungsspielraumes liegen hier jedenfalls nicht dergestalt vor, dass im Ergebnis von einer Mindesteignung der Antragstellerin zu 1 auszugehen wäre.

16. Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist die Bewertung von Aufgabe 10 im Testbereich 3 (Bl. 1740) mit zwei von drei Punkten nicht zu beanstanden. Das Gegensatz-Bilderpaar mit dem nahen und fernen bzw. dem großen und kleinen Haus hat die Antragstellerin zu 1 ausweislich des Protokolls wie folgt beschrieben: „Da ist das klein und da ist das groß. Da sieht man das von weiter weg, da sieht man es nicht von weiter weg.“ Der Leitfaden der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie vom August 2020 zur Sprachstandserhebung „Spiel mit mir!“ – Leitfaden – enthält neben den Auswertungsbögen zu den verschiedenen Aufgaben des Sprachtests auch detaillierte Erläuterungen zur Durchführung und Bewertung des Tests sowie organisatorische Vorgaben und Materialen zu den verschiedenen Testversionen. Zwar heißt es dort in den Nr. 9.3.3 und 9.3.5, dass bei der Beantwortung des Teilbereichs 3 (Gegensatz-Bilderpaare) die dargestellten Gegenstände, Tiere oder Personen nicht benannt werden müssen (S. 29 und 31 des Leitfadens). Allerdings steht dort auch, dass die Punkte nach der Komplexität der Aussage vergeben werden sollen (S. 31). Der erste von der Antragstellerin geäußerte Satz entspricht – mit korrekter Benennung des Unterschieds, aber ohne Benennung des dargestellten Gegenstandes – dem Bewertungsbeispiel auf S. 34 des Leitfadens, in welchem der Beispielsatz „Das da ist weit weg und das da ist ganz nah.“ ebenfalls mit zwei Punkten bewertet wird. Ein Bewertungsfehler ist insoweit daher nicht ersichtlich. Der zweite dokumentierte Satz benennt keinen Gegensatz (lediglich Verneinung: „von weiter weg“, „nicht von weiter weg“) und wäre damit ohnehin nicht besser zu bewerten gewesen (Bewertungsbeispiel auf S. 32 des Leitfadens: „Der ist dick und der nicht.“, ein Punkt).

17. Soweit die Antragsteller vortragen, dass die Antragstellerin zu 1 für die Aufgabe 7 im Testbereich 4B (Bl. 1741 VV) zu Unrecht null Punkte statt einen Punkt erhalten habe, weil die Antwort „vorn Stuhl“ die Kurzfassung für die mögliche Antwort „vor den Stuhl“ („Das Stofftier legt sich vor den Stuhl.“) sei, kann offenbleiben, ob hierin ein Bewertungsfehler liegt. Dafür, dass hier aufgrund korrekter Verwendung des Kasus ein Punkt hätte vergeben werden müssen, könnte sprechen, dass es im Leitfaden unter 6.4 (S. 14) heißt, dass Verschmelzungen von Präposition und Artikel zulässig seien, so beispielsweise „im“ statt „in dem“. Zwar stellt die Beispielsverschmelzung „im“ ein weitaus gebräuchlicheres Wort im Deutschen dar (Wortschatz des Goethe-Zertifikats B1; vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/im). Allerdings handelt es sich bei dem Wort „vorn“ laut Duden ebenfalls um eine – wenngleich umgangssprachliche – Verschmelzung von Präposition und Artikel (vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/vorn_vor_den_vor). Selbst wenn man daher allerdings zugunsten der Antragstellerin zu 1 unterstellt, dass bei dieser Aufgabe noch ein zusätzlicher Punkt hätte vergeben werden müssen, hätte sie nur 76 Punkte erzielt und damit immer noch die erforderliche Mindestanzahl von 80 Punkten verfehlt. Ein etwaiger Bewertungsfehler bei dieser Aufgabe würde sich nicht ergebnisrelevant auswirken.

18. b) Es lassen sich entgegen der Ansicht der Antragsteller auch keine sonstigen Verfahrensfehler bei der Durchführung des Sprachtests erkennen, welche zu einem abweichenden Testergebnis führen oder jedenfalls eine Neuüberprüfung der Sprachkenntnisse der Antragstellerin zu 1 erforderlich machen würden.

19. aa) Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist kein Verfahrensfehler hinsichtlich der den Sprachtest bewertenden Personen erkennbar. Nach Nr. 7.2 des Leitfadens bilden zwei Personen ein Team für die Sprachstandserhebung, bestehend aus Protokollant/-in und gesprächsführender Person. Die Auswertung findet im Test-Team statt und kann bei Bedarf auf andere Testende ausgeweitet werden (S. 15 f. des Leitfadens). Soweit die Antragsteller vortragen, dass die Bewertung des Sprachtests entgegen dieser Vorgaben nicht durch das gesamte Test-Team, bestehend aus Frau E… und Frau W…, durchgeführt worden sei, sondern nur durch Frau E…, haben sie dies nicht glaubhaft gemacht. Denn allein aus dem Umstand, dass Frau W… das Testprotokoll nicht unterzeichnet hat (vgl. Bl. 1742 VV), kann nicht geschlossen werden, dass Frau W… den Test zwar protokolliert, aber an der Bewertung nicht mitgewirkt habe. Vielmehr wird Frau W… im Testprotokoll explizit und wie im Protokollbogen vorgesehen als protokollierende Pädagogin namentlich und mit Datum aufgeführt; lediglich ihre eigenhändige Unterschrift fehlt. Einen konkreten Anhaltpunkt für die These der Antragsteller, dass Frau W… zwar Protokoll geführt, sich bei der Bewertung aber enthalten haben soll, tragen diese nicht vor und ein solcher ist auch sonst nicht ersichtlich. Insofern geht auch der Einwand der Antragsteller fehl, dass die Dokumentation der testenden Personen für eine wirksame Eignungsfeststellung erforderlich sei. Denn es ist vorliegend auch trotz fehlender Unterschrift der protokollführenden Pädagogin dokumentiert und eindeutig erkennbar (und insoweit von den Antragstellern auch gar nicht bestritten), welche zwei Personen als Test-Team den in Rede stehenden Sprachtest durchgeführt haben.

20. bb) Der Vortrag der Antragsteller, dass ein Verfahrensfehler dergestalt vorliege, dass der Sprachtest zeitlich verkürzt stattgefunden habe, greift ebenfalls nicht durch. Im oben genannten Leitfaden heißt es unter Nr. 5 „Erläuterungen zur Durchführung des Sprachtests“ und unter Nr. 7.1 „Organisatorisches für die Schulleitung“, dass die Sprachstandserhebung „zwischen 35 und 45 Minuten“ (S. 12 des Leitfadens) bzw. „ca. 35-45 Minuten“ dauere (S. 15 des Leitfadens). Vorliegend hat der Test laut dem Vortrag der Antragsteller lediglich 26 Minuten gedauert. Die Antragsteller haben dieses Vorbringen nicht näher belegt, obwohl dies angesichts ihrer Angabe, dass sie die Zeit wegen zwei am Anfang und am Ende des Tests versandten iMessages rekonstruieren könnten, nahegelegen hätte. Insofern ist bereits zweifelhaft, ob sie die Testzeit von 26 Minuten hinreichend glaubhaft gemacht haben.

21. Selbst wenn man jedoch angesichts der fehlenden Dokumentation von Testanfang und -ende im Verwaltungsvorgang von der vorgetragenen Testzeit von 26 Minuten ausgeht, ist hierin entgegen der Auffassung der Antragsteller kein Verfahrensfehler zu erkennen. Denn der Leitfaden normiert keine verbindliche Mindest- und Höchstdauer des in Rede stehenden Sprachtests. Bereits der Wortlaut der zweiten Formulierung im Leitfaden („ca. 35-45 Minuten“) weist durch das Wort „ca.“ darauf hin, dass es sich nur um eine ungefähre Angabe des zeitlichen Rahmens handeln soll, der bei der Durchführung des Sprachtests erfahrungsgemäß zu veranschlagen sein dürfte, nicht aber um einen strikt einzuhaltenden Zeitumfang. Dem entspricht in systematischer Hinsicht, dass die zweite Nennung des Zeitrahmens im organisatorischen Teil des Leitfadens erfolgt (S. 15 ff. des Leitfadens) und somit anscheinend vor allem dazu dienen soll, mittels eines Richtwertes die Organisation der Testtage an den einzelnen Schulen zu vereinfachen. Zudem ist aufgrund der Prüfungsart des in Rede stehenden Sprachtests auch vor dem Hintergrund der Wahrung der Chancengleichheit der Bewerberinnen und Bewerber keine Festlegung eines verbindlich einzuhaltenden Zeitrahmens erforderlich. Eines solchen bedarf es lediglich bei offenen mündlichen Prüfungsgesprächen, wenn im Rahmen von offen gestellten und gegebenenfalls weitergehenden Fragen den jeweiligen zu prüfenden Personen dieselbe Chance zum Nachweis ihrer Kenntnisse, zur Korrektur oder zum Ausgleich ihrer Aussagen oder Darlegung weiteren themenrelevanten Wissens gegeben werden soll wie den anderen Prüflingen. Denn eine relevante Unterschreitung der vorgeschriebenen Prüfungsdauer birgt dann die Gefahr einer chancenungleichen Verfälschung des Prüfungsergebnisses (vgl. VG Hannover, Urteil vom 12. März 2009 – 6 A 5912/08 -, juris Rn. 26; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 4. Dezember 2013 – 14 A 2138/12 -, juris Rn. 25; s. zudem Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 407). Vorliegend handelt es sich jedoch um ein von vorneherein einheitlich vorstrukturiertes Prüfungsprogramm: Der Umfang der von den Kindern zu beantwortenden Fragen ist von dem Leitfaden klar vorgeschrieben und die für das Erreichen der jeweiligen Maximalpunktzahl erforderlichen Antworten der Kinder beschränken sich jeweils pro Unteraufgabe auf einzelne Sätze, ohne dass hier bei einer längeren Antwortzeit die Darlegung weiteren Wissens möglich wäre. Die im Einzelfall erforderliche Mindestdauer folgt daher lediglich aus dem Prüfungszweck, der vorliegend darin besteht, mit jedem Kind alle Aufgaben des strukturierten Prüfprogramms zu absolvieren, um sich so ein hinreichend sicheres Bild von seinen sprachlichen Leistungen und Befähigungen machen zu können (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. Juni 2017 – 19 B 501/17 -, juris Rn. 6; BFH, Urteil vom 11. November 1997 – VII R 66/97 -, juris Rn. 14 ff.; Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O.). Diese im Einzelfall erforderliche Mindestdauer kann daher die im Leitfaden genannten „ca. 35-45 Minuten“ – so wie hier mit 26 Minuten – unterschreiten, ohne dass diese Unterschreitung für sich genommen einen Verfahrensfehler darstellt.

22. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass im konkreten Fall die (unterstellte) Dauer des Tests von 26 Minuten wegen weiterer hinzutretender Aspekte zu einem Nachteil für die Antragstellerin zu 1 geführt hätte. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der genannte Prüfungszweck – mit jedem Kind alle Aufgaben des strukturierten Prüfprogramms zu absolvieren, um sich so ein hinreichend sicheres Bild von seinen Leistungen und Befähigungen machen zu können – im Rahmen des Sprachtests nicht erreicht worden wäre. Hierfür liegen entgegen der Auffassung der Antragsteller keine Anhaltspunkte vor: Dass die Antragstellerin zu 1 bei Aufgabe 8 im Testbereich 4 (Bl. 1741 VV) laut Protokoll keine Antwort gegeben hat, ist kein hinreichendes Indiz dafür, dass ihr nicht ausreichend Zeit gelassen worden wäre, um zu antworten. Es ist nicht ersichtlich, dass die testenden Personen die Antragstellerin zu 1 gerade bei dieser Aufgabe unter Zeitdruck gesetzt hätten. Vielmehr handelt es sich bei den beiden Testerinnen um geschulte Pädagoginnen, bei denen davon auszugehen ist, dass sie einschätzen können, ob (noch) mit einer Antwort zu rechnen ist oder nicht. Hinzu kommt, dass ausweislich des Protokolls die beiden nachfolgenden Aufgaben 9 und 10 von der Antragstellerin zu 1 beantwortet worden sind, weshalb davon auszugehen ist, dass ihr hierfür – wie dann ebenfalls bei der in Rede stehenden vorherigen Aufgabe 8 – genügend Zeit eingeräumt wurde.

23. Entgegen der Auffassung der Antragsteller war der Antragstellerin zu 1 bei Beantwortung von Aufgabe 2 im Testbereich 3 (Bl. 1739 f. VV) keine zusätzliche Zeit einzuräumen. Sie hat bei dem Gegensatz-Bilderpaar mit dem dicken und dem dünnen Clown ausweislich des Protokolls geantwortet „Da ist ein Clown der normal ist und ein Clown der nicht normal ist“ (Bl. 1739 VV). Dass die beiden eindeutig abgebildeten Clowns „ablenkend“ aussähen, erscheint dem Gericht fernliegend. Da die Antragstellerin zu 1 eine vollständige Antwort gegeben hat und auch die Aufgaben davor und danach größtenteils zutreffend beantwortet hat, bestehen keine Zweifel, dass sie die Aufgabenstellung im Bereich 3 richtig verstanden hatte und insofern kein weiterer Erklärungsbedarf bestand. Der Leitfaden sieht nicht vor, den Kindern nach einer nicht zur Höchstpunktzahl führenden Antwort – so wie hier – zusätzliche Zeit zum erneuten Antwortversuch einzuräumen oder ihnen gar darüber hinaus (wie von den Antragstellern vorgeschlagen) weitere Hilfestellung zu geben. Ein solches Vorgehen wäre vielmehr mit dem Grundsatz der Chancengleichheit nur schwer in Einklang zu bringen.

24. cc) Der Test ist ferner zur Überprüfung der nach § 3 Abs. 4 Sätze 1, 10 und 11 AufnahmeVO-SbP erforderlichen Sprachkompetenzen geeignet.

25. Ausweislich des Leitfadens handelt es sich bei der Sprachstandsüberprüfung „Spiel mit mir!“ um eine adaptierte Version des Vorgängertests „Bärenstark“. Es bestehen keine Zweifel an der (inhaltlichen) Geeignetheit des vom Antragsgegner verwendeten Tests „Spiel mit mir!“. Solche werden von den Antragstellern zwar behauptet, aber nicht ausreichend substantiiert dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht. Laut Einleitung des Leitfadens soll der Test so konzipiert sein, dass die Kinder in vier unterschiedlichen Situationen so viel wie möglich von ihrem eigenen Sprachkönnen in ihrer Erstsprache oder bei bilingualen Kindern in beiden Sprachen zeigen können. Dies soll in kommunikativen Situationen durch das Agieren mit einem Medium (einem Stofftier), durch Erzählbilder und Bildkarten geschehen. Die Impulse sollen entweder mit einem Stofftier, mit dem Kinder gerne handeln, oder mit Bildern, die kindgerecht gezeichnet sind und Situationen abbilden, die der Erfahrungswelt der Kinder entsprechen, verbunden sein. Es ist davon auszugehen, dass die den Bewerberkindern im Rahmen der Sprachstandsüberprüfung abverlangten spielerischen Aktivitäten und Äußerungen altersangemessen und beherrschbar sind. Die Konzeption des Tests unterscheidet sich nicht grundlegend von seiner Vorgängerversion, dem Test „Bärenstark“, der bereits mehrfach Gegenstand gerichtlicher Überprüfung war und mit seinen vier Aufgabenbereichen und seinem differenzierten Bewertungssystem als zur Überprüfung der sprachlichen Kompetenzen geeignet anzusehen ist (vgl. VG Berlin, Beschlüsse vom 13. August 2018 – VG 9 L 421.18 -, BA S.5 und vom 4. Juni 2020 – VG 35 L 141/20 -, juris Rn. 21 f. m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. August 2020 – OVG 3 S 51/20 -, juris Rn. 4 ff.).

26. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Test „Spiel mit mir!“ keine hinreichende Eignungsprognose ermöglichen würde und nicht unter Berücksichtigung pädagogischer und sprachwissenschaftlicher Erkenntnisse sowie der für einen bilingualen Unterricht erforderlichen sprachlichen Voraussetzungen entwickelt worden wäre (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 23. Juli 2020 – 35 L 276/20 -, juris Rn. 19 ff.) So spricht auch nichts für die Behauptung, dass die Aufgabenstellung des Aufgabenbereichs 2 „Das Wimmelbild“ (vgl. Bl. 1738 VV) nicht objektiv und zuverlässig sei und somit den Grundsatz der Chancengleichheit der Bewerberkinder verletze. Zwar trifft es zu, dass es den Bewerberkindern freisteht zu wählen, welche der auf dem Wimmelbild abgebildeten Teilszenen sie beschreiben möchten. Anders als die Antragsteller meinen, ergibt sich daraus aber keine Benachteiligung für Kinder, die bestimmte Teilszenen für ihre Beschreibung auswählen. Die von den Antragstellern im Schriftsatz vom 26. Juni 2021 insoweit gebildeten Beispiele und die Unterscheidung zwischen „sprachlich günstigen“ und „sprachlich ungünstigen“ Teilszenen wirken konstruiert. Vielmehr lassen sich die Geschehnisse in allen Bildausschnitten mit derart komplexen Sätzen beschreiben, dass eine Vergabe der Höchstpunktzahl erreicht werden kann. Dies wird durch die Beispielsätze unter Nr. 9.2.7 des Leitfadens (S. 26 bis 28) veranschaulicht. Dass die Bildung von komplexen Sätzen bestehend aus Subjekt, Prädikat und Ergänzung(en) ohne Weiteres möglich ist, belegen auch die beiden Antworten der Antragstellerin zu 1, für die sie die volle Punktzahl erhalten hat. Im Übrigen gibt der Leitfaden vor, dass die Bewerberkinder zu „vollständigen/langen“ Sätzen animiert werden sollen. Es hängt mithin nicht vom Zufall, sondern von den sprachlichen Fähigkeiten des jeweiligen Bewerberkindes ab, welche Punktzahl in diesem Teil des Tests erreicht wird.

27. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes, wobei die Kammer in schulrechtlichen Eilverfahren nach den Nrn. 1.5 Satz 1 Hs. 1 und 38.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzusetzenden Auffangstreitwertes zugrunde legt.

Zuletzt aktualisiert am August 17, 2021 von eurogesetze

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