Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 9. Senat. Entscheidungsdatum: 27.07.2021. Aktenzeichen: OVG 9 S 20/21

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 9. Senat
Entscheidungsdatum: 27.07.2021
Aktenzeichen: OVG 9 S 20/21
ECLI: ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0727.OVG9S20.21.00
Dokumenttyp: Beschluss

politische Stiftungen; Recht auf Chancengleichheit; Internetauftritt; politische Bildung; staatliche Förderung

Verfahrensgang
vorgehend VG Berlin, 30. April 2021, 6 L 96/21 Berlin, Beschluss

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. April 2021 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1. Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO im Rahmen der Beschwerdedarlegungen der Antragstellerin entscheidet, ist unbegründet.

2. Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, die entscheidungserheblichen Annahmen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Beschluss zu erschüttern (zum Prüfungsmaßstab vgl. Beschluss des Senats vom 24. Oktober 2012 – OVG 9 S 61.12 -, juris).

3. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Antragstellerin die Voraussetzungen für den Erlass einer die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden einstweiligen Anordnung nicht glaubhaft gemacht habe. Ein Anordnungsanspruch ergebe sich nicht aus dem Neutralitätsgebot gemäß Art. 21 Abs. 1 GG, weil diese Vorschrift nur auf Parteien, nicht jedoch auf politische Stiftungen anwendbar sei. Eine Erweiterung des Gewährleistungsbereichs von Art. 21 Abs. 1 GG auf politische Stiftungen komme nicht in Betracht, weil diese ihrer Zwecksetzung und Aufgabenstellung nach nicht mit politischen Parteien vergleichbar seien. Das Neutralitätsgebot diene der gleichberechtigten Teilnahme von Parteien am politischen Wettbewerb. Gegenüber politischen Gruppierungen, die nicht als politische Parteien organisiert seien und sich nicht an Wahlen beteiligten, bestehe deshalb keine vergleichbare Interessenlage. Dies gelte erst recht für politische Stiftungen. Auf eine mögliche mittelbare Benachteiligung der ihr nahestehenden Partei Alternative für Deutschland – AfD – könne sie sich mangels Verletzung eigener Rechte nicht berufen.

4. Ein Anordnungsanspruch ergebe sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. einer Selbstbindung der Verwaltung, da auf der Homepage des BMI aufgrund der Informations- und Öffentlichkeitsarbeit der Antragsgegnerin nur politische Stiftungen erwähnt würden, die eine finanzielle Förderung aus dem Bundeshaushaltsplan erhielten, was bei der Antragstellerin nicht der Fall sei. Darin liege ein hinreichender sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung der Antragstellerin. Eine Verletzung des Willkürverbots liege auch nicht darin, dass in dem maßgeblichen Artikel nicht ausdrücklich erklärt werde, dass nur die politischen Stiftungen aufgeführt würden, die eine Förderung erhielten. Denn der Beitrag verlinke einen Artikel auf der Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung, der unter anderem auf die überwiegende Finanzierung politischer Stiftungen aus öffentlichen Mitteln – Globalzuschüsse aus dem Haushalt des BMI – verweise. Auch der beanstandete Artikel selbst enthalte einen Hinweis auf Zuwendungen als Grundlage einer staatlichen Informationstätigkeit zu politischen Stiftungen, soweit es dort heiße, die „Förderung ihrer gesellschaftspolitischen und demokratischen Bildungsarbeit“ sei „Bildungsförderung im gesellschaftlichen Pluralismus“. Der Beitrag diene zuvörderst der Darstellung der Zuständigkeiten und Maßnahmen des BMI. Für eine Erwähnung der nicht geförderten Antragstellerin im Wege eines erweiterten Begriffs der politischen Stiftung bestehe daher keine Veranlassung. Auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Entfernung der Aufzählung der derzeit geförderten sechs Stiftungen nebst Verlinkungen und Darstellungen von Logos und Schriftzügen habe daher keinen Erfolg. Jedenfalls sei nicht ersichtlich, dass der Antragstellerin für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens schwere und unzumutbare Nachteile drohten. Auf mögliche Benachteiligungen der AfD im Wahlkampf könne sie sich nicht berufen.

5. Soweit die Beschwerde hiergegen einwendet, der Anordnungsanspruch ergebe sich aus dem gemäß Art. 21 Abs. 1 GG gewährleisteten Recht auf Chancengleichheit, greift dies nicht durch. Wie bereits das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zutreffend ausgeführt hat, sind politische Stiftungen von den Parteien rechtlich, organisatorisch und personell unabhängig (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1986 – 2 BvE 5/83 – BVerfGE 73, 1, 31 f., juris Rn. 106 f.; vgl. im Übrigen Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 21 Rn. 9; BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1998 – 3 C 55/96-, juris Rn. 38, 39), sodass sich die Antragstellerin nicht auf diesen Grundsatz berufen kann. Für eine mittelbare Verletzung des Gebots der parteipolitischen Neutralität ist ebenfalls kein Raum, da die Antragstellerin im Rahmen der Antragsbefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog nur eigene subjektive Rechtspositionen geltend machen kann.

6. Der Einwand der Antragstellerin, der Anordnungsanspruch ergebe sich jedenfalls aus dem Willkürverbot gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, verfängt ebenfalls nicht. Grundsätzlich ist der Umstand, ob eine politische Stiftung eine öffentliche Förderung durch Globalzuschüsse erhält, ein sachlich gerechtfertigtes Kriterium für eine Erwähnung bzw. Nichterwähnung auf der Internetseite des BMI. Soweit die Antragstellerin darauf verweist, das BMI lasse auf der Internetseite diese Differenzierung nicht erkennen bzw. erwecke den Eindruck, es würden alle einer Partei nahestehenden Stiftungen erwähnt, dringt sie damit nicht durch. Die Antragstellerin setzt sich insoweit schon nicht mit den weiteren Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinander. Danach ergebe sich der Umstand, dass nur geförderte Stiftungen erwähnt würden, einerseits aus einem auf die Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung verlinkten Beitrag und zudem auch daraus, dass der verfahrensgegenständliche Beitrag einen Hinweis auf Zuwendungen als Grundlage einer staatlichen Informationstätigkeit zu politischen Stiftungen enthalte. Darüber hinaus diene der Internetauftritt zuvörderst der Darstellung der Zuständigkeiten und Maßnahmen des BMI, etwa im Bereich der politischen Bildung.

7. Soweit die Antragstellerin einen expliziten Hinweis dahingehend vermisst, dass nur staatlich geförderte politische Stiftungen auf der genannten Internetseite erwähnt werden, ist im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen und unter Berücksichtigung der Gestaltungsfreiheit der Antragsgegnerin in Bezug auf ihre Internetseiten eine entsprechende Anspruchsgrundlage nicht dargetan.

8. Sofern die Antragstellerin geltend macht, sie müsse eigentlich mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt gefördert werden und habe deshalb einen Anspruch auf Erwähnung auf der Internetseite des BMI, ist dem entgegenzuhalten, dass diese Frage nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Insofern ist die Antragstellerin auf den Ausgang der von ihr vor dem Verwaltungsgericht Köln erhobenen Klage zu verweisen.

9. Das Verwaltungsgericht hat des Weiteren eigenständig unter Ziffer 2. tragend („unabhängig hiervon“) darauf abgestellt, dass die Antragstellerin einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht habe. Sofern es in dem Beschluss heißt, sie habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, handelt es sich im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen zu Ziffer 1. um einen Schreibfehler. Die Antragstellerin, die mit ihrem Beschwerdevorbringen Benachteiligungen der AfD geltend macht, setzt sich nicht mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinander, wonach nicht ersichtlich sei, dass ihr im Hinblick auf ihren Zweck und ihre Aufgabe für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens durch ihre Nichterwähnung auf der Homepage des BMI schwere und unzumutbare Nachteile drohten und sie sich nicht auf mögliche Benachteiligungen der AfD im Wahlkampf berufen könne.

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.

11. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Zuletzt aktualisiert am August 17, 2021 von eurogesetze

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