Gericht: VG Berlin 6. Kammer. Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Genehmigung zur zeitweisen Vermietung ihrer Wohnung in Berlin als Ferienwohnung.

Gericht: VG Berlin 6. Kammer
Entscheidungsdatum: 06.08.2021
Aktenzeichen: 6 K 151/20
Dokumenttyp: Urteil

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bezirksamtes Pankow von Berlin vom 29. April 2020 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 22. Juni 2020 verpflichtet, der Klägerin für die Wohnung L… eine Genehmigung für eine nach Tagen oder Wochen bemessene kurzzeitige Vermietung für 90 Tage pro Kalenderjahr ab dem 1. Juni 2020 zu erteilen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1. Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Genehmigung zur zeitweisen Vermietung ihrer Wohnung in Berlin als Ferienwohnung.

2. Die Klägerin ist Staatsangehörige von Malaysia mit Wohnsitz in Namibia, wo sie gemeinsam mit ihrem aus Berlin stammenden, inzwischen geschiedenen Ehemann das dort gegründete Hotel leitet. Sie ist seit 2009 Eigentümerin einer 84m² großen 2- Zimmer-Wohnung in der L… und dort seit Mai 2009 ununterbrochen gemeldet. Sie nutzt die Wohnung nach ihren Angaben im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren für Aufenthalte zum Besuch ihres Freundes- und Bekanntenkreises sowie der Familie ihres geschiedenen Ehemannes in Berlin, jeweils an ca. 100 Tagen im Jahr. Während ihrer Abwesenheit vermietet sie die Wohnung als Ferienwohnung.

3. Mit Bescheid vom 27. Juni 2017 erhielt die Klägerin antragsgemäß eine bis zum 31. Mai 2020 befristete Genehmigung zur kurzzeitigen Vermietung der Wohnung.

4. Am 8. April 2020 beantragte die Klägerin bei dem Bezirksamt Pankow die erneute Genehmigung für eine nach Tagen oder Wochen bemessene kurzzeitige Vermietung für 182 Tage im Kalenderjahr. Aus privaten Gründen sei sie sehr regelmäßig in Berlin aufhältlich, fast jeden Monat, etwa 100 bis 120 Tage pro Jahr, die Wohnung stehe daher nicht zur permanenten Vermietung an Dritte zur Verfügung.

5. Mit Bescheid vom 29. April 2020 lehnte das Bezirksamt den Antrag ab. Wohnnutzung bedeute ein selbstbestimmt geführtes privates Leben in den „eigenen vier Wänden“, auf Dauer angelegt und keinem anderen Nutzungszweck verschrieben, insbesondere keinem Erwerbszweck. Die tatsächlichen Berlin-Aufenthalte der Klägerin seien zwar unstreitig; da ihr Nutzungskonzept allerdings auf den ständigen Wechsel der Belegung der Wohnung, insbesondere nach Häufigkeit und Frequenz nicht nur auf vernachlässigbare Ausnahmefälle beschränkte Überlassung an Dritte angelegt sei, stehe der Erwerbszweck als wesentlicher Hauptzweck eindeutig im Vordergrund und verdränge damit faktisch den angeblichen Wohnzweck.

6. Den Widerspruch der Klägerin wies das Bezirksamt mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2020 zurück. Es gebe keine vernünftigen Zweifel am überwiegend gewerblichen Nutzungszweck. Es gehe zu Lasten der eine Ausnahmegenehmigung begehrenden Klägerin, wenn sich das Bezirksamt auch bei wohlwollender Beurteilung des Sachverhalts nicht dazu entschließen könne, das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen erforderlicher Wohnzweckbestimmung und Innehabung zu Wohnzwecken abschließend zu bejahen.

7. Hiergegen hat die Klägerin am 27. Juli 2020 Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin erhoben. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ihre Wohnung sei vollständig mit eigenen Möbeln eingerichtet, außerdem bewahre sie dort ihre Winterkleidung auf, die sie in Namibia witterungsbedingt nicht benötige. Die Wohnung sei mit einer Vielzahl von Dingen des täglichen Bedarfs ausgestattet. Sie erhalte an die Berliner Adresse Post einschließlich Bankunterlagen. Bei ihren Berlin-Aufenthalten koche sie in der Wohnung, übernachte dort und empfange Übernachtungsbesuch von Freunden. Sie nutze die Wohnung selbst an ca. 100 Tagen im Jahr, in der Vergangenheit habe sie die Wohnung an bis zu 150 Tagen vermietet. An den übrigen Tagen stehe die Wohnung leer. Für die Zeiträume der geplanten Selbstnutzung sperre sie den Buchungskalender. Zuletzt habe sie sich vom 29. August 2020 bis zum 7. Januar 2021 ununterbrochen in ihrer Wohnung in Berlin aufgehalten.

8. Die Klägerin beantragt sinngemäß,

9. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Bezirksamtes Pankow von Berlin vom 29. April 2020 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 22. Juni 2020 zu verpflichten, ihr für die Wohnung L… eine Genehmigung für eine nach Tagen oder Wochen bemessene kurzzeitige Vermietung für 90 Tage pro Kalenderjahr ab dem 1. Juni 2020 zu erteilen

10. sowie festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für das Vorverfahren notwendig war.

11. Der Beklagte beantragt,

12. die Klage abzuweisen.

13. Er wiederholt und vertieft im Wesentlichen seine Begründung aus dem Widerspruchsbescheid und verweist auf die seiner Einschätzung nach „hotelähnliche Einrichtung“ der Wohnung, mit insgesamt acht Betten in zwei Zimmern. Die tatsächlichen Aufenthalte in Berlin würden nicht bestritten, diese seien jedoch rechtlich nicht als Wohnnutzung zu werten. Hierbei sei die zwischenzeitliche Fremdnutzung durch fremde Dritte entscheidend.

14. Der Rechtsstreit ist durch Beschluss der Kammer vom 30. Oktober 2020 der Berichterstatterin zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen worden.

15. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16. Über die Klage konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit jeweils einverstanden erklärt haben (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).

17. I. Die Verpflichtungsklage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Genehmigung, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der versagende Bescheid des Beklagten vom 29. April 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2020 ist rechtswidrig und verletzt sie in ihren Rechten.

18. Der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung für eine nach Tagen oder Wochen bemessene kurzzeitige Vermietung als Ferienwohnung beurteilt sich nach § 3 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsverbot-Gesetz – ZwVbG – vom 29. November 2013, GVBl. 2013, 626, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Oktober 2020, GVBl. S. 807). Eine Genehmigung zur Nutzung von Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken kann nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ZwVbG erteilt werden, wenn vorrangige öffentliche Interessen oder schutzwürdige private Interessen das öffentliche Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraums überwiegen. Überwiegende schutzwürdige private Interessen sind nach § 3 Abs. 3 Nr. 3, 1. HS ZwVbG bei einer Nebenwohnung nur anzuerkennen, wenn die Nutzung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 an höchstens 90 Tagen im Jahr erfolgt.

19. 1. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Klägerin ihre Wohnung durch die beabsichtigte Vermietung an Dritte als Ferienwohnung im Sinn des § 2 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. ZwVbG zweckfremd nutzen möchte. Danach liegt Zweckentfremdung im Sinne dieses Gesetzes vor, wenn Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken genutzt wird, insbesondere wenn Wohnraum zum Zwecke der wiederholten nach Tagen oder Wochen bemessenen Vermietung als Ferienwohnung verwendet wird. Die Kurzzeitvermietung der Wohnung der Klägerin an wechselnde Feriengäste stellt eine solche genehmigungsbedürftige Zweckentfremdung von Wohnraum dar.

20. Demgegenüber bedarf die Klägerin keiner zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung, soweit sie die Wohnung als Zweitwohnung (bzw. im Sprachgebrauch der Neufassung des ZwVbG in der am 20. April 2018 in Kraft getretenen Fassung durch die 2. Novellierung mit Gesetz vom 9. April 2018, GVBl. 2018, 211 als Nebenwohnung) zu Wohnzwecken selbst nutzt. Wohnraum wird nicht zweckentfremdet, wenn er nur von Zeit zu Zeit bzw. als zusätzliche Wohnung zu Wohnzwecken bewohnt wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Februar 1975 – 2 BvL 5/74 –, juris Rn. 54; VG Berlin, Urteil vom 15. November 2017 – VG 6 K 1569.16 –, juris Rn. 29 m.w.N.; Urteil vom 12. April 2018 – VG 6 K 74.17 –, Entscheidungsabdruck S. 9 f.).

21. Zum Wohnen im zweckentfremdungsrechtlichen Sinne gehört die Gesamtheit der mit der Führung des häuslichen Lebens und des Haushalts verbundenen Tätigkeiten, eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit und die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2017 – BVerwG 4 CN 6.17 –, juris Rn. 14; VG München, Urteil vom 29. Juli 2015 – M 9 K 15.1154; VGH München, Beschluss vom 29. September 1992 – 24 B 94.3202 –, BeckRS 1995, 16813; OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Juni 1995 – 1 M 1801.95 –, juris Rn. 5). Eine Wohnung dient zum Schlafen, zur Einnahme der Mahlzeiten, zur Pflege der Familiengemeinschaft und zur Entfaltung der Geselligkeit sowie in vielfacher Beziehung zur Freizeitgestaltung (vgl. VG Berlin, Urteil vom 26. Juli 2011 – VG 23 K 167.10 –, juris Rn. 15 m.w.N.).

22. Auch wenn eine Zweitwohnung nicht ständig bewohnt wird, kann sie gleichwohl zur dauernden Führung eines selbständigen Haushalts bestimmt sein. Die zum Hauptwohnen entwickelten Kriterien für das Wohnen müssen für eine Zweitwohnung nicht in vollem Umfang erfüllt sein (vgl. hierzu und auch zu Folgendem VGH München, Beschluss vom 29. September 1992, a.a.O.; VGH München, Urteil vom 24. Januar 1995, a.a.O.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Juni 1995, a.a.O.; VG Berlin, Urteil vom 26. Juli 2011, a.a.O.). Insbesondere muss sie gerade nicht den Mittelpunkt der Lebensführung bilden. Vielmehr genügt es, wenn der Wohnungsinhaber die Wohnung auch nur sporadisch benutzt und sein Aufenthalt nur in geringerem Maße die genannten Merkmale des Wohnens erfüllt. Auf eine Bedürfnisprüfung kommt es dabei nicht an; der Anlass für die Nutzung einer Zweitwohnung ist unerheblich (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 25. Oktober 1990 – OVG 5 B 89.88 – GE 1991, 1087).

23. Bezüglich der Berliner Hauptwohnung soll es nach dem Willen des Gesetzgebers nach zweckentfremdungsrechtlicher Betrachtungsweise auf den tatsächlichen Lebensmittelpunkt ankommen, nicht jedoch um z.B. die melderechtliche Anschrift. In diesem Sinne hat der Gesetzgeber bezüglich der Streichung des § 2 Abs. 2 Nr. 6 ZwVbG a.F. ausgeführt, auch „eine nur gelegentlich von den Berechtigten zu eigenen Wohnzwecken genutzte Zweitwohnung“ werde weiterhin zu Wohnzwecken genutzt (vgl. Abgh.-Drs.18/0815 vom 13. Februar 2018, zu § 2 ZwVbG, S. 12). Diese Erwägungen lassen erkennen, dass die Frage, ob Wohnraum als Haupt- oder Nebenwohnraum genutzt wird, stets im Hinblick auf die tatsächlichen Umstände und die eigene Nutzung zu Wohnzwecken durch den Berechtigten zu beantworten ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. September 2020 – OVG 5 N 37.17; OVG Hamburg, Beschluss vom 6. Februar 2014, 4 Bs 158/14, BeckRS 2015, 56098 Rn. 15). Dementsprechend ist von einer Nebenwohnung im Sinne des § 3 Abs. 3 Nr. 3 ZwVbG auszugehen, wenn der Verfügungs- oder Nutzungsberechtigte (in der Regel ergänzend zu seiner Hauptwohnung) eine Wohnung bei gelegentlichen Aufenthalten zu Wohnzwecken selbst nutzt, ohne dort seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt zu begründen (vgl. Urteil der Kammer vom 21. Dezember 2018 – VG 6 K 355.18 –, S. 8).

24. So liegt der Fall hier. Die Klägerin nutzt ihre Wohnung als Zweitwohnung in diesem Sinne. Sie hält sich an mehreren Wochen bzw. Monaten im Jahr in der Berliner Wohnung auf, zuletzt im Zeitraum vom 29. August 2020 bis zum 7. Januar 2021. Sie nutzt sie zur selbständigen Haushaltsführung während ihrer Aufenthalte in Berlin, bei denen sie immer wieder in die von ihr geschaffenen und bestimmten Strukturen zurückkehrt. Die Wohnung dient der privaten Lebensgestaltung der Klägerin, es ist ihre „Heimstatt im Alltag“ während ihrer Berlinaufenthalte.In dieser Zeit lebt sie in der Wohnung, übernachtet dort, kocht, empfängt Besuch von Freunden und Familie. Sie bewahrt dort dauerhaft persönliche Gegenstände auf und erhält unter dieser Adresse Post. Ihr Name steht am Klingelschild und sie ist dort melderechtlich seit vielen Jahren erfasst. Ihre Nutzung der Wohnung während ihrer Aufenthalte in Berlin erfüllt damit die Vorgaben des Wohnbegriffs. Ihre Einrichtung der Wohnung, insbesondere die Anzahl der Betten, ändert hieran nichts, sondern ist Ausdruck ihrer persönlichen Lebensführung. Die Klägerin kehrt bei jedem Aufenthalt in ihren – zwischenzeitlich fremdgenutzten, jedoch im Wesentlichen unveränderten – eigenen Haushalt zurück. Der Ausnahmefall einer nur unwesentlichen oder gar zum Schein erfolgten Nutzung zu Wohnzwecken liegt nicht vor.

25. Auch eine Mitbenutzung einer Wohnung zu gewerblichen Zwecken hebt die Wohnungseigenschaft im Übrigen nicht auf, solange die Wohnnutzung nicht aufgegeben wird (vgl. für die räumlich anteilige Mitbenutzung BVerwG, Urteil vom 22. April 1994 – BVerwG 8 C 29.92 –, juris Rn. 30; VGH Kassel, Urteil vom 22. März 2000 – 4 UE 613/97 –, juris; BayObLG, Beschluss vom 25. Mai 1994 – 3 ObOWi 44.94 – juris, jeweils m.w.N.). Dies gilt neben der räumlich anteiligen Nutzung auch für die zeitlich anteilige Nutzung, wenn der Wohnungscharakter – wie hier – fortbesteht.

26. Die hiergegen gerichtete Argumentation des Beklagten verfängt nicht. Er ist der Auffassung, der zeitliche Umfang der zweckfremden Nutzung durch Dritte im vorliegenden Fall einschließlich der finanziellen Dimension schließe es aus, die in tatsächlicher Hinsicht unbestrittenen Berlinaufenthalte der Klägerin in ihrer Wohnung als Wohnen zu klassifizieren. Der von ihr verfolgte Erwerbszweck verdränge den Wohnzweck. Der Beklagte verkennt dabei, dass es nicht darauf ankommen kann, wieviel Umsatz die Klägerin in der Vergangenheit mit der Vermietung als Ferienwohnung erzielen konnte oder zukünftig zu erzielen beabsichtigt. Zwar ist die Frage der Nutzung zu Wohnzwecken durchaus mit Wertungsfragen verbunden, es kommt nach der gefestigten Rechtsprechung jedoch allein auf die Ausgestaltung der eigenen Wohnnutzung an (s.o.), nicht darauf, was in der übrigen Zeit für eine Nutzung stattfindet und ob mit dieser Nutzung finanzielle Interessen des Zweitwohnungsnutzers verbunden sind. Entscheidend bleibt allein, welche Qualität die Nutzung der Wohnung in den Zeiten hat, in denen sie von der Klägerin selbst genutzt wird.

27. Anderenfalls würde etwa auch eine befristete Vermietung der Wohnung von mehreren Monaten, welche keine Zweckentfremdung darstellt (vgl. Urteil der Kammer vom 4. März 2020 – VG 6 K 420.19 –, S. 11), aufgrund der damit erzielten Einnahmen die Zweitwohnungsnutzung in Frage stellen, ohne dass sich tatsächlich an Art und Umfang der Nutzung zu Wohnzwecken durch die Klägerin irgendetwas geändert hätte. Die Nutzung zu Wohnzwecken, die sich nach den oben dargestellten Kriterien anhand der konkreten Umstände jeweils unmittelbar beurteilen lässt, würde bei Einbeziehung der Nutzung in den Abwesenheitszeiten nachträglich gegebenenfalls anders zu werten sein. Die unentgeltliche Überlassung an Dritte oder gar der in diesem Fall nicht genehmigungspflichtige Leerstand (vgl. Abgh.-Drs.18/0815 vom 13. Februar 2018, zu § 2 ZwVbG, S. 12) schadete der Einordnung der Nutzung zu Wohnzwecken nach dieser These des Beklagten hingegen nicht, die – zuzugeben gewinnträchtige – Vermietung als Ferienwohnung jedoch schon, die befristete Vermietung zu Wohnzwecken wohl je nach dem erzielten Gewinn bzw. dem Umfang des „Erwerbszwecks“. Eine solche Betrachtungsweise ist jedoch weder praktikabel noch im ZwVbG angelegt. Vielmehr erkennt der Gesetzgeber bei einer Nebenwohnung gerade überwiegende schutzwürdige Interessen für die Genehmigung einer zweckfremden Nutzung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ZwVbG an, wenn diese Nutzung an höchstens 90 Tagen im Jahr erfolgt (§ 3 Abs. 3 Nr. 3 ZwVbG). Zeitliche Vorgaben in Bezug auf die Nutzung in der restlichen Zeit des Jahres für die Einordnung als Nebenwohnung finden sich folgerichtig nicht. Berechnungen dazu, welches Einkommen durch die Zweckentfremdung erlangt wird und wie sich dieses Einkommen zum durchschnittlichen Jahresverdienst in Berlin verhält, sind für die Beurteilung der Frage der Wohnnutzung mithin irrelevant (vgl. Urteil der Kammer vom 21. Dezember 2018 – VG 6 K 355.18 –, S. 9). Im Übrigen erweist sich eine überwiegende Kurzzeitvermietung in Berlin nach den Ausführungen in einer Studie erst ab mindestens 137 Nächten pro Jahr als rentabler als eine Vollvermietung der Wohnung (vgl. empirica ag, Airbnb im Kontext zentraler quantitativer Einflussfaktoren auf regionale Wohnungsmärkte, vom 29. Juli 2019, abrufbar unter https://www.empirica-institut.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen_Referenzen/PDFs/20190806_empirica-Studie-Einflussfaktoren-Wohnungsmarkt.pdf).

28. 2. Die Genehmigungsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 ZwVbG sind erfüllt und das Ermessen des Beklagten ist dahingehend beschränkt, dass nur die Genehmigungserteilung ermessensfehlerfrei ist.

29. Zur Begründung nimmt das Gericht vollumfänglich auf die Rechtsprechung der Kammer zur zeitweisen Vermietung einer Zweitwohnung als Ferienwohnung Bezug, die den Beteiligten bekannt ist und unabhängig von der zwischenzeitlichen Aufhebung des § 2 Abs. 2 Nr. 6 ZwVbG a.F. Bestand hat: Danach besteht kein öffentliches Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraums im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 ZwVbG, das eine Versagung der Genehmigung rechtfertigen könnte, wenn der Wohnraum ohnehin schon zu Wohnzwecken genutzt wird, was bei einer durch den Verfügungsberechtigten gelegentlich zu Wohnzwecken genutzten Zweitwohnung – wie vorliegend – der Fall ist (vgl. Urteil der Kammer vom 9. August 2016 – VG 6 K 91.16 –, juris Rn. 41-50 m.w.N.).

30. Es sprechen keine weiteren im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigenden öffentlichen Belange gegen die Genehmigungserteilung, die über das im Rahmen der Abwägung nach § 3 Abs. 1 ZwVbG geprüfte öffentliche Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraums hinausgehen.

31. Nach alledem war der Klage antragsgemäß stattzugeben.

32. II. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären. Nach der genannten Bestimmung ist die Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Bevollmächtigten im Vorverfahren – anders als die von Anwaltskosten im gerichtlichen Verfahren (§ 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO) – zwar nicht automatisch, sondern je nach Lage des Einzelfalls unter der Voraussetzung der konkreten Notwendigkeit und unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus anzuerkennen. Im Einzelfall ist die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren jedoch dann notwendig, wenn sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Rechtsanwalts oder sonstigen Bevollmächtigten bedient hätte, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeiten der Sache also nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 – BVerwG 6 B 46.09 –, juris Rn. 6 m.w.N; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2011 – OVG 10 N 47.09 –, juris Rn. 5). Davon ist hier auszugehen, da die Klägerin rechtsunkundig ist und sich im vorliegenden Verfahren nicht einfach zu beurteilende Rechtsfragen stellten.

33. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

34. Die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 S. 1 VwGO erfolgt nicht, weil die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO nicht vorliegen, insbesondere existiert bezüglich des zweckentfremdungsrechtlichen Begriff des Wohnens eine gefestigte Rechtsprechung.

35. BESCHLUSS
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf
5.000,00 Euro
festgesetzt.

Zuletzt aktualisiert am August 17, 2021 von eurogesetze

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