VG Berlin 12. Kammer. Aktenzeichen: 12 L 54/21

Gericht: VG Berlin 12. Kammer
Entscheidungsdatum: 21.05.2021
Aktenzeichen: 12 L 54/21
ECLI: ECLI:DE:VGBE:2021:0521.12L54.21.00
Dokumenttyp: Beschluss

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1. A. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne von § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -, mit dem der Antragsteller die vorläufige Zulassung zum Bachelorstudiengang „Bauingenieurwesen“ im 1. Fachsemester an der Antragsgegnerin vom Sommersemester 2021 an mit der Begründung erstrebt, es seien noch freie Studienplätze vorhanden, hat keinen Erfolg

2. Der Bachelorstudiengang „Bauingenieurwesen“ in der Lehreinheit „Bauingenieurwesen“ im Fachbereich III hat keine freien Kapazitäten. Die Antragsgegnerin hat für diesen Studiengang 50 Studienplätze für das Sommersemester 2021 festgesetzt (vgl. Amtliche Mitteilung der Antragsgegnerin, Nr. 12/2020 vom 11. Juni 2020 zur Festsetzung von Höchstzahlen in den Bachelor- und Masterstudiengängen zum Wintersemester 2020/21 und zum Sommersemester 2021). Diese Festsetzung schöpft zwar nicht die Kapazität aus. Denn die Kammer errechnet für den Bachelorstudiengang „Bauingenieurwesen“ für das Sommersemester 2021 eine Gesamtkapazität von 56 Studienplätzen, die zu vergeben waren (zur Kapazitätsberechnung des Bachelorstudiengangs „Bauingenieurwesen“ im 1. Fachsemester an der Antragsgegnerin für das Wintersemester 2020/21, vgl. VG Berlin, Beschluss vom 25. Februar 2021 – VG 12 L 305/20 –). Da die Antragsgegnerin jedoch insgesamt 62 Studienbewerber im 1. Fachsemester immatrikuliert hat, stehen keine Studienplätze mehr zur Verfügung.

3. Die Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität erfolgt gemäß § 3 Satz 2 der Kapazitätsverordnung – KapVO – (vom 10. Mai 1994 [GVBl. S.186], in der zum Berechnungsstichtag [15. Januar 2020, vgl. hierzu sogleich I.1.] geltenden Fassung mit letzten Änderungen vom 20. Juli 2019 [GVBl. S. 403]) in zwei Verfahrensschritten. Zunächst ist die Aufnahmekapazität aufgrund der personellen Ausstattung zu ermitteln (§ 3 Satz 2 Nr. 1 KapVO, vgl. I.). Das Ergebnis ist anschließend anhand weiterer kapazitätsbestimmender Kriterien zu überprüfen (§ 3 Satz 2 Nr. 2 KapVO, vgl. II.).

4. I.1. Für die Kapazitätsberechnung ist vom Stellenplan für das Lehrpersonal zu dem Stichtag 15. Januar 2020 auszugehen (vgl. zu dessen Bestimmung § 5 Abs. 1 KapVO). Maßgeblich für die Berechnung ist die gemäß § 7 Abs. 1 KapVO festgelegte Lehreinheit „Bauingenieurwesen“ im Fachbereich III. Dieser Lehreinheit sind die Bachelorstudiengänge „Bauingenieurwesen“ und „Umweltingenieurwesen-Bau“ sowie die Masterstudiengänge „Konstruktiver Hoch- und Ingenieurbau“ und „Urbane Infrastrukturplanung – Verkehr und Wasser“ zugeordnet.

5. In die Kapazitätsberechnung sind die durch den Stellenplan der Lehreinheit „Bauingenieurwesen“ zugewiesenen Stellen einzustellen (vgl. § 8 KapVO) und es ist das dem Lehrpersonal zugeordnete Lehrdeputat zugrunde zu legen (§ 9 KapVO).

6. Zum Berechnungsstichtag 15. Januar 2020 sind der streitgegenständlichen Lehreinheit 22 Hochschullehrerstellen zugewiesen. Die Antragsgegnerin stellt nur 21 Stellen für Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen in ihre Berechnung ein. Indes ergibt sich aus der von ihr vorgelegten Stellenübersicht, dass zum Berechnungsstichtag 22 Hochschullehrerstellen vorhanden waren. Eine Begründung, warum sie trotzdem nur 21 Stellen in die Berechnung einbezieht, gibt sie nicht. Im Übrigen müsste sie im Hinblick auf die mit einem Stellenabbau einhergehende Kapazitätsverminderung und den damit verbundenen Eingriffen in Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz – GG – der Studienbewerber darlegen, dass dem Stellenabbau ein rationaler und grundrechtskonformer Planungs- und Abwägungsprozess zugrunde liegt (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 18. Oktober 1999 – 3 Nc 110/99 –, juris). Einer weiteren Aufklärung bedurfte es allerdings nicht, weil auch bei einer Kapazitätsberechnung mit 21 Hochschullehrerstellen keine freien Plätze für den streitgegenständlichen Studiengang zur Verfügung stehen.

7. Bei einem Lehrdeputat für Professoren an Fachhochschulen von 18 Lehrveranstaltungsstunden – LVS – (§ 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 und 2 der Verordnung über die Lehrverpflichtung an Hochschulen – LVVO – in der zum Berechnungsstichtag geltenden Fassung vom 27. März 2001 [GVBl. S. 74], zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Oktober 2008 [GVBl. S. 294]) ergibt sich ein Lehrangebot aus verfügbaren Stellen pro Semester von (18 x 22 =) 396 LVS.

8. 2. Die von der Antragsgegnerin geltend gemachte Reduzierung der Lehrverpflichtungen in Höhe von 33,75 LVS zum Stichtag 15. Januar 2020 ist in vollem Umfang anzuerkennen.

9. Dabei handelt es sich im Einzelnen um die nachfolgenden Reduzierungen:

10. – 9,0 LVS für die Tätigkeit als Dekan (Prof. Dr. S…; § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LVVO),

11. – 6,5 LVS für die Tätigkeiten als Studienfachberater (Prof. Dr. B… [1,5]; Prof. Dr. F… [2,0]; Prof. H… [0,75]; Prof. Dr. K… [1,0]; Prof. Dr. L… [1,0]; Prof. Dr. N… [0,25]; § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und Satz 3 LVVO),

12. – 3,5 LVS für die Tätigkeiten als Prüfungsausschussvorsitzende mit besonders großer Belastung (Prof. Dr. S… [2]; Prof. Dr. L… [1,5]; § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 LVVO),

13. – 2,5 LVS für die Tätigkeiten als Praxisbeauftragte in den Bachelorstudiengängen „Bauingenieurwesen“ und „Umweltingenieurwesen-Bau“, die gemäß Studienplan Praxisphasen vorsehen (Prof. Dr. G… [0,75]; Prof. Dr. H… [0,75]; Prof. Dr. S… [1,0]; § 9 Abs. 2 LVVO),

14. – 1,25 LVS für die Tätigkeiten bei der Anerkennung von Studienleistungen (Prof. Dr. L… [0,25]; Prof. Dr. M… [1,0]; § 9 Abs. 2 LVVO),

15. – 8,0 LVS für die Tätigkeiten als Laborleitungen (Prof. Dr. B… [2,0]; Prof. Dr. H… [2,0]; Prof. Dr. K… [2,0]; Prof. Dr. P… [2,0];] § 9 Abs. 2 LVVO),

16. – 2,0 LVS für die Wahrnehmung von Aufgaben in Forschung und Entwicklung (§ 9 Abs. 4 LVVO),

17. – und 1,0 LVS für die fachdidaktische Weiterbildung neuberufener Professoren (§ 9 Abs. 7 LVVO).

18. Dabei ist es unschädlich, dass die Lehrverpflichtungen von Prof. Dr. L… (Studienfachberater und Anerkennung von Studienleistungen) und Prof. Dr. B… (Studienfachberater und Laborleitung) jeweils für zwei Funktionen ermäßigt werden. Die Begrenzung auf die Ermäßigung nur für eine Funktion gilt ausweislich des insofern eindeutigen Wortlauts des § 9 Abs. 1 Satz 4 LVVO nur für die Wahrnehmung mehrerer der in § 9 Abs. 1 Satz 1 LVVO genannten Funktionen. Eine weitere Ermäßigung für die Wahrnehmung mehrerer oder zusätzlicher in § 9 Abs. 2 LVVO genannter Funktionen, die anders als die in § 9 Abs. 1 LVVO aufgezählten Funktionen der Hochschulverwaltung ein breiteres Spektrum abdecken, ist daher nicht ausgeschlossen. Dies ergibt sich auch aus § 9 Abs. 5 LVVO, der spezielle Grenzen für Ermäßigungen nach § 9 Abs. 2 LVVO insgesamt und für die einzelne Lehrkraft enthält. Diese sind vorliegend eingehalten.

19. Das Lehrangebot der Lehreinheit aus verfügbaren Stellen beträgt nach Abzug der Lehrverpflichtungsermäßigungen pro Semester damit (396 – 33,75 =) 362,25 LVS.

20. 3. Dieses Lehrangebot ist gemäß § 10 Satz 1 KapVO um die Lehrauftragsstunden zu erhöhen, die der Lehreinheit in den dem Berechnungsstichtag vorausgehenden zwei Semestern (hier ausgehend vom Stichtag 15. Januar 2020 zulässigerweise von der Antragsgegnerin benannt: Wintersemester 2018/19 und Sommersemester 2019) im Durchschnitt je Semester zur Verfügung gestanden haben und nicht auf einer Regellehrverpflichtung beruhen.

21. a. Einzubeziehen ist die Lehre der Lehrbeauftragten, der Gast- und Honorarprofessoren sowie der Gastdozenten. Zu den Lehraufträgen, die der Lehreinheit zur Verfügung gestanden haben, gehören auch die Lehraufträge, die von nicht zugeordneten Lehreinheiten in Auftrag gegeben wurden. Die eingereichten Lehrauftragslisten berücksichtigen dies. In ihnen ist für das Wintersemester 2018/19 Lehre im Umfang von 185,5 LVS (157,5 Lehrbeauftragte, 12,0 Gastprofessoren, 4,0 Honorarprofessoren und 12,0 Gastdozenten) und für das Sommersemester 2019 im Umfang von 185,5 LVS (144,5 Lehrbeauftragte, 24,0 Gastprofessoren, 4,0 Honorarprofessoren und 13,0 Gastdozenten) verzeichnet.

22. b. Von diesen Lehrauftragsstunden sind gemäß § 10 Satz 2 KapVO diejenigen nicht kapazitätserhöhend zu berücksichtigen, die aus Haushaltsmitteln für unbesetzte Stellen vergütet werden. Denn diese Stellen wurden bereits entsprechend dem abstrakten Stellenprinzip (vgl. § 8 KapVO) bei der Ermittlung des unbereinigten Lehrangebotes berücksichtigt.Ein kapazitätserhöhender Ansatz der zum Ausgleich dieser Stellenvakanzen erteilten Lehraufträge würde ansonsten zu einer doppelten Einbeziehung eines tatsächlich nur einmal vorhandenen Lehrangebotes führen. Die Vorschrift des § 10 Satz 2 KapVO bezweckt, eine zu Lasten der Hochschule wirkende Doppelberücksichtigung von fiktivem Lehrangebot, wie es das in § 8 Abs. 1 KapVO verankerte abstrakte Stellenprinzip bei unbesetzten Stellen mit sich bringen kann, und tatsächlichem Lehrangebot durch aus Haushaltsmitteln für unbesetzte Stellen finanzierten Lehrauftragsstunden auszuschließen (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. Januar 2014 – 3 M 124/13 –, juris Rn. 30).

23. – Für das Wintersemester 2018/19 sind insgesamt 30 LVS der Lehrauftragsstunden nicht kapazitätserhöhend zu berücksichtigen.

24. Nach den von der Antragsgegnerin eingereichten Lehrauftragslisten dienten Lehraufträge im Wintersemester 2018/19 im Umfang von 4 LVS der Vertretung einer unbesetzten Hochschullehrerstelle für das Modul Umweltprüfung sowie im Umfang von jeweils 4 LVS für die nur in Teilzeit von Prof. F… und von Prof. Dr. L… besetzten Hochschullehrerstellen.

25. Eine nicht kapazitätserhöhende Verrechnung nach § 10 Satz 2 KapVO ist auch für die Vertretung des beurlaubten Prof. Dr. K… im Umfang von 18 LVS vorzunehmen (so bereits Beschlüsse der Kammer vom 20. Dezember 2017 – VG 12 L 279.17 –, EA S. 5 und vom 20. Januar 2020 – VG 12 L 327.19 –, EA S. 5).

26. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene nicht kapazitätserhöhende Verrechnung von Lehraufträgen, die zum Ausgleich einer Schwerbehinderung von Prof. Dr. P… geltend gemacht werden (2 LVS), erachtet die Kammer als unzulässig. Denn Schwerbehinderungen sind im Rahmen der Lehrverpflichtungsermäßigungen zu berücksichtigen (vgl. § 11 LVVO, vgl. auch Beschlüsse der Kammer vom 20. Dezember 2017 – VG 12 L 279.17 –, EA S. 5 und vom 20. Januar 2020 – VG 12 L 327.19 –, EA S. 5).

27. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene nicht kapazitätserhöhende Verrechnung von Lehraufträgen, die zum Ausgleich der Forschungsfreistellungen von Prof. Dr. O… (4 LVS), Prof. Dr. H… (18 LVS), Prof. Dr. K… (14 LVS) und Prof. Dr. P… (4 LVS) nach § 99 Abs. 6 des Berliner Hochschulgesetzes – BerlHG – vergeben wurden, erachtet die Kammer ebenfalls als unzulässig. Denn insoweit ist nicht von einer Vakanz im Sinne des § 10 Satz 2 KapVO auszugehen (vgl. dazu, dass Lehrverpflichtungsermäßigungen für Forschungsaufgaben bei der Berechnung des Lehrangebots aus verfügbaren Stellen einzustellen sind: Beschlüsse der Kammer vom 30. Mai 2016 – VG 12 L 43.16, EA S. 4, vom 20. Dezember 2017 – VG 12 L 279.17 –, EA S. 5 und vom 20. Januar 2020 – VG 12 L 327.19 –, EA S. 6).

28. – Für das Sommersemester 2019 sind insgesamt 34 LVS der Lehrauftragsstunden nicht kapazitätserhöhend zu berücksichtigen.

29. Nach den von der Antragsgegnerin eingereichten Lehrauftragslisten dienten Lehraufträge im Sommersemester 2019 der Vertretung unbesetzter Hochschullehrerstellen im Umfang von insgesamt 8 LVS, um Lehre in den Modulen Betriebswirtschaftslehre (4 LVS) und Vermessung (4 LVS) anzubieten. Darüber hinaus dienten die Lehraufträge für die nur in Teilzeit besetzte Hochschullehrerstelle von Prof. F… (6 LVS). Diese sind nicht kapazitätserhöhend zu verrechnen.

30. Eine nicht kapazitätserhöhende Verrechnung nach § 10 Satz 2 KapVO ist auch für das Sommersemester 2019 für die Vertretung der beurlaubten Prof. Dr. K… (18 LVS) und Prof. Dr. R… (2 LVS) vorzunehmen.

31. Erneut ist die nicht kapazitätserhöhende Verrechnung von Lehraufträgen, die dem Ausgleich einer Schwerbehinderung von Prof. Dr. P… dienen sollen (2 LVS), auch für das Sommersemester 2019 abzulehnen (vgl. oben).

32. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene nicht kapazitätserhöhende Verrechnung von Lehraufträgen, die zum Ausgleich der Forschungsfreistellungen von Prof. Dr. M… (8 LVS), Prof. B… (14 LVS) und Prof. Dr. D… (4 LVS) nach § 99 Abs. 6 BerlHG vergeben wurden, erachtet die Kammer ebenfalls als unzulässig. Denn insoweit ist nicht von einer Vakanz im Sinne des § 10 Satz 2 KapVO auszugehen (vgl. oben).

33. c. Als kapazitätserhöhend im Sinne von § 10 Satz 1 KapVO sind die Lehrauftragsstunden zu berücksichtigen, die dem Anteil der Lehreinheit an dem Lehrangebot des Fachbereichs I im Rahmen des Studium Generale entsprechen. Der Fachbereich I erbringt für die gesamte Hochschule durch Lehraufträge das Lehrangebot im Rahmen des Studium Generale. Dieses Studium ist Teil aller Studiengänge der Antragsgegnerin und damit auch der Studiengänge der Lehreinheit „Bauingenieurwesen“.

34. Der Anteil der Lehreinheit an dem Lehrangebot für das Studium Generale ergibt sich aus dem Verhältnis der im ersten Semester zugelassenen Studierenden für die Lehreinheit zu den im ersten Semester zugelassenen Studierenden für die Antragsgegnerin insgesamt (vgl. Beschlüsse der Kammer vom 20. Januar 2020 – VG 12 L 327.19 –, EA S. 6 f., vom 04. Juli 2018 – VG 12 L 109.18 –, EA S. 5 und vom 19. Januar 2017 – VG 12 L 437.16 –, EA S. 11; vgl. dazu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. November 2017 – OVG 5 NC 3.17 –, juris).

35. Für das Wintersemester 2018/19 und das Sommersemester 2019 hat der Fachbereich I (200 + 204 =) 404 LVS für das Studium Generale gemeldet. Entgegen den Annahmen der Antragsgegnerin ist der Anteil des Lehrangebots für das Studium Generale, der auf die Lehreinheit „Bauingenieurwesen“ entfällt, auf Basis dieser insgesamt angebotenen LVS zu berechnen. Sofern die Antragsgegnerin von diesen 404 LVS insgesamt 48 LVS aus verschiedenen Gründen (Ausgleich unbesetzter Stellen und Ausgleich für Beurlaubung) nicht kapazitätserhöhend berücksichtigen möchte, wird dies nicht anerkannt. Die Antragsgegnerin hat schon keine weiteren Angaben zur Glaubhaftmachung der geltend gemachten Ausgleichstatbestände getätigt. Darüber hinaus ist eine etwaige Verrechnung innerhalb der leistenden Lehreinheit des für das Studium Generale verantwortlichen Fachbereichs I vorzunehmen, jedoch nicht innerhalb der Bestimmung des Anteils für die Lehreinheit „Bauingenieurwesen“, der sich auf das Angebot im Studium Generale insgesamt bezieht (vgl. Beschluss der Kammer vom 20. Januar 2020 – VG 12 L 327.19 –, EA S. 7).

36. Aufgenommen wurden in diesem Zeitraum an der Antragsgegnerin laut vorgelegter Erstsemesterstatistik insgesamt 3979 Studienanfänger (Wintersemester 2018/19: 2817 und Sommersemester 2019: 1162). Ausweislich der Erstsemesterstatistik begannen in der Lehreinheit „Bauingenieurwesen“ in den beiden genannten Semestern insgesamt 296 Studienanfänger (Wintersemester 2018/19: 235 und Sommersemester 2019: 61) ihr Studium. Damit beträgt der Anteil der Lehreinheit am Erstsemesteraufkommen [(100 x 296) : 3979 =] 7,4391 %. Dem entspricht ein Anteil am Studium Generale von [(404 x 7,4391) : 100 =] 30,0540 LVS im Jahr bzw. (30,0540 LVS : 2 =) 15,027 LVS im Semester.

37. d. Insgesamt ergeben sich damit Lehrauftragsstunden für das Wintersemester 2018/19 im Umfang von (185,5 – 30,0 + 15,027 =) 170,527 LVS und für das Sommersemester 2019 im Umfang von (185,5 – 34,0 + 15,027 =) 166,527 LVS. Die Summe dieser Lehrauftragsstunden ist zu gleichen Teilen auf die beiden Semester zu verteilen. Für die Kapazitätsberechnung sind demnach Lehrauftragsstunden im Umfang von ([170,527 + 166,527] : 2 =) 168,527 LVS in die Berechnung einzustellen.

38. Das unbereinigte Lehrangebot beträgt damit (362,25 LVS Deputat aus Planstellen + 168,527 LVS anzurechnende Lehrauftragsstunden =) 530,777 LVS.

39. 4. Für die Ermittlung des bereinigten Lehrangebots sind von dem unbereinigten Lehrangebot die Dienstleistungen abzuziehen, die die Lehreinheit zugunsten anderer Lehreinheiten zu erbringen hat (sogenannter Dienstleistungsexport, vgl. § 11 Abs. 1 KapVO sowie I.2. der Anlage 1 zur KapVO).

40. Der Dienstleistungsexport wird durch eine Multiplikation der halben jährlichen Studienanfängerzahl der der Lehreinheit nicht zugeordneten Studiengänge (Aq/2, vgl. § 11 Abs. 2 KapVO) mit dem Anteil (Curricularanteil) der von der streitgegenständlichen Lehreinheit für diese Studiengänge erbrachten Dienstleistungen am Curricularnormwert (CAq, vgl. § 13 Abs. 4 KapVO) der nicht zugeordneten Studiengänge errechnet (vgl. § 11 Abs. 2 KapVO und I.2. Satz 2 der Anlage 1 zur KapVO).

41. Der Dienstleistungsexport der Lehreinheit „Bauingenieurwesen“ beträgt 14,47 LVS. Die Antragsgegnerin legt ihrer Berechnung die Zulassungszahlen der Erstsemesterstatistik für das Wintersemester 2018/19 und das Sommersemester 2019 zugrunde. Dies genügt den Anforderungen des § 11 Abs. 2 KapVO, der lediglich vorschreibt, dass die voraussichtlichen Zulassungszahlen für die Studiengänge und/oder die bisherige Entwicklung der Studienanfängerzahlen zu berücksichtigen sind (vgl. Beschlüsse der Kammer vom 20. Dezember 2017 – VG 12 L 279.17 –, EA S. 7und vom 20. Januar 2020 – VG 12 L 327.19 –, EA S. 8).

42. Die Multiplikation der für den jeweiligen Dienstleistungsexport errechneten Curricularanteile mit den halben jährlichen Studienanfängerzahlen ergibt folgende Berechnung:

Bezeichnung des nicht der Lehreinheit zugeordneten Studiengangs CAq Aq/2 CAq*Aq/2
Bachelor Wirtschaftsingenieurwesen Bau
(FB I)
0,3751 25,5 9,57
Master Wirtschaftsingenieurwesen / Bautechnik und -management
(FB I)
0,1500 13,5 2,03
Bachelor Geoinformation
(FB III)
0,0500 57,5 2,88
Gesamt 14,47

44. Nach Abzug des Dienstleistungsexports ergibt sich damit ein bereinigtes Lehrangebot im Umfang von (530,777 LVS – 14,47 LVS =) 516,307 LVS.

45. 5. Auf der Grundlage des bereinigten Lehrangebots ist zu errechnen, für wie viele Studierende das Lehrangebot ausreicht. Dafür ist das bereinigte Lehrangebot der Lehrnachfrage des einzelnen Studierenden in der Lehreinheit „Bauingenieurwesen“ gegenüber zu stellen.

46. Bei der Ermittlung der Lehrnachfrage sind die in der Anlage 2, Teil B, Abschnitt II zur KapVO aufgeführten Curricularnormwerte (CNW) anzuwenden (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 KapVO). Der CNW bestimmt den in Deputatstunden gemessenen Aufwand aller beteiligten Lehreinheiten, der für die ordnungsgemäße Ausbildung eines Studierenden in dem jeweiligen Studiengang erforderlich ist (§ 13 Abs. 1 Satz 1 KapVO).

47. a. Für den Bachelorstudiengang „Bauingenieurwesen“ ist von dem in der Anlage 2, Teil B, Abschnitt II lit. a) zur KapVO festgesetzten CNW von 5,20 auszugehen.

48. Von diesem CNW sind gemäß § 13 Abs. 4 Satz 1 KapVO die von anderen Lehreinheiten für Studierende des Bachelorstudiengangs „Bauingenieurwesen“ erbrachten Lehrleistungen als Fremdanteile (Dienstleistungsimport) abzusetzen. Den Curricularfremdanteil hat die Antragsgegnerin beanstandungsfrei mit 0,1162 angegeben. Der Curriculareigenanteil beträgt somit (5,20 – 0,1162 =) 5,0838.

49. b. Da der Lehreinheit „Bauingenieurwesen“ neben dem Bachelorstudiengang „Bauingenieurwesen“ noch drei weitere Studiengänge zugeordnet sind (vgl. I.1.), ist ein gewichteter Curricularanteil der vier Studiengänge zu bilden.

50. aa. Der für den Bachelorstudiengang „Umweltingenieurwesen-Bau“ in der Anlage 2, Teil B, Abschnitt II lit. a) zur KapVO festgesetzte CNW beträgt 5,07.

51. Von diesem CNW sind die von anderen Lehreinheiten für Studierende des Bachelorstudiengangs „Umweltingenieurwesen-Bau“ erbrachten Lehrleistungen als Fremdanteile (Dienstleistungsimport) abzusetzen. Den Curricularfremdanteil hat die Antragsgegnerin beanstandungsfrei mit 0,4964 angegeben. Der Curriculareigenanteil beträgt somit (5,07 – 0,4964 =) 4,5736.

52. bb. Der für den Masterstudiengang „Konstruktiver Hoch- und Ingenieurbau“ in der Anlage 2, Teil B, Abschnitt II lit. b) zur KapVO festgesetzte CNW beträgt 2,53.

53. Von diesem CNW sind die von anderen Lehreinheiten für Studierende des Masterstudiengangs „Konstruktiver Hoch- und Ingenieurbau“ erbrachten Lehrleistungen als Fremdanteile (Dienstleistungsimport) abzusetzen. Den Curricularfremdanteil hat die Antragsgegnerin beanstandungsfrei mit 0,0214 angegeben. Der Curriculareigenanteil beträgt somit (2,53 – 0,0214 =) 2,5086.

54. cc. Der für den Masterstudiengang „Urbane Infrastrukturplanung – Verkehr und Wasser“ in der Anlage 2, Teil B, Abschnitt II lit. b) zur KapVO festgesetzte CNW beträgt 2,45.

55. Von diesem CNW sind die von anderen Lehreinheiten für Studierende des Masterstudiengangs „Urbane Infrastrukturplanung – Verkehr und Wasser“ erbrachten Lehrleistungen als Fremdanteile (Dienstleistungsimport) abzusetzen. Den Curricularfremdanteil hat die Antragsgegnerin beanstandungsfrei mit 0,1627 angegeben. Der Curriculareigenanteil beträgt somit (2,45 – 0,1627 =) 2,2873.

56. c. Die Curriculareigenanteile der vier Studiengänge der Lehreinheit sind mit den von der Antragsgegnerin festgesetzten Anteilquoten zu multiplizieren. Mit den Anteilquoten legt die Hochschule die Verteilung der vorhandenen Aufnahmekapazität auf die einzelnen Studiengänge fest. Solange die Anteilquoten nicht willkürlich erscheinen, sind sie vom Gericht zu beachten (vgl. VG Berlin, Beschlüsse vom 13. Februar 2017 – VG 3 L 296.16 –, EA S. 19 und vom 20. Januar 2020 – VG 12 L 327.19 –, EA S. 10). Dies ist vorliegend der Fall, da sich bereits aus dem Vergleich der festgesetzten Anteilquoten mit den Planzahlen der Studiengänge der Lehreinheit für das Wintersemester 2020/21 und das Sommersemester 2021 sowie mit den tatsächlichen Zulassungszahlen für das Sommersemester 2019 und das Wintersemester 2019/20 eine sachgerechte Bestimmung der Anteilquoten zeigt.

57. Es errechnet sich damit folgender gewichteter Curricularanteil:

Studiengang der Lehreinheit Curriculareigen-
anteil CAp
Anteilquote
zp
CA
BA Bauingenieurwesen 5,0838 0,5355 2,7224
BA Umweltingenieurwesen Bau 4,5736 0,1818 0,8315
MA Konstruktiver Hoch- und Ingenieurbau 2,5086 0,1868 0,4686
MA Urbane Infrastrukturplanung Verkehr und Wasser 2,2873 0,0959 0,2194
Gewichteter Curricularanteil 4,2419

59. Nach Teilung des doppelten bereinigten Lehrangebots durch den gewichteten Curricularanteil ([516,307 LVS x 2] : 4,2419 = 243,4320) und anschließender Multiplikation mit der Anteilquote für den Bachelorstudiengang „Bauingenieurwesen“ (243,4320 x 0,5355) errechnet sich eine Basiszahl von 130,3578 Studienplätzen für den streitgegenständlichen Studiengang im akademischen Jahr.

60. II. Dieses Ergebnis ist gemäß § 3 Satz 2 Nr. 2 KapVO nach den Vorschriften des Dritten Abschnitts der KapVO zu überprüfen und die Zahl der zur Verfügung stehenden Studienplätze gegebenenfalls anzupassen.

61. Die nach dem Zweiten Abschnitt der KapVO errechnete Basiszahl ist gemäß § 14 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 16 KapVO um die sogenannte Schwundquote zu erhöhen, weil anzunehmen ist, dass die Zahl der Abgänge an Studierenden in höheren Fachsemestern wegen Aufgabe des Studiums, Fachwechsels oder Hochschulwechsels größer sein wird als die Zahl der Zugänge.

62. Die Schwundquote errechnet die Kammer in Übereinstimmung mit der überwiegenden Rechtsprechung nach dem sogenannten „Hamburger Modell“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. November 1987 – 7 C 103.86 u.a. –, juris Rn. 10).

63. Die Kammer errechnet für den streitgegenständlichen Bachelorstudiengang „Bauingenieurwesen“ ebenso wie die Antragsgegnerin eine Schwundquote von 0,7721. Die Schwundquote errechnet sich wie folgt:

Semester 1. FS 2. FS 3. FS 4. FS 5. FS 6. FS 7. FS
WS 16/17 101 43 113 35 71 42 68
SS 17 46 91 38 106 31 68 43
WS 17/18 125 41 80 37 98 28 64
SS 18 56 113 39 76 33 94 27
WS 18/19 105 51 95 33 66 32 88
SS 19 58 93 45 91 31 64 27
WS 19/20 120 59 81 46 82 30 60
Summe I 448 378 389 341 316 309
Summe II 493 432 410 378 330 328 317
Quotient 0,9087 0,8750 0,9488 0,9021 0,9576 0,9421 0,0000
Summanden 1,9087 0,7951 0,7544 0,6806 0,6517 0,6139 0,0000
Schwundquote: 0,7721

65. Nach Division der Basiszahl von 130,3578 Studienplätzen durch die Schwundquote 0,7721 ergibt sich eine jährliche Aufnahmekapazität von 168,8354, gerundet 169 Studienplätzen. Entsprechend der von der Antragsgegnerin gewählten Verteilung der Studienplätze (vgl. Amtliche Mitteilung der Antragsgegnerin, Nr. 12/2020 vom 11. Juni 2020 zur Festsetzung von Höchstzahlen in den Bachelor- und Masterstudiengängen zum Wintersemester 2020/21 und zum Sommersemester 2021) stehen rund 67 % im Wintersemester und rund 33 % im Sommersemester zur Verfügung. Folglich stehen im Sommersemester 55,77, gerundet 56 Studienplätze zur Verfügung. Die Antragsgegnerin hat 62 Studierende im Bachelorstudiengang „Bauingenieurwesen“ immatrikuliert. Der streitgegenständliche Studiengang ist innerhalb der Lehreinheit der einzige, in dem die Antragsgegnerin auch im Sommersemester Studierende zulässt. Daher gibt es keine freien Studienplätze, von denen der Antragsteller einen beanspruchen kann.

66. Überbuchungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken (vgl. etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. August 2009 – OVG 5 NC 7.09 –): Es fehlt schon an der erforderlichen Verletzung des Antragstellers in eigenen Rechten. Rechte des Studienplatzbewerbers im außerkapazitären Verfahren sind nur verletzt, wenn infolge unzureichender Kapazitätsermittlung vorhandene Studienplätze nicht in das Vergabeverfahren einbezogen worden sind. Nur dann droht das mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbare Ergebnis, dass ein Studienplatz frei bleibt, den die Hochschule nach kapazitätsrechtlichen Grundsätzen hätte vergeben müssen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Februar 2012 – OVG 5 NC 286.11 –, juris Rn. 30). Aufgrund von Überbuchungen im Vergabeverfahren vergebene Studienplätze stehen tatsächlich nicht mehr zur Verfügung. Der Kapazitätsrechtsstreit ist von vornherein mit dem Risiko behaftet, im gerichtlichen Verfahren trotz aufgedeckter Fehler bei der Kapazitätsberechnung letztlich ganz oder teilweise an einer kapazitätswirksamen Überbuchung zu scheitern (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Juli 2011 – OVG 5 M 5.12 –, juris Rn. 2).

67. B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG. Wegen der faktischen Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren wird der volle Auffangwert angesetzt (vgl. Ziffern 18.1 und 1.5 Satz 2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, abgedruckt bei Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, Anh § 164; vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 12. Juli 2011 – OVG 5 L 21.11 –, juris Rn. 2 f.).

Zuletzt aktualisiert am Juli 21, 2021 von eurogesetze

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