Anrechnung einer Geschäftsgebühr bei einer Vergütungsvereinbarung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 6. Senat
Entscheidungsdatum: 26.05.2021
Aktenzeichen: OVG 6 K 29/21
ECLI: ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0526.OVG6K29.21.00
Dokumenttyp: Beschluss

Anrechnung einer Geschäftsgebühr bei einer Vergütungsvereinbarung

Leitsatz

Zur Anrechnung einer Geschäftsgebühr bei einer Vergütungsvereinbarung (Anschluss an VGH Kassel, Beschluss vom 27. Juni 2013 – 6 E 600/13 -; entgegen BGH, Beschluss vom 18. August 2009 – VIII ZB 17/09 -).(Rn.2)

Orientierungssatz

Anders als im Zivilprozess ist im Kostenfestsetzungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht neben der Verfahrensgebühr zugleich eine Geschäftsgebühr für das vorgerichtliche Verfahren, für den Fall festsetzbar, dass das Gericht die Zuziehung des Bevollmächtigten für notwendig erklärt hat.(Rn.2)

Verfahrensgang

vorgehend VG Berlin, 25. März 2021, 9 KE 10/20, Beschluss

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. März 2021 wird zurückgewiesen.

Die Erinnerungsführer tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1. Die Beschwerde gegen die gerichtliche Entscheidung über die Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung, §§ 165, 151 VwGO) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist unbegründet.

2. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zu Recht die Geschäftsgebühr nebst Erhöhungsgebühr vollständig, die Verfahrensgebühr jedoch nicht vollständig festgesetzt habe, weil nach der Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 VV RVG eine wegen desselben Gegenstands nach den Nr. 2300 bis 2303 VV RVG entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet werde sowie dass der Umstand, dass dem vorgerichtlichen Tätigwerden eine Vergütungsvereinbarung zugrunde gelegen habe, insoweit ohne Bedeutung sei und dass die anderslautende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa Beschluss vom 18. August 2009 – VIII ZB 17/09 -, NJW 2009, S. 3364 f.) jedenfalls den Besonderheiten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht gerecht werde, weil anders als im Zivilprozess im Kostenfestsetzungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht neben der Verfahrensgebühr zugleich eine Geschäftsgebühr für das vorgerichtliche Verfahren, für den Fall dass das Gericht die Zuziehung des Bevollmächtigten für notwendig erklärt habe, festsetzbar sei.

3. Zur Begründung verweist der Senat auf die überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Beschluss, der der Rechtsprechung des VGH Kassel (Beschluss vom 27. Juni 2013 – 6 E 600/13 -, Rn. 32 ff. bei juris) entspricht. Das Beschwerdevorbringen wiederholt im Wesentlichen den erstinstanzlichen Vortrag und ist vom Verwaltungsgericht bereits zutreffend gewürdigt worden. Die Beschwerde bietet lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:

4. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht einen gewissen Widerspruch darin gesehen, dass die Erinnerungsführer nicht nur eine Verfahrensgebühr, sondern zugleich eine Geschäftsgebühr geltend machen, deren Entstehung sie gleichzeitig bestreiten. Dem kann die Beschwerde nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Gebühr nach Ziffer 2300 VV RVG sei wegen des Abschlusses einer Vergütungsvereinbarung nicht „entstanden“, begrenze den Anspruch auf Kostenerstattung aber der Höhe nach. Für eine derartige Sichtweise bietet das VV RVG keinen Anhalt. Anerkannt ist, dass für die Kostenerstattung nach § 162 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen, nicht dagegen (höhere) vereinbarte Honorare (vgl. statt aller: Hug, in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 162 Rn. 10a m.w.N.) maßgeblich sind. Die „gesetzlichen vorgesehenen Gebühren und Auslagen“ sind bei Rechtsanwälten die im VV RVG vorgesehenen. Dass dessen Regelungen insoweit zu modifizieren seien, ist nicht ersichtlich oder dargelegt. Sie sind daher einschließlich ihrer Vorbemerkungen anzuwenden. Dem entsprechend ist das VV RVG Grundlage der zu erstattenden Kosten. Das gilt auch, soweit es um die Festsetzung und Erstattung einer Gebühr für das Vorverfahren geht, wenn die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch gerichtliche Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig erklärt wurde. Anderenfalls würde sich eine Vergütungsvereinbarung im Kostenfestsetzungsverfahren mit Blick auf den Verfahrensgegner als unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter auswirken. Ohne Vergütungsvereinbarung wäre die Geschäftsgebühr nämlich auch nach der Auffassung der Erinnerungsführer nach Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 VV RVG anrechenbar, wegen der Vergütungsvereinbarung soll dies nicht gelten.

5. Das Vorstehende verdeutlicht zugleich, dass der Auffassung der Beschwerde, die Gebühr sei nicht im Sinne der Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 VV RVG „entstanden“, weil die Vergütungsvereinbarung dies verhindere, nicht zu folgen ist. Diese Argumentation betrifft nur das Verhältnis des Rechtsanwalts zu seinen Auftraggebern, nicht aber deren Kostenerstattungsverhältnis zum Prozessgegner, das sich nach VV RVG beurteilt.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren eine Festgebühr vorgesehen ist (vgl. KV Nr. 5502 der Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG).

7. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Zuletzt aktualisiert am Juli 21, 2021 von eurogesetze

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