VG Berlin 5. Kammer. Aktenzeichen: 5 L 49/21

Gericht: VG Berlin 5. Kammer
Entscheidungsdatum: 01.06.2021
Aktenzeichen: 5 L 49/21
ECLI: ECLI:DE:VGBE:2021:0601.5L49.21.00
Dokumenttyp: Beschluss

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1. Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen.

2. Im Oktober 2020 schrieb die Antragsgegnerin zur Kennziffer B… für das Referat Z 31 „Innerer Dienst“ am Dienstort Berlin eine Stelle als Sachgebietsleiterin / Sachgebietsleiter aus. In der Ausschreibung heißt es unter anderem:

3. „Wir bieten:

4. Eine unbefristete Einstellung oder die Übernahme im Wege der Abordnung mit dem Ziel der Versetzung, im Rahmen der Möglichkeiten ist bei einer Einstellung als Tarifbeschäftigte bzw. Tarifbeschäftigter die spätere Übernahme in das Beamtenverhältnis möglich, bei Beamtinnen bzw. Beamten ist eine Übernahme bis zur Besoldungsgruppe A 13 g Bundesbesoldungsordnung […] möglich“.

5. Die 1…geborene Antragstellerin steht als Oberamtsrätin (Besoldungsgruppe A 13) im Dienst des Landes Berlin und wird bei der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung (im Folgenden: Senatsverwaltung) dienstlich verwendet. Sie bewarb sich neben 43 weiteren Bewerbern um die ausgeschriebene Stelle.

6. Ausweislich des Auswahlvermerks vom 7. Dezember 2020 führte die Antragsgegnerin mit sieben der insgesamt 44 Bewerber ein Auswahlverfahren, bestehend aus einem Vorstellungsgespräch und der Bearbeitung einer schriftlichen Aufgabe, durch. Da die Antragstellerin die höchste Punktzahl erreichte, wählte die Antragsgegnerin sie für die Stellenbesetzung aus. Die Antragsgegnerin beabsichtigte, die Antragstellerin zum nächstmöglichen Zeitpunkt für die Dauer von maximal sechs Monaten mit dem Ziel der Versetzung von der Senatsverwaltung abordnen zu lassen und dem Referat Z 31 als Sachgebietsleiterin zuzuweisen. Hierzu wandte sich die Antragsgegnerin – nach Zustimmung durch Beschluss des Personalrats vom 10. Dezember 2020 – per E-Mail vom 16. Dezember 2020 an die Senatsverwaltung und bat um die Abordnung der Antragstellerin ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt für die Dauer von sechs Monaten mit dem Ziel der Versetzung. Mit einem von der zuständigen Abteilungsleiterin unterzeichneten Schreiben an die Antragsgegnerin vom 18. Dezember 2020 erklärte sich die Senatsverwaltung mit einem Wechsel der Antragstellerin zwar grundsätzlich einverstanden, stimmte aber einer vorherigen Abordnung nicht zu. In dem Schreiben heißt es (Hervorhebungen im Original):

7. „Einer vorherigen Abordnung kann ich unter Hinweis auf die im Land Berlin geübte Praxis zum Zwecke einer zügigen Wiederbesetzung von Stellen und der Vermeidung längerer Verfahren leider nicht zustimmen. […] Unter Berücksichtigung aller Umstände kann ich daher nur einer direkten Versetzung von Frau C… zustimmen. Als Versetzungstermin ist hier der 01.04.2021 möglich. […] Ich hoffe insofern auf Ihr Verständnis, dass mir eine andere Entscheidung nicht möglich ist und bitte darum, mir einen direkten Versetzungsantrag zukommen zu lassen.“

8. Ausweislich einer auf den 6. Januar 2020 [gemeint wohl: 2021] datierten Telefonnotiz des bei der Antragsgegnerin zuständigen Sachbearbeiters, Herrn A…, rief die bei der Senatsverwaltung zuständige Sachbearbeiterin, Frau K…, am 6. Januar 2021 bei Herrn A… an, erkundigte sich nach der Absicht der Antragsgegnerin, auf das Schreiben vom 18. Dezember 2020 zu reagieren und bot eine Abordnung der Antragstellerin mit dem Ziel der Versetzung für einen Monat ab dem 1. März 2021 an. Herr A… informierte Frau K…, dass die Antragsgegnerin mit Blick auf die eindeutige Ablehnung einer Abordnung vom 18. Dezember 2020 bereits am 5. Januar 2021 entschieden habe, die Gewinnung der Antragstellerin nicht weiter zu verfolgen. Herr A… betonte die Bedeutung einer sechsmonatigen Abordnung als Möglichkeit der Erprobung, lehnte eine nur einmonatige Abordnung ab und teilte mit, dass seitens der Antragsgegnerin nicht beabsichtigt sei, das Schreiben vom 18. Dezember 2020 zu beantworten. Die Darstellungen des Herrn A… einerseits und der Frau K… andererseits darüber, ob in dem Telefonat seitens der Senatsverwaltung auch eine dreimonatige Abordnung angeboten wurde, gehen auseinander.

9. Aus einem Vermerk der Antragsgegnerin vom 11. Januar 2021 ergibt sich, dass die Antragsgegnerin nunmehr beabsichtigte, den Beigeladenen mit dem Ziel der Versetzung von dessen Dienstherrn, dem Bundesinstitut für Risikobewertung (im Folgenden: BfR), abordnen zu lassen und ihn dem Referat Z 31 zuzuweisen, um ihn auf der streitgegenständlichen Stelle dienstlich zu verwenden. Der 1… geborene Beigeladene hatte sich ursprünglich auf eine (parallel) von der Antragsgegnerin im Oktober 2020 zu Kennziffer B… bis zum 30. April 2022 befristet ausgeschriebene Stelle für das Referat Z 31 „Innerer Dienst“ am Dienstort Berlin als Sachgebietsleiterin / Sachgebietsleiter beworben. In dem dortigen (ebenfalls aus einem Vorstellungsgespräch und einer schriftlichen Aufgabe bestehenden) Auswahlverfahren hatte er sich ausweislich einer Vorlage an den Personalrat der Antragsgegnerin vom 3. Dezember 2020 gegen zwei weitere Bewerber durchgesetzt.

10. Mit Vorlage an den Personalrat vom 12. Januar 2021 teilte die Antragsgegnerin mit, dass der Beigeladene, ein Regierungsinspektor (Besoldungsgruppe A 9) vom BfR, für die befristete Stelle zur Kennziffer B… ausgewählt wurde, diese aber nicht mehr besetzt werden solle. Der Beigeladene sei auch für eine dauerhafte Verwendung für die unter der Kennziffer B… ausgeschriebenen Stelle „sehr gut geeignet“, so dass beabsichtigt sei, ihn zum nächstmöglichen Zeitpunkt für die Dauer von maximal sechs Monaten mit dem Ziel der Versetzung vom BfR abordnen zu lassen. Von der Gewinnung der eigentlich für die Stelle ausgewählten Antragstellerin habe Abstand genommen werden müssen, weil die Senatsverwaltung deren Abordnung abgelehnt habe. Mit Beschluss vom 14. Januar 2021 stimmte der Personalrat der Antragsgegnerin der Vorlage vom 12. Januar 2021 zu.

11. Mit E-Mail vom 14. Januar 2021 teilte Frau K… (Senatsverwaltung) Herrn A… (Antragsgegnerin) mit, dass sie bereits in dem Telefongespräch am 6. Januar 2021 einen Abordnungszeitraum von bis zu drei Monaten angeboten habe und machte die Bereitschaft der Senatsverwaltung deutlich, einen Abordnungszeitraum von bis zu drei Monaten anzubieten. Herr A… widersprach dieser Darstellung mit E-Mail vom 15. Januar 2021.

12. Mit E-Mails vom 15. Januar 2021 und vom 18. Januar 2021 kamen die Antragsgegnerin und das BfR dahin überein, dass der Beigeladene für vier Monate ab dem 1. Februar 2021 mit dem Ziel der Versetzung in den Bereich der Antragsgegnerin abgeordnet werden solle. Unter dem 28. Januar 2021 verfügte das BfR die Abordnung des Beigeladenen in den Bereich der Antragsgegnerin für die Zeit vom 8. Februar 2021 bis zum 7. Juni 2021. Eine Mitteilung der Antragsgegnerin an die Antragstellerin darüber, dass ihre Gewinnung nicht weiterverfolgt werde und der Beigeladene ausgewählt wurde, findet sich in den zur Akte gereichten Auswahlvorgängen nicht. Schreiben des anwaltlichen Vertreters der Antragstellerin vom 25. Januar 2021, 5. Februar 2021 und 11. Februar 2021 beantwortete die Antragsgegnerin nicht.

13. Am 11. Februar 2021 hat die Antragstellerin gegen die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle mit einem anderen Bewerber um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Sie ist der Auffassung, ihr Bewerbungsverfahrensanspruch habe sich durch ihre Auswahl zu einem Anspruch auf Übernahme verdichtet. Um von einer Übernahme der Antragstellerin Abstand nehmen zu können, bedürfe die Antragsgegnerin eines sachlichen Grundes. Die Antragsgegnerin sei nicht berechtigt, die Übernahme der ausgewählten Antragstellerin von einer vorherigen Abordnung abhängig zu machen.

14. Die Antragstellerin beantragt,

15. der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, den Dienstposten der Sachgebietsleiterin im Referat Z 31 „Innerer Dienst“ am Dienstort Berlin bis zum bestandskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes einstweilen nicht mit einem/einer anderen Bewerber(in) endgültig zu besetzen.

16. Die Antragsgegnerin beantragt,

17. den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

18. Der Antrag sei schon unzulässig, weil die Stelle bereits besetzt sei. Eine dauerhafte Unsicherheit bezüglich des Bestands des Beschäftigungsverhältnisses sei nicht zu rechtfertigen. Außerdem habe die Antragstellerin gerichtlichen Eilrechtsschutz nicht innerhalb von zwei Wochen beantragt. Ferner fehle es sowohl an Anordnungsgrund als auch -anspruch. Die Antragsgegnerin habe die Bewerberauswahl nicht nach dem Prinzip der Bestenauslese vornehmen müssen. Einen Anspruch auf direkte Versetzung habe die Antragstellerin angesichts des eindeutigen Wortlauts der Stellenausschreibung nicht. Nachdem die Senatsverwaltung das Abordnungsgesuch eindeutig abgelehnt habe, habe die Antragsgegnerin sich auf andere Kandidaten konzentrieren dürfen.

19. Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

II.

20. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

21. 1. Der Antrag ist nach § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft und auch sonst zulässig. Die Unzulässigkeit des Antrags ergibt sich entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht daraus, dass die Antragstellerin den verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zugang einer Absage beantragt hat.

22. Mit diesem Vortrag nimmt die Antragsgegnerin offenbar auf die höchstrichterliche Rechtsprechung Bezug, nach der es Art. 19 Abs. 4 Satz des Grundgesetzes (GG) im beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit gebietet, dass der Dienstherr nach Bekanntgabe seiner Absage mit der beabsichtigten, wegen des Grundsatzes der Ämterstabilität in der Regel unumkehrbaren Ernennung eine angemessene Zeit – in der Praxis der Verwaltungsgerichte zwei Wochen ab Zugang der Konkurrentenmitteilung – wartet, um den im Auswahlverfahren Unterlegenen zu ermöglichen, verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz zu beantragen (vgl. BVerwG Urteil vom 13. Dezember 2018 – 2 A 5.18 –, juris Rn. 27 f.).

23. Der Ablauf einer solchermaßen bemessenen Wartefrist führt nicht dazu, dass ein danach gestellter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (prozessual oder materiell) ausgeschlossen ist. Zwar mag die Wartefrist nicht nur dem Schutz des nicht ausgewählten Bewerbers, sondern auch der Planungssicherheit des Dienstherrn dienen. Hat der Dienstherr jedoch seine Planungen noch nicht in einer unumkehrbaren Weise umgesetzt, das heißt noch keine Ernennung vorgenommen, gibt es keine Rechtfertigung, den im Auswahlverfahren Unterlegenen allein wegen des Ablaufs der – ohnehin nicht gesetzlich bestimmten – Wartefrist Eilrechtsschutz nach § 123 VwGO zu versagen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. März 2021 – 1 B 1703/20 –, juris Rn. 5 f. m. w. Nachw.).

24. Das gilt erst recht, wenn – wie hier – die Antragsgegnerin die bereits ausgewählte Bewerberin nicht förmlich darüber in Kenntnis gesetzt hat, das Auswahlverfahren ohne sie fortzuführen, und sie auch nicht auf diese Frist hingewiesen hat.

25. Diese – Fälle der Ernennung betreffenden – Erwägungen gelten in gleicher Weise im hier vorliegenden Fall der Abordnung mit dem Ziel der Versetzung nach Bewährung während des Abordnungszeitraums. Auch insoweit ist es für einen Eilantrag nach § 123 VwGO grundsätzlich (bis zur Grenze der Verwirkung) unschädlich, die Zweiwochenfrist verstreichen zu lassen. Eine Abordnung ist per Definition (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes, § 14 Abs. 1 des Beamtenstatusgesetzes [BeamtStG]) eine vorübergehende Maßnahme. Ihren vorübergehenden Charakter behält eine Abordnung auch, wenn sie mit dem Ziel ausgesprochen wird, den Beamten später zu versetzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Oktober 2004 – 2 B 58/04 –, juris Rn. 10). Auf Dauer wird dem Beamten das neue abstrakt-funktionale Amt erst durch die Versetzung übertragen, so dass die Besetzung der Stelle mangels eintretender Ämterstabilität ohne weiteres wieder rückgängig gemacht werden kann. Das von der Antragsgegnerin ins Feld geführte Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Arbeitsrecht ist vor diesem Hintergrund auf das Beamtenrecht nicht übertragbar (so auch BAG, Urteil vom 28. Mai 2002 – 9 AZR 751/00 –, juris Rn. 42).

26. 2. Der Antrag ist aber unbegründet. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Auswahlverfahren ohne die ausgewählte Antragstellerin fortzusetzen und den Beigeladenen auszuwählen, nachdem sie mit der Senatsverwaltung kein Einvernehmen über die Abordnung der Antragstellerin herstellen konnte, verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten.

27. Dabei kann dahinstehen, ob der Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG eröffnet ist. Denn die Antragstellerin ist weder in ihrem etwaigen Bewerbungsverfahrensanspruch noch in sonstigen Rechten verletzt. Die erste Auswahlentscheidung vom 7. Dezember 2020 verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten, da sie zu ihren Gunsten ausgegangen ist. Die zweite Auswahlentscheidung vom 11. Januar 2021 verletzt die Rechte der Antragstellerin ebenfalls nicht. Jedenfalls ist die Rechtsposition, die die Antragstellerin durch die Auswahlentscheidung am 7. Dezember 2020 erworben hat, mit der Auswahlentscheidung am 11. Januar 2021 nicht mehr realisierbar. Zu diesem Zeitpunkt durfte die Antragsgegnerin davon ausgehen, dass sie ein Einvernehmen mit der Senatsverwaltung betreffend die Abordnung der Antragstellerin nicht würde herstellen können und war damit gegenüber der Antragstellerin nicht verpflichtet, von einer alternativen Auswahlentscheidung abzusehen.

28. Anders als die Antragstellerin meint, begründet die erste Auswahlentscheidung keinen Anspruch auf ein Tätigwerden der Antragsgegnerin zur Erwirkung einer (unmittelbaren) Versetzung. Einem derartigen Anspruch steht vorliegend jedenfalls entgegen, dass die Antragsgegnerin im Rahmen der Stellenausschreibung für Beamte die „Übernahme im Wege der Abordnung mit dem Ziel der Versetzung“ vorgesehen hat. Damit war für potentielle Bewerber entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1/13 –, juris Rn. 32) erkennbar, dass eine (unmittelbare) Versetzung nicht in Rede steht. Die Antragsgegnerin hat mit dem Erfordernis einer vorgeschalteten Abordnung (mit dem Ziel der Versetzung) für potentielle Bewerber hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Versetzung nur nach Ablauf des Abordnungszeitraums und nur unter der Voraussetzung einer Bewährung erfolgen solle. Daher hatte die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin nach ihrer Auswahl allenfalls einen Anspruch auf Tätigwerden zur Ermöglichung einer Abordnung (mit dem Ziel der Versetzung). Soweit die Antragsgegnerin nicht die Auswahlentscheidung als solche in Frage stellte (etwa durch deren Aufhebung beziehungsweise durch Abbruch des Auswahlverfahrens), war sie gegenüber der Antragstellerin mithin allenfalls verpflichtet, die notwendigen Schritte zur Verwirklichung der Auswahlentscheidung einzuleiten und nach Maßgabe von Treu und Glauben auf deren Umsetzung hinzuwirken. Dieser Verpflichtung ist sie hinreichend nachgekommen.

29. Zur Abordnung der Antragstellerin in den Bereich der Antragsgegnerin ist – ebenso wie für die Versetzung – die Mitwirkung des Landes Berlin als aktueller Dienstherr der Antragstellerin erforderlich. Gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG wird die Abordnung – ebenso wie gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 BeamtStG die Versetzung – von dem abgebenden im Einverständnis mit dem aufnehmenden Dienstherrn verfügt. Im Vorfeld einer Abordnung oder Versetzung ist zwischen dem abgebenden und dem aufnehmenden Dienstherrn folglich ein Einvernehmen herzustellen. Kann ein solches Einvernehmen nicht erzielt werden, ist eine Abordnung (oder Versetzung) rechtlich unmöglich. Ein Bewerber kann aus dem Umstand, das Auswahlverfahren erfolgreich absolviert zu haben, keinen Anspruch gegen die Auswahlbehörde auf Herbeiführung eines Einvernehmens mit seinem Dienstherrn („um jeden Preis“) herleiten. Dieser Umstand stärkt zwar seine Rechtsposition gegenüber unterlegenen Mitbewerbern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. April 2021 – 2 VR 3.21 –, juris Rn. 19), berührt das Abwicklungsverhältnis zwischen Auswahlbehörde und aktuellem Dienstherrn aber nur insoweit, dass es der Auswahlbehörde untersagt ist, ein Einvernehmen mit dem aktuellen Dienstherrn willkürlich oder treuwidrig zu verhindern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. November 1999 – 2 BvR 1992/99 –, juris Rn. 6).

30. Ein derart treuwidriges oder willkürliches Verhalten der Antragsgegnerin ist vorliegend nicht ersichtlich. Sie hat die für eine Abordnung erforderlichen Schritte eingeleitet, indem sie die Senatsverwaltung mit E-Mail vom 16. Dezember 2020 gebeten hat, die Antragstellerin für die Dauer von sechs Monaten mit dem Ziel der Versetzung abzuordnen. Es ist gerichtlich nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin nach Zugang des von der zuständigen Abteilungsleiterin gezeichneten Ablehnungsschreibens vom 18. Dezember 2020 nicht versucht hat, die Senatsverwaltung umzustimmen, sondern intern die Entscheidung getroffen hat, einen anderen Bewerber für die Stelle zu finden. Das Schreiben der Senatsverwaltung vom 18. Dezember 2020 war in seiner Form, Apodiktik und verwendeten Schriftauszeichnung unmissverständlich und konnte von der Antragsgegnerin nur so verstanden werden, dass eine Abordnung der Antragstellerin für die Senatsverwaltung unter keinen Umständen in Frage kommt. Ein derartiges Verständnis folgt auch aus der Art und Weise der Antwort auf das Abordnungsgesuch. Die Senatsverwaltung hat nicht zunächst das Gespräch mit der Antragsgegnerin gesucht (was eine Verhandlungsbereitschaft hätte signalisieren können), sondern unmittelbar ein förmliches Ablehnungsschreiben versandt. Wie bereits ausgeführt, war die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin – jedenfalls vor dem Hintergrund der Stellenausschreibung – auch nicht verpflichtet, auf das Angebot einer direkten Versetzung einzugehen.

31. Etwas anderes ergibt sich nicht aus etwaigen Angeboten, die die Senatsverwaltung der Antragsgegnerin am 6. Januar 2021 fernmündlich unterbreitet haben könnte. Bis zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der zweiten Auswahlentscheidung am 11. Januar 2021 musste die Antragsgegnerin nicht davon ausgehen, dass sich ein Einvernehmen betreffend die Abordnung der Antragstellerin mit der Senatsverwaltung würde herstellen lassen können. Dabei kann zugunsten der Antragstellerin unterstellt werden, dass die Senatsverwaltung in Person der Sachbearbeiterin Frau K… gegenüber der Antragsgegnerin am 6. Januar 2021 am Telefon die Bereitschaft geäußert hat, einen Abordnungszeitraum von bis zu drei Monaten anzubieten. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass es am 6. Januar 2021 nicht zu einer Einigung zwischen der Antragsgegnerin und der Senatsverwaltung betreffend die Abordnung der Antragstellerin gekommen ist. Nimmt man das Verhalten der Senatsverwaltung vor und unmittelbar nach dem 6. Januar 2021 in den Blick, war der Telefonanruf der Frau K… am 6. Januar 2021 allein nicht geeignet, gegenüber der Antragsgegnerin eine Bereitschaft zur Abordnung der Antragstellerin auszudrücken. Angesichts des eindeutigen, förmlichen und von der zuständigen Abteilungsleiterin bei der Senatsverwaltung gezeichneten Schreibens vom 18. Dezember 2020, musste eine informelle Kontaktaufnahme auf Sachbearbeiterebene per Telefon nicht den Eindruck erwecken, die Senatsverwaltung würde ernsthaft von ihrer offiziell (und mit Nachdruck) geäußerten Position abrücken. Nicht zuletzt, da die Senatsverwaltung unmittelbar nach dem Telefongespräch vom 6. Januar 2021 das vermeintliche Angebot einer ein- oder dreimonatigen Abordnung nicht offiziell in Schrift-, Text- oder sonstiger Form wiederholt oder bestätigt hat, durfte die Antragsgegnerin am 11. Januar 2021 annehmen, dass die Senatsverwaltung eine Abordnung der Antragstellerin endgültig abgelehnt hat und die zunächst beabsichtigte Übertragung der ausgeschriebenen Stelle an die Antragstellerin daher rechtlich nicht möglich ist. Bei dieser Sachlage war die Antragsgegnerin im Verhältnis zur Antragstellerin nicht gehindert, einen anderen Bewerber auszuwählen.

32. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO, wobei es nicht der Billigkeit entspricht, die Kosten des Beigeladenen der Antragstellerin aufzuerlegen. Der Beigeladene hat keine Anträge gestellt und sich so gemäß § 154 Abs. 3 Halbs. 1 VwGO keinem Kostenrisiko ausgesetzt. Die Bestimmung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes.

Zuletzt aktualisiert am Juli 21, 2021 von eurogesetze

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert