VG Berlin 26. Kammer. Aktenzeichen: 26 K 220/20

Gericht: VG Berlin 26. Kammer
Entscheidungsdatum: 01.06.2021
Aktenzeichen: 26 K 220/20
ECLI: ECLI:DE:VGBE:2021:0601.26K220.20.00
Dokumenttyp: Urteil

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags leistet.

Tatbestand

1. Der Kläger ist ein Versorgungsberechtigter mit Erwerbseinkommen, das er mittels einzelner Abrechnungen seiner Auftraggeber anzeigte.

2. Mit Schreiben der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost vom 5. Juni 2020 erklärte die Beklagte, dass die Berücksichtigung des nachgewiesenen Einkommens für 2018 und 2019 keine Verminderung der Versorgungsbezüge ergäbe. Die Berechnung stehe ab dem 1. Januar 2018 unter Vorbehalt. Weiter heißt es:

3. „Zur endgültigen Berechnung bitten wir sie um Vorlage Ihrer Steuerbescheide für 2018 und 2019 nach Erhalt.“

4. Mit weiterem Schreiben der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost vom 5. Juni 2020 erklärte die Beklagte, dass der Kläger nach derzeitiger Rechtslage mit einer Kürzung der Versorgungsbezüge rechnen müsse, wenn er mehr als 1.475,34 Euro brutto im Kalendermonat erwerbe.

5. Der Kläger erhob aus „formellen Gründen … Widerspruch den als Bescheid zu meiner Anfrage auf die Höhe der anrechnungsfreien Nebenbezüge“. Die Vorlage von Abrechnungen schließe er aus. Steuerbescheide, aus denen die Beklagte anderweitige Kapitalerträge, Ausgaben, Krankheitsaufwendungen entnehmen könnte, halte er schon aus Gründen der DSGVO für nicht angemessen. Mit Widerspruchsbescheid der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost vom 21. Juli 2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Darin bat sie, die mit Schreiben vom 5. Juni 2020 angeforderten Unterlagen zeitnah der Versorgungsstelle vorzulegen. Am Schluss des Widerspruchsbescheids heißt es:

6. „Mit dem angefochtenen Bescheid wurde wie ausgeführt die Ruhensregelung nach § 53 BeamtVG vorgenommen.

7. Alle weiteren Fragen und Anmerkungen betreffen nicht den Regelungsgehalt dieses Bescheids.“

8. Wegen der weiteren Einzelheiten des Widerspruchsbescheids wird auf die vom Kläger zur Akte gereichte Ablichtung davon (Bl. 4 bis 7 d. A.) Bezug genommen.

9. Der Kläger hat am 4. August 2020 Klage erhoben und beantragt,

10. den Bescheid vom 5. Juni 2020 und den Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2020 der Beklagten insoweit aufzuheben, als die Beklagte von ihm die Vorlage von Steuerbescheiden zur endgültigen Festsetzung ab dem 1. Januar 2018 verlangt.

11. Er hält eine Verpflichtung zur Vorlage der Steuerbescheide für rechtwidrig, weil es dafür keine Rechtsgrundlage gebe. Zudem enthalte ein Steuerbescheid mehr Daten, als für eine Ruhensberechnung erforderlich. Es reiche aus, wenn er die einzelnen Abrechnungen der Filmproduktionsgesellschaften einreiche. Wegen der weiteren Einzelheiten seines Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 24. Februar 2021 (Bl. 37 f. d. A.) verwiesen.

12. Die Beklagte beantragt,

13. die Klage abzuweisen.

14. Sie hält die streitige Anforderung für rechtmäßig und verweist den Kläger auf die Möglichkeit, andere Einkunftsarten bzw. Daten zu schwärzen, soweit die für die Ruhensregelung erforderlichen Erwerbseinkünfte im Gesamtkontext nachvollziehbar blieben. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 4. März 2021 (Bl. 42 d. A.) Bezug genommen.

15. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

16. Eine Verwaltungsakte hat in Kopie vorgelegen.

Entscheidungsgründe

17. Infolge des Einverständnisses der Beteiligten darf der Berichterstatter gemäß den §§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 VwGO anstelle der Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

18. Die Klage hat keinen Erfolg.

19. Allerdings steht dem § 126 Abs. 2 BBG nicht entgegen, der verlangt, dass vor allen Klagen aus dem Beamtenverhältnis ein Vorverfahren durchzuführen ist. Zwar erhob der Kläger ausdrücklich nur gegen das zweite Schreiben vom 5. Juni 2020, mit dem ihm der Grenzbetrag von 1.475,34 Euro brutto im Kalendermonat mitgeteilt wurde, Widerspruch. Doch wandte er sich im Weiteren gegen die Bitte um Vorlage von Steuerbescheiden. Darauf ging der Widerspruchsbescheid ein. Unerheblich ist, dass er die diesbezüglichen Ausführungen nicht zum Regelungsgehalt des Bescheids zählte. Denn § 126 Abs. 2 BBG bezieht sich nicht nur auf Anfechtungsklagen.

20. Mangels einer Regelung, jedenfalls aber einer auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichteten, wäre eine Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO unzulässig. Die Bitte, Steuerbescheide vorzulegen, begründet keine der Vollstreckung zugängliche Pflicht zur Vornahme einer Handlung.

21. Das Gericht sieht in dem Anfechtungsantrag das Begehren des Klägers (§ 88 VwGO) festzustellen, dass die Beklagte von ihm nicht die Vorlage von Steuerbescheiden zur endgültigen Festsetzung (eines Ruhensbetrags) ab dem 1. Januar 2018 verlangen darf.

22. Der so verstandenen Klage steht aber – worauf das Gericht die Beteiligten hingewiesen hat – § 44a Satz 1 VwGO entgegen. Danach können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Die streitige Bitte, Steuerbescheide vorzulegen, ist eine behördliche Verfahrenshandlung im Laufe der Ruhensberechnung nach § 53 BeamtVG. Sie ist ein von § 62 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG vorgesehenes Verlangen der Regelungsbehörde, Nachweise vorzulegen. Eine Feststellungsklage ist ein Rechtsbehelf im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. März 2019 – BVerwG 2 VR 5.18 -, NVwZ 2020, 312 [313 Rn. 19] für einen sinngemäß gleichgerichteten Eilantrag). Das Verlangen nach einem Nachweis nach § 62 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG ist nicht vollstreckbar.

23. Zum gleichen Ergebnis der Unzulässigkeit der Feststellungsklage gelangt man durch die Anwendung des § 43 Abs. 2 VwGO. Die Möglichkeit des Vorgehens gegen die Ruhensberechnung schließt die isolierte Feststellung, dass das Verlangen nach Vorlage von Steuerbescheiden rechtswidrig ist, aus.

24. Hätte man die Klage gleichwohl als zulässig anzusehen, wäre sie unbegründet. Nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG ist der Versorgungsberechtigte verpflichtet, der Regelungsbehörde den Bezug und jede Änderung von Einkünften u.a. nach § 53 BeamtVG unverzüglich anzuzeigen. Nach § 62 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG darf die Regelungsbehörde den Versorgungsberechtigten durch entsprechendes Verlangen verpflichten, Nachweise vorzulegen. Steuerbescheide sind dafür geeignete Nachweise. Allerdings enthalten sie mehr Daten als für die Ruhensberechnung (und damit für die Regelungsbehörde) von Interesse sind. Nichts deutet darauf, dass die Beklagte sich unter dem Vorwand der Ruhensberechnung Daten des Klägers verschaffen will, die sie für ihre Tätigkeit nicht benötigt. Das verdeutlicht die Klageerwiderung. Mit den dort ausdrücklich eingeräumten Schwärzungen steht das Verlangen der Beklagten, Steuerbescheide vorzulegen, im Einklang mit der vom Kläger nur der Bezeichnung nach angeführten Datenschutz-Grundverordnung. Die Verwertung der Daten über Einkünfte nach § 53 BeamtVG stellt deren Verarbeitung im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DSGVO dar. Sie entspricht insbesondere den in Art. 5 Abs. 1 Buchstaben b und c DSGVO formulierten Grundsätzen der Zweckbindung und Datenminimierung. Und sie ist auch sonst rechtmäßig, weil sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Klägers aus § 62 Abs. 2 BeamtVG erforderlich ist (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe c DSGVO). Die vom Kläger im Klageverfahren wieder angesprochene Bereitschaft, einzelne Abrechnungen seiner Auftraggeber vorzulegen, ist gegenüber dem in Teilen geschwärzten Steuerbescheid kein milderes Mittel, jedenfalls aber für den Nachweis von Erwerbseinkommen im Sinne des § 53 BeamtVG nicht gleichermaßen geeignet wie der Steuerbescheid.

25. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit entspricht § 167 VwGO und den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

26. BESCHLUSS

27. Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf

28. 5.000,00 Euro

29. festgesetzt.

Zuletzt aktualisiert am Juli 21, 2021 von eurogesetze

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