Normenkontrollantrag; Veränderungssperre; eingeschränkter Antrag; Bekanntmachung; Bekanntmachungsanordnung; Identität bekanntgemachter mit beschlossener Satzung; räumlicher Geltungsbereich; hinreichende Bestimmtheit; Kartenausschnitt; Aufstellungsbeschluss; ortsübliche Bekanntmachung; Kartenausschnitt; Gesamtunwirksamkeit; hinreichende Bestimmtheit

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 2. Senat
Entscheidungsdatum: 24.06.2021
Aktenzeichen: 2 A 20.19
ECLI: ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0624.2A20.19.00
Dokumenttyp: Beschluss

Normenkontrollantrag; Veränderungssperre; eingeschränkter Antrag; Bekanntmachung; Bekanntmachungsanordnung; Identität bekanntgemachter mit beschlossener Satzung; räumlicher Geltungsbereich; hinreichende Bestimmtheit; Kartenausschnitt; Aufstellungsbeschluss; ortsübliche Bekanntmachung; Kartenausschnitt; Gesamtunwirksamkeit; hinreichende Bestimmtheit

Tenor

Die Satzung über die Veränderungssperre im Bereich des Bebauungsplans Nr. 162 „Kleingartenanlage Angergrund“ der Landeshauptstadt Potsdam vom „31.01.2019“, bekannt gemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Potsdam Nr. 2 vom 4. Februar 2019 (S. 1) und im Amtsblatt der Landeshauptstadt Potsdam Nr. 13 vom 30. Oktober 2019 (S. 6) sowie die erste Satzung zur Änderung der Satzung über die Veränderungssperre im Bereich des Bebauungsplans Nr. 162 „Kleingartenanlage Angergrund“ der Landeshauptstadt Potsdam vom „14.12.2020“, bekannt gemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Potsdam Nr. 3 vom 21. Januar 2021 (S. 2), werden für unwirksam erklärt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Beschlusses zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragstellerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1. Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Flurstücks 3… der Flur 1…der Gemarkung B… in Potsdam, das neben den Flurstücken 3… und 3…aus einer Teilung des ehemaligen Flurstücks 1…hervorgegangen ist. Auf diesem Grundstück befinden sich Kleingartenparzellen, die zur Kleingartenanlage „Angergrund“ gehören, aber inzwischen von den ehemaligen Pächtern wohl nicht mehr genutzt werden.

2. Die Antragsgegnerin beschloss am 5. Dezember 2018 die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 162 „Kleingartenanlage Angergrund“. Dem Beschluss liegt als Anlage 1 die Begründung des Aufstellungsbeschlusses bei, in der u.a. ausgeführt wird, der räumliche Geltungsbereich des Bebauungsplans umfasse die Flurstücke 1…, 1… (tlw.) und 1… (tlw.) der Flur 1… der Gemarkung B…. Er umfasse insgesamt eine Fläche von ca. 1,4 ha. Die Lage des Plangebiets sei im beigefügten Kartenausschnitt (Anlage 2) dargestellt, es befinde sich in B… und schließe die als Kleingärten bzw. als Kleingartenanlage am Angergrund genutzte Fläche ein. Anlage 2 ist eine Karte ohne Maßstabsangabe, in die der Geltungsbereich des künftigen Bebauungsplans eingezeichnet ist. Der Aufstellungsbeschluss wurde im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 28. Dezember 2018 bekannt gemacht. In der Bekanntmachung wurden die Beschlussfassung und der räumliche Geltungsbereich des Bebauungsplans mitgeteilt, die Begründung des Beschlusses auszugsweise wiedergegeben sowie eine Karte abgedruckt, die im Vergleich zu der in Anlage 2 des Beschlusses kleiner ist, ihr aber im Übrigen entspricht.

3. Am 30. Januar 2019 beschloss die Antragsgegnerin die streitgegenständliche Satzung über eine Veränderungssperre. In § 2 der Satzung heißt es, der räumliche Geltungsbereich der Veränderungssperre umfasse die Flurstücke 1…, 1… (tlw.) und 1… (tlw.) der Flur 1… der Gemarkung B…. Der räumliche Geltungsbereich sei in einer Karte zeichnerisch abgegrenzt und als Anlage Bestandteil dieser Satzung. Dem Beschluss ist als Anlage 2 eine Karte ohne Maßstabsangabe beigefügt, in die der Geltungsbereich der Veränderungssperre eingezeichnet ist.

4. Im Aufstellungsvorgang befindet sich neben der Ausfertigung der Satzung vom 31. Januar 2019 ein weiteres ebenfalls am 31. Januar 2019 vom Oberbürgermeister unterzeichnetes Exemplar der Satzung, das mit „Amtliche Bekanntmachung“ überschrieben ist und in dem nach dem Satzungstext eine „Bekanntmachungsanordnung“ folgt, in der es zunächst heißt „Die vorstehende Satzung wird hiermit öffentlich bekannt gemacht.“ Daran schließen sich sowohl Hinweise dazu an, wo die Satzung eingesehen werden könne, als auch zu § 215 BauGB und § 18 BauGB.

5. Die Satzung wurde einschließlich der Bekanntmachungsanordnung im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 4. Februar 2019 bekannt gemacht. Dabei wurde eine verkleinerte Karte mit dem Geltungsbereich veröffentlicht.

6. Der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin erließ am 21. Oktober 2019 eine weitere Bekanntmachungsordnung, nach der die am 30. Januar 2019 beschlossene Satzung im Amtsblatt 13/2019 der Antragsgegnerin, erscheinend am 30. Oktober 2019, ortsüblich gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 BauGB rückwirkend öffentlich bekanntzumachen ist. Daraufhin wurde der Wortlaut der Satzung sowie eine verkleinerte Karte zum Geltungsbereich der Veränderungssperre in dem genannten Amtsblatt der Antragsgegnerin bekannt gemacht.

7. Am 2. Dezember 2020 beschloss die Antragsgegnerin die Erste Satzung zur Änderung der Satzung über die Veränderungssperre, mit der ihr räumlicher Geltungsbereich entsprechend dem im September 2020 reduzierten Geltungsbereich des Bebauungsplans ebenfalls verkleinert und die Geltung ein Jahr verlängert wurden. Die Änderungssatzung wurde im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 21. Januar 2021 bekannt gemacht.

8. Die Antragstellerin hat den Normenkontrollantrag am 30. August 2019 gestellt und mit Schriftsatz vom 1. Februar 2021 auf die Änderungssatzung erstreckt. Sie macht insbesondere geltend, es fehle sowohl für die Veränderungssperre als auch den Aufstellungsbeschluss an einer ordnungsgemäßen Ausfertigung der Satzung und einer richtigen Bekanntmachungsanordnung. Letzterer sei darüber hinaus nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht.

9. Sie beantragt,

10. die Satzung über die Veränderungssperre im Bereich des Bebauungsplans Nr. 162 „Kleingartenanlage Angergrund“, beschlossen von der Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin am 30. Januar 2019 und bekannt gemacht zunächst am 4. Februar 2019 im Amtsblatt der Antragsgegnerin Nr. 02/2019 sowie nachfolgend am 30. Oktober 2019 im Amtsblatt der Antragsgegnerin Nr. 13/2019, in der Fassung der ersten Satzung zur Änderung der Satzung über die Veränderungssperre im Bereich des Bebauungsplans Nr. 162 „Kleingartenanlage Angergrund“ der Landeshauptstadt Potsdam, beschlossen von der Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin am 2. Dezember 2020 und bekannt gemacht am 21. Januar 2021 im Amtsblatt der Antragsgegnerin Nr. 03/2021, ist insoweit für unwirksam zu erklären, als ihr räumlicher Geltungsbereich auch teilweise das Flurstück 3… (ehemals Flurstück 1…) der Flur 1… der Gemarkung B…umfasst.

11. Die Antragsgegnerin beantragt,

12. den Normenkontrollantrag zurückzuweisen.

13. Sie macht geltend, die Veränderungssperre sei sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.

14. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Aufstellungsvorgänge verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung und Entscheidung.

II.

15. Der Senat entscheidet durch Beschluss, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 47 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO). Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden. Der in Art. 6 Abs. 1 EMRK verbürgte Anspruch auf mündliche Verhandlung über Streitigkeiten in Bezug auf zivilrechtliche Ansprüche steht dieser Verfahrensweise nicht entgegen, weil sich die Antragstellerin der Sache nach mit einer Entscheidung im Beschlusswege einverstanden erklärt hat und zivilrechtliche Ansprüche der Antragsgegnerin nicht in Rede stehen.

16. Der Normenkontrollantrag hat Erfolg, denn die Veränderungssperre weist Mängel auf, die ihre Unwirksamkeit zur Folge haben.

17. 1. Der Antrag ist zulässig.

18. Die Antragstellerin hat den Antrag fristgerecht innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Satzung (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) gestellt und den Normenkontrollantrag rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist auf den Satzungsbeschluss vom 2. Dezember 2020 zur Verlängerung der Veränderungssperre erstreckt (§ 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO). Als Eigentümerin eines im Geltungsbereich der Veränderungssperre gelegenen Grundstücks ist sie antragsbefugt. Die Antragstellerin macht geltend, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO).

19. Dass die Antragstellerin den Normenkontrollantrag darauf beschränkt hat, die Veränderungssperre nur insoweit für unwirksam zu erklären, als deren Geltungsbereich auch ihr Grundstück erfasst, steht der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegen, obwohl eine solche Erklärung aus den unter Pkt. 2. c) dargestellten Gründen ausscheidet. Das Normenkontrollgericht hat bei der Entscheidung über die beantragte Feststellung der Teilunwirksamkeit einer Satzung über den gestellten Antrag hinauszugehen, wenn die beantragte Teilunwirksamkeit aus formellen oder materiellen Gründen nicht in Betracht kommt. Dies ergibt sich zum einen aus dem Charakter des Normenkontrollverfahrens als eines (auch) objektiven Rechtsbeanstandungsverfahrens. Zum anderen muss das Normenkontrollgericht vermeiden, mehr als nötig in die kommunale Planungshoheit einzugreifen, und darf das kommunale Planungskonzept nicht durch die Erklärung der Teilunwirksamkeit verfälschen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 1991 – 4 NB 3.91 -, juris Rn. 25, 28). Ist das Normenkontrollgericht deshalb nicht an einen zu eng gefassten Normenkontrollantrag gebunden, so ergibt sich schon daraus, dass ein solcher Antrag nicht unzulässig ist. Die Frage der Teilbarkeit stellt sich erst im Rahmen der Begründetheitsprüfung (ebenso Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 285). Gegen eine andere Beurteilung spricht auch, dass für einen Antragsteller zu Beginn des Verfahrens regelmäßig schwer zu überschauen ist, ob eine bauplanungsrechtliche Satzung nur teilweise für unwirksam erklärt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. April 2008 – 4 CN 1.07 –, juris Rn. 13).

20. a) Die am 30. Januar 2019 beschlossene Satzung über die Veränderungssperre ist bereits aus formellen Gründen unwirksam, da es an einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung fehlt.

21. aa) Die am 31. Januar 2019 erlassene Bekanntmachungsanordnung, die Grundlage der Bekanntmachung im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 4. Februar 2019 (S. 1f.) ist, genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.

22. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 4 BekanntmV i.V.m. § 3 Abs. 3 Satz 2 BbgKVerf bedarf es vor der Bekanntmachung einer Satzung einer Bekanntmachungsanordnung des Hauptverwaltungsbeamten, die in den Akten schriftlich zu vermerken, zu datieren und mit seiner Unterschrift zu versehen ist. Diese Vorschrift verlangt eine verantwortliche, an die Person des Hauptverwaltungsbeamten gebundene Maßnahme, mit der die Bekanntmachung der Satzung veranlasst wird. Sie soll erkennbar sicherstellen, dass der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BekanntmV für die Bekanntmachung allein zuständige Hauptverwaltungsbeamte die Prüfung der Voraussetzungen und die Entscheidung über die Art und Weise der Bekanntmachung nicht aus der Hand gibt, sondern durch seine Unterschrift die uneingeschränkte Verantwortung für die Bekanntmachung übernimmt. Die Bekanntmachungsanordnung hat daher nicht nur eine notarielle Funktion, sondern Entscheidungscharakter, weil hierdurch u. a. festgelegt wird, zu welchem genauen Zeitpunkt die Satzung bekannt gemacht wird, welche Art der öffentlichen Bekanntmachung (z. B. §§ 1 bis 3 BekanntmV) gewählt wird und wo, das heißt in welchem Veröffentlichungsorgan die Bekanntmachung erfolgen soll. Dabei handelt es sich nicht nur um eine sanktionslose Ordnungsvorschrift, sondern um eine wesentliche Verfahrensvorschrift, deren Verletzung grundsätzlich die Ungültigkeit der Satzung zur Folge hat (st. Rspr. des Senats, vgl. u.a. Beschluss vom 15. Mai 2012 – OVG 2 S 106.11 -, juris Rn. 13).

23. Die Bekanntmachungsanordnung vom 31. Januar 2019 lässt nicht erkennen, in welcher Form die öffentliche Bekanntmachung der Satzung über die Veränderungssperre durchgeführt werden sollte (AV Bl. 99, 100). Bei Veränderungssperren bestehen aufgrund bundes- bzw. ortsrechtlicher Bestimmungen mehrere Möglichkeiten der Bekanntmachung. Mit der Bekanntmachungsanordnung muss der Hauptverwaltungsbeamte entscheiden, nach welchen Vorschriften die Satzung veröffentlicht werden soll. Die Bekanntmachung ist bundesgesetzlich in § 16 Abs. 2 BauGB geregelt. Danach hat die Gemeinde die Veränderungssperre ortsüblich bekannt zu geben (Satz 1), wobei ortsüblich diejenige Art der Verkündung ist, die in der Gemeinde für örtliche Rechtsvorschriften, insbesondere für Satzungen, nach den einschlägigen landes- oder ortsrechtlichen Bestimmungen maßgebend ist. In diesem Fall sieht das Ortsrecht der Antragsgegnerin weitere Bekanntmachungsmöglichkeiten vor (vgl. §§ 1 bis 3 BekanntmV). Die Gemeinde kann auch ortsüblich bekannt machen, dass eine Veränderungssperre beschlossen worden ist, wobei in diesem Fall § 10 Abs. 3 Satz 2 bis 5 BauGB entsprechend anzuwenden ist (Satz 2) und sich die ortsübliche Bekanntmachung des Beschlusses nach der jeweiligen Hauptsatzung richtet (vgl. z. Vorstehenden: Beschluss des Senats vom 15. Mai 2012 – OVG 2 S 106.11 -, juris Rn. 14). Dieses der Gemeinde nach den vorstehend genannten Vorschriften eingeräumte Wahlrecht in Bezug auf die Bekanntmachungsform muss der Hauptverwaltungsbeamte ausüben.

24. Diesen Anforderungen genügt die Bekanntmachungsanordnung vom 31. Januar 2019 nicht. Sie ist in sich widersprüchlich und lässt nicht erkennen, in welcher Form die Veränderungssperre bekannt gegeben werden sollte. Einerseits spricht die Formulierung, die „vorstehende Satzung wird hiermit öffentlich bekannt gemacht“, dafür, dass die gesamte Satzung einschließlich der Karte, die Bestandteil der Satzung ist (vgl. § 2 Satz 2 der Satzung), gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 BauGB ortsüblich bekannt gemacht werden sollte. Dem würde es entsprechen, dass im Amtsblatt vom 4. Februar 2019 in Ausführung der Bekanntmachungsanordnung der gesamte Wortlaut der Satzung und eine verkleinerte Fassung der Karte zum Geltungsbereich abgedruckt worden sind (AV Bl. 101, 102). Andererseits sprechen die nach dem zitierten ersten Satz der Bekanntmachungsanordnung folgenden Ausführungen, wonach die Satzung einschließlich der Karte in der Stadtverwaltung P… von jedermann während der Dienststunden eingesehen werden könne und über den Inhalt auf Verlangen Auskunft gegeben werde, dafür, dass eine Bekanntmachung im Wege der bundesrechtlichen Ersatzverkündung (§ 16 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 3 Satz 2 bis 5 BauGB) gewollt war. Wäre eine Ersatzverkündung nach diesen Vorschriften beabsichtigt gewesen, wäre allerdings der erste Satz der Bekanntmachungsanordnung unzutreffend, denn in diesem Fall müsste sich die Bekanntmachung und deren Anordnung lediglich auf den Umstand beziehen, dass die Gemeindevertretung eine Veränderungssperre beschlossen hat. Außerdem hätte es dann keiner Veröffentlichung des vollständigen Satzungstextes einschließlich einer verkleinerten Karte bedurft, weil der Geltungsbereich der Veränderungssperre bei der Ersatzverkündung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 BauGB nur schlagwortartig zu bezeichnen ist. Die aufgezeigten Widersprüchlichkeiten sind unauflösbar und lassen keine Auslegung der Bekanntmachungsanordnung zu.

25. Der festgestellte Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 4 BekanntmV führt zur Unwirksamkeit der Satzung über die Veränderungssperre insgesamt.

26. bb) An diesem Ergebnis ändert die im Oktober 2019 veranlasste erneute – rückwirkende – Bekanntmachung der Satzung nichts, da sie nicht rechtsstaatlichen Anforderungen entspricht.

27. Die am 21. Oktober 2019 erlassene Bekanntmachungsanordnung (AV Bl. 110), die Grundlage der rückwirkenden Bekanntmachung der Satzung im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 30. Oktober 2019 ist, entspricht zwar den gesetzlichen Anforderungen (§ 1 Abs. 1 Satz 4 BekanntmV). Allerdings steht die Bekanntmachung nicht im Einklang mit den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung von Rechtsnormen, da die bekannt gegebene Fassung der Satzung nicht mit der beschlossenen und ordnungsgemäß ausgefertigten Satzung identisch ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 2015 – BVerwG 8 CN 2/14 -, juris Rn. 30). Denn weder der bekannt gemachte Satzungstext noch die bekannt gemachte Karte entsprechen dem beschlossenen und ausgefertigten Exemplar.

28. In der Bekanntmachung vom 30. Oktober 2019 lautet § 1 Abs. 2 Satz 1 der Satzung: „Die Planungsabsichten für dieses Gebiet wurden im Aufstellungsbeschluss formuliert.“ (AV Bl. 119). Dieser Satz ist in der beschlossenen und ordnungsgemäß ausgefertigten Satzung nicht enthalten (AV Bl. 95). Darüber hinaus entspricht die in der Bekanntmachung vom 30. Oktober 2019 abgedruckte Karte inhaltlich nicht der Karte, die Gegenstand des Satzungsbeschlusses und der Ausfertigung ist, weil die östliche Grenze des Geltungsbereichs bis zur Flurstücksgrenze vorgezogen ist (AV Bl. 119), während sie bei dem beschlossenen Exemplar zwischen Gebäuden verläuft (AV Bl. 97).

29. Die festgestellte fehlende Identität der bekannt gemachten Satzung mit der beschlossenen stellt ebenso wie ein Ausfertigungsmangel einen Verstoß gegen ein verfassungsrechtliches Gültigkeitserfordernis und damit einen stets beachtlichen Mangel dar.

30. b) Die Veränderungssperre leidet darüber hinaus an materiellen Fehlern, da der zugrunde liegende Aufstellungsbeschluss nicht wirksam und der räumliche Geltungsbereich der Veränderungssperre nicht hinreichend bestimmt ist.

31. aa) Für den Erlass einer Veränderungssperre muss die Gemeinde nach § 14 Abs. 1 BauGB einen wirksamen Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst haben. Dies setzt neben der ordnungsgemäßen ortsüblichen Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB) die hinreichende Bestimmtheit dieses Beschlusses in räumlicher Hinsicht voraus.

32. (1) Der am 5. Dezember 2018 gefasste Aufstellungsbeschluss ist entgegen § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden.

33. Die Anforderungen an die durch § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB vorgeschriebene ortsübliche Bekanntmachung richten sich im Wesentlichen nach Landes- und Ortsrecht (vgl. Beschluss des Senats vom 13. April 2011 – OVG 2 S 20/11 -, juris Rn. 7). Danach ist hier allein die Hauptsatzung der Antragsgegnerin vom 6. Mai 2015, bekannt gemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Potsdam vom 25. Juni 2015 (S. 10), in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 8. November 2017, bekannt gemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Potsdam vom 28. Dezember 2017 (S. 8) maßgebend, da es sich bei dem Aufstellungsbeschluss nicht um eine Satzung oder eine sonstige ortsrechtliche Vorschrift im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 2 BbgKVerf i.V.m. der Bekanntmachungsverordnung (BekanntmV) handelt. § 23 Nr. 2 der Hauptsatzung sieht bei ortsüblichen Bekanntmachungen, die durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen sind, eine Bekanntmachung durch Veröffentlichung des vollen Wortlauts im Amtsblatt der Landeshauptstadt Potsdam vor.

34. Dies ist hier nicht geschehen. Bekannt gemacht hat die Antragsgegnerin vielmehr die Anlagen 1 und 2 zum Aufstellungsbeschluss, nämlich die Begründung und den Kartenausschnitt zum Geltungsbereich (AV Bl. 59, 60). Demgegenüber lautet der Aufstellungsbeschluss:

35. 1. „Der Bebauungsplan Nr. 162 ´Kleingartenanlage Angergrund` ist nach § 2 Abs. 1 BauGB aufzustellen (gemäß Anlagen 1 und 2).

36. 2. Das Bauleitplanverfahren ist mit der Priorität 1 Q …… durchzuführen (siehe Anlage 3).“

37. (2) Der Aufstellungsbeschluss regelt ferner nicht hinreichend genau den Geltungsbereich des aufzustellenden Bebauungsplans.

38. Der Aufstellungsbeschluss muss den künftigen Planbereich allein oder in Verbindung mit seinen Anlagen eindeutig bestimmbar bezeichnen, denn das in § 14 Abs. 1 BauGB genannte Erfordernis soll gewährleisten, dass eine Veränderungssperre nur für den Bereich erlassen wird, in dem die Gemeinde sicherungsbedürftige Planungsabsichten verfolgt (vgl. Beschluss des Senats vom 9. Juni 2016 – OVG 2 S 3.16 -, juris Rn. 15). Hierfür muss eindeutig bestimmbar sein, für welches Gebiet der Bebauungsplan aufgestellt werden soll. Das ist nicht der Fall.

39. Die Begründung des Aufstellungsbeschlusses enthält zwar eine verbale Umschreibung seines Geltungsbereichs, indem sie die erfassten Flurstücke aufzählt. Allerdings sollen von den drei erfassten Flurstücken zwei nur teilweise in den Geltungsbereich des geplanten Bebauungsplans fallen (Flurstück 1… und 1…). Näheres dazu, welche Teile dieser beiden Flurstücke erfasst werden, wird in der Begründung nicht ausgeführt (AV Bl. 24). Vielmehr wird darauf hingewiesen, dass die Lage des Plangebietes im beigefügten Kartenausschnitt dargestellt sei (Anlage 2). Diese Verweisung genügt nicht, um den künftigen Planbereich hinreichend bestimmt zu regeln, weil der Kartenausschnitt, der keine den räumlichen Geltungsbereich darstellende Planzeichnung ist, den Geltungsbereich nicht genau genug erkennen lässt. Ihm lassen sich zwar Flurstücksgrenzen und Straßenbezeichnungen entnehmen, aber die Flurstücke werden nicht benannt und es wird auch kein Maßstab angegeben. Die Grenzen des Geltungsbereichs sind mit einem etwa 1 mm breiten Strich eingezeichnet, der zum Teil die darunter liegenden Eintragungen verdeckt. Auf dem Flurstück der Antragstellerin verläuft dieser Strich im Osten zwischen eingezeichneter Bebauung, ohne dass klar ersichtlich ist, wo genau der Geltungsbereich enden soll. Bei der von Süden nach Westen verlaufenden Grenze lässt sich wegen der Breite des Striches nicht erkennen, ob sie der Flurstücksgrenze entspricht oder darüber hinaus reicht. Die Grenze in nördlicher Richtung verläuft unregelmäßig. Es lässt sich nicht hinreichend genau erkennen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie in dem Kartenausschnitt eingezeichneten Linien folgt. Mangels einer Maßstabsangabe sowie wegen der breiten Strichstärke ist es nicht möglich, den Verlauf der Grenze nachzumessen.

40. (3) Sowohl die fehlerhafte Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses als auch die mangelnde Bestimmtheit dieses Beschlusses in räumlicher Hinsicht führen jeweils zur Unwirksamkeit des Aufstellungsbeschlusses sowie zur Unwirksamkeit der Satzung über die Veränderungssperre insgesamt.

41. bb) Darüber hinaus muss die Satzung über die Veränderungssperre selbst eindeutig erkennen lassen, auf welche Flächen sie sich bezieht. Hierzu muss der räumliche Geltungsbereich mindestens parzellenscharf festgelegt sein. Ein von der Veränderungssperre betroffener Grundstückseigentümer muss aus der Satzung entnehmen können, dass sein Grundstück oder ggf. eine bestimmte oder zumindest eindeutig bestimmbare Teilfläche des Grundstücks von der Sperre erfasst ist. Das Gebiet kann durch textliche Umschreibung in der Satzung oder durch Bezugnahme auf eine zeichnerische Darstellung bezeichnet werden, die in der Satzung enthalten ist (vgl. Urteil des Senats vom 19. Juli 2019 – OVG 2 A 8.18 –, juris Rn. 23).

42. Diesen Anforderungen entspricht die Satzung aus den oben dargestellten Gründen nicht mit der Folge, dass sie allein auch aus diesem Grund insgesamt unwirksam ist.

43. c) Die festgestellten formellen und materiellen Fehler der Satzung über die Veränderungssperre führen ungeachtet des eingeschränkten Antrags der Antragstellerin zur Feststellung der Gesamtunwirksamkeit der Satzung.

44. Zwar gilt auch für das Normenkontrollverfahren grundsätzlich die Dispositionsmaxime, wonach der Antragsteller mit seinem Antrag grundsätzlich den Umfang der gerichtlichen Prüfung und damit den Umfang der möglichen Unwirksamkeitserklärung der Norm bestimmt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 1989 – 4 N 3.87 –, juris Rn. 26; BayVGH, Urteil vom 26. Mai 2006 – 1 N 03.504 –, juris Rn. 20; Ziekow in: Sodan/Ziekow, a.a.O. § 47 Rn. 285). Wie bereits ausgeführt (s.o. unter 1.), hat das Normenkontrollgericht bei seiner Entscheidung über die beantragte Feststellung der Teilunwirksamkeit einer Satzung jedoch über den gestellten Antrag hinauszugehen, wenn die festgestellten Fehler ihrer Natur nach die gesamte Satzung erfassen.

45. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711, § 709 Satz 2 ZPO.

46. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Zuletzt aktualisiert am Juli 19, 2021 von eurogesetze

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