Normenkontrolle; Erhaltungsverordnung; Wohnbevölkerung; Zusammensetzung; Antragsbefugnis; Käufer; zivilrechtliche Ansprüche; Dringlichkeitsvorlage; Begründung; Fehler; Unbeachtlichwerden; Hinweis; repräsentative Erkenntnisgrundlage; abstrakte Gefahr; Prognose; gerichtliche Kontrolle; zutreffend ermittelter Sachverhalt; offensichtlicher Fehler

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 2. Senat
Entscheidungsdatum: 24.06.2021
Aktenzeichen: 2 A 36.18
ECLI: ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0624.2A36.18.00
Dokumenttyp: Beschluss

Normenkontrolle; Erhaltungsverordnung; Wohnbevölkerung; Zusammensetzung; Antragsbefugnis; Käufer; zivilrechtliche Ansprüche; Dringlichkeitsvorlage; Begründung; Fehler; Unbeachtlichwerden; Hinweis; repräsentative Erkenntnisgrundlage; abstrakte Gefahr; Prognose; gerichtliche Kontrolle; zutreffend ermittelter Sachverhalt; offensichtlicher Fehler

Tenor

Die Erhaltungsverordnung gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Baugesetzbuchs für das Gebiet „Reinickendorfer Straße“ im Bezirk Mitte von Berlin, Ortsteil Wedding, vom 4. September 2018, bekannt gemacht im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin Nr. 22 vom 18. September 2018 (S. 532), wird für unwirksam erklärt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 30.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1. Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Erhaltungsverordnung.

2. Mit Vertrag vom 8. März 2018 kaufte sie eine Teilfläche des Grundstücks K… in Berlin-Mitte (Flurstück 9…. der Flur 1…. der Gemarkung W…). Diese Teilfläche ist etwa 1.840 m² groß und mit Garagen und Remisen bebaut. Bezüglich dieser Teilfläche ist für die Antragstellerin eine Vormerkung zur Sicherung der Eigentumsübertragung im Grundbuch eingetragen. Zwar sind Besitz, Nutzen und Lasten noch nicht vollständig auf die Antragstellerin übergegangen. Im Kaufvertrag ist jedoch vereinbart, dass sie bereits vor Besitzübergang Maßnahmen der Sachverhaltserforschung durchführen darf, die sie zur Vorbereitung des Abrisses der Bestandsgebäude und einer künftigen Bebauung für zweckmäßig hält. Danach ist sie insbesondere berechtigt, bereits vor Kaufpreiszahlung und Besitzübergang die auf dem vorgenannten Teilstück aufstehenden Garagen- und Werkstattgebäude und zugehörige Anlagen nach Abstimmung mit dem Verkäufer abzureißen.

3. Die Antragstellerin verpflichtete sich im Kaufvertrag, in Bezug auf ein von ihr auf dem fraglichen Teilstück geplantes Bauvorhaben bis spätestens zum 30. September 2018 einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung zu stellen. Am 27. September 2018 reichte sie einen solchen Bauantrag beim Antragsgegner ein. Außerdem begann sie noch im Jahr 2018 mit dem Abriss von Garagen. Diesbezüglich erließ die Bauaufsichtsbehörde mit Bescheid vom 6. Dezember 2018 eine Baueinstellungsverfügung. Dagegen erhob die Antragstellerin Widerspruch und stellte einen Eilantrag, der letztlich erfolglos blieb (vgl. Beschluss des Senats vom 15. März 2019 – OVG 2 S 59.18 -).

4. Mit Bescheid vom 3. September 2020 wurde der Bauantrag der Antragstellerin abgelehnt. Dagegen erhob sie Widerspruch, über den noch nicht entschieden worden ist.

5. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich der Erhaltungsverordnung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB für das Gebiet „Reinickendorfer Straße“ im Bezirk Mitte von Berlin, Ortsteil Wedding, vom 4. September 2018.

6. Die Erhaltungsverordnung bestimmt, dass der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen in dem fraglichen Gebiet „zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung“ der Genehmigung bedürfen, wobei die Genehmigung nur versagt werden darf, wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll. Die Genehmigung ist demgegenüber zu erteilen, wenn auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls die Erhaltung der baulichen Anlage wirtschaftlich nicht mehr zumutbar ist oder wenn die Änderung einer baulichen Anlage der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungsstandards einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen oder der Anpassung an die baulichen oder anlagentechnischen Mindestanforderungen der Energieeinsparverordnung dient. § 6 Abs. 1 der Verordnung lautet auszugsweise:

7. „Wer die Rechtswirksamkeit dieser Verordnung überprüfen lassen will, muss … eine beachtliche Verletzung der Verfahrens- und Formvorschriften, die in § 214 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 BauGB bezeichnet sind, … nach § 214 Absatz 3 Satz 2 BauGB beachtliche Mängel des Abwägungsvorganges … innerhalb eines Jahres seit Verkündung dieser Verordnung gegenüber dem Bezirksamt Mitte von Berlin schriftlich geltend machen. Der Sachverhalt, der die Verletzung oder den Mangel begründen soll, ist darzulegen. Nach Ablauf der in Satz 1 genannten Fristen werden die in den Nummern 1 bis 3 genannten Verletzungen oder Mängel gemäß § 215 Absatz 1 BauGB und gemäß § 32 Absatz 2 AGBauGB unbeachtlich.“

8. Außer baulichen Änderungen ist in dem fraglichen Gebiet auch die Begründung von Wohnungseigentum genehmigungsbedürftig. Gleiches gilt für die Begründung von Teileigentum an Gebäuden, die ganz oder teilweise Wohnzwecken zu dienen bestimmt sind (vgl. zunächst Umwandlungsverordnung vom 3. März 2015, GVBl. S. 43, und sodann Umwandlungsverordnung vom 4. Februar 2020, GVBl. S. 37).

9. Dem Erlass der Erhaltungsverordnung ging folgendes Verfahren voraus:

10. Aufgrund eines Grobscreenings (2014/2015) stufte der Bezirk Mitte von Berlin das Gebiet „Reinickendorfer Straße“ zunächst als Beobachtungsgebiet ein. Im November 2017 veranlasste er dann eine vertiefende Untersuchung dieses Gebietes und drei weiterer Gebiete („Kattegatstraße“, „Soldiner Straße“ und „Humboldthain Nord-West“), um festzustellen, ob die Voraussetzungen für den Erlass einer sozialen Erhaltungsverordnung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB vorlägen. Mit dieser Untersuchung beauftragte er eine Arbeitsgemeinschaft, deren Ergebnisbericht aus „Juni 2018“ stammt. In diesem Ergebnisbericht bildeten die Verfasser vier Cluster von Indikatoren für die Aussagebereiche Aufwertungspotenzial, Aufwertungsdruck, Verdrängungsgefahr und städtebauliche Folgewirkungen. Dem Ergebnisbericht ist zu entnehmen, dass die Arbeitsgemeinschaft Fragebögen zum Zwecke der Tatsachenermittlung verschickt hatte, die nur teilweise zurückgekommen waren. Insoweit hatten die Verfasser ergänzend Angaben aus sekundäranalytischen amtlichen Quellen verwendet, mit deren Hilfe sie die erlangten Informationen gewichtet hatten.

11. Die Untersuchung kam für das auf den Seiten 44 bis 58 abgehandelte Gebiet „Reinickendorfer Straße“ zu dem Ergebnis, dass aufgrund des hohen Aufwertungspotenzials im Wohnungsbestand des Gebiets, dem bereits festzustellenden und voraussichtlich weiter zunehmenden Aufwertungsdruck auf den Wohnungsbestand und der damit vorhandenen Verdrängungsgefahr erheblicher Teile der ansässigen Wohnbevölkerung, Veränderungen in der sozialen Zusammensetzung der Wohnbevölkerung befürchtet werden müssten. Derartige Veränderungen gefährdeten das aufeinander abgestimmte Verhältnis der derzeitigen Bevölkerungsstruktur, des lokalen Wohnungsangebots und der sozialen Infrastruktur. Bei Verzicht auf eine soziale Erhaltungsverordnung seien negative städtebauliche Folgewirkungen in Form der Veränderung der sozialen Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erwarten.

12. Nachdem die Bezirksverordnetenversammlung die Erhaltungsverordnung für das Gebiet „Reinickendorfer Straße“ nach einer Dringlichkeitsvorlage am 21. Juni 2018 beschlossen hatte, setzte das Bezirksamt die Erhaltungsverordnung am 4. September 2018 als Rechtsverordnung fest. In der Begründung der Beschlussvorlage hierzu heißt es:

13. „Im Ergebnis der vertiefenden Untersuchung … für alle Gebiete wurde festgestellt, dass die Anwendungsvoraussetzungen für das Gebiet ‚Reinickendorfer Straße‘ gegeben sind. Aufgrund des sehr hohen Aufwertungspotenzials, eines bisher noch geringen Aufwertungsdruckes sowie einer mittleren Verdrängungsgefährdung würde es ohne den Einsatz des Instrumentariums zu städtebaulichen Folgewirkungen kommen …

14. Eine ausführliche Begründung mit Auswertungen, Ergebnissen und Schlussfolgerungen für das Gebiet ‚Reinickendorfer Straße‘ ist dem Gutachten im Anhang zu entnehmen (S. 12-27).

15. Für die ebenfalls im Gutachten untersuchten Gebiete ‚Soldiner Straße‘ und ‚Humboldthain Nord-West‘ ist weitergehend eine planungsrechtliche/juristische Prüfung erforderlich.“

16. Nach Ausfertigung am 4. September 2018 wurde die Erhaltungsverordnung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin vom 18. September 2018 mit vollem Wortlaut unter Abdruck einer anliegenden Karte bekannt gemacht.

17. Mit ihrer am 11. Dezember 2018 erhobenen Normenkontrolle macht die Antragstellerin geltend, die Erhaltungsverordnung sei unwirksam. Sie sei formell rechtswidrig. Denn es liege schon keine zureichende Begründung dafür vor, warum die Verordnung im Wege des dringlichen Geschäftsganges beschlossen worden sei. Außerdem fehle es an einer ausreichenden Begründung der Erhaltungsverordnung. Die Verordnung leide auch an materiellen Fehlern. Die Schutzwürdigkeit der Wohnbevölkerung sei nicht nachgewiesen. Die Untersuchung der Arbeitsgemeinschaft beruhe nicht auf einer ausreichenden Datenbasis. Denn es seien lediglich 269 gültige Fragebögen zurückgesandt worden. Auch sei die Annahme des Antragsgegners, dass eine Verdrängungsgefahr gegeben sei, aus anderen Gründen zu beanstanden. Insbesondere habe sich der Antragsgegner nicht an den sog. „Nürnberger Kriterien“ orientiert, die als fachlicher Standard für die Ausweisung von Erhaltungssatzungsgebieten dienten und auf die sich auch das Gutachten des Antragsgegners beziehe.

18. Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

19. die Erhaltungsverordnung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB für das Gebiet „Reinickendorfer Straße“ vom 4. September 2018, bekannt gemacht im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin vom 18. September 2018, für unwirksam zu erklären.

20. Der Antragsgegner beantragt,

21. den Antrag abzulehnen.

22. Er meint, die Erhaltungsverordnung sei formell rechtmäßig und auch inhaltlich von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB gedeckt. Die gerichtliche Überprüfung sei allein auf das Abwägungsergebnis beschränkt. Die Entscheidung, für das Gebiet eine soziale Erhaltungsverordnung aufzustellen, sei im Ergebnis gerechtfertigt. Die von der Arbeitsgemeinschaft durchgeführte Erhebung zur Ermittlung der ansässigen Wohnbevölkerung sei repräsentativ. Es seien insgesamt 3.000 Fragebögen verteilt worden. Dies entspreche einem Anteil von 43,3 % der Haushalte des Gebiets. Der Hinweis der Antragstellerin auf die „Nürnberger Kriterien“ greife nicht durch. Es gebe keine gesetzlich festgelegte Methodik bei der Aufstellung von Erhaltungssatzungen bzw. -verordnungen.

23. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Aufstellungsvorgang verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.

II.

24. Der Senat entscheidet über den Normenkontrollantrag durch Beschluss, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (vgl. § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden. Der in Art. 6 Abs. 1 EMRK verbürgte Anspruch auf mündliche Verhandlung über Streitigkeiten in Bezug auf zivilrechtliche Ansprüche steht dieser Verfahrensweise nicht entgegen, weil sich die Antragstellerin der Sache nach mit einer Entscheidung im Beschlusswege einverstanden erklärt hat und zivilrechtliche Ansprüche des Antragsgegners nicht in Rede stehen.

25. 1. Der Normenkontrollantrag ist zulässig.

26. a. Die Antragstellerin hat den nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 246 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 30 Abs. 1 AGBauGB statthaften Normenkontrollantrag fristgemäß (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Erhaltungsverordnung „Reinickendorfer Straße“ erhoben. Die Bekanntmachung der Erhaltungsverordnung erfolgte im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin vom 18. September 2018. Der Normenkontrollantrag ist am 11. Dezember 2018 beim Oberverwaltungsgericht eingegangen.

27. b. Die Antragstellerin ist antragsbefugt, denn sie kann geltend machen, durch die Erhaltungsverordnung oder ihre Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO).

28. aa. Nach der Rechtsprechung des Senats ergibt sich die Antragsbefugnis für den Eigentümer eines (bebauten) Grundstücks im Geltungsbereich einer Erhaltungsverordnung daraus, dass er bei etwaigen Änderungen seines Gebäudes damit rechnen muss, dass die nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB erforderliche Genehmigung versagt wird (vgl. Urteil des Senats vom 26. März 2021 – OVG 2 A 13.19 – juris Rn. 30; Beschluss vom 24. Juli 2020 – OVG 2 A 6.18 – juris Rn. 35; vgl. ferner OVG Hamburg, Urteil vom 9. Juli 2014 – 2 E 3/13.N – juris Rn. 14). Die Antragstellerin ist derzeit noch nicht Eigentümerin eines Grundstücks im Geltungsbereich der Erhaltungsverordnung. Sie steht in Bezug auf die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO (mit Blick auf Art. 14 GG) einem Eigentümer auch nicht gleich. Nach der – vom Ansatz her übertragbaren – Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt das bei einer Normenkontrolle gegen Festsetzungen in einem Bebauungsplan für diejenigen, die in eigentumsähnlicher Weise an einem Grundstück dinglich berechtigt sind. Das betrifft etwa den Inhaber eines Erbbaurechts oder den Nießbraucher oder den Erwerber eines Grundstücks, auf den der Besitz sowie Nutzungen und Lasten übergegangen sind und zu dessen Gunsten eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen ist, wenn er sich gegen eine bauplanerische Festsetzung wendet, die das durch das dingliche Recht belastete Grundstück betrifft. Denn auch dingliche Rechte an Grundstücken unterfallen der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Beschluss vom 25. September 2013 – 4 BN 15.13 – juris Rn. 3). Derzeit ist die Antragstellerin zwar Erwerberin einer Teilfläche eines Grundstücks im Erhaltungsgebiet und für sie ist insoweit eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums eingetragen. Allerdings sind Besitz, Nutzungen und Lasten noch nicht vollständig auf sie übergegangen. Dass die Antragstellerin Mitbesitz erlangt haben mag, genügt insoweit ebenso wenig wie ihre Absicht, den Kaufpreis im zweiten Halbjahr 2021 zu zahlen.

29. bb. Gleichwohl ist die Antragsbefugnis der Antragstellerin gegeben. Sie ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin damit rechnen muss, dass ihr die nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB für den Rückbau baulicher Anlagen auf der erworbenen Teilfläche erforderliche Genehmigung versagt wird. Die Antragstellerin ist nämlich nach dem Kaufvertrag berechtigt, bereits vor Kaufpreiszahlung und Besitzübergang die auf dem vorgenannten Teilstück aufstehenden Garagen- und Werkstattgebäude und zugehörige Anlagen nach Abstimmung mit dem Verkäufer abzureißen (vgl. Ziff. 10.4 des Kaufvertrages) und für das von ihr geplante Bauvorhaben einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung zu stellen. Insoweit reicht es aus, dass die Bauaufsichtsbehörde des Antragsgegners Plänen der Antragstellerin, von diesen Rechten Gebrauch zu machen, unter Berufung auf die Erhaltungsverordnung entgegentritt. Denn der Antragsgegner hat nicht nur den von der Antragstellerin im Einvernehmen mit dem Eigentümer gestellten Bauantrag, der den Rückbau von baulichen Anlagen auf der von ihr erworbenen Teilfläche voraussetzt, abgelehnt, sondern der Antragstellerin auch den begonnenen Abbruch dort aufstehender baulicher Anlagen (Garagen/Remisen) mit Blick auf die Erhaltungsverordnung mittels Baueinstellungsverfügung untersagt. Letzteres enthält für die Antragstellerin darüber hinaus eine aktuelle Einschränkung eines eigenen Rechts, nämlich ihrer wirtschaftlichen Entfaltungsfreiheit (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG; vgl. Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Oktober 2020, Rn. 213 zu § 172; für einen von einer Festsetzung im Bebauungsplan betroffenen Bauantragsteller: BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 1994 – 4 NB 27/93 – NVwZ 1995, 264 <265>).

30. 2. Der Normenkontrollantrag ist begründet.

31. a. Rechtsgrundlage der angegriffenen Erhaltungsverordnung ist § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB. Danach kann die Gemeinde in einem Bebauungsplan oder durch eine sonstige Satzung Gebiete bezeichnen, in denen zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen der Genehmigung bedürfen. Die Annahme des Antragsgegners, der Erlass einer Erhaltungsverordnung sei nach dieser Bestimmung gerechtfertigt, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

32. b. Allerdings leidet die Erhaltungsverordnung unter keinem formellen Mangel (vgl. grundlegend zu Form und Verfahren bei Erlass einer Erhaltungsverordnung: Beschluss des Senats vom 24. Juli 2020 – OVG 2 A 6.18 – juris Rn. 41, und nachfolgend: BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2020 – 4 BN 54.20 – juris; Urteil des Senats vom 26. März 2021 – OVG 2 A 13.19 – juris Rn. 35).

33. aa. Ohne Erfolg wendet die Antragstellerin insbesondere ein, es liege keine zureichende Begründung dafür vor, warum die Erhaltungsverordnung am 21. Juni 2018 im Wege des dringlichen Geschäftsganges beschlossen worden sei. Es trifft zwar zu, dass das Bezirksamt, nachdem es am 19. Juni 2018 einen Aufstellungsbeschluss gefasst und am selben Tag die Festsetzung des Erhaltungsgebietes und den Entwurf der Rechtsverordnung beschlossen hatte, in der Beschlussvorlage für die Erhaltungsverordnung entgegen § 41 Abs. 1 i.V.m. § 39 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin vom 27. Oktober 2016 (im Folgenden: Geschäftsordnung BVV) die Dringlichkeit nicht begründet hat. Das führt aber nicht zu einem durchgreifenden Fehler. Die Bezirksverordnetenversammlung hat nämlich in ihrer Sitzung am 21. Juni 2018 unter Punkt 3 der Tagesordnung hinsichtlich der Drucksache Nr. 1346/V (Erhaltungsverordnung „Reinickendorfer Straße“) der Dringlichkeit bei Enthaltung der Fraktionen der AfD und der FDP mehrheitlich zugestimmt. Nachdem die dafür zuständige Bezirksverordnetenversammlung damit über die Behandlung der Dringlichkeitsvorlage entschieden hat (vgl. § 41 Abs. 1 i.V.m. § 39 Abs 2 Geschäftsordnung BVV) und mehrheitlich (vgl. § 49 Abs. 1 Geschäftsordnung BVV) von einer Dringlichkeit ausgegangen ist, kann sich ein Außenstehender nicht mehr darauf berufen, die Dringlichkeit sei nicht ordnungsgemäß begründet oder liege nicht vor. Das Erfordernis, die Dringlichkeit zu begründen, ist kein Selbstzweck. Die Vorlagefristen (vgl. § 37 Abs. 2 Geschäftsordnung BVV), deren Verkürzung die Antragstellerin anspricht, sind nicht „drittschützend“, sondern betreffen zum einen die organisatorischen Abläufe und damit die Funktionsfähigkeit der Bezirksverordnetenversammlung und dienen zum anderen insbesondere der Wahrung der organschaftlichen Rechte der Bezirksverordneten.

34. bb. Mit dem Einwand, es fehle an einer ausreichenden Begründung der Erhaltungsverordnung (vgl. Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG), dringt die Antragstellerin ebenfalls nicht durch. Einer Begründung, wie sie für einen Bebauungsplan vorgeschrieben ist (vgl. § 9 Abs. 8 BauGB), bedarf eine Erhaltungsverordnung grundsätzlich nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 1987 – 4 C 26.85 – juris Rn. 10). In ihr ist lediglich auszuführen, welche Gründe auf das festgelegte Gebiet zutreffen (vgl. Beschluss des Senats vom 24. Juli 2020, a.a.O., Rn. 42). Dieser Anforderung ist vorliegend genügt.

35. cc. Nachdem die am 4. September 2018 vom Bezirksamt festgesetzte Erhaltungsverordnung mit ihrem vollen Wortlaut einschließlich anliegender Karte im Gesetz- und Verordnungsblatt vom 18. September 2018 veröffentlicht worden ist, ist sie am 19. September 2018 in Kraft getreten.

36. c. Es sind jedoch materielle Mängel gegeben.

37. aa. Bei dem Erlass einer sozialen Erhaltungsverordnung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB handelt es sich um eine städtebauliche Planungsentscheidung, die einer planerischen Abwägung bedarf. Wegen der Besonderheiten des Erhaltungsrechts ist allerdings nur eine eingeschränkte Abwägung vorzunehmen, die sich hauptsächlich auf die Frage bezieht, ob eine Erhaltungssatzung bzw. -verordnung mit einem bestimmten Erhaltungsziel aufzustellen ist, d.h. ob das öffentliche Interesse an der Erhaltung baulicher Anlagen oder der Eigenart von Gebieten unter Berücksichtigung der Gefahrenprognose und anderer städtebaulicher Belange hinreichend gewichtig ist, und wie das Gebiet abzugrenzen ist. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung geht es – außer um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB – vor allem um die Prüfung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der Festlegung (vgl. zu Vorstehendem: Beschluss des Senats vom 24. Juli 2020, a.a.O., Rn. 59 f.; Urteil des Senats vom 26. März 2021, a.a.O., Rn. 38).

38. bb. Die vom Antragsgegner vorgenommene Abwägung genügt nicht den an sie zu stellenden Anforderungen.

39. (1) Fehler der Abwägung sind vorliegend nicht durch Zeitablauf unbeachtlich geworden. Zwar bestimmt § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 BauGB, dass eine nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BauGB beachtliche Verletzung der dort bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften sowie nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB beachtliche Mängel des Abwägungsvorgangs unbeachtlich werden, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sind. § 214 Abs. 1 und Abs. 3 BauGB gelten allgemein für „Satzungen nach diesem Gesetzbuch“ und damit auch für Erhaltungssatzungen bzw. -verordnungen nach § 172 Abs. 1 BauGB (vgl. Urteil des Senats vom 26. März 2021, a.a.O., Rn. 40 m.w.N.). Gleichwohl komm es darauf, inwieweit Einwendungen innerhalb der Jahresfrist erhoben worden sind, vorliegend nicht an. Vielmehr sind alle Einwendungen bzw. Aspekte beachtlich. Denn § 215 Abs. 2 BauGB fordert für die Unbeachtlichkeit von Fehlern, dass bei Inkraftsetzung der Satzung bzw. Rechtsverordnung auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften sowie auf die Rechtsfolgen hingewiesen worden ist. Fehlt es an einem ordnungsgemäßen Hinweis, werden Fehler nicht unbeachtlich (vgl. Urteil des Senats vom 26. März 2021, a.a.O., m.w.N.). So verhält es sich hier, weil die verwendete Formulierung „wer die Rechtswirksamkeit dieser Verordnung überprüfen lassen will, muss eine … Verletzung … schriftlich geltend machen“, Interpretationsmöglichkeiten eröffnet, die Personen, die mit den getroffenen Regelungen nicht einverstanden sind, von der Erhebung von Rügen abhalten können (vgl. dazu im Einzelnen: Urteil des Senats vom 26. März 2021, a.a.O., Rn. 41).

40. (2) Die vom Antragsgegner vorgenommene Abwägung weist Fehler auf, die zur Unwirksamkeit der Erhaltungsverordnung führen. Der Antragsgegner hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB für den Erlass einer Erhaltungsverordnung nicht fehlerfrei festgestellt.

41. (a) § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB bestimmt, dass die Verordnung der „Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung“ dienen muss. Dieses Erhaltungsziel wird durch die in § 172 Abs. 4 BauGB normierten Gründe für die Versagung der Genehmigung konkretisiert. Nach § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll. Danach setzt der Erlass einer sog. Milieuschutzsatzung oder -verordnung voraus, dass die Gemeinde konkret bestimmt, wie sich die Wohnbevölkerung im Erhaltungsgebiet zusammensetzt, die sie vor unerwünschten Veränderungen schützen will. Dabei ist die Abgrenzung des Erhaltungsgebietes so vorzunehmen, dass das Schutzziel in wesentlichen Teilen des Gebietes erreicht werden kann. Es muss zudem die abstrakte Gefahr bestehen, dass ohne den Erlass der Verordnung im Erhaltungsgebiet infolge baulicher Maßnahmen im Sinne von § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB eine unerwünschte Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung eintritt. Außerdem ergibt sich aus § 172 Abs. 4 BauGB, dass die Erhaltung der Wohnbevölkerung besonderen städtebaulichen Gründen dienen muss, d.h. die unerwünschte Veränderung in der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung muss negative städtebauliche Folgen befürchten lassen (vgl. Urteil des Senats vom 26. März 2021, a.a.O., Rn. 43 m.w.N.).

42. (b) Es kann offenbleiben, ob der Antragsgegner vorliegend hinreichende Feststellungen zur Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in dem fraglichen Gebiet getroffen hat. Zweifel hieran bestehen, weil bei dem von der Arbeitsgemeinschaft bei der Haushaltsbefragung verfolgten Stichprobenkonzept nur 269 valide Fragebögen (ca. 4,1 %) bezogen auf das Erhaltungsgebiet „Reinickendorfer Straße“ zurückgesandt worden sind, so dass die Antragstellerin zu Recht die Frage aufwirft, ob die Haushaltsbefragung repräsentativ sei. Zwar hat die Arbeitsgemeinschaft in einem weiteren Schritt eine Gewichtung des Datensatzes vorgenommen (vgl. S. 4 des Ergebnisberichtes). Sie hat die Grundlagen dieser Gewichtung aber nicht offengelegt, so dass der Senat nicht nachvollziehen kann, ob dieses Vorgehen plausibel war. Dem musste der Senat indes nicht durch eine Befragung der Ersteller des Ergebnisberichtes nachgehen.

43. (b) Denn jedenfalls ist die Einschätzung des Antragsgegners, ohne den Erlass der Erhaltungsverordnung bestünde die abstrakte Gefahr, dass im Erhaltungsgebiet infolge baulicher Maßnahmen bzw. der Umwandlung in Wohneigentum im Sinne des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB eine unerwünschte Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung eintritt, nicht fehlerfrei zustande gekommen.

44. (aa) Zwar handelt es sich bei der Einschätzung, ob eine solche Gefahr vorliegt, um eine Prognoseentscheidung, die einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Ihr ist aus Rechtsgründen nur entgegenzutreten, wenn die der Prognose zugrunde gelegten Maßstäbe nicht methodisch fachgerecht erstellt wurden, wenn ihr willkürliche Annahmen zugrunde liegen, wenn sie von offensichtlichen Unwahrscheinlichkeiten ausgeht (vgl. Urteil des Senats vom 26. März 2021, a.a.O., Rn. 56; BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 – 4 C 2/97 – juris Rn. 20 f.), wenn das Ergebnis der Prognose nicht einleuchtend begründet ist oder der ihr zugrunde gelegte Sachverhalt nicht zutreffend ermittelt wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2007 – 4 C 12/05 – juris Rn. 55).

45. (bb) Letzteres ist der Fall. Denn der Begründung der Beschlussvorlage zur Erhaltungsverordnung ist eindeutig zu entnehmen, dass der Antragsgegner seiner Annahme, im Gebiet „Reinickendorfer Straße“ bestehe die abstrakte Gefahr, dass ohne den Erlass der Verordnung im Erhaltungsgebiet infolge baulicher Maßnahmen im Sinne von § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB eine unerwünschte Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung eintritt, die Untersuchungsergebnisse für ein anderes Gebiet – das Untersuchungsgebiet „Kattegatstraße“ – zugrunde gelegt hat. Dies ergibt sich ohne jeden Zweifel sowohl aus dem Hinweis in der Beschlussvorlage auf die Seiten „12-27“ des Ergebnisberichts, die ausschließlich das Untersuchungsgebiet „Kattegatstraße“ betreffen, als auch aus den Schaubildern auf Seite 26 und 57 des Ergebnisberichts. Denn nur das Schaubild für das Untersuchungsgebiet „Kattegatstraße“ entspricht der – in der Beschlussvorlage für die „Reinickendorfer Straße“ wiedergegebenen – Einschätzung des Antragsgegners, dass die Voraussetzungen des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB aufgrund eines „sehr hohen Aufwertungspotentials, eines bisher noch geringen Aufwertungsdruckes sowie einer mittleren Verdrängungsgefährdung“ gegeben seien. Für die „Reinickendorfer Straße“ ist der Ergebnisbericht demgegenüber von einem hohen Aufwertungspotential, einem relativ hohen Aufwertungsdruck und einer hohen Verdrängungsgefährdung ausgegangen.

46. (cc) Dieser Abwägungsfehler ergibt sich ohne weiteres aus einer Gegenüberstellung des Ergebnisberichts mit der Begründung der Beschlussvorlage. Er drängt sich bei einer Befassung mit der Sache unmittelbar auf. Angesichts dessen kommt es nicht darauf an, dass sich die Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt auf diesen Fehler berufen hat. Der Fehler ist unabhängig von einer hierauf gerichteten Rüge der Antragstellerin zu berücksichtigen, weil er dem Senat ins Auge springt und nicht unbeachtlich geworden ist.

47. (dd) Eines Hinweises des Senats auf das Vorliegen des Fehlers bedurfte es zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung nicht. Denn mit der Annahme des aufgezeigten Fehlers im Abwägungsvorgang vertritt der Senat keine Rechtsauffassung, mit der ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 22. März 2021 – 7 A 1/21 u.a. – juris Rn. 7). Für einen solchen Prozessbeteiligten war vielmehr ohne weiteres erkennbar, dass es für das Normenkontrollverfahren auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO und in diesem Rahmen auf das Bestehen einer abstrakten Gefahr ankommen würde, dass im Erhaltungsgebiet infolge baulicher Maßnahmen bzw. der Umwandlung in Wohneigentum im Sinne des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB eine unerwünschte Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung eintritt. Das dieser Rechtsauffassung zugrunde liegende Tatsachenmaterial, nämlich der Umstand, dass der Antragsgegner bei der vorzunehmenden Prognose nicht von einem zutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ergibt sich unmittelbar aus dem Aufstellungsvorgang und drängt sich bei dessen Lektüre ohne weiteres auf, ohne dass es hierzu weiterer Ermittlungen oder Nachfragen bedurfte. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Angesichts dessen konnte ein mit der Sache vertrauter Beteiligter von der Erkenntnis, dass der Antragsgegner dem Erlass der Erhaltungsverordnung keinen zutreffend ermittelten Sachverhalt zugrunde gelegt hat, nicht überrascht werden.

48. (c) Der aufgezeigte Fehler im Abwägungsvorgang ist im Sinne von § 214 Abs. 2 Satz 2 HS 2 BauGB offensichtlich, weil er sich – wie bereits erwähnt – unmittelbar aus dem Aufstellungsvorgang ergibt. Er ist auch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. Hierfür muss nach den Umständen des Falls die konkrete Möglichkeit bestehen, dass die Planung ohne den Mangel anders ausgefallen wäre. Das ist hier der Fall. Insbesondere rechtfertigt der Umstand, dass der Ergebnisbericht bezogen auf die „Reinickendorfer Straße“ sogar von einem höheren Aufwertungsdruck und einer größeren Verdrängungsgefährdung ausgegangen ist, als mit Blick auf die Untersuchungsergebnisse für die „Kattegatstraße“ in der Beschlussvorlage genannt, nicht die Annahme, dass der Antragsgegner bei zutreffender Betrachtung der Untersuchungsergebnisse für die „Reinickendorfer Straße“ erst recht eine Erhaltungsverordnung erlassen hätte. Denn für die beiden weiteren Untersuchungsgebiete „Soldiner Straße“ und „Humboldthain Nord-West“ ist der Ergebnisbericht ebenfalls davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für den Erlass von Erhaltungsverordnungen gegeben seien (vgl. S. 42 f. und 72 f. des Untersuchungsberichts). Gleichwohl hat der Antragsgegner insoweit ausweislich der Begründung zur Beschlussvorlage für die „Reinickendorfer Straße“ von dem Erlass von Erhaltungsverordnungen zunächst abgesehen.

49. (d) Angesichts dessen kommt es auf die weiteren Ausführungen der Antragstellerin nicht an.

50. (e) Offenbleiben kann auch, ob die Wertung des Antragsgegners, trotz eines nur „geringen Aufwertungsdruck(s)“ sei von einer „mittleren Verdrängungsgefährdung“ auszugehen, überhaupt als plausibel angesehen werden könnte. Hierfür dürfte jedenfalls eine nähere Begründung erforderlich sein, an der es fehlt.

51. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.

52. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

53. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 8 GKG.

Zuletzt aktualisiert am Juli 19, 2021 von eurogesetze

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert