RECHTSSACHE ROTH GEGEN DEUTSCHLAND (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) Individualbeschwerden Nrn. 6780/18 und 30776/18

Der Beschwerdeführer verbüßt eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt S. Er berief sich auf die Artikel 3, 6 und 13 der Konvention und rügte wiederholte stichprobenartige körperliche Durchsuchungen, bei denen er sich entkleiden musste, vor oder nach dem Empfang von Besuchern sowie die Weigerung der innerstaatlichen Gerichte, ihn für den immateriellen Schaden, den er aufgrund dieser Durchsuchungen erlitten hatte, zu entschädigen.


PDF-Dokument herunterladen.

FÜNFTE SEKTION
RECHTSSACHE R. GEGEN DEUTSCHLAND
(Individualbeschwerden Nrn. 6780/18 und 30776/18)
URTEIL

Art. 3 (materiellrechtlich) • Art. 13 (+ Art 3) • Erniedrigende Behandlung • Fehlen eines wirksamen Rechtsbehelfs • Fehlen eines legitimen Zwecks wiederholter stichprobenartiger, mit seiner Entkleidung verbundener Durchsuchungen eines Gefangenen vor bzw. nach Besuchskontakten und Versagung einer Entschädigung für den immateriellen Schaden • Fehlender Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der Sicherheit in der Vollzugsanstalt oder der Verhütung von Straftaten • Übermäßige Erniedrigung • Fehlende Erfolgsaussicht eines Amtshaftungsverfahrens trotz rechtswidrigen Verhaltens und eines möglichen Verschuldens seitens der Behörden

STRASSBURG
22. Oktober 2020

Dieses Urteil wird unter den in Artikel 44 Absatz 2 der Konvention aufgeführten Bedingungen endgültig. Es wird gegebenenfalls noch redaktionell überarbeitet.

In der Rechtssache R. ./. Deutschland

hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Fünfte Sektion) als Kammer mit den Richterinnen und Richtern

Síofra O’Leary, Präsidentin,
Gabriele Kucsko-Stadlmayer,
Ganna Yudkivska,
Mārtiņš Mits,
Latif Hüseynov,
Anja Seibert-Fohr,
Mattias Guyomar
und Victor Soloveytchik, Sektionskanzler,

im Hinblick auf

die Individualbeschwerden (Nrn. 6780/18 und 30776/18), die der deutsche Staatsangehörige Herr R. („der Beschwerdeführer“) jeweils am 20. Februar 2018 und am 26. September 2018 nach Artikel 34 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten („die Konvention“) gegen die Bundesrepublik Deutschland beim Gerichtshof erhoben hat,

die Entscheidung, die Beschwerden an die Regierung zu übermitteln,

die Stellungnahmen der Parteien,

nach nicht öffentlicher Beratung am 29. September 2020

das folgende Urteil erlassen, das am selben Tag angenommen wurde:

EINLEITUNG

1. Der Beschwerdeführer verbüßt eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt S. Er berief sich auf die Artikel 3, 6 und 13 der Konvention und rügte wiederholte stichprobenartige körperliche Durchsuchungen, bei denen er sich entkleiden musste, vor oder nach dem Empfang von Besuchern sowie die Weigerung der innerstaatlichen Gerichte, ihn für den immateriellen Schaden, den er aufgrund dieser Durchsuchungen erlitten hatte, zu entschädigen.

SACHVERHALT

2. Der Beschwerdeführer wurde 19.. geboren und verbüßt derzeit eine lebenslange Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt S. Ihm war Prozesskostenhilfe bewilligt worden und er wurde von Herrn T., Rechtsanwalt in B., vertreten.

3. Die Regierung wurde von einem ihrer Verfahrensbevollmächtigten, Herrn H.-J. Behrens vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, vertreten.

4. Die Umstände des Falles, so wie sie von den Parteien dargelegt worden sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

I. DER HINTERGRUND DER RECHTSSACHEN

A. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2016

5. Am 5. November 2016 erklärte das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde einer anderen in S. inhaftierten Person die stichprobenartige Durchsuchung, der sich dieser Gefangene vor dem Empfang von externen Besuchern hatte unterziehen müssen, für verfassungswidrig (2 BvR 6/16). Das Gericht stellte fest, dass die Durchsuchung auf der Grundlage einer Anordnung der Strafvollzugsbehörden nach Art. 91 Abs. 2 des bayerischen Strafvollzugsgesetzes (BayStVollzG) (siehe Rdnr. 30, unten) erfolgt war, nach der jeder fünfte Gefangene, einer solchen Durchsuchung zu unterziehen war. Da die Anordnung keine Möglichkeit vorsah, im Einzelfall auf eine solche Durchsuchung zu verzichten, stellte sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Gefangenen nach Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit Artikel 1 dar.

6. Das Bundesverfassungsgericht stufte Durchsuchungen, die mit einer Inspizierung von normalerweise verdeckten Körperöffnungen verbunden sind, als einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ein. Es führte aus, diese Wertung liege auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu mit Entkleidungen verbundenen Durchsuchungen zugrunde, die bei der Auslegung des Grundgesetzes zu berücksichtigen sei. Um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Persönlichkeitsrecht und der Wahrung der Intimsphäre des Gefangenen einerseits und den Sicherheitsinteressen der Anstalt andererseits zu erreichen, hätte die Durchsuchungsanordnung es den Vollzugsbediensteten gestatten müssen, in Fällen, in denen ein Missbrauch des Besuchsrechts durch den betreffenden Gefangenen besonders unwahrscheinlich gewesen sei, von einer solchen Durchsuchung abzusehen. Der Beschluss des Gerichts wurde am 8. Dezember 2016 veröffentlicht.

B. Die Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern über die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungen des Beschwerdeführers

7. Der Beschwerdeführer strengte mehrere Verfahren bei den für die Strafvollstreckung zuständigen Fachgerichten an, in denen er beantragte, einige der Durchsuchungen, denen er sich hatte unterziehen müssen, für rechtswidrig zu erklären.

8. Am 28. Dezember 2016 erklärte das Oberlandesgericht N. die Durchsuchung, die vor dem Besuch eines Urkundsbeamten des Amtsgerichts S. am 24. August 2015 an dem Beschwerdeführer vorgenommen worden war, für rechtswidrig. Es verwies auf die Begründung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2016 (siehe Rdnr. 5 ff., oben), die ebenfalls die Durchsuchungspraxis in der Justizvollzugsanstalt S. betraf. Am 18. September 2017 erklärte das Landgericht R. auch die Durchsuchung des Beschwerdeführers am 11. Februar 2016 vor dem Besuch eines Urkundsbeamten des Amtsgerichts für rechtswidrig.

9. Darüber hinaus erklärte das Landgericht R. jeweils am 8. Februar, am 7. April und am 4. Oktober 2017 die Durchsuchungen des Beschwerdeführers nach Besuchskontakten am 3. Dezember 2015, 13 Juni 2016 und 1. September 2016 unter Verweis auf den vorgenannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts für rechtswidrig. Die ersten beiden der genannten Entscheidungen wurden in der Rechtsbeschwerdeinstanz vom Oberlandesgericht N. bestätigt.

10. Am 2. Oktober 2017 stellte das Oberlandesgericht N. unter Verweis auf seine vorhergehenden Entscheidungen außerdem fest, dass auch die Anordnung einer Durchsuchung des Beschwerdeführers am 19. Januar 2017 nach dem Besuch eines Urkundsbeamten des Amtsgerichts rechtswidrig gewesen sei, ebenso wie die gegen den Beschwerdeführer wegen der Weigerung, sich der Untersuchung zu unterziehen, verhängten Disziplinarmaßnahmen. Es führte aus, der Beschwerdeführer habe ein rechtliches Interesse an dieser Feststellung, da angesichts der Tatsache, dass der Beschwerdeführer auch in Zukunft Besuch erhalten würde, die Gefahr der Wiederholung derartiger Durchsuchungen gegeben sei.

II. IN DER INDIVIDUALBESCHWERDE NR. 6780/18 IN REDE STEHENDE VERFAHREN

A. Das Verfahren vor dem Landgericht R.

11. Am 6. Februar 2017 beantragte der Beschwerdeführer beim Landgericht R. Prozesskostenhilfe, um ein Amtshaftungsverfahren nach § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 GG zu betreiben (siehe Rdnr. 31, unten). Er wollte Entschädigungsansprüche für den immateriellen Schaden geltend machen, den er infolge der stichprobenartigen Durchsuchungen auf der Grundlage von Art. 91 Abs. 2 BayStVollzG (siehe Rdnr. 30, unten) vor Besuchen, die er in der Justizvollzugsanstalt erhalten hatte, erlitten habe. Er gab an, solchen rechtswidrigen Durchsuchungen am 23. Januar 2014, am 11. Februar 2014, am 29. September 2014, am 13. Oktober 2014, am 24. August 2015 und am 11. Februar 2016 unterzogen worden zu sein.

12. Der Beschwerdeführer gab an, er habe sich bei diesen Durchsuchungen vollständig entkleiden müssen. Dann sei er unter den Achselhöhlen und im Mund durchsucht worden und habe sich für eine Inspizierung seines Anus bücken müssen. Die Durchsuchungen seien stichprobenartig für jeden fünften Gefangenen ohne jegliche Ausnahmen angeordnet worden. In seinem Fall habe man keine Sicherheitsgründe darlegen können. Die Durchsuchungen seien durchgeführt worden, bevor er Besuch von Urkundsbeamten des Amtsgerichts erhalten habe, die ihn zur Protokollierung von Rechtsbeschwerden, die er bei den Gerichten habe einlegen wollen, aufgesucht hätten. Er gab an, er habe für jede der rechtswidrigen Durchsuchungen eine Entschädigung von 1 000 EUR geltend machen wollen.

13. Am 20. März 2017 wies das Landgericht R. den Antrag des Beschwerdeführers auf Prozesskostenhilfe ab. Es stellte nach einer summarischen Prüfung fest, dass das Amtshaftungsverfahren, das der Beschwerdeführer betreiben wolle, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete (siehe § 114 Abs. 1, Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO), Rdnr. 36, unten). Hinreichende Aussicht auf Erfolg bestehe dann, wenn das Gericht in Anbetracht der Sachverhaltsdarstellung der klagenden Partei und der ihm vorliegenden Unterlagen den Standpunkt der klagenden Partei zumindest für vertretbar erachte und von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt sei.

14. Das Landgericht führte aus, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts (siehe Rdnrn. 33-34, unten) nicht bei jeder Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Zahlung einer Entschädigung für den immateriellen Schaden geboten sei. Eine Entschädigung in Geld sei nur dann zu zahlen, wenn es sich um eine hinreichend schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts gehandelt habe, für die eine angemessene Wiedergutmachung durch andere Mittel nicht zu erzielen sei.

15. Das Landgericht war der Auffassung, im Falle des Beschwerdeführers sei eine ausreichende Wiedergutmachung bereits durch andere Mittel erfolgt. Es verwies diesbezüglich auf die Feststellungen des Oberlandesgerichts N. in seiner Entscheidung vom 28. Dezember 2016 (siehe Rdnr. 8, oben) und die des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 5. November 2016. Es war außerdem der Auffassung, den Bediensteten der Vollzugsanstalt könne kein Vorwurf gemacht werden, da das Landgericht selbst die Rechtmäßigkeit der stichprobenartigen Durchsuchungen vor der oben genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt habe.

B. Das Verfahren vor dem Oberlandesgericht N.

16. Am 17. Mai 2017 wies das Oberlandesgericht N. die vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde zurück. Es bestätigte, dass die die vom Beschwerdeführer beabsichtigte Klage zur Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Es vertrat die Auffassung, dass es unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Falles nicht erforderlich sei, dem Beschwerdeführer eine Geldentschädigung für die Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuzusprechen.

17. Das Oberlandesgericht stellte klar, dass die Durchsuchungen des Beschwerdeführers rechtswidrig gewesen seien und einen schwerwiegenden Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht dargestellt hätten. Die Durchsuchungen seien unverhältnismäßig gewesen, da es keine Möglichkeit gegeben habe, im Einzelfall auf eine Durchsuchung zu verzichten. Dies folge aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2016 und der Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 28. Dezember 2016 (siehe Rdnrn. 5 und 8, oben). Das Gericht räumte außerdem ein, dass ein Missbrauch des Besuchsrechts unter den im Fall des Beschwerdeführers gegebenen Umständen unwahrscheinlich gewesen sei.

18. Jedoch sei das Verschulden seitens der Bediensteten der Vollzugsanstalt, die die streitgegenständlichen Durchsuchungen vor dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2016 angeordnet und ausgeführt hätten, allenfalls gering. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht hätten die stichprobenartige Durchsuchung von Gefangenen vor Besuchskontakten vor dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts für rechtmäßig erachtet und damit begründet, das Überraschungselement stichprobenartiger Durchsuchungen sei ein maßgeblicher Faktor für deren Wirksamkeit. Außerdem seien die Durchsuchungsregeln in der Justizvollzugsanstalt S. laut Angaben der beklagten Partei unverzüglich mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts in Einklang gebracht worden, so dass das Risiko stichprobenartiger Durchsuchungen ohne einzelfallbezogene Prüfung künftig nicht mehr gegeben sei.

19. Zudem war das Oberlandesgericht der Auffassung, der Beschwerdeführer habe mit der Feststellung des Oberlandesgerichts N. in seinem Beschluss vom 28. Dezember 2016 (siehe Rdnr. 8, oben) dass eine der streitgegenständlichen Durchsuchungen, nämlich die vom 24. August 2015, rechtswidrig gewesen sei, ausreichend Wiedergutmachung erfahren. Die in diesem Beschluss ausgeführte Begründung gelte gleichermaßen für die anderen in Rede stehenden Durchsuchungen des Beschwerdeführers.

C. Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht

20. Am 19. Juni 2017 legte der Beschwerdeführer gegen die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts, ihm keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen, Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Er brachte vor, durch die angegriffenen Beschlüsse sei sein Persönlichkeitsrecht verletzt worden und der Zugang zu einem Gerichtsverfahren sei ihm verwehrt worden. Angesichts der Schwere des Eingriffs in sein Persönlichkeitsrecht durch die Durchsuchungen habe ihm eine finanzielle Entschädigung für den immateriellen Schaden, den er erlitten habe, zugesprochen werden müssen.

21. Am 23. Januar 2018 nahm das Bundesverfassungsgericht die vom Beschwerdeführer erhobene Verfassungsbeschwerde ohne Angabe von Gründen nicht zur Entscheidung an (1 BvR 1688/17).

III. IN DER INDIVIDUALBESCHWERDE NR. 30776/18 IN REDE STEHENDE VERFAHREN

22. Am 9. Oktober 2017 beantragte der Beschwerdeführer erneut Prozesskostenhilfe beim Landgericht R., um ein Amtshaftungsverfahren zur Geltendmachung von Ansprüchen auf Entschädigung für den immateriellen Schaden zu betreiben, den er infolge von Durchsuchungen nach Besuchskontakten in der Justizvollzugsanstalt erlitten habe. Er habe sich derartiger Durchsuchungen, die auf der Grundlage von Art. 91 Abs. 3 BayStVollzG erfolgt seien (siehe Rdnr. 30, unten), am 27. Februar 2014, am 18. Juni 2015, am 3. Dezember 2015, am 13. Juni 2016, am 1. September 2016 sowie am 19. Januar 2017 unterziehen müssen. Dabei habe er in einem Fall Besuch von einem Polizeibeamten erhalten, in den übrigen Fällen von Urkundsbeamten des Gerichts, die ihn zur Protokollierung von verschiedenen Rechtsbeschwerden, die er bei den Gerichten einlegen wollte, aufgesucht hätten. Wiederum beabsichtigte er, für jede der rechtswidrigen Durchsuchungen eine Entschädigung von 1 000 EUR geltend zu machen.

23. Am 20. März 2018 gewährte das Landgericht R. dem Beschwerdeführer Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage zur Geltendmachung eines Anspruchs auf eine Entschädigung in Höhe von 200 EUR für die Durchsuchung am 19. Januar 2017. Im Übrigen wies es den Antrag des Beschwerdeführers mit der Begründung zurück, seine beabsichtigte Klage biete diesbezüglich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 ZPO).

24. Das Landgericht war der Auffassung, dass es bis zum 8. Dezember 2016, dem Tag der Veröffentlichung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2016, möglich gewesen sei, einen angemessenen Ausgleich für eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beschwerdeführers auch durch andere Mittel als eine Entschädigung in Geld zu erzielen. Insbesondere hatte das Landgericht R. in seinen Beschlüssen vom 8. Februar und vom 4. April 2017, die jeweils in der Rechtsbeschwerdeinstanz bestätigt worden waren, erklärt, dass zwei der streitgegenständlichen Durchsuchungen des Beschwerdeführers nach Besuchen, und zwar die am 3. Dezember 2015 und die am 13. Juni 2016, rechtswidrig gewesen seien (siehe Rdnr. 9, oben). Die Folgerung, eine zusätzliche Geldentschädigung für die fünf Durchsuchungen zwischen dem 27. Februar 2014 und dem 1. September 2016 sei nicht erforderlich, begründete das Gericht genauso wie in seinem Beschluss vom 20. März 2017 (siehe Rdnr. 15, oben).

25. Die Bewertung der nach der Veröffentlichung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts erfolgten Durchsuchung vom 19. Januar 2017 werfe hingegen schwierige Rechtsfragen auf, die im Hauptsacheverfahren zur Entscheidung über die Amtshaftungsklage zu klären seien. Diese Klage habe hinsichtlich eines Entschädigungsanspruchs in Höhe von 200 EUR hinreichende Aussichten auf Erfolg, da dieser Betrag ausreichend erscheine, wenn eine Entschädigung tatsächlich angemessen sei. Zudem sei der Beschwerdeführer zur Aufbringung der Kosten für das Amtshaftungsverfahren nicht in der Lage, womit die Voraussetzungen des § 114 Abs. 1 ZPO zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfüllt seien.

26. Am 4. Juni 2018 wies das Oberlandesgericht die vom Beschwerdeführer eingelegte Beschwerde gegen die Ablehnung seines Antrags auf Prozesskostenhilfe betreffend die fünf vor der Veröffentlichung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2016 erfolgten Durchsuchungen zurück. Es wiederholte im Wesentlichen die in seiner Entscheidung vom 17. Mai 2017 angeführten Gründe (siehe Rdnrn. 16-19, oben).

27. Am 18. Juni 2018 legte der Beschwerdeführer gegen die Beschlüsse des Landgerichts und des Oberlandesgerichts, ihm keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen, Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein.

28. Am 29. August 2018 nahm das Bundesverfassungsgericht die vom Beschwerdeführer erhobene Verfassungsbeschwerde ohne Angabe von Gründen nicht zur Entscheidung an (1 BvR 1322/18).

29. Der Beschwerdeführer hat offenbar kein Amtshaftungsverfahren hinsichtlich einer Durchsuchung am 19. Januar 2017 angestrengt, nachdem er festgestellt hatte, dass er an diesem Tag tatsächlich nicht durchsucht worden, sondern wegen seiner Weigerung, sich der angeordneten Durchsuchung zu unterziehen, mit einer Disziplinarmaßnahme belegt worden war (siehe Rdnr. 10, oben).

EINSCHLÄGIGER RECHTLICHER RAHMEN UND EINSCHLÄGIGE PRAXIS

I. das bayerische strafvollzugsgesetz

30. Art. 91 BayStVollzG zu Durchsuchungen lautet, soweit einschlägig, wie folgt:

„(1) Gefangene, ihre Sachen und die Hafträume dürfen durchsucht werden. Die Durchsuchung männlicher Gefangener darf nur von Männern, die Durchsuchung weiblicher Gefangener darf nur von Frauen vorgenommen werden; dies gilt nicht für das Absuchen der Gefangenen mit technischen Mitteln oder mit sonstigen Hilfsmitteln. Das Schamgefühl ist zu schonen.

(2) Nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung des Anstaltsleiters oder der Anstaltsleiterin im Einzelfall ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Sie darf bei männlichen Gefangenen nur in Gegenwart von Männern, bei weiblichen Gefangenen nur in Gegenwart von Frauen erfolgen. Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. Andere Gefangene dürfen nicht anwesend sein.

(3) Der Anstaltsleiter oder die Anstaltsleiterin kann allgemein anordnen, dass Gefangene bei der Aufnahme, nach Kontakten mit Besuchern und nach jeder Abwesenheit von der Anstalt nach Abs. 2 zu durchsuchen sind.

…”

II. bestimmungen und praxis hinsichtlich amtshaftungSVERFAHREN

31. Nach Artikel 34 GG in Verbindung mit § 839 BGB ist der Staat schadensersatzpflichtig gegenüber einer Person wegen eines Schadens, der ihr aus einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung einer Amtspflicht durch einen Beamten entstanden ist.

32. Für die Verletzung einer Amtspflicht wird einem Betroffenen nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB Schadensersatz gewährt. Nach § 253 Abs. 1 BGB kann eine Entschädigung in Geld für einen Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gewährt werden.

33. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Anspruch auf Ersatz eines Nichtvermögensschadens entstehen, wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen nach Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes verletzt wurde. Ein Anspruch auf eine Entschädigung in Geld für eine Verletzung dieser Rechte besteht jedoch nur, wenn ein hinreichend schwerwiegender Eingriff stattgefunden hat, der nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Bei dieser Betrachtung sind der Anlass, aus dem der handelnde Vertreter des Staates die angefochtene Maßnahme ergriffen hat, seine Beweggründe sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (siehe unter anderem BGH III ZR 9/03, Urteil vom 23. Oktober 2003, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2003, S. 3693 ff., und. III ZR 361/03, Urteil vom 4. November 2004, NJW 2005, S. 58-60 mit weiteren Nachweisen; siehe auch Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 2853/08, Entscheidung vom 11. November 2009, Rdnr. 21, und 1 BvR 2639/15, Entscheidung vom 14. Februar 2017, Rdnr. 15 mit weiteren Nachweisen).

34. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht diese Einschränkung hinsichtlich des Anspruchs auf Schadensersatz nach einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines Betroffenen grundsätzlich für vereinbar mit dem Grundgesetz erachtet, es hat jedoch betont, dass die Erwägungen der innerstaatlichen Gerichte bei der Feststellung, eine Geldentschädigung sei nicht erforderlich, der Bedeutung des im Grundgesetz verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrechts angemessen Rechnung zu tragen hätten (siehe Bundesverfassungsgericht 1 BvR 2853/08, a. a. O, Rdnrn. 19-20, und. 1 BvR 2639/15, a. a. O., Rdnrn. 14-16 mit weiteren Nachweisen).

III. bestimmungen und praxis hinsichtlich anwaltlicher Vertretung und Prozesskostenhilfe

35. Nach § 78 Abs. 1 ZPO müssen sich die Parteien in zivilrechtlichen Verfahren vor dem Landgericht, dem Oberlandesgericht und dem Bundesgerichtshof von einem Rechtsanwalt vertreten lassen. Nach § 78 Abs. 3 ZPO sind diese Vorschriften auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden. Ein Antrag auf Prozesskostenhilfe ist eine solche Handlung, die vor dem Urkundsbeamten vorgenommen werden kann (siehe § 117 Abs. 1 ZPO).

36. In § 114 ZPO sind die Voraussetzungen genannt, die erfüllt sein müssen, damit einer Partei in einem zivilrechtlichen Verfahren Prozesskostenhilfe gewährt wird. Er lautet:

„(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. …”

37. Wird einer Partei Prozesskostenhilfe gewährt, so wird ihr ein zu ihrer Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, sofern die Vertretung durch einen Rechtsanwalt in dem Verfahren vorgeschrieben ist (§ 121 Abs. 1 ZPO).

38. Das Gericht, das für die beabsichtigte Klage zuständig ist, ist auch dafür zuständig, über Anträge auf Prozesskostenhilfe zu entscheiden; im Verfahren über die Prozesskostenhilfe entscheidet es ohne mündliche Verhandlung (§ 127 Abs. 1 ZPO). Gegen eine Entscheidung, mit der die Gewährung von Prozesskostenhilfe versagt wird, ist grundsätzlich ein Rechtsbehelf zulässig (§ 127 Abs. 2 ZPO).

39. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wirft die Ablehnung des Gerichts, Prozesskostenhilfe zum Betreiben eines Verfahrens zu gewähren, eine Frage hinsichtlich des Grundrechts auf gleichen Zugang zu einem Gericht auf. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde nur in solchen Fällen als verfassungsrechtlich geboten erachtet, in denen die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte und nicht mutwillig erschien. Die summarische Prüfung der Erfolgsaussicht im Prozesskostenhilfeverfahren darf jedoch nicht an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten, sondern sie soll dieses nur zugänglich machen (siehe Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 94/88, Beschluss vom 13. März 1990, Rdnrn. 23-26, BVerfGE 81, 347 ff.).

RECHTLICHE WÜRDIGUNG

I. VERBINDUNG DER BESCHWERDEN

40. Aufgrund des ähnlichen Gegenstands der Beschwerden erachtet der Gerichtshof es für angemessen, sie zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden (Artikel 42 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs).

II. BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 3 DER KONVENTION

41. Der Beschwerdeführer rügte die wiederholten, mit seiner Entkleidung verbundenen Durchsuchungen, denen er in der Justizvollzugsanstalt S. vor oder nach Besuchskontakten unterzogen worden war. Er berief sich auf Artikel 3 der Konvention, der wie folgt lautet:

„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.“

A. Zulässigkeit

1. Das Vorbringen der Parteien

(a) Die Regierung

42. Laut Vorbringen der Regierung hat der Beschwerdeführer die innerstaatlichen Rechtsbehelfe hinsichtlich der Rüge der Durchsuchungen als solche nicht erschöpft, wie Art. 35 Abs. 1 der Konvention dies verlangt. Der Beschwerdeführer habe die innerstaatlichen Gerichte nur angerufen, um diesbezüglich Prozesskostenhilfe zu beantragen. Im Prozesskostenhilfeverfahren hätten die innerstaatlichen Gerichte lediglich summarisch geprüft, ob die Klage, die der Beschwerdeführer mithilfe der Prozesskostenhilfe anzustrengen begehrte, hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt habe. Der Beschwerdeführer habe jedoch kein Hauptsacheverfahren hinsichtlich eventueller Amtshaftungsansprüche auf Entschädigung für die Durchsuchungen angestrengt und es somit versäumt, eine Entscheidung der innerstaatlichen Gerichte zu diesen Durchsuchungen einzufordern.

43. Unter diesen Umständen habe lediglich die Frage, ob das Recht auf gleichen Zugang zum Rechtsschutz verletzt worden sei, Gegenstand der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht sein können; dies entspreche den Rechten nach Art. 6 Abs. 1 und Art. 13 der Konvention. auf die sich der Beschwerdeführer berufen habe. Das Gericht sei hingegen nicht zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Durchsuchungen als solcher befugt gewesen.

44. Aus Sicht der Regierung war es dem Beschwerdeführer trotz des Anwaltszwangs nach § 78 ZPO (siehe Rdnr. 35, oben) und ungeachtet der Nichtbewilligung von Prozesskostenhilfe zumutbar, ein Hauptsacheverfahren zur Klärung der Amtshaftungsfrage anzustrengen. Sie merkte an, dass der Beschwerdeführer bei verschiedenen vorausgegangenen Verfahren, für die ihm ebenso wie im Falle der angefochtenen Prozesskostenhilfeverfahren keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei, in der Lage gewesen sei, sich anwaltlich vertreten zu lassen.

45. Die Regierung machte weiter geltend, der Beschwerdeführer könne jedenfalls nicht mehr behaupten, Opfer einer Verletzung von Artikel 3 zu sein. Die innerstaatlichen Behörden hätten ihm mit der Feststellung, die Durchsuchungen seien rechtswidrig gewesen, eine ausreichende Wiedergutmachung zuteilwerden lassen, eine Entschädigung in Geld sei daher nicht erforderlich.

(b) Der Beschwerdeführer

46. Der Beschwerdeführer war der Ansicht, er habe die innerstaatlichen Rechtsbehelfe entsprechend dem Erfordernis aus Artikel 35 Abs. 1 der Konvention erschöpft. Er brachte vor, er sei nach der Ablehnung seiner Anträge auf Prozesskostenhilfe nicht in der Lage gewesen, ein Hauptsacheverfahren zur Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen auf Entschädigung für die Durchsuchungen zu betreiben. Für ein solches Verfahren sei anwaltliche Vertretung vorgeschrieben und es seien Gerichtkosten zu zahlen, und zur Bestreitung dieser Kosten fehlten ihm die Mittel. Die Tatsache, dass sein Anwalt sich bereit erklärt habe, ihn angesichts der offensichtlichen Erfolgsaussicht des beabsichtigten Amtshaftungsverfahrens im Prozesskostenhilfeverfahren zu unterstützen, ändere daran nichts. Mit ihren Beschlüssen, ihm keine Prozesskostenhilfe zu gewähren, hätten die innerstaatlichen Gerichte indirekt auch über seine Amtshaftungsklage entschieden und diese abgewiesen.

47. Der Beschwerdeführer bestritt außerdem, dass seine Opfereigenschaft weggefallen sei, nachdem er für die wiederholten gegen Artikel 3 verstoßenden Durchsuchungen keine Entschädigung in Geld erhalten habe.

2. Würdigung durch den Gerichtshof

(a) Einschlägige Grundsätze hinsichtlich der Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe

48. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass Artikel 35 Abs. 1 der Konvention relativ flexibel und ohne übermäßigen Formalismus anzuwenden ist, dass er aber nicht nur voraussetzt, dass vor den zuständigen innerstaatlichen Gerichten Anträge gestellt und Rechtsbehelfe in Anspruch genommen werden, mit denen bereits ergangene Entscheidungen angefochten werden können. Er setzt normalerweise auch voraus, dass die Rügen, mit denen später der Gerichtshof befasst werden soll, zumindest ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Anrufung eben dieser zuständigen innerstaatlichen Gerichte waren, und dass die in den innerstaatlichen Bestimmungen vorgesehenen Formerfordernisse und Fristen beachtet wurden (siehe unter anderem Cardot ./. Frankreich, 19. März 1991, Rdnr. 34, Serie A Nr. 200; Akdivar und andere ./. Türkei, 16. September 1996, Rdnrn. 66 und 69, Reports of Judgments and Decisions 1996‑IV; und S. ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 61603/00, 26. Oktober 2004).

49. Der Gerichtshof weist außerdem erneut darauf hin, dass den nationalen Behörden mit dem Erfordernis der Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe die Möglichkeit gegeben werden soll, den Verletzungen abzuhelfen, die von einem Beschwerdeführer geltend gemacht werden (siehe unter anderem López Ostra ./. Spanien, 9. Dezember 1994, Rdnr. 38, Serie A Nr. 303‑C; und Tomé Mota ./. Portugal (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 32082/96, ECHR 1999-IX). Zwar erkennt der Gerichtshof den Grundsatz an, dass ein Beschwerdeführer keinen Gebrauch von innerstaatlichen Rechtsbehelfen machen muss, von denen klar ist, dass sie nicht zum Erfolg führen; jedoch ist der Gerichtshof der Auffassung, dass ein Beschwerdeführer durch Vorlage einschlägiger Gerichtsentscheidungen oder sonstiger geeigneter Nachweise zeigen muss, dass ein ihm tatsächlich zugänglicher Rechtsbehelf in der Tat vergeblich gewesen wäre. Der Gerichtshof weist auch darauf hin, dass ein bloßer Zweifel an der Erfolgsaussicht eines innerstaatlichen Rechtsbehelfs einen Beschwerdeführer nicht von der Verpflichtung zu dessen Erschöpfung befreit (siehe unter anderem T. A. und andere ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 44911/98, 19. Januar 1999; Tomé Mota, a. a. O.; und S., a. a. O.).

50. Der Gerichtshof stellt weiter fest, dass er mit der Frage der Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe bereits in einer Reihe von Fällen befasst war, in denen der Beschwerdeführer aufgrund dessen, dass ihm wegen mangelnder Erfolgsaussicht eines beabsichtigen Verfahrens Prozesskostenhilfe versagt worden war, ein Hauptsacheverfahren nicht angestrengt hat und er sich somit nicht aller Rechtsmittel bedient hat, die grundsätzlich ausgeschöpft werden müssen, damit die Voraussetzung von Artikel 35 Abs. 1 der Konvention erfüllt ist (siehe insbesondere Gnahoré ./. Frankreich, Individualbeschwerde Nr. 40031/98, Rdnrn. 46-48, ECHR 2000‑IX; S., a. a. O.; L. L. ./. Frankreich, Individualbeschwerde Nr. 7508/02, Rdnrn. 22-23, ECHR 2006-XI; E. ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 23947/03, 10. April 2007; V. ./. Deutschland (Entsch.) [Ausschuss], Individualbeschwerde Nr. 36894/08, 12. Juni 2012; und A. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 3690/10, Rdnr. 37, 26. November 2015).

51 In diesem Zusammenhang kam der Gerichtshof mehrfach zu dem Schluss, dass man einem Beschwerdeführer nicht vorwerfen konnte, den innerstaatlichen Rechtswegs nicht erschöpft zu haben, wenn er nach Ablehnung seines Antrags auf Prozesskostenhilfe ein Verfahren nicht weiterverfolgt hatte, insbesondere in Fällen, in denen ein solcher Antrag gestellt worden war, um Revision einzulegen (siehe S., a. a. O.; und A., a. a. O., Rdnr. 37). Ein maßgebliches Element bei der Feststellung, dass der Beschwerdeführer ein Hauptsacheverfahren nicht weiterverfolgen musste, da er in diesem aller Wahrscheinlichkeit nach nicht erfolgreich sein würde, war, dass dieselben Richter, die in ihrer Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe eine nicht hinreichende Aussicht auf Erfolg des beabsichtigten Verfahrens festgestellt hatten, auch zuständig für die Entscheidung im Hauptsacheverfahren des Beschwerdeführers gewesen wären (siehe S., a. a. O.; und A., a. a. O., Rdnr. 37).

(b) Anwendung dieser Grundsätze auf die vorliegende Rechtssache

52. Der Gerichtshof nimmt zur Kenntnis, dass der Beschwerdeführer in der vorliegenden Rechtssache nach Ablehnung seines Antrags auf Prozesskostenhilfe kein Amtshaftungsverfahren zur Klärung der Frage anstrengte, ob er für die vermeintlich erniedrigenden Durchsuchungen Anspruch auf Entschädigung hatte. Er hat lediglich Vorverfahren angestrengt und die zur Verfügung stehenden innerstaatlichen Rechtsbehelfe hinsichtlich seines Prozesskostenhilfeantrags für ein solches Amtshaftungsverfahren in den beiden vorliegend streitgegenständlichen Verfahren vor den innerstaatlichen Gerichten erschöpft.

53 Bei der Klärung der Frage, ob im Fall des Beschwerdeführers ausnahmsweise von der Voraussetzung der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens zur Klärung von Amtshaftungsansprüchen abgesehen werden kann, stellt der Gerichtshof fest, dass die innerstaatlichen Gerichte in den beiden vorgenannten Prozesskostenhilfeverfahren eingehend geprüft haben, ob die vom Beschwerdeführer beabsichtigte Amtshaftungsklage möglicherweise als begründet erachtet werden könne, bevor sie zu dem Schluss gelangten, ein solches Verfahren habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. In Anbetracht des innerstaatlichen Rechts (vgl. § 114 Abs. 1, Satz 1 ZPO, siehe Rdnr. 36, oben), bedeutete dies, dass die innerstaatlichen Gerichte, die auch für die Entscheidung über die beabsichtigten Klagen selbst zuständig waren, den Standpunkt des Beschwerdeführers nicht einmal für vertretbar hielten.

54. Der Gerichtshof übersieht nicht, dass die innerstaatlichen Gerichte zu ihren Feststellungen gelangt waren, nachdem sie lediglich eine Vorabprüfung der beabsichtigten Amtshaftungsklage vorgenommen hatten, die, wie in Prozesskostenhilfeverfahren üblich, allein auf der Grundlage der Fallakte erfolgt war (siehe Rdnr. 38, oben). Unter den besonderen Umständen der vorliegenden Rechtssache kommt der Gerichtshof dennoch nicht umhin, festzustellen, dass davon ausgegangen werden kann, dass der Standpunkt der innerstaatlichen Gerichte, den sie auch in einer möglichen Amtshaftungsklage einnehmen würden, bereits in einem Maße bestimmt war, das keine ernsthaften Zweifel mehr am Ausgang eines solchen Verfahrens ließ.

55. Der Gerichtshof bemerkt, dass die innerstaatlichen Gerichte festzustellen hatten, ob die Annahme, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers könne hinreichend schwer verletzt worden sein, sodass diese Verletzung durch andere Mittel als eine Entschädigung in Geld nicht ausreichend wiedergutgemacht werden könne, zumindest vertretbar war. In diesem Zusammenhang vertraten die Beschwerdegerichte die Auffassung, dass eine Entschädigung in Geld nicht erforderlich sei, obwohl sie anerkannten, dass die wiederholten rechtswidrigen Durchsuchungen des Beschwerdeführers einen schwerwiegenden Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht dargestellt hatten, dass ein Missbrauch des Besuchsrechts durch den Beschwerdeführer unwahrscheinlich gewesen war und dass aufseiten der Bediensteten, die die fraglichen Durchsuchungen angeordnet und durchgeführt hatten, eventuell ein geringes Verschulden vorgelegen hatte (siehe insbesondere Rdnrn. 17 bis 19 und 26, oben).

56. Der Gerichtshof nimmt außerdem zur Kenntnis, dass die innerstaatlichen Gerichte in den in Rede stehenden Verfahren mehrere Beschlüsse der Strafvollstreckungskammern berücksichtigt hatten, in denen einige der Durchsuchungen des Beschwerdeführers nach Verfahren, in denen diese Kammern in der Hauptsache mit dieser Frage befasst waren, für rechtswidrig erklärt worden waren. Angesichts der Tatsache, dass die innerstaatlichen Gerichte die vom Beschwerdeführer beabsichtigte Klage selbst unter diesen Umständen nicht wenigstens für vertretbar erachteten, ist der Gerichtshof davon überzeugt, dass ein Hauptsacheverfahren zur Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen vor denselben Gerichten vergeblich gewesen wäre.

57. Nach Auffassung des Gerichtshofs folgt daraus, dass die von der Regierung vorgebrachte Einrede der Nichterschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe unter Berücksichtigung der besonderen Umstände der Sache zurückzuweisen ist.

(c) Wegfall der Opfereigenschaft

58. Hinsichtlich des Einwands der Regierung, dass der Beschwerdeführer seine Eigenschaft, Opfer einer Verletzung von Artikel 3 geworden zu sein, für die Zwecke von Artikel 34 der Konvention verloren hat, ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die Angemessenheit bzw. Nichtangemessenheit der Reaktion der Behörden auf die angefochtene Maßnahme der körperlichen Durchsuchungen im Lichte der Schwere einer möglicherweise gegen Artikel 3 verstoßenden Behandlung erwogen werden muss. Die Frage, ob der Beschwerdeführer seine Opfereigenschaft verloren hat, wird daher im Zusammenhang mit der Prüfung der Begründetheit der Rüge des Beschwerdeführers nach Artikel 3 geprüft (vgl. auch G. ./. Deutschland [GC], Individualbeschwerde Nr. 22978/05, Rdnr. 78, ECHR 2010; und F. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 54648/09, Rdnr. 34, 23. Oktober 2014). Der Gerichtshof verbindet daher den Einwand der Regierung bezüglich des Wegfalls der Opfereigenschaft mit der Prüfung der Begründetheit.

(d) Schlussfolgerung

59. Der Gerichtshof stellt weiter fest, dass die vorliegende Rüge weder offensichtlich unbegründet noch aus anderen in Artikel 35 der Konvention aufgeführten Gründen unzulässig ist. Folglich ist sie für zulässig zu erklären.

B. Begründetheit

1. Vereinbarkeit der stichprobenartigen körperlichen Durchsuchungen mit Artikel 3

(a) Das Vorbringen der Parteien

(i) Der Beschwerdeführer

60. Der Beschwerdeführer brachte vor, die wiederholten stichprobenartigen Durchsuchungen seien unter den gegebenen Umständen eindeutig unnötig gewesen und hätten nur dazu gedient, ihn unter Verletzung von Artikel 3 der Konvention zu entwürdigen. Die Durchsuchungen, bei denen er sich zunächst habe entkleiden müssen und dann einer Durchsuchung unterzogen worden sei, bei der auch sein Anus inspiziert worden sei, sei von zwei Personen des Wachpersonals durchgeführt worden und habe sich über mehrere Minuten erstreckt; die Durchführung sei unprofessionell gewesen und habe sein Schamgefühl verletzt.

61. In Anbetracht der Tatsache, dass er vor bzw. nach diesen Durchsuchungen Besuch von Amtspersonen erhalten habe, von denen er zudem durch eine Trennscheibe getrennt gewesen sei, seien keinerlei Gründe für Sicherheitsbedenken erkennbar gewesen, beispielsweise ein Risiko, dass er versuchen könnte, bestimmte Gegenstände in die Justizvollzugsanstalt hinein- oder aus ihr herauszuschmuggeln, und derartige Bedenken seien von den Behörden ja auch nicht vorgebracht worden. Die Durchsuchungen seien daher eindeutig willkürlich erfolgt.

(ii) Die Regierung

62. Die Regierung räumte ein, die Durchsuchungen des Beschwerdeführers könnten als erniedrigende Behandlung gesehen werden, sie könnten jedoch nicht als Folter oder unmenschliche Behandlung im Sinne von Artikel 3 eingestuft werden. Die stichprobenartigen Durchsuchungen seien professionell und ohne unnötige zusätzliche Erniedrigung durchgeführt worden. Der Beschwerdeführer sei nicht anders behandelt worden als andere Gefangene in der Justizvollzugsanstalt S.

63. Die Regierung betonte, dass solche Durchsuchungen unter bestimmten Umständen mit Artikel 3 vereinbar sein können, um die Sicherheit und Ordnung in einer Justizvollzugsanstalt aufrechtzuerhalten. Damit könne verhindert werden, dass Gegenstände wie Drogen, Waffen oder Handys in die Anstalt eingeschmuggelt oder Fluchtpläne oder Anleitungen zur Begehung von Straftaten aus ihr herausgeschmuggelt werden. Rechtsgrundlage für die Durchsuchungen seien Art. 91 Abs. 2 bzw. Abs. 3 des bayerischen Strafvollzugsgesetz gewesen. Angesichts der Tatsache, dass die innerstaatlichen Gerichte die angegriffene Durchsuchungspraxis vor dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2016 für rechtskonform erachtet hätten, könne dem Personal der Justizvollzugsanstalt kaum ein Vorwurf deswegen gemacht werden, dass sie diese Praxis vor diesem Beschluss angewandt hätten.

(b) Würdigung durch den Gerichtshof

(i) Einschlägige Grundsätze

64. Eine Misshandlung muss ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich von Artikel 3 zu fallen. Die Beurteilung dieses Mindestmaßes ist relativ; sie hängt von den gesamten Umständen des Falls ab, z. B. von der Dauer der Behandlung, ihren körperlichen und seelischen Folgen und zuweilen auch vom Geschlecht, dem Alter und dem Gesundheitszustand des Opfers. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Behandlung „erniedrigend“ im Sinne von Artikel 3 ist, berücksichtigt der Gerichtshof, ob ihr Zweck darin besteht, die betroffene Person zu demütigen und zu entwürdigen, und, mit Blick auf die Folgen, ob sie sich in einer Weise negativ auf die Persönlichkeit der betroffenen Person auswirkt, die mit Artikel 3 unvereinbar ist. Jedoch schließt das Fehlen eines solchen Zwecks die Feststellung einer Verletzung nicht in jedem Falle aus (siehe Labita ./. Italien [GK], Individualbeschwerde Nr. 26772/95, Rdnr. 120, ECHR 2000‑IV; Peers ./. Griechenland, Individualbeschwerde Nr. 28524/95, Rdnrn. 67, 68 und 74, ECHR 2001‑III; und Valašinas ./. Litauen, Individualbeschwerde Nr. 44558/98, Rdnr. 101, ECHR 2001‑VIII). Darüber hinaus müssen das Leiden und die Erniedrigung in jedem Fall über das mit einer legitimen Behandlung oder Strafe unweigerlich einhergehende Element des Leidens bzw. der Erniedrigung hinausgehen (siehe Kudła ./. Polen [GK], Individualbeschwerde Nr. 30210/96, Rdnr. 92, ECHR 2000‑XI; Valašinas, a. a. O., Rdnr. 102; J. ./. Deutschland [GK], Individualbeschwerde Nr. 54810/00, Rdnr. 68, ECHR 2006‑IX; und Wainwright ./. das Vereinige Königreich, Individualbeschwerde Nr. 12350/04, Rdnr. 41, ECHR 2006‑X).

65. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass mit Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchungen gelegentlich notwendig sein können, um die Sicherheit in einer Justizvollzugsanstalt zu gewährleisten oder Störungen bzw. Straftaten zu verhindern (siehe Valašinas, a. a. O., Rdnr. 117; Iwańczuk ./. Polen, Individualbeschwerde Nr. 25196/94, Rdnr. 59, 15. November 2001; Van der Ven ./. die Niederlande, Individualbeschwerde Nr. 50901/99, Rdnr. 60, ECHR 2003‑II; Frérot ./. Frankreich, Individualbeschwerde Nr. 70204/01, Rdnr. 38, 12. Juni 2007; und Dejnek ./. Polen, Individualbeschwerde Nr. 9635/13, Rdnr. 60, 1. Juni 2017). Sie müssen auf eine angemessene, die Menschenwürde respektierende Art und Weise und zu einem legitimen Zweck durchgeführt werden (siehe Wainwright, a. a. O., Rdnr. 42; und Dejnek, a. a. O., Rdnr. 60).

66. Der Gerichtshof führt auch erneut aus, dass hinsichtlich einer Person, deren Freiheit entzogen wurde, oder ganz allgemein einer Person, die mit Vollstreckungsbeamten konfrontiert ist, jede Anwendung körperlicher Gewalt, die nicht durch das eigene Verhalten der Person zwingend notwendig gemacht wurde, die Menschenwürde herabsetzt und grundsätzlich eine Verletzung des in Artikel 3 verankerten Rechts darstellt (siehe u. v. a Ribitsch ./. Österreich, 4. Dezember 1995, Rdnr. 38, Serie A Nr. 336; El-Masri ./. die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien [GK], Individualbeschwerde Nr. 39630/09, Rdnr. 207, ECHR 2012; und Bouyid ./. Belgien [GK], Individualbeschwerde Nr. 23380/09, Rdnr. 88, ECHR 2015).

67. Der Gerichtshof betont, dass das Wort „grundsätzlich“ hier nicht so zu verstehen ist, dass es Situationen geben könnte, bei denen eine solche Verletzung nicht festzustellen wäre, weil die oben erwähnte Schwelle der Schwere nicht erreicht wurde (siehe Rdnr. 64, oben) (siehe Bouyid, a. a. O., Rdnr. 101). Jeder Eingriff in die Menschenwürde betrifft den Wesensgehalt der Konvention. Daher stellt jedes Verhalten eines Vollstreckungsbeamten gegenüber einer Person, das deren Menschenwürde herabsetzt, einen Verstoß gegen Artikel 3 der Konvention dar (siehe Bouyid, a. a. O., Rdnr. 101; und Zherdev ./. die Ukraine, Individualbeschwerde Nr. 34015/07, Rdnr. 86, 27. April 2017).

68. Weist die Art und Weise, in der eine Durchsuchung durchgeführt wird, herabwürdigende Elemente auf, die die mit einer solchen Prozedur unweigerlich verbundene Demütigung noch deutlich verstärken, so wurde dies als Verstoß gegen Artikel 3 erachtet, beispielsweise wenn ein Gefangener sich in Gegenwart einer weiblichen Beamtin entkleiden musste und seine Geschlechtsorgane sowie Lebensmittel, mit bloßen Händen angefasst wurden (siehe Valašinas, a. a. O., Rdnr. 117), oder in einem Fall, in dem eine Durchsuchung vor vier Mitgliedern des Wachpersonals erfolgte, die den Gefangenen verspotteten und beleidigten (siehe Iwańczuk, a. a. O., Rdnr. 59).

69. Auch in Fällen, in denen kein Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung oder der Verhinderung von Straftaten in einer Hafteinrichtung dargelegt werden kann, können Fragen aufgeworfen werden (siehe z. B. Iwańczuk, a. a. O., Rdnrn. 54, 56 und 58-59, wo der Beschwerdeführer, ein Untersuchungshäftling, der keinen Anlass zu Sicherheitsbedenken gegeben hatte, durchsucht wurde, als er sein Wahlrecht ausüben wollte; und Van der Ven (a. a. O., Rdnrn. 61-62); sowie Frérot (a. a. O., Rdnr. 47), wo die körperlichen Durchsuchungen systematisch über einen langen Zeitraum hinweg durchgeführt wurden, ohne dass hierfür überzeugende Sicherheitsgründe angegeben werden konnten; siehe auch Wainwright, a. a. O., Rdnr. 42).

(ii) Anwendung dieser Grundsätze auf die vorliegende Rechtssache

70. Der Gerichtshof stellt fest, dass die elf Durchsuchungen des Beschwerdeführers, die auch eine Inspizierung seines Anus umfassten und daher mit das Schamgefühl verletzenden Körperhaltungen verbunden waren, einen Eingriff in seine Menschenwürde darstellten. Zudem handelte es sich bei den wiederholten Durchsuchungen, denen der Beschwerdeführer unterzogen wurde, unstrittig um stichprobenartig durchgeführte Durchsuchungen, die zur fraglichen Zeit für jeden fünften Gefangenen angeordnet worden waren, ohne dass es eine Möglichkeit gab, im Einzelfall von einer Durchsuchung abzusehen. Bei allen Gelegenheiten, zu denen der Beschwerdeführer durchsucht wurde, erwartete er den Besuch von Amtspersonen oder war von solchen besucht worden. Bei zehn Gelegenheiten erhielt der Beschwerdeführer Besuch von Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, die ihn zur Protokollierung von Rechtsbeschwerden, die er beim Gericht einlegen wollte, aufsuchten. Konkrete Sicherheitsbedenken in Bezug auf den Beschwerdeführer waren weder ersichtlich noch wurden solche Bedenken von den innerstaatlichen Behörden vorgebracht. Die Art und Weise, in der dieses System stichprobenartiger Durchsuchungen angewandt wurde, ließ es jedoch nicht zu, bei der Entscheidung, ob eine Durchsuchung durchgeführt werden sollte oder nicht, das Verhalten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Die innerstaatlichen Gerichte hatten in der Tat eingeräumt, dass ein Missbrauch des Besuchsrechts im Fall des Beschwerdeführers unwahrscheinlich gewesen sei (siehe Rdnr. 17, oben).

71. Unter diesen Umständen ist der Gerichtshof nicht davon überzeugt, dass die Durchsuchungen des Beschwerdeführers in einem nachweisbaren, konkreten Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der Sicherheit oder der Verhinderung von Straftaten in der Justizvollzugsanstalt standen.

72. Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass die Art und Weise, in der die wiederholten Durchsuchungen als solche durchgeführt wurden, keine weiteren Elemente aufwiesen, die den Beschwerdeführer unnötig erniedrigt oder gedemütigt hätten. Das Fehlen eines legitimen Zwecks für diese allgemeine Praxis wiederholter Durchsuchungen, das Gefühl der Willkür, Minderwertigkeitsgefühle und Beklemmungen, die damit häufig einhergehen, sowie das Gefühl, ernsthaft in seiner Würde verletzt zu sein, das zweifellos aufkommt, wenn jemand dazu gezwungen ist, sich vor einer anderen Person auszuziehen und sich einer Inspizierung des Anus zu unterziehen, resultierten jedoch in einem Maß an Demütigung, das über das – unvermeidliche und damit hinzunehmende – Maß hinausging, das mit körperlichen Durchsuchungen von Gefangenen zwangsläufig verbunden ist (vgl. Frérot, a. a. O., Rdnr. 47). Die Durchsuchungen gingen also über das mit einer legitimen Behandlung oder Strafe zwangsläufig einhergehende Element an Leiden und Erniedrigung hinaus. Der Gerichtshof gelangt daher zu der Auffassung, dass die angegriffenen Durchsuchungen, denen der Beschwerdeführer in der Justizvollzugsanstalt S. unterzogen wurde, seine Menschenwürde herabsetzten und daher eine erniedrigende Behandlung im Sinne von Artikel 3 darstellten. Die Regierung räumt dies offenbar auch ein.

2. Wegfall der Opfereigenschaft

(a) Das Vorbringen der Parteien

(i) Die Regierung

73. Die Regierung war der Ansicht, der Beschwerdeführer habe jedenfalls seine Eigenschaft, Opfer einer Verletzung von Artikel 3 geworden zu sein, verloren. Sie führte aus, das Bundesverfassungsgericht habe die angegriffene Praxis stichprobenartiger Durchsuchungen ohne die Möglichkeit, im Einzelfall auf eine Durchsuchung zu verzichten, in seinem Beschluss vom 5. November 2016 als verfassungswidrig erachtet (siehe Rdnr. 5, oben). Darüber hinaus hätten die innerstaatlichen Gerichte anerkannt, dass drei der in den vorliegenden Individualbeschwerden in Rede stehenden Durchsuchungen des Beschwerdeführers – nämlich die vom 24. August 2015, vom 3. Dezember 2015 und vom 13. Juni 2016 – rechtswidrig gewesen seien (siehe Rdnrn. 8 und 9, oben). Außerdem seien die angegriffenen Durchsuchungen vor dem genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts erfolgt. Da die Justizvollzugsanstalt S. daraufhin ihre Regeln zur Durchführung körperlicher Durchsuchungen geändert habe, um sie mit diesem Gerichtsbeschluss in Einklang zu bringen, bestehe nicht die Gefahr, dass sich die Praxis wiederhole. Seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2016 habe es nur sehr wenige Fälle gegeben, in denen die innerstaatlichen Gerichte körperliche Durchsuchungen in der Justizvollzugsanstalt S. als unter den jeweiligen Umständen unverhältnismäßig angesehen und daher für rechtswidrig erachtet hätten. Die vorgenannten Gerichtsentscheidungen und die in deren Folge in der Justizvollzugsanstalt S. ergriffenen Maßnahmen seien eine ausreichende Wiedergutmachung, eine Entschädigung in Geld sei daher nicht erforderlich.

(ii) Der Beschwerdeführer

74. Der Beschwerdeführer brachte vor, angesichts der Schwere der Verletzung seiner Grundrechte sei die bloße Feststellung der innerstaatlichen Gerichte, dass die angegriffenen Durchsuchungen rechtswidrig gewesen seien, eindeutig nicht ausreichend, wenn ihm für den durch die Durchsuchungen verursachten immateriellen Schaden keine Entschädigung in Geld zugesprochen werde. Der Beschwerdeführer wies darauf hin, dass die Justizvollzugsanstalt S. die angegriffene Durchsuchungspraxis nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht sofort geändert habe, wie die ihn betreffende gerichtliche Anordnung, sich am 19. Januar 2019 einer solchen Durchsuchung zu unterziehen, und ähnliche Anordnungen für andere Gefangene zeigen würden.

(b) Würdigung durch den Gerichtshof

75. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass eine Entscheidung oder Maßnahme zugunsten des Beschwerdeführers nicht grundsätzlich ausreicht, um ihm die Opfereigenschaft im Sinne von Artikel 34 der Konvention abzuerkennen, es sei denn, die innerstaatlichen Behörden haben die Konventionsverletzung ausdrücklich oder der Sache nach anerkannt und sodann Wiedergutmachung geleistet (siehe unter anderem E. ./. Deutschland, 15. Juli 1982, Rdnr. 66, Serie A Nr. 51; Dalban ./. Rumänien [GK], Individualbeschwerde Nr. 28114/95, Rdnr. 44, ECHR 1999-VI; und Scordino ./. Italien (Nr. 1) [GK], Individualbeschwerde Nr. 36813/97, Rdnr. 180, ECHR 2006‑V).

76. Was eine angemessene und ausreichende Wiedergutmachung anbelangt, um einer Verletzung eines Konventionsrechts auf innerstaatlicher Ebene abzuhelfen, hat der Gerichtshof im Allgemeinen die Auffassung vertreten, dass diese von den Gesamtumständen des Falls abhängt, wobei insbesondere die Art der festgestellten Konventionsverletzung zu berücksichtigen ist (vgl. z. B. Scordino (Nr. 1), a. a. O., Rdnr. 186; G., a. a. O., Rdnr. 116, und Bivolaru ./. Rumänien (Nr. 2), Individualbeschwerde Nr. 66580/12, Rdnr. 170, 2. Oktober 2018).

77. Wie aus den oben genannten Rechtssachen hervorgeht (siehe Rdnrn. 65-69), ist es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannt, dass eine Verletzung von Artikel 3, der eines der Kernrechte der Konvention enthält, bei der betroffenen Person einen immateriellen Schaden hervorruft, der durch Zusprechung einer Entschädigung in Geld wiedergutzumachen ist. Mit der Zusprechung einer solchen Entschädigung durch den Gerichtshof in Bezug auf den immateriellen Schaden soll die Tatsache anerkannt werden, dass infolge der Verletzung eines grundlegenden Menschenrechts ein solcher immaterieller Schaden entstanden ist, und im weitesten Sinne soll die Schwere des Schadens darin zum Ausdruck gebracht werden (siehe Varnava und andere ./. die Türkei [GK], Individualbeschwerde Nr. 16064/90 und 8 weitere, Rdnr. 224, ECHR 2009; Al-Jedda ./. das Vereinigte Königreich [GK], Individualbeschwerde Nr. 27021/08, Rdnr. 114, ECHR 2011; und Nagmetov ./. Russland [GK], Individualbeschwerde Nr. 35589/08, Rdnr. 73, 30. März 2017 mit weiteren Nachweisen).

78. Nur in Ausnahmefällen gelangt der Gerichtshof unter Berücksichtigung dessen, was unter den Umständen des jeweiligen Falles gerecht, fair und angemessen ist, zu der Auffassung, dass die Feststellung einer Verletzung selbst eine ausreichende Genugtuung gewährt und eine Entschädigung in Geld nicht zuzusprechen ist. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen die festgestellte Verletzung als weniger gravierend erachtet wird oder nur Verfahrensfehler betrifft (vgl. z. B. Nikolova ./. Bulgarien [GK], Individualbeschwerde Nr. 31195/96, Rdnr. 76 am Ende, ECHR 1999‑II; Vinter und andere ./. das Vereinigte Königreich [GK], Individualbeschwerde Nr. 66069/09 und 2 weitere, Rdnr. 136, ECHR 2013 (auszugsweise); Janowiec und andere ./. Russland [GK], Individualbeschwerden Nr. 55508/07 und 29520/09, Rdnr. 220, ECHR 2013; und S. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 8844/12, Rdnr. 49, 7. September 2017).

79. Der Gerichtshof stellt fest, dass die innerstaatlichen Gerichte im vorliegenden Fall anerkannt haben, dass die Durchsuchungen des Beschwerdeführers rechtswidrig waren, und dass sie eingeräumt haben, dass der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers durch diese Durchsuchungen schwerwiegend war (siehe Rdnrn. 17 und 26, oben). Es ist also davon auszugehen, dass die nationalen Behörden eine Verletzung von Artikel 3 zumindest der Sache nach anerkannt haben.

80. Als die nationalen Behörden dem Beschwerdeführer die Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage verwehrten, waren sie allerdings der Auffassung, es sei nicht notwendig, ihm eine Entschädigung in Geld für den durch die Verletzung erlittenen immateriellen Schaden zuzusprechen. Der Gerichtshof kann jedoch keine Gründe erkennen, die den Schluss rechtfertigen könnten, die Verletzung von Artikel 3 durch die wiederholten Durchsuchungen im Fall des Beschwerdeführers sei minder schwer gewesen (siehe Rdnr. 72, oben), so dass eine Entschädigung nicht erforderlich sei.

81. Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer noch immer behaupten kann, Opfer einer Verletzung von Artikel 3 im Sinne von Artikel 34 der Konvention zu sein.

82. Daher ist Artikel 3 der Konvention verletzt worden.

III. BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 8 DER KONVENTION

83. Der Gerichtshof hat die Regierung über die Rüge des Beschwerdeführers hinsichtlich der wiederholten Durchsuchungen in der Justizvollzugsanstalt auch nach Artikel 8 der Konvention benachrichtigt.

84. Angesichts seiner Feststellung, dass die Durchsuchungen gegen Artikel 3 der Konvention verstoßen haben, erachtet es der Gerichtshof jedoch als nicht erforderlich, die angegriffenen Maßnahmen im Hinblick auf Artikel 8 der Konvention zu überprüfen.

Iv.BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 13 DER KONVENTION IN VERBINDUNG MIT ARTIKEL 3 DER KONVENTION

85. Der Beschwerdeführer rügte außerdem, er habe keinen wirksamen Rechtsbehelf gehabt, um eine Entschädigung für den durch die rechtswidrigen Durchsuchungen entstandenen Schaden zu erlangen. Er berief sich auf Artikel 13 der Konvention, der wie folgt lautet:

„Jede Person, die in ihren in dieser Konvention anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, hat das Recht, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Beschwerde zu erheben, auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.”

86. Der Gerichtshof prüft die Rüge des Beschwerdeführers nach Artikel 13 in Verbindung mit Artikel 3 der Konvention.

A. Zulässigkeit

87. Der Gerichtshof stellt fest, dass diese Rüge weder offensichtlich unbegründet noch aus anderen in Artikel 35 der Konvention aufgeführten Gründen unzulässig ist. Folglich ist sie für zulässig zu erklären.

B. Begründetheit

1. Das Vorbringen der Parteien

88. Der Beschwerdeführer brachte vor, die innerstaatlichen Gerichte hätten ihn daran gehindert, einen Ausgleich für den infolge der rechtswidrigen Durchsuchungen erlittenen immateriellen Schaden geltend zu machen.

89. Laut Vorbringen der Regierung hat dem Beschwerdeführer ein wirksamer Rechtsbehelf hinsichtlich seiner Rüge nach Artikel 3 bzw. Artikel 8 der Konvention in Bezug auf die Durchsuchungen zur Verfügung gestanden, wie nach Artikel 13 der Konvention gefordert. Er hätte ein Amtshaftungsverfahren zur Geltendmachung einer Entschädigung für den angeblich aufgrund der Durchsuchungen verursachten Schaden anstrengen können. Die Regierung brachte außerdem vor, dem Beschwerdeführer sei für die Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausreichend Wiedergutmachung gewährt worden, die geforderte zusätzliche Entschädigung in Geld sei daher nicht notwendig. Eine Entschädigung in Geld für den immateriellen Schaden sei auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht in jedem Fall erforderlich (um diese Auffassung zu untermauern, verwies sie auf Nikolova ./. Bulgarien [GK], Individualbeschwerde Nr. 31195/96, Rdnr. 76, ECHR 1999‑II; und Freimanis und Līdums ./. Lettland, Individualbeschwerden Nrn. 73443/01 und 74860/01, Rdnr. 68, 9. Februar 2006).

2. Würdigung durch den Gerichtshof

(a) Einschlägige Grundsätze

90. Artikel 13 verlangt, dass eine innerstaatliche Beschwerdemöglichkeit zur Verfügung stehen muss, damit über eine „vertretbare Rüge“ einer Konventionsverletzung der Sache nach entschieden und geeigneter Rechtsschutz gewährt werden kann (siehe unter anderem Kudła ./. Polen [GK], Individualbeschwerde Nr. 30210/96, Rdnr. 157, ECHR 2000‑XI; Ramirez Sanchez ./. Frankreich [GK], Individualbeschwerde Nr. 59450/00, Rdnr. 157, ECHR 2006‑IX; und A.K. ./. Liechtenstein (Nr. 2), Individualbeschwerde Nr. 10722/13, Rdnr. 84, 18. Februar 2016).

91. Der Umfang der Pflichten der Vertragsstaaten nach Artikel 13 hängt von der Art der Rüge des Beschwerdeführers ab, jedoch muss die in Artikel 13 vorgesehene Beschwerde sowohl praktisch als auch rechtlich „wirksam” sein (siehe z. B. İlhan ./. Türkei [GK], Individualbeschwerde Nr. 22277/93, Rdnr. 97, ECHR 2000‑VII; Kudła, a. a. O., Rdnr. 157; und Ramirez Sanchez, a. a. O., Rdnr. 158). Die „Wirksamkeit” einer Beschwerde im Sinne von Artikel 13 hängt nicht von der Gewissheit eines für den Beschwerdeführer günstigen Verfahrensausgangs ab (siehe Kudła, a. a. O., Rdnr. 157; S. ./. Deutschland [GK], Individualbeschwerde Nr. 75529/01, Rdnr. 98, ECHR 2006‑VII; und Ramirez Sanchez, a. a. O., Rdnr. 159).

92. Der Gerichtshof wiederholt außerdem, dass in Fällen, in denen ein mutmaßlicher Verstoß gegen ein Recht oder mehrere Rechte aus der Konvention in Rede steht, dem Opfer ein Mechanismus zur Verfügung stehen muss, um Amtspersonen oder Organe des Staates für diesen Verstoß haftbar zu machen. Darüber hinaus sollte in Fällen, in denen dies angemessen ist, grundsätzlich eine Entschädigung für den aufgrund des Verstoßes entstandenen materiellen und immateriellen Schaden als eine der verschiedenen Möglichkeiten der Wiedergutmachung zur Verfügung stehen (siehe z. B. T. P. und K. M. ./. das Vereinigte Königreich [GK], Individualbeschwerde Nr. 28945/95, Rdnr. 107, ECHR 2001‑V (auszugsweise)).

93. Hinsichtlich vertretbarer Rügen von Verstößen gegen Artikel 3, insbesondere durch Misshandlung oder schlechte Haftbedingungen, hat der Gerichtshof wiederholt festgestellt, dass hier eine starke Vermutung besteht, dass der betroffenen Person ein immaterieller Schaden zugefügt wurde (Ananyev und andere ./. Russland, Individualbeschwerden Nrn. 42525/07 und 60800/08, Rdnr. 229, 10. Januar 2012). Wenn die Gewährung einer Entschädigung unter solchen Umständen davon abhängig gemacht wird, dass der Rügende in der Lage ist, ein Verschulden aufseiten der Behörden und die Rechtswidrigkeit ihrer Handlungen zu beweisen, kann dies dazu führen, dass bestehende Rechtsbehelfe unwirksam werden (siehe Burdov ./. Russland (Nr. 2), Individualbeschwerde Nr. 33509/04, Rdnr. 109, ECHR 2009; Ananyev und andere, a. a. O., Rdnr. 229; und Reshetnyak ./. Russland, Individualbeschwerde Nr. 56027/10, Rdnrn. 66-67, 8. Januar 2013 mit weiteren Nachweisen). Darüber hinaus darf die Höhe der für den immateriellen Schaden zugesprochenen Entschädigung im Vergleich zu den vom Gerichtshof in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Beträgen nicht unverhältnismäßig sein (Ananyev und andere, a. a. O., Rdnr. 230).

(b) Anwendung dieser Grundsätze auf die vorliegende Rechtssache

94. Der Gerichtshof hat weiter oben festgestellt, dass die Durchsuchungen des Beschwerdeführers eine gegen Artikel 3 verstoßende erniedrigende Behandlung darstellten (siehe Rdnrn. 70‑72). Die diesbezügliche Rüge des Beschwerdeführers ist daher für die Zwecke von Artikel 13 „vertretbar”.

95. Was die Wirksamkeit des Amtshaftungsverfahrens im Sinne von Artikel 13 anbelangt, das der Beschwerdeführer zur Erlangung einer Entschädigung für den infolge dieses Verstoßes erlittenen immateriellen Schaden anstrengen wollte, nimmt der Gerichtshof zur Kenntnis, dass der Beschwerdeführer nach Auffassung der innerstaatlichen Gerichte für die Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts bereits ausreichend Wiedergutmachung durch andere Mittel als das einer Geldentschädigung erfahren hat. Obwohl die innerstaatlichen Gerichte selbst die Durchsuchungen als einen schwerwiegenden und rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers eingestuft hatten, erachteten sie es als ausreichend, dass die Strafvollstreckungskammern und das Bundesverfassungsgericht zuvor festgestellt hatten, dass die Durchsuchungen des Beschwerdeführers (bzw. vergleichbare Durchsuchungen) rechtswidrig gewesen seien. Sie berücksichtigten auch, dass das Verschulden aufseiten der Bediensteten der Justizvollzugsanstalt, die die Durchsuchungen angeordnet und ausgeführt hatten, allenfalls gering war, und dass nach ihrer Einschätzung keine Gefahr bestand, dass es künftig zu weiteren stichprobenartigen Durchsuchungen des Beschwerdeführers kommen würde.

96. Der Gerichtshof verweist auf seine Rechtsprechung, nach der es bestehende Rechtsbehelfe als solche unwirksam machen kann, wenn die Gewährung einer Entschädigung für gegen Artikel 3 verstoßende Maßnahmen an die Bedingung geknüpft wird, dass derjenige, der eine Beschwerde erhebt, ein Verschulden seitens der Behörden und die Rechtswidrigkeit ihres Handelns beweisen kann (siehe Rdnr. 93). Er merkt an, dass festgestellt wurde, das Amtshaftungsverfahren des Beschwerdeführers habe keine Aussicht auf Erfolg, obwohl die Maßnahmen gegen ihn als rechtswidrig eingestuft worden waren und obwohl – zumindest ein mögliches – Verschulden seitens der Behörden vorgelegen habe.

97. Zudem sieht der Gerichtshof, wie oben festgestellt (siehe Rdnr. 80), keine Gründe, die den Schluss nahelegen würden, die Verletzung von Artikel 3 durch die wiederholten Durchsuchungen im Fall des Beschwerdeführers seien ein so wenig gravierender Verstoß gewesen, dass eine Entschädigung ausnahmsweise nicht erforderlich sei. Er fügt in diesem Zusammenhang hinzu, dass aus seiner Rechtsprechung nicht abgeleitet werden kann (siehe Rdnrn. 64-69, oben), dass die Tatsache, dass die nationalen Behörden sich einer Verletzung der Konvention nicht bewusst waren, oder dass der Beschwerdeführer einer solchen, gegen seine Grundrechte verstoßenden Behandlung wahrscheinlich nicht noch einmal unterzogen werden würde, maßgebliche Gründe dafür sein können, ihm für einen aufgrund einer Konventionsverletzung erlittenen immateriellen Schaden keine Entschädigung zuzusprechen.

98. Unter diesen Umständen muss der Gerichtshof zu dem Schluss gelangen, dass dem Beschwerdeführer kein wirksamer Rechtsbehelf vor einer nationalen Behörde zur Verfügung stand, die es ihm ermöglicht hätte, hinsichtlich seiner Rüge nach Artikel 3 eine Entscheidung in der Sache herbeizuführen. Daher ist Artikel 13 in Verbindung mit Artikel 3 der Konvention verletzt worden.

V. BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 6 DER KONVENTION

99. Der Beschwerdeführer rügte, dass die Entscheidung der innerstaatlichen Gerichte, ihm Prozesskostenhilfe für ein Amtshaftungsverfahren zur Geltendmachung einer Entschädigung für den aufgrund der rechtswidrigen Durchsuchungen erlittenen immateriellen Schaden zu versagen, willkürlich gewesen sei und somit sein Recht auf Zugang zu einem Gericht verletzt habe. Er berief sich auf Artikel 6 Abs. 1 der Konvention, der, soweit einschlägig, wie folgt lautet:

„Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen … von einem …. Gericht in einem fairen Verfahren …verhandelt wird.“

100. Der Gerichtshof stellt fest, dass diese Rüge weder offensichtlich unbegründet noch aus einem anderen in Artikel 35 der Konvention aufgeführten Grund unzulässig ist. Folglich ist sie für zulässig zu erklären.

101. Der Gerichtshof hat oben festgestellt, dass der Beschwerdeführer, obgleich ihm Prozesskostenhilfe für das Betreiben eines Amtshaftungsverfahrens zur Geltendmachung einer Entschädigung für den aufgrund der die wiederholten Durchsuchungen erlittenen Schaden versagt wurde, die innerstaatlichen Rechtsbehelfe hinsichtlich seiner Beschwerde über diese Durchsuchungen in der Sache erschöpft hat. Der Gerichtshof hat außerdem die Vereinbarkeit dieser Durchsuchungen mit Artikel 3 für sich genommen und in Verbindung mit Artikel 13 geprüft und eine Verletzung dieser Rechte festgestellt, insbesondere, weil dem Beschwerdeführer eine Geldentschädigung für diese Durchsuchungen nicht gewährt wurde. Unter diesen Umständen erachtet der Gerichtshof es als nicht erforderlich, die Rüge des Beschwerdeführers nach Artikel 6 Abs. 1 der Konvention zu prüfen.

vi. ANWENDUNG VON ARTIKEL 41 DER KONVENTION

102. Artikel 41 der Konvention lautet:

„Stellt der Gerichtshof fest, dass diese Konvention oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, und gestattet das innerstaatliche Recht der Hohen Vertragspartei nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen dieser Verletzung, so spricht der Gerichtshof der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung zu, wenn dies notwendig ist.“

A. Schaden

103. Der Beschwerdeführer forderte insgesamt 12 000 EUR in Bezug auf den immateriellen Schaden. Er begründete dies damit, dass er nicht in der Lage gewesen sei, vor den innerstaatlichen Gerichten Entschädigung zu erlangen, da diese ihm keine Prozesskostenhilfe gewährt hatten.

104. Laut Vorbringen der Regierung sind die Konventionsrechte des Beschwerdeführers nicht verletzt worden und somit habe er auch keinen Anspruch auf eine Entschädigung. Wenn seine Beschwerden jedoch als zulässig und begründet erachtet würden, werde die Regierung die von ihm geforderte Höhe der Entschädigung als solche nicht bestreiten.

105. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die Rechte des Beschwerdeführers nach Artikel 3 für sich genommen und in Verbindung mit Artikel 13 der Konvention in Bezug auf die beiden angegriffenen Verfahren vor den innerstaatlichen Gerichten verletzt worden sind. Der Gerichtshof spricht ihm nach billigem Ermessen einen Betrag von 12 000 EUR in Bezug auf den immateriellen Schaden zu, zuzüglich einer etwa von ihm zu entrichtenden Steuer.

B. Kosten und Auslagen

106. Der Beschwerdeführer forderte zudem unter Vorlage entsprechender Belege 770,53 EUR (einschließlich Mehrwertsteuer (MwSt.)) für die Anwaltskosten in den Prozesskostenhilfeverfahren vor den innerstaatlichen Gerichten.

107. Die Regierung hat die Höhe der vom Beschwerdeführer geforderten Kosten und Auslagen als solche nicht bestritten.

108. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs hat ein Beschwerdeführer nur insoweit Anspruch auf den Ersatz von Kosten und Auslagen, als nachgewiesen wurde, dass diese tatsächlich und notwendigerweise entstanden und der Höhe nach angemessen sind. In Anbetracht der ihm vorliegenden Unterlagen, der vorgenannten Kriterien und der Tatsache, dass er eine Verletzung der Konventionsrechte des Beschwerdeführers nach Artikel 3 für sich genommen und in Verbindung mit Artikel 13 der Konvention hinsichtlich der angegriffenen Prozesskostenhilfeverfahren festgestellt hat, spricht der Gerichtshof dem Beschwerdeführer die für die Kosten und Auslagen in den innerstaatlichen Verfahren geforderte Summe von 770,53 EUR (einschließlich MwSt.) zu, zuzüglich ihm gegebenenfalls zu berechnender Steuern.

C. Verzugszinsen

109. Der Gerichtshof hält es für angemessen, für die Berechnung der Verzugszinsen den Spitzenrefinanzierungssatz der Europäischen Zentralbank zuzüglich drei Prozentpunkten zugrunde zu legen.

AUS DIESEN GRÜNDEN ENTSCHEIDET DER GERICHTSHOF EINSTIMMIG:

1. Die Beschwerden werden verbunden;

2. die prozessuale Einrede der Regierung hinsichtlich des Wegfalls der Opfereigenschaft des Beschwerdeführers betreffend seine Rüge der Durchsuchungen wird im Zusammenhang mit der Begründetheit geprüft und, nachdem diese geprüft wurde, zurückgewiesen.

3. die Individualbeschwerde wird für zulässig erklärt;

4. Artikel 3 der Konvention ist verletzt worden;

5. eine zusätzliche Prüfung der Rüge hinsichtlich der Durchsuchungen nach Artikel 8 der Konvention ist nicht erforderlich;

6. Artikel 13 in Verbindung mit Artikel 3 der Konvention ist verletzt worden;

7. eine zusätzliche Prüfung der Rüge nach Artikel 6 Abs. 1 der Konvention ist nicht erforderlich;

8.

(a) der beschwerdegegnerische Staat hat dem Beschwerdeführer binnen drei Monaten nach dem Tag, an dem das Urteil nach Artikel 44 Abs. 2 der Konvention endgültig wird, folgende Beträge zu zahlen:

(i) 12 000 EUR (zwölftausend Euro), zuzüglich der gegebenenfalls zu berechnenden Steuern, für den immateriellen Schaden;

(ii) 770,53 EUR (siebenhundertsiebzig Euro und dreiundfünfzig Cent) einschließlich MwSt. für Kosten und Auslagen, zuzüglich der dem Beschwerdeführer gegebenenfalls zu berechnenden Steuern;

(b) nach Ablauf der genannten Frist von drei Monaten bis zur Auszahlung fallen für die genannten Beträge einfache Zinsen in Höhe eines Zinssatzes an, der dem Spitzenrefinanzierungssatz der Europäischen Zentralbank im Verzugszeitraum zuzüglich drei Prozentpunkten entspricht;

Ausgefertigt in Englisch und schriftlich zugestellt am 22. Oktober 2020 nach Artikel 77 Absätze 2 und 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs.

Victor Soloveytchik                                     Síofra O’Leary
Sektionskanzler                                           Präsidentin

Zuletzt aktualisiert am Juli 13, 2021 von eurogesetze

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert