Die Individualbeschwerde betrifft die polizeiliche Anordnung, Lichtbilder, Finger- und Handflächenabdrücke sowie eine Personenbeschreibung des Beschwerdeführers anzufertigen. Der Beschwerdeführer trug vor, dass diese erkennungsdienstliche Behandlung, die auf der Grundlage weniger Verurteilungen wegen geringfügiger, lang zurückliegender Bagatelldelikte angeordnet worden sei, einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein Recht auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 der Konvention darstelle.
FÜNFTE SEKTION
RECHTSSACHE P. N. ./. DEUTSCHLAND
(Individualbeschwerde Nr. 74440/17)
URTEIL
Art. 8 • Recht auf Achtung des Privatlebens • Fünfjährige Aufbewahrung von Lichtbildern, Personenbeschreibung und Finger- und Handflächenabdrücken eines Wiederholungstäters unterliegt Schutzvorkehrungen und Einzelfallprüfung • Für die Anfertigung von Finger- und Handflächenabdrücken gelten die gleichen Grundsätze • Personenbeschreibung weniger einschneidend als Anfertigung eines Lichtbilds • Aufbewahrung der streitgegenständlichen Daten weniger einschneidend als Aufbewahrung von Zellproben und DNA-Profilen • Einzelfallprüfung durch innerstaatliche Gerichte, ob der Beschwerdeführer angesichts der Art, Schwere und Anzahl der Straftaten, wegen derer er bisher verurteilt worden war, bei künftig aufzuklärenden Straftaten wahrscheinlich als Verdächtiger in Betracht kommen dürfte • Eingestellte Strafverfahren in begrenztem Umfang für diese Prüfung erheblich • Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung • Keine Anhaltspunkte für unzureichenden Schutz gegen unbefugten Zugang zu oder Verbreitung der Daten • Begrenzte Dauer und Auswirkung der Aufbewahrung auf das tägliche Leben des Beschwerdeführers
STRASSBURG
11. Juni 2020
Dieses Urteil wird nach Maßgabe des Artikels 44 Abs. 2 der Konvention endgültig. Es wird gegebenenfalls noch redaktionell überarbeitet.
In der Rechtssache P. N. ./. Deutschland
verkündet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Fünfte Sektion) als Kammer mit den Richterinnen und Richtern
Síofra O’Leary, Präsidentin,
Gabriele Kucsko-Stadlmayer,
Ganna Yudkivska,
André Potocki,
Yonko Grozev,
Lәtif Hüseynov und
Anja Seibert-Fohr,
sowie Victor Soloveytchik, Stellvertretender Sektionskanzler,
im Hinblick auf:
die Individualbeschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland, die ein deutscher Staatsangehöriger, Herr N. („der Beschwerdeführer“), nach Artikel 34 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten („die Konvention“) am 16. Oktober 2017 beim Gerichtshof eingereicht hat;
die Entscheidung, der deutschen Regierung („die Regierung“) die Beschwerde nach Artikel 8 der Konvention zur Kenntnis zu bringen und die Individualbeschwerde im Übrigen für unzulässig zu erklären;
die Entscheidung, den Namen des Beschwerdeführers nicht offenzulegen;
nach nicht öffentlicher Beratung am 21. April 2020
das folgende, an diesem Tag gefällte Urteil:
EINLEITUNG
Die Individualbeschwerde betrifft die polizeiliche Anordnung, Lichtbilder, Finger- und Handflächenabdrücke sowie eine Personenbeschreibung des Beschwerdeführers anzufertigen. Der Beschwerdeführer trug vor, dass diese erkennungsdienstliche Behandlung, die auf der Grundlage weniger Verurteilungen wegen geringfügiger, lang zurückliegender Bagatelldelikte angeordnet worden sei, einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein Recht auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 der Konvention darstelle.
SACHVERHALT
1. Der 19.. geborene Beschwerdeführer lebt in D. Ihm wurde Prozesskostenhilfe bewilligt und er wurde durch Herrn T., Rechtsanwalt in T., vertreten.
2. Die Regierung wurde durch einen ihrer Verfahrensbevollmächtigten, Herrn H.-J. Behrens vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, vertreten.
3. Am 7. Mai 2018 ermächtigte der Vizepräsident der Sektion nach Artikel 36 Abs. 2 der Konvention und Artikel 44 Abs. 3 der Verfahrensordnung die Organisation Privacy International, sich als Drittbeteiligte am Verfahren vor dem Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache zu beteiligen. Mit Schreiben vom 14. Juni 2018 informierte diese Organisation den Gerichtshof, dass sie keine weitergehenden Informationen zur Rechtssache habe erlangen können und sich daher nicht in der Lage sehe, Unterlagen einzureichen, die den Gerichtshof in dieser Sache unterstützen könnten.
4. Der von den Parteien vorgebrachte Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen.
I. Das Verwaltungsverfahren
5. Die Polizei D. ordnete am 18. August 2011 gestützt auf § 81b 2. Alt. der Strafprozessordnung (StPO; siehe Rdnr. 24) die erkennungsdienstliche Behandlung des Beschwerdeführers an. Insbesondere sollten Lichtbilder des Gesichts und des Körpers des Beschwerdeführers, einschließlich Detailaufnahmen vornehmlich möglicher Tätowierungen, sowie Finger- und Handflächenabdrücke angefertigt werden. Zudem sollte eine Personenbeschreibung erstellt werden. Der Anordnung lag ein Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer zugrunde (siehe Rdnr. 6).
6. Die Polizei stellte fest, dass, wie nach § 81b 2. Alt. StPO erforderlich, im Juni 2011 ein Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachts der Hehlerei nach dem Kauf eines gestohlenen Fahrrads eingeleitet worden war. Sie stellte außerdem fest, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Wiederholungstäter handelte. Insbesondere wurde er 2010 wegen falscher Verdächtigung einer dritten Person, eine Straftat begangen zu haben, zu einer Geldstrafe verurteilt. 2009 wurde ein gegen ihn geführtes Verfahren wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung nach Zahlung eines Geldbetrags eingestellt. 2004 wurde ein Verfahren wegen Betrugs (bei der Anmietung einer Wohnung) eingestellt, weil das Fehlverhalten des Beschwerdeführers als geringfügig angesehen wurde. 2001 wurde der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe wegen Betrugs und falscher Versicherung an Eides statt (bei der Ausstellung von Schecks auf ein bereits geschlossenes Bankkonto) verurteilt. 2000 wurde er zur Zahlung einer Geldstrafe wegen Betrugs (beim Abschluss eines Vergleichs vor Gericht, wohl wissend, dass er der vereinbarten Zahlung nicht nachkommen konnte) verurteilt. Zwei weitere Verfahren wegen des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt sowie wegen Sachbeschädigung wurden 1999 bzw. 2000 eingestellt, weil sie verglichen mit den erfolgten oder zu erwartenden Verurteilungen unwesentliche Nebenstraftaten betrafen.
7. Die Polizei ging daher davon aus, dass der Beschwerdeführer wahrscheinlich in der Zukunft ähnliche Straftaten begehen oder derer verdächtig werden würde. Aus ihrer Sicht waren die angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen notwendig und verhältnismäßig. Sie würden Ermittlungen wegen künftiger Straftaten, insbesondere wegen Sachbeschädigungen, erleichtern, da der Beschwerdeführer dann leichter als Täter überführt oder ausgeschlossen werden könne.
8. Am 24. August 2011 legte der Beschwerdeführer Widerspruch ein. Er machte geltend, dass die Anordnung angesichts der drei Bagatelldelikte, derer er – teilweise zehn Jahre zuvor – verurteilt worden war, unverhältnismäßig sei. Am 16. Mai 2012 wies die Polizei D. den Widerspruch zurück. Insbesondere bestätigte die Polizei, dass eingestellte Strafverfahren, in denen die Unschuld des Beschwerdeführers nicht erwiesen wurde, neben erfolgten Verurteilungen – wenn auch in geringerem Umfang – in die Prognose einbezogen werden könnten, ob der Beschwerdeführer in Zukunft Straftaten begehen oder derer verdächtig sein würde.
9. Im Anschluss verfügte die Staatsanwaltschaft am 4. Juni 2012 die Einstellung des gegen den Beschwerdeführer im Juni 2011 wegen Hehlerei eröffneten Verfahrens (siehe Rdnr. 6), da die Beweislage nicht ausreichend sei, um Anklage gegen den Beschwerdeführer zu erheben. Dem Beschwerdeführer konnte nicht nachgewiesen werden, dass er gewusst habe, dass das von ihm für 29 Euro auf einem Flohmarkt erworbene, neuwertige Fahrrad zuvor entwendet worden sei.
II. Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht D.
10. Am 16. März 2015 wies das Verwaltungsgericht D. die am 15. Juni 2012 erhobene Klage des Beschwerdeführers gegen die nach dem Widerspruch aufrecht erhaltene Anordnung der Polizei D. (siehe Rdnr. 8) zurück. Es sah die Voraussetzungen des § 81b 2. Alt. StPO für die erkennungsdienstliche Behandlung des Beschwerdeführers als erfüllt an.
11. Das Gericht stellte fest, dass wie nach § 81b 2. Alt. StPO erforderlich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der polizeilichen Anordnung einer Straftat beschuldigt war, in diesem Fall der Hehlerei. Es sei unerheblich, dass das betreffende Strafverfahren später eingestellt worden war.
12. Die angeordneten Maßnahmen waren und seien für die Zwecke des Erkennungsdienstes, also für Zwecke der Identifizierung, noch notwendig. Das Verwaltungsgericht bezog sich auf die in der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätze und wies erneut darauf hin, dass Maßnahmen für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig seien, wenn angesichts des im Ermittlungsverfahren festgestellten Sachverhalts Anhaltspunkte dafür bestünden, unter den Umständen der einzelnen Rechtssache auf der Grundlage kriminologischer Befunde anzunehmen, dass der Betroffene bei künftig aufzuklärenden strafbaren Handlungen mit guten Gründen als Verdächtiger in Betracht kommen würde und dass das erkennungsdienstliche Material die dann zu führenden Ermittlungen – den Betroffenen überführend oder entlastend – fördern würden. Zu den zu berücksichtigenden Umständen der Rechtssache gehörten die Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftat, seine Persönlichkeit und der Zeitraum, während dessen er strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten sei.
13. Unter Berücksichtigung der Vielzahl der gegen den Beschwerdeführer in der Vergangenheit eingeleiteten Ermittlungsverfahren, die zum Teil in Verurteilungen mündeten, war das Gericht im vorliegenden Fall der Auffassung, dass die Polizei nachvollziehbar davon ausgehen konnte, dass Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der Beschwerdeführer bei künftig aufzuklärenden Straftaten als Verdächtiger in Betracht kommen könnte.
14. Das Gericht stellte fest, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von 1986 bis 2001 dreizehn Mal verurteilt worden war. Es wies auf die in einem Urteil des Amtsgerichts D. vom 2. Dezember 2013 enthaltene Liste der bisherigen Verurteilungen des Beschwerdeführers hin, darunter Verurteilungen im Zusammenhang mit Verkehrsdelikten, Trunkenheit, Diebstahl, Betrug und Insolvenzstraftaten. Der Beschwerdeführer war in fünf Fällen zu Freiheitsstrafen von zwei Monaten bis zu zweieinhalb Jahren sowie in den übrigen Fällen zu Geldstrafen von 20 bis zu 330 Tagessätzen verurteilt worden.
15. Nach Auffassung des Gerichts war zwar im Vergleich mit dem Zeitraum zwischen 1986 und 2001 die Häufigkeit der gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten Ermittlungsverfahren zurückgegangen. Jedoch sei der Beschwerdeführer 2010 wegen falscher Verdächtigung einer dritten Person, eine Straftat begangen zu haben, zu einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen verurteilt worden, was zeige, dass es sich bei der betreffenden Straftat nicht um ein Bagatelldelikt handele. 2007 sei ein Verfahren wegen Betrugs (zum Nachteil von Kfz-Versicherungsgesellschaften) nach Zahlung eines Geldbetrags eingestellt worden. Im selben Jahr wurde ein Verfahren wegen Betrugs (beim Verkauf einer defekten Waschmaschine) eingestellt, da die Beweislage zur Anklageerhebung nicht ausgereicht habe.
16. Das Gericht betonte, dass aufgrund des präventiven Charakters einer Anordnung zur Erhebung erkennungsdienstlicher Daten nach § 81b 2. Alt. StPO deren Notwendigkeit nicht entfalle, wenn ein Verfahren nach Zahlung eines Geldbetrags, wegen als gering anzusehender Schuld des Täters oder wegen für die Anklageerhebung nicht ausreichender Beweislage nicht zu einer Verurteilung führte, sondern eingestellt worden sei (es sei denn, zum Ende des Verfahrens sei die Unschuld der betroffenen Person erwiesen). Das Gericht stellte außerdem fest, dass der Beschwerdeführer selbst im Verlauf des vorliegenden Verfahrens, nämlich am 2.12.2013, erneut unter Vorbehalt einer Geldstrafe verurteilt worden war, in diesem Fall wegen Beleidigung.
17. Weiterhin schließe der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, d. h. seine Bewegungseinschränkung infolge einer rheumatoiden Arthritis, das Risiko einer Beteiligung an künftigen Straftaten nicht aus, da die ihm in der Vergangenheit vorgeworfenen Delikte nicht mit sonderlichem Bewegungsaufwand verbunden gewesen seien.
18. Nach Auffassung des Gerichts stellte angesichts der Art, Schwere und Anzahl der Delikte, wegen derer in den letzten 25 Jahren gegen den Beschwerdeführer ermittelt worden war, die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung einen verhältnismäßigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht dar. Der Beschwerdeführer könne die Löschung seiner Daten aus dem polizeilichen Verzeichnis erreichen, wenn sein künftiges Verhalten zeige, dass die Daten nicht länger benötigt würden.
III. Das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht
19. Am 7. Oktober 2016 verwarf das Oberverwaltungsgericht unter Bestätigung der vom Verwaltungsgericht D. dargelegten Gründe den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung.
IV. Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
20. Am 17. November 2016 legte der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer gegen die polizeiliche Anordnung vom 18. August 2011, das Urteil des Verwaltungsgerichts D. und den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Er legte den Inhalt der angegriffenen Entscheidungen dar und brachte vor, dass die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung u. a. sein von der Verfassung geschütztes Persönlichkeitsrecht und seine Menschenwürde verletze.
21. Mit Schreiben vom 24. November 2016 teilte die Geschäftsstelle des Bundesverfassungsgerichts dem Beschwerdeführer mit, dass Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit seiner Verfassungsbeschwerde bestünden. Der Beschwerdeführer wurde informiert, dass er seine Beschwerde möglicherweise nicht ausreichend begründet habe, da nur sein Vorbringen, aber nicht die Kopien der angegriffenen behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen fristgerecht innerhalb eines Monats beim Bundesverfassungsgericht eingegangen seien.
22. In der Zwischenzeit wurde die erkennungsdienstliche Behandlung des Beschwerdeführers am 30. März 2017 durch die Polizei D. gemäß der am 18. August 2011 ergangenen Anordnung durchgeführt.
23. Am 10. Mai 2017 lehnte es das Bundesverfassungsgericht ohne Angabe von Gründen ab, die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zur Entscheidung anzunehmen (1 BvR 804/17). Dem einleitenden Teil der Entscheidung ist zu entnehmen, dass die Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnung der Polizei D. vom 18. August 2011 und das Urteil des Verwaltungsgerichts D. gerichtet wurde.
DER EINSCHLÄGIGE RECHTLICHE RAHMEN
I. DAS EINSCHLÄGIGE INNERSTAATLICHE RECHT
24. Die Voraussetzungen für die erkennungsdienstliche Behandlung eines Beschuldigten sind in § 81b StPO geregelt. Dieser lautet:
„Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.“
25. Nach § 481 Abs. 1 und § 484 Abs. 4 StPO richtet sich die Verwendung von für Zwecke künftiger Strafverfahren bei der Polizei gespeicherten oder in Strafverfahren erhobenen personenbezogenen Daten zur Verhütung von Straftaten nach den Polizeigesetzen der Länder. Das Sächsische Polizeigesetz (SächsPolG) lautet, soweit maßgeblich, wie folgt:
§ 43 Speicherung, Veränderung und Nutzung von Daten
„(1) Der Polizeivollzugsdienst kann personenbezogene Daten in Akten oder Dateien speichern, verändern und nutzen, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben […] erforderlich ist. […]
(2) Der Polizeivollzugsdienst kann auch personenbezogene Daten, die er im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren oder von Personen gewonnen hat, die verdächtig sind, eine Straftat begangen zu haben, speichern, verändern und nutzen, soweit dies zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist. Entfällt der der Speicherung zugrunde liegende Verdacht, sind die Daten zu löschen.
(3) Die Dauer der Speicherung ist auf das erforderliche Maß zu beschränken. Für automatisierte Dateien sind Termine festzulegen, an denen spätestens überprüft werden muss, ob die suchfähige Speicherung von Daten weiterhin erforderlich ist (Prüfungstermine). Für nichtautomatisierte Dateien und Akten sind Prüfungstermine oder Aufbewahrungsfristen festzulegen. Dabei sind der Speicherungszweck sowie Art und Bedeutung des Anlasses der Speicherung zu berücksichtigen.
(4) Die nach Absatz 3 festzulegenden Prüfungstermine oder Aufbewahrungsfristen dürfen bei Erwachsenen zehn Jahre […] nicht überschreiten. In Fällen von geringerer Bedeutung sind kürzere Fristen festzusetzen. […]“
26. Die im Sächsischen Polizeigesetz genannten Prüfungstermine oder Aufbewahrungsfristen sind in der Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums des Innern für die Führung kriminalpolizeilicher personenbezogener Sammlungen in den Polizeidienststellen des Freistaates Sachsen vom 1. Januar 2007 festgelegt. Diese sieht insbesondere Folgendes vor:
„5.2. Ist die Speicherung nicht mehr zulässig oder sind die personenbezogenen Daten beim Erreichen der festgelegten Prüfungstermine oder Aufbewahrungsfristen gem. § 43 Abs. 3 SächsPolG im Ergebnis der Prüfung zur polizeilichen Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich, sind diese zu löschen.
[…]
5.4. Bestimmung von Prüfungsterminen oder Aufbewahrungsfristen
5.4.1. Die Entscheidung über die einzelfallbezogene Festlegung von Prüfungsterminen oder Aufbewahrungsfristen und die Löschung trifft die sachbearbeitende Dienststelle.
5.4.2. Personenbezogene Daten sind regelmäßig nach vorheriger Prüfung zu löschen:
– nach 2 Jahren, insbesondere
– bei Fällen geringer Bedeutung,
– bei Kindern,
– beim Tod des Betroffenen, […].
– nach 5 Jahren bei Heranwachsenden und Erwachsenen, in besonderen Fällen nach 10 Jahren […].
Fälle von geringer Bedeutung sind in der Regel Antragsdelikte und Delikte, die Gegenstand des vereinfachten Verfahrens sind.
Besondere Fälle sind in der Regel Straftaten von erheblicher Bedeutung […].”
27. Lehnt die Polizei einen Antrag auf Löschung der Daten ab, kann diese Entscheidung entsprechend den allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensrechts den Verwaltungsgerichten zur Überprüfung vorgelegt werden.
II. DIE EINSCHLÄGIGEN RECHTSINSTRUMENTE DES EUROPARATS
28. Das Übereinkommen des Europarats zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten („Datenschutzübereinkommen“ oder „Übereinkommen Nr. 108“) vom 28. Januar 1981 ist von allen 47 Mitgliedstaaten des Europarats ratifiziert worden. Es trat für Deutschland am 1. Oktober 1985 in Kraft und wird zurzeit aktualisiert. In Artikel 2 werden „personenbezogene Daten“ als „jede Information über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person (‚Betroffener’)“ definiert.
29. Das Datenschutzübereinkommen sieht insbesondere Folgendes vor:
Artikel 5 – Qualität der Daten
„Personenbezogene Daten, die automatisch verarbeitet werden:
[…]
b) müssen für festgelegte und rechtmäßige Zwecke gespeichert sein und dürfen nicht so verwendet werden, daß es mit diesen Zwecken unvereinbar ist;
c) müssen den Zwecken, für die sie gespeichert sind, entsprechen, dafür erheblich sein und dürfen nicht darüber hinausgehen;
[…]
e) müssen so aufbewahrt werden, dass der Betroffene nicht länger identifiziert werden kann, als es die Zwecke, für die sie gespeichert sind, erfordern.
Artikel 6 – Besondere Arten von Daten
„Personenbezogene Daten, welche die rassische Herkunft, politische Anschauungen oder religiöse oder andere Überzeugungen erkennen lassen, sowie personenbezogene Daten, welche die Gesundheit oder das Sexualleben betreffen, dürfen nur automatisch verarbeitet werden, wenn das innerstaatliche Recht einen geeigneten Schutz gewährleistet. Dasselbe gilt für personenbezogene Daten über Strafurteile.“
Artikel 7 – Datensicherung
„Für den Schutz personenbezogener Daten, die in automatisierten Dateien/Datensammlungen gespeichert sind, werden geeignete Sicherungsmaßnahmen getroffen gegen die zufällige oder unbefugte Zerstörung, gegen zufälligen Verlust sowie unbefugten Zugang, unbefugte Veränderung oder unbefugtes Bekanntgeben.“
III. DAS EINSCHLÄGIGE EU-RECHT
30. Die Grundsätze des Datenschutzes im Kontext der Strafverfolgung nach EU-Recht sind insbesondere festgelegt in der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates. Die Richtlinie sieht insbesondere Folgendes vor:
„Artikel 4
Grundsätze in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten
(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass personenbezogene Daten
[…]
c) dem Verarbeitungszweck entsprechen, maßgeblich und in Bezug auf die Zwecke, für die sie verarbeitet werden, nicht übermäßig sind,
[…]
e) nicht länger, als es für die Zwecke, für die sie verarbeitet werden, erforderlich ist, in einer Form gespeichert werden, die die Identifizierung der betroffenen Personen ermöglicht,
f) in einer Weise verarbeitet werden, die eine angemessene Sicherheit der personenbezogenen Daten gewährleistet, einschließlich des Schutzes vor unbefugter oder unrechtmäßiger Verarbeitung und vor unbeabsichtigtem Verlust, unbeabsichtigter Zerstörung oder unbeabsichtigter Schädigung durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen.“
„Artikel 5
Fristen für die Speicherung und Überprüfung
Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass für die Löschung von personenbezogenen Daten oder eine regelmäßige Überprüfung der Notwendigkeit ihrer Speicherung angemessene Fristen vorzusehen sind. Durch verfahrensrechtliche Vorkehrungen ist sicherzustellen, dass diese Fristen eingehalten werden.“
„Artikel 10
Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten
Die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische oder ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung ist nur dann erlaubt, wenn sie unbedingt erforderlich ist und vorbehaltlich geeigneter Garantien für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Person erfolgt und
a) wenn sie nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten zulässig ist
b) der Wahrung lebenswichtiger Interessen der betroffenen oder einer anderen natürlichen Person dient oder […]“
RECHTLICHE WÜRDIGUNG
BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 8 DER KONVENTION
31. Der Beschwerdeführer rügte, dass die polizeiliche Anordnung zur erkennungsdienstlichen Behandlung seiner Person – durch die Anfertigung von Lichtbildern, Finger- und Handflächenabdrücken und einer Personenbeschreibung (zum Zweck der Speicherung und Verwendung) – sein Recht auf Achtung seines Privatlebens nach Artikel 8 der Konvention verletzt habe, welcher wie folgt lautet:
„(1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
(2) Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.“
A. Zulässigkeit
1. Stellungnahmen der Parteien
32. Die Regierung machte geltend, dass der Beschwerdeführer die innerstaatlichen Rechtsbehelfe nicht wie nach Artikel 35 Abs. 1 der Konvention erforderlich erschöpft habe. Erstens sei zu beachten, dass dem einleitenden Teil der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zufolge die Verfassungsbeschwerde lediglich gegen die polizeiliche Anordnung vom 18. August 2011 und das Urteil des Verwaltungsgerichts D. vom 16. März 2015, nicht aber gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 7. Oktober 2016 gerichtet worden sei. Die Regierung räumte jedoch ein, dass der Beschwerdeführer in seiner Verfassungsbeschwerde auch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts gerügt habe.
33. Zweitens brachte die Regierung ihre Auffassung vor, dass bei der Einbringung der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers die in den innerstaatlichen Bestimmungen vorgesehenen Formerfordernisse und Fristen nicht beachtet worden seien. Dem Schreiben der Geschäftsstelle des Bundesverfassungsgerichts an den Beschwerdeführer vom 24. November 2016 sei zu entnehmen, dass dieser die für die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde notwendigen Kopien der angegriffenen Entscheidungen der innerstaatlichen Gerichte nicht fristgerecht innerhalb eines Monats eingereicht habe. Anders als in der Rechtssache K. ./. Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 32231/02, Rdnr. 42, 27. Oktober 2005) gebe es daher konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer die in den innerstaatlichen Bestimmungen vorgesehenen Formerfordernisse nicht beachtet und das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers nicht in der Sache geprüft habe.
34. Der Beschwerdeführer brachte vor, er habe die innerstaatlichen Rechtsbehelfe im Sinne von Artikel 35 Abs. 1 der Konvention erschöpft. Es sei zutreffend, dass der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 7. Oktober 2016 nicht in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erwähnt worden sei, er habe aber auch diese Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht gerügt. Das Bundesverfassungsgericht habe seine Entscheidung, die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen, nicht begründet. Unter solchen Umständen sei es die in seiner Rechtsprechung festgelegte Entscheidungspraxis des Gerichtshofs (unter Bezugnahme auf K., a. a. O., Rdnr. 44), keine Spekulationen darüber anzustellen, weshalb das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen habe.
2. Würdigung durch den Gerichtshof
35. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass Art. 35 Abs. 1 der Konvention zwar verhältnismäßig flexibel und ohne übermäßigen Formalismus anzuwenden ist, er aber normalerweise voraussetzt, dass die Rügen, mit denen später der Gerichtshof befasst werden soll, zumindest ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Anrufung der zuständigen innerstaatlichen Gerichte waren und dass die in den innerstaatlichen Bestimmungen vorgesehenen Formerfordernisse und Fristen beachtet wurden (siehe u. a. Cardot ./. Frankreich, 19. März 1991, Rdnr. 34, Reihe A, Band 200) und Elçi u. a. ./. Türkei, Individualbeschwerden Nrn. 23145/93 und 25091/94, Rdnr. 604, 13. November 2003). Die Nichterschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe kann dem Beschwerdeführer aber nicht zur Last gelegt werden, wenn die zuständige Behörde ungeachtet der Tatsache, dass er die gesetzlichen Formvorschriften nicht eingehalten hat, die Beschwerde dennoch der Sache nach geprüft hat (siehe u. a. Skalka ./. Polen (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 43425/98, 3. Oktober 2002; U. ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 64387/01, 6. Mai 2004; und K. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 32231/02, Rdnr. 42, 27. Oktober 2005).
36. Der Gerichtshof weist außerdem erneut darauf hin, dass er bereits mit mehreren Individualbeschwerden befasst wurde, bei denen das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde eines Beschwerdeführers ohne Angabe von Gründen nicht zur Entscheidung angenommen hatte. In diesen Rechtssachen, in denen es keine Anhaltspunkte dafür gab, dass das Bundesverfassungsgericht selbst der Auffassung war, dass der Beschwerdeführer die Formvorschriften für die Erhebung der Verfassungsbeschwerde nicht eingehalten habe, hat der Gerichtshof ausgeführt, dass er nicht an die Stelle des Bundesverfassungsgerichts treten und darüber spekulieren könne, weshalb es die Beschwerde nicht zugelassen habe. Es wurde daher festgestellt, dass die Beschwerdeführer die innerstaatlichen Rechtsbehelfe im Sinne von Artikel 35 Abs. 1 erschöpft hatten (vgl. u. a. K., a. a. O., Rdnr. 44; K. ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 31753/02, 11. Mai 2006; S. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 38033/02, Rdnr. 33, 13. Juli 2006; und B. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 24062/13, Rdnrn. 25 und 29, 1. September 2016 – die letzte Rechtssache betraf einen Einwand, der Beschwerdeführer habe in der entsprechenden Rechtssache seine Verfassungsbeschwerde mit Anhängen nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Monatsfrist beim Bundesverfassungsgericht eingereicht).
37. Der Gerichtshof stellt fest, dass der Beschwerdeführer in der vorliegenden Sache in seiner Verfassungsbeschwerde die Verfahren bei der Polizei und vor den Verwaltungsgerichten geschildert hatte. In diesem Zusammenhang merkt der Gerichtshof an, dass unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer in seinem Vorbringen vor dem Bundesverfassungsgericht auch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts rügte. Gegen diesen Beschluss, den er auch vor dem Gerichtshof anficht, hat er daher eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht erhoben, auch wenn dieser Beschluss aus für den Gerichtshof nicht ersichtlichen Gründen nicht im einleitenden Teil der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erwähnt wurde. Der Beschwerdeführer rügte vor dem Bundesverfassungsgericht, dass die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung u. a. sein von der Verfassung geschütztes Persönlichkeitsrecht und seine Menschenwürde verletze. Folglich wurde die später vor dem Gerichtshof erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers in der Sache vor dem Bundesverfassungsgericht geltend gemacht.
38. Bezüglich der Beachtung der in den innerstaatlichen Bestimmungen vorgesehenen Formerfordernisse und Fristen durch den Beschwerdeführer stellt der Gerichtshof fest, dass das Bundesverfassungsgericht selbst nicht begründet hat, weshalb es die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers nicht zur Entscheidung angenommen hat. Insbesondere hat es nicht angegeben, dass diese Entscheidung aufgrund der Nichteinhaltung von Formerfordernissen gefällt worden sei. Unter diesen Umständen kann der Gerichtshof nicht darüber spekulieren, weshalb das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat und ob es die Beschwerde der Sache nach geprüft hat.
39. Der Beschwerdeführer hat daher die innerstaatlichen Rechtsbehelfe im Sinne von Artikel 35 Abs. 1 der Konvention erschöpft.
40. Der Gerichtshof stellt weiterhin fest, dass diese Beschwerde weder offensichtlich unbegründet noch aus anderen in Artikel 35 der Konvention aufgeführten Gründen unzulässig ist. Folglich ist sie für zulässig zu erklären.
B. Begründetheit
1. Stellungnahmen der Parteien
(a) Der Beschwerdeführer
41. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass der aus der Erhebung, Verwendung und Speicherung seiner erkennungsdienstlichen Daten resultierende Eingriff in sein Recht auf Achtung seines Privatlebens nicht gerechtfertigt gewesen sei und demnach gegen Artikel 8 der Konvention verstoßen habe.
42. Der Beschwerdeführer räumte ein, dass dieser Eingriff eine Grundlage im innerstaatlichen Recht habe, namentlich in § 81b 2. Alt. StPO in der Auslegung durch die innerstaatlichen Gerichte. Die angegriffene Maßnahme habe auch dem rechtmäßigen Zweck der Strafverfolgung und -verhütung gedient.
43. Allerdings sei die Erhebung, Verwendung und Speicherung seiner personenbezogenen Daten in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig gewesen. Nach Auffassung des Beschwerdeführers hatten die innerstaatlichen Gerichte unrichtigerweise geschlussfolgert, dass er wahrscheinlich erneut straffällig werden würde. Die Anordnung sei auf den Verdacht der Hehlerei gestützt worden, das entsprechende Verfahren sei anschließend jedoch aus Mangel an Beweisen eingestellt worden. Auch der Großteil der zuvor gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren sei eingestellt worden und könne daher nicht berücksichtigt werden. Die meisten seiner bisherigen Verurteilungen lägen sehr lange zurück und bei den jüngeren Verurteilungen habe es sich um Bagatelldelikte gehandelt. In den letzten 17 Jahren sei er nur einmal – nämlich 2010 wegen falscher Verdächtigung einer dritten Person – verurteilt und mit einer Geldstrafe in Höhe von 400 Euro belegt worden. 2013 sei er lediglich wegen Beleidigung verwarnt und die Geldstrafe vorbehalten worden. Daher sei die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung unverhältnismäßig gewesen.
44. Darüber hinaus brachte der Beschwerdeführer vor, dass seine schwere Erkrankung bei der Bewertung der Verhältnismäßigkeit der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Aufgrund der Bewegungseinschränkung infolge seiner rheumatoiden Arthritis sei es erstens zunehmend unwahrscheinlich, dass er erneut straffällig werden würde. Zweitens werde seine Krankheit durch die erkennungsdienstliche Behandlung und die Tatsache verschlimmert, dass seine Daten in einem Straffälligenregister neben den Daten von Sexualstraftätern gespeichert würden, was er vehement ablehne.
45. Der Beschwerdeführer brachte ferner vor, dass das Bundeskriminalamt (BKA) in seinem automatisierten Fingerabdruck-Identifizierungs-System (AFIS) rund 2,8 Millionen Fingerabdrücke speichere; das deute darauf hin, dass das BKA Daten im Übermaß speichere.
(b) Die Regierung
46. Die Regierung machte geltend, dass die angegriffene Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht gegen Artikel 8 verstoßen habe. Der aus der Anordnung resultierende Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privat- und Familienlebens sei gerechtfertigt gewesen. Die Rechtsgrundlage der Anordnung, nämlich § 81b 2. Alt. StPO in der von den Behörden und Gerichten in der vorliegenden Rechtssache herangezogenen Auslegung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, sei hinreichend genau. Entsprechend den in den Rechtssachen Malone ./. Vereinigtes Königreich und S. und Marper ./. Vereinigtes Königreich aufgestellten Anforderungen sei der Ermessensspielraum der Behörden im Hinblick darauf, welche Maßnahmen zu welchem Zweck angeordnet werden dürfen, beschränkt gewesen.
47. Mit dem Eingriff sei auch ein rechtmäßiges Ziel, nämlich die Verhütung und Verfolgung von Straftaten und damit der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, verfolgt worden. Auch sei der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig gewesen.
48. Die Regierung unterstrich, dass in den vergangenen 25 Jahren wiederholt Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer geführt werden mussten und dass er 14 Mal verurteilt worden sei. Die Straftaten, derer der Beschwerdeführer verurteilt worden sei (siehe die Entscheidungen der innerstaatlichen Gerichte; Rdnrn. 6 und 14-15), könnten nicht als geringfügig erachtet werden.
49. Auch sei die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nicht dadurch beeinträchtigt worden, dass das wegen Hehlerei gegen den Beschwerdeführer geführte Strafverfahren nach der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung eingestellt worden sei. Nach § 81b StPO könne eine solche Anordnung nur gegen Personen verhängt werden, die zum Zeitpunkt der Anordnung einer Straftat beschuldigt seien; so solle die Vorhersehbarkeit und damit die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme sichergestellt werden. Da die Anordnung aber nicht zum Zweck des in Bezug auf die in Rede stehende Straftat geführten Verfahrens erfolge, sondern präventive Zwecke verfolge, sei es nach dem innerstaatlichen Recht nicht erforderlich, dass die betroffene Person der Straftat, derer sie beschuldigt war, auch schuldig gesprochen wird.
50. Aus demselben Grund hätten auch die gegen den Beschwerdeführer geführten Verfahren, die nach Zahlung eines Geldbetrags oder wegen Geringfügigkeit eingestellt worden seien (ohne dass die Tatvorwürfe gegen den Beschwerdeführer vollständig ausgeräumt worden wären), bei der individuellen Bewertung der Wahrscheinlichkeit, dass die betreffenden Daten bei künftigen Ermittlungsverfahren gebraucht werden könnten, Berücksichtigung finden dürfen.
51. Darüber hinaus enthielten Fingerabdrücke und Lichtbilder im Gegensatz beispielsweise zu DNA-Material nur wenige Informationen über die betroffene Person und stellten daher einen relativ geringen Eingriff dar, der für die Betroffenen keine erheblichen Auswirkungen habe.
52. Dass der Beschwerdeführer seit der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung wegen einer weiteren Straftat (Beleidigung) verurteilt worden sei, zeige abermals, dass sein Gesundheitszustand ihn nicht an der Begehung weiterer Straftaten hindere.
53. Darüber hinaus erlaube § 81b 2. Alt. StPO keine pauschale und unterschiedslose Datenspeicherung. Die Bestimmung setze voraus, dass die betroffene Person bei künftig aufzuklärenden Straftaten als Verdächtiger in Betracht kommen würde und die erhobenen erkennungsdienstlichen Daten dann die Ermittlungen erleichtern würden; hierzu bedürfe es in jedem Fall einer Einzelfallabwägung. Mit ihrer Schlussfolgerung, dass diese Voraussetzungen im Falle des Beschwerdeführers erfüllt seien, hätten die Behörden ihren Ermessensspielraum nicht überschritten.
54. Das deutsche Recht sehe zudem ausreichende Schutzvorkehrungen gegen Missbrauch vor. Gemäß §§ 481 Abs. 1 und 484 Abs. 4 StPO i. V. m. § 43 Abs. 2 und 3 SächsPolG und der diesbezüglichen Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums des Innern (siehe Rdnrn. 25-26) dürften personenbezogene Daten nur so lange gespeichert werden, wie sie zur Bekämpfung von Straftaten erforderlich sind. Grundsätzlich würden die Daten nach fünf Jahren gelöscht, sofern sie nicht noch zur Erfüllung der Aufgaben der Polizeibehörden benötigt werden.
55. Und schließlich könne die Anzahl der Fingerabdrücke, die in der Datenbank des BKA gespeichert seien (2,8 Mio.) im Vergleich zu der Anzahl der im Vereinigten Königreich (8 Mio.) oder in Frankreich (4,6 Mio.) gespeicherten Fingerabdrücke nicht als übermäßig gelten.
2. Würdigung durch den Gerichtshof
(a) Gab es einen Eingriff?
56. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass der Begriff des „Privatlebens“ Aspekte berührt, die sich auf die Identität einer Person beziehen, beispielsweise ihr Bild. Das Recht auf Schutz des eigenen Bildes setzt voraus, dass der Einzelne den Umgang mit dem eigenen Bild bestimmt (siehe von H. ./. Deutschland (Nr. 2) [GK], Individualbeschwerden Nrn. 40660/08 und 60641/08, Rdnrn. 95-96, ECHR 2012, Rdnrn. 95-96, ECHR 2004‑VI, mit weiteren Verweisen). Die Aufnahme eines Lichtbilds einer Person und dessen Speicherung in einer polizeilichen Datenbank mit der Möglichkeit der automatischen Verarbeitung stellt einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 der Konvention dar (siehe Gaughran ./. das Vereinigte Königreich, Individualbeschwerde Nr. 45245/15, Rdnrn. 65-70, 13. Februar 2020 – noch nicht endgültig).
57. Auch die Anfertigung von Fingerabdrücken einer bestimmten oder bestimmbaren Person und deren Speicherung in einem nationalen Register stellt einen Eingriff in das Recht dieser Person auf Achtung des Privatlebens dar (siehe S. und Marper ./. das Vereinigte Königreich [GK], Individualbeschwerden Nrn. 30562/04 und 30566/04, Rdnrn. 78‑86, ECHR 2008; M.K. ./.Frankreich, Individualbeschwerde Nr. 19522/09, Rdnr. 26, 18. April 2013; und Gaughran, a. a. O., Rdnr. 63).
58. Auch die Speicherung von Informationen über das Privatleben einer Person – beispielsweise Kontaktdaten verurteilter Personen – durch Behörden stellt einen Eingriff in dieses Recht dar (siehe Gardel ./. Frankreich, Individualbeschwerde Nr. 16428/05, Rdnr. 58, ECHR 2009).
59. In der vorliegenden Rechtssache ordnete die Polizei die Anfertigung von Lichtbildern, Finger- und Handflächenabdrücken und einer Personenbeschreibung für die Polizeiakten an; dies sollte der künftigen Identifizierung dienen. Die Anordnung wurde daraufhin ausgeführt (siehe Rdnr. 22). Unter Berücksichtigung seiner Rechtsprechung ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die Erhebung und Speicherung dieser Arten personenbezogener Daten einen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privatlebens darstellen. Dies wurde von der Regierung auch nicht bestritten.
60. Der Gerichtshof ist insbesondere der Auffassung, dass die Anfertigung von Handflächenabdrücken eine Maßnahme darstellt, die sowohl im Hinblick auf ihre Intensität als auch im Hinblick auf eine potentielle künftige Verwendung der erhobenen Daten eine große Ähnlichkeit zur Anfertigung von Fingerabdrücken aufweist; daher gelten hier die gleichen Überlegungen. Die Personenbeschreibung des Beschwerdeführers und deren Eingang in die Polizeiakten zum Zweck künftiger Identifizierung lässt sich mit der Anfertigung eines Lichtbilds vergleichen, wenn sie auch weniger einschneidend ist. Da der Gerichtshof allerdings bereits die Auffassung vertreten hat, dass selbst die Speicherung von Kontaktdaten einer verurteilten Person durch eine Behörde einen Eingriff in das Recht der betroffenen Person auf Achtung ihres Privatlebens darstellt, gilt Artikel 8 auch für die Personenbeschreibung des Beschwerdeführers und deren Aufnahme in die Polizeiakten.
(b) War der Eingriff gerechtfertigt?
(i) War der Eingriff „gesetzlich vorgesehen”?
61. Damit er nach Artikel 8 Abs. 2 gerechtfertigt ist, muss ein solcher Eingriff mit dem Recht im Einklang stehen, was voraussetzt, dass es im innerstaatlichen Recht eine mit der Rechtsstaatlichkeit vereinbare Grundlage gibt. Die entsprechenden Rechtsvorschriften müssen hinreichend zugänglich und vorhersehbar sein, d. h. sie müssen so genau formuliert sein, dass der Einzelne – nötigenfalls mit entsprechender Beratung – sein Verhalten daran ausrichten kann. Damit das innerstaatliche Recht diesen Anforderungen genügt, muss es einen angemessenen Rechtsschutz gegen Willkür gewährleisten und daher den Umfang des den zuständigen Behörden gewährten Ermessensspielraums und die Art und Weise, in der dieser zu nutzen ist, hinreichend klar definieren (siehe Malone ./. das Vereinigte Königreich, 2. August 1984, Rdnrn. 66-68, Reihe A Band 82; Rotaru ./. Rumänien [GK], Individualbeschwerde Nr. 28341/95, Rdnr. 55, ECHR 2000-V; S. und Marper, a. a. O., Rdnr. 95; und M.K. ./. Frankreich, a. a. O., Rdnr. 30).
62. Darüber hinaus ist es im Zusammenhang mit der Speicherung von personenbezogenen Daten unerlässlich, über ein Mindestmaß an Schutzvorkehrungen unter anderem in Bezug auf die Dauer, die Speicherung, die Verwendung, den Zugang Dritter, die Verfahren zum Schutz der Integrität und Vertraulichkeit der Daten sowie die Verfahren zu ihrer Vernichtung zu verfügen und damit hinreichende Garantien gegen Missbrauch zu gewährleisten (siehe S. und Marper, a. a. O., Rdnr. 99 mit zahlreichen weiteren Verweisen; siehe sinngemäß auch Rotaru, a. a. O., Rdnrn. 56-59, und Association for European Integration and Human Rights and Ekimdzhiev ./. Bulgarien, Individualbeschwerde Nr. 62540/00, Rdnrn. 75-77).
63. Bei der Prüfung, ob die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit einer Rechtsbestimmung erfüllt sind, zieht der Gerichtshof nicht nur deren Wortlaut, sondern auch die in der Rechtsprechung der innerstaatlichen Gerichte vorgenommene Definition ihrer Bedeutung und ihres Umfangs heran (vgl. z. B Malone, a. a. O., Rdnr. 66, und Peruzzo und M. ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerden Nrn. 7841/08 und 57900/12, Rdnrn. 36-38, 4. Juni 2013).
64. Der Gerichtshof stellt fest, dass die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung des Beschwerdeführers auf § 81b 2. Alt. StPO beruhte. In dieser zugänglichen Bestimmung werden mit einem hohen Maß an Genauigkeit die Arten der personenbezogenen Daten aufgezählt, die erhoben werden dürfen: Lichtbilder und Fingerabdrücke, Messungen und ähnliche Daten. Es muss als vorhersehbar eingestuft werden, dass die hier in Rede stehenden Daten, nämlich Lichtbilder, Fingerabdrücke und Handflächenabdrücke sowie eine Personenbeschreibung des Beschwerdeführers, zu den nach dieser Bestimmung erlaubten Maßnahmen zählen.
65. Im Hinblick auf die Umstände, unter denen solche Daten bei Beschuldigten erhoben werden dürfen, sieht § 81b 2. Alt. StPO vor, dass dies geschehen darf „[s]oweit es […] für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist“. Zwar ist die Wortwahl relativ weit gefasst, doch die oberen Instanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit haben die Bedeutung der Bestimmung in ihrer Rechtsprechung klargestellt und eindeutig beschrieben. Demnach müssen die Behörden im Einzelfall prüfen, ob das erkennungsdienstliche Material in künftigen Ermittlungsverfahren gegen die betreffende Person wahrscheinlich nützlich sein wird. Die Behörden müssen in diesem Zusammenhang unter anderem die Art und die Schwere der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftat, seine Persönlichkeit und die Art und Häufigkeit seiner früheren Taten berücksichtigen (siehe im Einzelnen Rdnr. 12).
66. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass § 81b 2. Alt StPO in der Auslegung durch die höherinstanzlichen innerstaatlichen Gerichte in deren ständiger Rechtsprechung den Ermessensspielraum, den diese Bestimmung den zuständigen Behörden zuteil werden lässt, und die Art der Ausübung dieses Spielraums hinreichend klar erkennen ließ und demnach hinreichend vorhersehbar war.
67. Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass es § 81b 2. Alt. StPO i. V. m. §§ 481 Abs. 1 und 484 Abs. 4 StPO und § 43 Abs. 2 und 3 SächsPolG sowie Nr. 5 der einschlägigen Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums des Innern hinsichtlich der Bedingungen für die Speicherung, Verwendung und Löschung der erhobenen erkennungsdienstlichen Daten an Genauigkeit mangele. Nach Auffassung des Gerichtshofs sollte die Frage, ob die Bestimmung hinreichende Garantien gegen Missbrauch gewährleistete, besser mit Blick darauf gestellt werden, ob der Eingriff – weiter gefasst – in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war (siehe Rdnrn. 69 f.; vgl. im Hinblick auf einen ähnlichen Ansatz u. a. S. und Marper, a. a. O., Rdnr. 99; Peruzzo und M., a. a. O., Rdnr. 39; und M.K. ./. Frankreich, a. a. O., Rdnr. 31).
(ii) Diente der Eingriff einem rechtmäßigen Ziel?
68. Die erkennungsdienstliche Behandlung von Personen wie dem Beschwerdeführer diente der Verhütung von Straftaten sowie dem Schutz der Rechte anderer durch die Erleichterung von Ermittlungen bei künftigen Straftaten. Folglich diente sie einem rechtmäßigen Ziel im Sinne von Artikel 8 Abs. 2 der Konvention.
(iii) War der Eingriff „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“?
(1) Allgemeine Grundsätze
69. Es bleibt noch festzustellen, ob der in Rede stehende Eingriff „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ war, was heißt, dass er „einem dringenden sozialen Bedürfnis“ entsprechen und insbesondere in Bezug auf das verfolgte rechtmäßige Ziel verhältnismäßig sein muss und die von den innerstaatlichen Behörden zur Rechtfertigung angeführten Gründe „relevant und ausreichend“ sein müssen (siehe S. und Marper, a. a. O., Rdnr. 101, und M.K. ./. Frankreich, a. a. O., Rdnr. 33).
70. Im Hinblick insbesondere auf Eingriffe mit Bezug auf personenbezogene Daten weist der Gerichtshof erneut darauf hin, dass der Schutz solcher Daten von grundlegender Bedeutung für die Wahrnehmung des Rechts des Einzelnen auf Achtung des Privatlebens ist, das in Artikel 8 der Konvention gewährleistet wird. Das innerstaatliche Recht muss daher geeignete Schutzvorkehrungen vorsehen, die verhindern, dass personenbezogene Daten in einer Art verwendet werden, die mit den Garantien dieses Artikels nicht vereinbar ist (siehe S. und Marper, a. a. O., Rdnr. 103; Gardel, a. a. O., Rdnr. 62; und B.B. ./. Frankreich, Individualbeschwerde Nr. 5335/06, Rdnr. 61, 17. Dezember 2009).
71. Die Notwendigkeit solcher Vorkehrungen ist noch größer, wenn es um den Schutz personenbezogener Daten geht, die einer automatischen Verarbeitung unterliegen, insbesondere wenn diese Daten zu polizeilichen Zwecken genutzt werden. Das innerstaatliche Recht sollte insbesondere sicherstellen, dass diese Daten für die Zwecke, zu denen sie gespeichert werden, erheblich sind und nicht darüber hinausgehen, und dass sie insbesondere in einer Form aufbewahrt werden, welche die Identifizierung der Betroffenen nur so lange erlaubt, wie dies für den Zweck, zu dem diese Daten gespeichert werden, erforderlich ist (siehe Artikel 5 des Datenschutzübereinkommens, Rdnr. 29; siehe auch Gardel, a. a. O., Rdnr. 62). Das innerstaatliche Recht muss auch angemessene Garantien gegen eine falsche oder missbräuchliche Verwendung aufbewahrter personenbezogener Daten vorsehen (siehe insbesondere Artikel 7 des Datenschutzübereinkommens). Die obigen Erwägungen gelten in besonderem Maße für den Schutz spezieller, sensiblere Daten beinhaltender Kategorien (siehe Artikel 6 des Datenschutzübereinkommens; sowie S. und Marper, a. a. O., Rdnr. 103; M.K. ./. Frankreich, a. a. O., Rdnr. 35; und Peruzzo and M., a. a. O., Rdnr. 42).
72. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit nationaler Maßnahmen, die die Erfassung von personenbezogenen Daten im Rahmen von Strafverfahren und deren anschließende Speicherung umfassen, hat der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung insbesondere die folgenden Elemente berücksichtigt. Er hat geprüft, ob und inwiefern die innerstaatlichen Behörden die Art und Schwere der in Rede stehenden Taten bei ihrer Entscheidung über die Datenspeicherung berücksichtigt hatten (siehe S. und Marper, a. a. O., Rdnrn. 113 und 119; M.K. ./. Frankreich, a. a. O., Rdnr. 41; and Peruzzo und M., a. a. O., Rdnr. 44). Er hat ferner festgestellt, ob die Behörden bei ihrer Entscheidung auch berücksichtigten, dass die betroffene Person anschließend nicht verurteilt wurde (siehe S. und Marper, a. a. O., Rdnrn. 106, 113, 119 und 122; und M.K. ./. Frankreich, a. a. O., Rdnrn. 41-42).
73. Darüber hinaus berücksichtigte der Gerichtshof das Niveau des tatsächlichen Eingriffs in das Recht auf Achtung des Privatlebens. Er stellte insbesondere fest, dass die Aufbewahrung von Zellproben wegen der Fülle der darin enthaltenen genetischen Informationen im Vergleich zu anderen Maßnahmen wie der Speicherung von Fingerabdrücken besonders einschneidend ist (siehe S. und Marper, a. a. O., Rdnr. 120). Der Gerichtshof hielt auch die Frage für relevant, ob die Speicherung der Daten zeitlich befristet ist und wie lange diese Frist ggf. ist (siehe S. und Marper, a. a. O., Rdnrn. 107 f. und 119; Gardel, a. a. O., Rdnrn. 67-68; M.K. ./. Frankreich, a. a. O., Rdnr. 45; und Peruzzo und M., a. a. O., Rdnr. 46).
74. Ein weiteres maßgebliches Element der Verhältnismäßigkeitsprüfung des Gerichtshofs in Bezug auf die angegriffenen Maßnahmen bezog sich darauf, ob es eine unabhängige Überprüfung der Notwendigkeit der weiteren Speicherung der in Rede stehenden Daten gab, was praktisch eine Löschung der Daten nach sich ziehen würde, sollten sie für die Zwecke, für die sie erhoben wurden, nicht mehr benötigt werden (siehe S. und Marper, a. a. O., Rdnr. 119; Gardel, a. a. O., Rdnr. 69; M.K. ./. Frankreich, a. a. O., Rdnr. 44; und Peruzzo und M.s, a. a. O., Rdnr. 46). Schließlich prüfte der Gerichtshof auch, ob im Lichte der oben genannten Rechtsprechung ein hinreichender Schutz vor Missbrauch der Daten (z. B. unbefugter Zugang oder Verbreitung der Daten) gegeben war (siehe Gardel, a. a. O., Rdnr. 62 und 70, und Peruzzo und M.s, a. a. O., Rdnr. 47).
75. Für die Beurteilung der Frage, ob der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist, muss den innerstaatlichen Behörden ein Ermessensspielraum eingeräumt werden. Der Umfang dieses Spielraums ist unterschiedlich und hängt von einer Reihe von Faktoren ab, zu denen die Art des in Rede stehenden Konventionsrechts, seine Bedeutung für den Betroffenen, die Art des Eingriffs und das mit dem Eingriff verfolgte Ziel gehören. Der Spielraum wird in der Regel enger sein, wenn das in Rede stehende Recht von entscheidender Bedeutung dafür ist, ob der Betroffene sehr persönliche oder wichtige Rechte effektiv wahrnehmen kann (siehe Connors ./. das Vereinigte Königreich, Individualbeschwerde Nr. 66746/01, Rdnr. 82, 27. Mai 2004, mit weiteren Verweisen und Peruzzo und M., a. a. O., Rdnr. 41). Geht es um einen besonders wichtigen Aspekt der Existenz oder Identität einer Person, wird der dem Staat gewährte Spielraum eingeschränkt sein. Wo jedoch zwischen den Mitgliedstaaten des Europarats kein Konsens besteht – sei es über die relative Bedeutung des fraglichen Belanges oder darüber, wie er am besten geschützt werden kann – ist der Spielraum größer (siehe S. und Marper, a. a. O., Rdnr. 102).
(2) Anwendung dieser Grundsätze auf die vorliegende Rechtssache
76. Im Zusammenhang mit seiner Prüfung, ob die angegriffene Erhebung und Speicherung der erkennungsdienstlichen Daten des Beschwerdeführers, die dem Zweck der Verhütung von Straftaten und dem Schutz der Rechte Dritter dienten, dem verfolgen Ziel gegenüber verhältnismäßig waren, stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass die Polizei und die innerstaatlichen Gerichte die Art und Schwere der Vortaten des Beschwerdeführers in ihre Entscheidung über die Erhebung und Speicherung seiner Daten einfließen ließen (siehe Rdnr. 65).
77. Entsprechend der Rechtsprechung der höheren verwaltungsgerichtlichen Instanzen haben die Gerichte bei ihrer Einzelfallbeurteilung der Rückfallwahrscheinlichkeit des Beschwerdeführers die Art, Schwere und Anzahl der Straftaten, wegen derer er bereits verurteilt wurde, berücksichtigt. So stellten sie fest, dass er vor etwa 15 bis 30 Jahren 13 Mal wegen Straftaten wie Diebstahl, Betrug, Verkehrsdelikten und Insolvenzstraftaten verurteilt worden sei; es seien Geldstrafen, aber – in fünf Fällen – auch Freiheitsstrafen mit Dauern zwischen zwei Monaten und zweieinhalb Jahren gegen ihn verhängt worden. Seitdem sei die Zahl der Verurteilungen deutlich zurückgegangen; 2010 sei wegen falscher Verdächtigung einer dritten Person eine Geldstrafe gegen ihn verhängt worden und 2013 sei er unter Vorbehalt einer Geldstrafe wegen Beleidigung verurteilt worden (siehe Rdnrn. 15-16).
78. Die innerstaatlichen Behörden berücksichtigten auch diverse Ermittlungsverfahren wegen Straftaten wie Körperverletzung, Sachbeschädigung und Betrug, die in den Jahren vor der Anordnung eingestellt wurden, wobei sie diesen Verfahren weniger Gewicht beimaßen. Die Verfahren wurden entweder nach Zahlung eines Geldbetrags eingestellt, oder weil die in Rede stehende Tat als geringfügige oder unwesentliche Nebenstraftat eingestuft wurde, oder weil die Beweislage zur Anklageerhebung nicht ausreichte, wobei die Unschuld des Beschwerdeführers nach Auffassung der innerstaatlichen Behörden nicht erwiesen war, was dem maßgeblichen Standard des innerstaatlichen Rechts entspricht (siehe im Einzelnen Rdnrn. 6, 8 und 15-16).
79. Wie die innerstaatlichen Behörden betonten, wurden diese Verfahren bei der präventiven Beurteilung der Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer bei künftig aufzuklärenden Straftaten als Verdächtiger in Betracht kommen würde, berücksichtigt. Der Gerichtshof kann deshalb anerkennen, dass diese eingestellten Verfahren, von denen keines mit einer Unschuldsfeststellung durch die innerstaatlichen Gerichte endete und bei denen es auch keine Anzeichen dafür gibt, dass sie willkürlich eingeleitet wurden, in einem stark begrenzten Umfang ebenfalls Relevanz für die Beurteilung hatten.
80. Der Gerichtshof nimmt auch das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Kenntnis, wonach es aufgrund der Bewegungseinschränkung infolge seiner rheumatoiden Arthritis zunehmend unwahrscheinlich sei, dass er erneut straffällig werden würde. Er stellt jedoch fest, dass die innerstaatlichen Gerichte seinen körperlichen Zustand bei ihrer Gesamtbetrachtung berücksichtigten und ausdrücklich feststellten, dass die früheren Taten des Beschwerdeführers nicht mit einem sonderlichen Bewegungsaufwand verbunden gewesen seien (siehe Rdnr. 17). Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer nach der 2011 angeordneten erkennungsdienstlichen Behandlung im Jahr 2013 erneut einer Straftat (Beleidigung) schuldig gesprochen worden.
81. In Anbetracht dieser Faktoren erkennt der Gerichtshof zwar an, dass der Beschwerdeführer keiner besonders schwerwiegenden Straftat schuldig gesprochen wurde, er kommt aber nicht umhin, die Feststellung der innerstaatlichen Gerichte zur Kenntnis zu nehmen, wonach er mehrfach verurteilt wurde und einige seiner Straftaten schwer genug waren, dass eine Haftstrafe gegen ihn verhängt wurde. Darüber hinaus mussten wiederholt strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn eingeleitet werden, auch in den Jahren vor der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung.
82. Im Hinblick auf die Frage, ob die innerstaatlichen Stellen berücksichtigten, dass der Beschwerdeführer in dem Verfahren, in dessen Rahmen die erkennungsdienstliche Behandlung angeordnet worden war, später nicht der Hehlerei schuldig gesprochen wurde, stellt der Gerichtshof fest, dass der Ausgang dieses Verfahrens nach dem innerstaatlichen Recht für die Entscheidung über die Erhebung und die Speicherung der Daten des Beschwerdeführers nicht relevant war. Die erkennungsdienstliche Behandlung nach §81b 2. Alt. StPO konnte nur gegen Personen angeordnet werden, die zum Zeitpunkt der Anordnung der Begehung einer Straftat beschuldigt sind. Wie die Regierung erläuterte (siehe Rdnr. 49), sollte so die Vorhersehbarkeit der Maßnahme sichergestellt werden. Der spätere Ausgang dieses Verfahrens war allerdings nicht entscheidend für die Einzelfallbeurteilung dessen, ob der Beschwerdeführer insbesondere angesichts der früheren gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren in der Zukunft wahrscheinlich erneut einer Straftat beschuldigt werden würde, wobei die entsprechenden Ermittlungen dann durch die von ihm erhobenen erkennungsdienstlichen Daten erleichtert würden (siehe auch Rdnrn 11-12).
83. Der Gerichtshof stellt fest, dass sich der vorliegende Fall diesbezüglich von Fällen wie S. und Marper (a. a. O., Rdnrn. 106, 113-114 und 122‑123) oder M.K. ./. Frankreich (a. a. O., Rdnrn. 41-42) unterscheidet. In diesen zwei Fällen waren die Verfahren, die der erkennungsdienstlichen Behandlung zugrunde lagen, ebenfalls eingestellt oder die Beschwerdeführer im Hinblick auf die in Rede stehenden Straftaten freigesprochen worden. Allerdings hatte es im Gegensatz zur vorliegenden Rechtssache keine früheren Verurteilungen gegeben, die bei der Entscheidung über die in Rede stehende erkennungsdienstliche Behandlung berücksichtigt wurden.
84. Was die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der angegriffenen Maßnahme angeht, hält es der Gerichtshof ferner für wichtig, dass die Erhebung und Speicherung der hier in Rede stehenden erkennungsdienstlichen Daten – Lichtbilder, Finger- und Handflächenabdrücke und eine Personenbeschreibung – einen erheblich weniger einschneidenden Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privatlebens darstellen als die Entnahme von Zellproben und Speicherung von DNA-Profilen, die wesentlich mehr sensible Informationen enthalten.
85. Im Hinblick auf die Dauer der Speicherung der in Rede stehenden erkennungsdienstlichen Daten stellt der Gerichtshof fest, dass das innerstaatliche Recht, namentlich die §§ 481 Abs. 1 und 484 Abs. 4 StPO i. V. m. § 43 Abs. 2 und 3 SächsPolG sowie Nr. 5 der einschlägigen Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums des Innern (siehe Rdnrn. 25-26), konkrete Fristen für die Überprüfung vorsieht, ob die Speicherung der Daten weiterhin erforderlich ist. Sind die Daten zur polizeilichen Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich, müssen sie vernichtet werden. Bei der Einschätzung hierzu sind der Speicherungszweck sowie die Art und Bedeutung des Anlasses der Speicherung zu berücksichtigen. In Fällen wie dem des Beschwerdeführers – mit einem erwachsenen Straftäter, dessen Straftaten nach Definition der maßgeblichen Richtlinie weder geringfügig noch besonders schwer waren – müssen die personenbezogenen Daten regelmäßig nach fünf Jahren gelöscht werden. Wie das Verwaltungsgericht D. betont hat (siehe Rdnr. 18), könnte der Beschwerdeführer daher die Löschung seiner Daten aus dem polizeilichen Verzeichnis erwirken, wenn sein Verhalten zeige, dass die Daten nicht mehr benötigt werden.
86. Der Gerichtshof stellt fest, dass sich die vorliegende Rechtssache daher auch diesbezüglich von Fällen wie S. und Marper (a. a. O., Rdnr. 119) und Gaughran (a. a. O., Rdnr. 94), bei denen es um eine unbegrenzte Datenspeicherung ging, oder von M.K. ./. Frankreich (a. A. O., Rdnr. 45) unterscheidet, wo festgestellt wurde, dass die Daten in der Praxis 25 Jahre aufbewahrt wurden.
87. Angesichts der relativ begrenzten Eingriffsintensität und Dauer der in Rede stehenden erkennungsdienstlichen Behandlung selbst sowie der begrenzten Auswirkung der Speicherung der Daten in einer internen Polizeidatenbank auf das tägliche Leben des Beschwerdeführers ist der Gerichtshof unter Berücksichtigung der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen ferner der Auffassung, dass der Beschwerdeführer nicht substantiiert dargelegt hat, dass sein Gesundheitszustand (siehe Rdnr. 44) durch den Stress und die Unruhe, die die angegriffene Maßnahme verursacht habe, beeinträchtigt worden ist.
88. Aus den vorstehenden Erwägungen geht auch hervor, dass es die Möglichkeit einer Überprüfung der Notwendigkeit der weiteren Speicherung der in Rede stehenden Daten – durch die Polizeibehörden, ggf. mit gerichtlicher Überprüfung (siehe Rdnr. 27) – gibt. Aus den Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts (siehe Rdnrn. 25-26) und den im Urteil des Verwaltungsgerichts angeführten Gründen (siehe Rdnr. 18) geht eindeutig hervor, dass diese Daten – in der Regel fünf Jahre nach ihrer Speicherung – gelöscht werden müssen, wenn in diesem Zeitraum keine neuen Ermittlungen gegen den Beschwerdeführer geführt werden. Das reine Interesse der Ermittlungsbehörden an einer möglichst umfangreichen Datenbank ist demnach keine hinreichende Rechtfertigung für eine Datenspeicherung (vgl. demgegenüber M.K. ./. Frankreich, a. a. O., Rdnr. 44). Es gibt keine Anzeichen dafür, dass diese Überprüfung in der Praxis einer Löschung der erkennungsdienstlichen Daten entgegenstünde, wenn diese für die Zwecke, zu denen sie erhoben wurden, nicht mehr benötigt werden.
89. Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass es keine Anzeichen dafür gibt und der Beschwerdeführer auch nicht vorgebracht hat, dass die von ihm erhobenen und von der Polizei gespeicherten erkennungsdienstlichen Daten unzureichend vor Missbrauch (z. B. unbefugtem Zugang oder Verbreitung) geschützt wären.
90. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen kommt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die Gründe, die die innerstaatlichen Stellen zur Rechtfertigung des Eingriffs in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privatlebens durch die Erhebung und Speicherung seiner personenbezogenen Daten anführten, „relevant und ausreichend“ waren. Bei der Erhebung und Speicherung dieser Daten in der vorliegenden Rechtssache wurde ein gerechter Ausgleich zwischen den widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen herbeigeführt; somit fielen sie in den Ermessensspielraum des beschwerdegegnerischen Staates. Dementsprechend stellte die angegriffene Maßnahme einen verhältnismäßigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privatlebens dar und kann als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ angesehen werden. Er war daher nach Artikel 8 Abs. 2 gerechtfertigt.
91. Eine Verletzung von Artikel 8 der Konvention liegt somit nicht vor.
AUS DIESEN GRÜNDEN ENTSCHEIDET DER GERICHTSHOF EINSTIMMIG:
1. Die Individualbeschwerde wird für zulässig erklärt;
2. Artikel 8 der Konvention ist nicht verletzt worden.
Victor Soloveytchik Siofra O’Leary
Stellvertretender Sektionskanzler Präsidentin
Zuletzt aktualisiert am Mai 17, 2021 von eurogesetze
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