KLOUTEN gegen Deutschland (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) Individualbeschwerde Nr. 48057/10

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
FÜNFTE SEKTION
ENTSCHEIDUNG
Individualbeschwerde Nr. 48057/10
K. gegen Deutschland

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Fünfte Sektion) hat in seiner Sitzung am 19. März 2013 als Kammer mit den Richterinnen und Richtern

Mark Villiger, Präsident,
Angelika Nußberger,
Boštjan M. Zupančič,
Ann Power-Forde,
André Potocki,
Paul Lemmens,
Helena Jäderblom, und Claudia Westerdiek, Sektionskanzlerin,

im Hinblick auf die oben genannte Individualbeschwerde, die am 8. Juli 2009 erhoben wurde,nach Beratung wie folgt entschieden.

SACHVERHALT

1. Der 19… geborene Beschwerdeführer, Herr K, ist deutscher Staatsangehöriger und derzeit in einem Wohnheim für psychisch kranke Menschen in K. untergebracht.

A. Die Umstände der Rechtssache

2. Der von dem Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen.

1. Hintergrund der Rechtssache

3. Im November 2001 wurde der Beschwerdeführer, der zuvor Anzeichen einer Persönlichkeitsstörung gezeigt hatte, vorübergehend in der psychiatrischen Abteilung des Landeskrankenhauses Düsseldorf untergebracht, nachdem er einen Passanten auf der Straße beschimpft und beleidigt hatte.

4. In dem anschließenden Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer diesen Passanten am 22.Oktober 2001 beleidigt und angespuckt hatte, weil dieser ihm seines Erachtens im Weg gestanden hatte. Diesem Vorfall war am 25. August 2000 ein schwerwiegenderer Angriff vorausgegangen, als der Beschwerdeführer gegen eine Radfahrerin vorgegangen war, von der er sich auf der Straße belästigt gefühlt hatte; er beschädigte zunächst das Fahrrad und schlug ihr dann mit einem Knüppel auf den Kopf, wodurch das Opfer, das infolge des Schlags vorübergehend das Bewusstsein verloren hatte, eine Kopfverletzung und einen Bluterguss über dem rechten Augedavontrug.

5. Mit Urteil vom 22. November 2002 befand das Landgericht, das sich insbesondere auf ein Geständnis des Beschwerdeführers und auf dieses bestätigende Zeugenaussagen stützte, dass der Angriff des Beschwerdeführers auf die Radfahrerin im Jahr 2000 den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung und der Vorfall im Jahr 2001 den der Beleidigung erfülle. Unter Bezugnahme auf ein Sachverständigengutachten, das von dem Chefarzt der zuständigen Abteilung des Psychiatrischen Krankenhauses Düsseldorf am 26. Juli 2002 erstattet worden war, vertrat das Landgericht jedoch die Auffassung, dass der Beschwerdeführer die Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen habe.

6. Das Landgericht stellte fest, dass der Beschwerdeführer in der Vergangenheit immer wieder vorübergehend in psychiatrische Krankenhäuser eingewiesen worden war. So sei er in den Jahren 1979 und 1980 auf Betreiben seiner Eltern zweimal für jeweils drei Monate in einem psychiatrischen Krankenhaus in Neuss untergebracht worden. Anschließend sei er überwiegend keiner regelmäßigen Beschäftigung nachgegangen und habe keinen festen Wohnsitz gehabt; vor seiner vorübergehenden Unterbringung im Landeskrankenhaus Düsseldorf im November 2001 habe er im Freien gelebt und eine zeltartige Konstruktion als Obdach genutzt. Sein Strafregister weise seit 1979 mindestens 38 Einträge – überwiegend wegen geringfügiger Straftaten wie Beförderungserschleichung – auf. Alle insoweit gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten Strafverfahren seien eingestellt worden, weil er für die Taten strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden konnte. Nach seiner Festnahme wegen des vorgenannten Angriffs auf die Radfahrerin sei er im August 2000 gemäß dem Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten – PsychKG mehrere Wochen vorübergehend in einem psychiatrischen Krankenhaus in Neuss untergebracht und untersucht worden. Die behandelnden Ärzte hätten bei dem Beschwerdeführer eine chronische schizophrene Psychose diagnostiziert, die sich zum Zeitpunkt des Vorfalls zu einer akuten paranoiden Krankheitssymptomatik entwickelt habe. Ihre Diagnose sei bei der anschließenden Unterbringung des Beschwerdeführers im Krankenhaus in Düsseldorf nach dem Vorfall vom 22.Oktober 2001 bestätigt worden; dort sei er von demselben Sachverständigen untersucht worden, der das Gutachten vom 26. Juli 2002 im vorliegenden Verfahren erstattet hatte.

7. Dieser Sachverständige habe ausgeführt, dass bei dem Beschwerdeführer eine schizophrene Psychose vorliege, die bereits seit Ende der 70’er Jahre bestehe, und im Laufe der Jahre chronisch geworden sei. Seine Erkrankung sei von dem ständigen Gefühl, drangsaliert zu werden, gekennzeichnet, das zu aggressivem Verhalten in Situationen führe, die der Beschwerdeführer als bedrohlich empfinde. Nach Auffassung des Sachverständigen war der Beschwerdeführer bei der Begehung der Taten in den Jahren 2000 und 2001 aufgrund seiner Erkrankung unfähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, und habe daher im Sinne von § 20 StGB ohne Schuld gehandelt.

8. Das Landgericht schloss sich den Ausführungen des Sachverständigen an und befand, dass der Beschwerdeführer für die Allgemeinheit gefährlich sei, da von ihm künftig weitere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien; daher ordnete es seine Unterbringung in einem forensisch-psychiatrischen Krankenhaus an (§§ 20 und 63 StGB, siehe „Einschlägiges innerstaatliches Recht“, unten). Das Landgericht führte aus, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich des Bestehens seiner Krankheit keine Einsicht zeige und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus insoweit der einzige Weg sei, um sicherzustellen, dass die im Rahmen einer erfolgreichen Therapie erforderlichen Medikamente, regelmäßig verabreicht werden könnten. Daher sei die Fortdauer seiner Unterbringung erforderlich und ihre Aussetzung vorerst nicht zu rechtfertigen. Die von dem Sachverständigen angeregten Lockerungen der Maßregel seien jedoch zu gegebener Zeit ins Auge zu fassen und würden den Beschwerdeführer angesichts seines ausgeprägten Bedürfnisses nach Unabhängigkeit und Freiheit, wie es sich in der Vergangenheit manifestiert hatte, überdies motivieren, seine Therapie fortzuführen.

2. c. Frühere Überprüfungen der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus

9. Im Rahmen der jährlichen Überprüfungen der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus (vgl. §§ 67d und 67e StGB, siehe „Einschlägiges innerstaatliches Recht“, unten) ordnete das zuständige Landgericht Düsseldorf durchweg die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus an.

10. So befand eine aus drei Richtern bestehende Kammer des Landgerichts in einem Beschluss vom 8.November 2006, dass eine Aussetzung der Unterbringung des Beschwerdeführers sich noch nicht rechtfertigen lasse, weil weiterhin die Gefahr bestehe, dass dieser im Falle seiner Freilassung weitere Straftaten begehen werde. Das Gericht merkte an, dass der Beschwerdeführer immer noch nicht einsehe, dass er an einer paranoiden Schizophrenie leide. Zwar sei er in die Krankenhausumgebung gut integriert und nehme an therapeutischen Maßnahmen teil, lege aber immer noch aufbrausende, aggressive und paranoide Reaktionen an den Tag. Zudem habe er die von den behandelnden Ärzten empfohlene höhere Dosierung seiner Medikamente abgelehnt und erklärt, dass er nach eineretwaigen Entlassung keinen Psychiater mehr aufsuchen werde. In seiner Würdigung stützte sich das Landgericht insbesondere auf ein externes medizinisches Sachverständigengutachten vom 7. Dezember 2005 und eine Stellungnahme der behandelnden Ärzte im psychiatrischen Krankenhaus Düsseldorf vom 23. Juni 2006. Das Gericht nahm auch auf den Schriftsatz des Beschwerdeführers und seine Aussagen, die er bei seiner Anhörung durch einen Richter der Kammer gemacht hatte, Bezug. Das Landgericht wies darauf hin, dass eine betreute Wohngruppe außerhalb des Krankenhauses in Betracht kommen könne, sobald der Beschwerdeführer sich mit seiner Krankheit auseinandersetze und einer Anpassung der Dosierung der ihm verschriebenen Medikamente zustimme.

11. Mit Beschluss vom 11. Januar 2007 verwarf das Oberlandesgericht Düsseldorf unter Bestätigung der Begründung des Landgerichts die Beschwerde des Beschwerdeführers und befand, dass die Fortdauer seiner Unterbringung in einem Krankenhaus noch verhältnismäßig sei. Das Oberlandesgericht wies darauf hin, dass der Verfahrensmangel, dass die Anhörung des Beschwerdeführers durch lediglich einen Richter der Kammer, die seine Unterbringung überprüft, und nicht – wie nach der gefestigten Rechtsprechung der nationalen Gerichte erforderlich – durch die vollständige Kammer erfolgt sei, in vorliegendem Fall keine Frage aufwerfe. Da nach den maßgeblichen medizinischen Sachverständigengutachten und den Stellungnahmen der behandelnden Ärzte die Notwendigkeit der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus für einen längeren Zeitraum bejaht worden sei, habe das Landgericht von der Regel, dass die Anhörung des Beschwerdeführers von der vollständigen Kammer durchzuführen ist, ausnahmsweise abweichen dürfen.

12. Mit Beschluss vom 26. April 2007 (2 BvR 199/07) lehnte es das Bundesverfassungsgericht ab, die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zur Entscheidung anzunehmen, weil es der Auffassung war, dass die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts keine Anzeichen von Willkür erkennen ließen und keine verfassungsrechtliche Frage aufwürfen.

13. Am 4. Juni 2007 reichte der Beschwerdeführer Beschwerde (Nr. 25714/07) beim Gerichtshof ein, mit der er rügte, dass die Fortdauer seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht gerechtfertigt sei. Er behauptete ferner, dass seine Behandlung und Medikation in dem psychiatrischen Krankenhaus eine erniedrigende Behandlung darstellten, die gegen Artikel 3 der Konvention verstießen. Unter Berufung auf Artikel 5 Abs. 2 und Artikel 6 der Konvention rügte er, dass das Verfahrenhinsichtlich seiner Unterbringung im Jahre 2002 und die nachfolgenden Überprüfungsverfahren nicht fair gewesen seien. Unter Berufung auf Artikel 9 i. V. m. Artikel 14 der Konvention trug er abschließend vor, dass die Verfahren vor den nationalen Gerichten, deren willkürliche Entscheidungen in Bezug auf seine Freiheitsentziehung sowie dieBedingungen seiner Unterbringung diskriminierend gewesen seien und sein Recht auf Gedankenfreiheit verletzt hätten. Die Beschwerde wurde von dem Gerichtshof in Einzelrichterbesetzung mit Beschluss vom 18. April 2012 für unzulässig erklärt.

3. Das in Rede stehende Verfahren

a)Erster Verfahrenskomplex vor dem Landgericht Düsseldorf und dem Oberlandesgericht Düsseldorf

14. Am 9. November 2007 ordnete das Landgericht Düsseldorf die Fortsetzung der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus erneut an.

15. Aufgrund schriftlicher Stellungnahmen des psychiatrischen Krankenhauses Düsseldorf und der Strafverfolgungsbehörden sowie des externen Sachverständigengutachtens vom 7. Dezember 2005 befand das Gericht, nachdem es den Beschwerdeführer durch einen Richter der Kammer am 30. Oktober 2007 angehört hatte, dass die Kriminalprognose des Beschwerdeführers noch negativ sei. Der Beschwerdeführer zeige keinerlei Einsicht in seine Erkrankung und verschließe sich hartnäckig den von den behandelnden Ärzten vorgeschlagenen Medikamentenanpassungen, die für eine langfristige Therapie seiner Störung notwendig seien. Zudem missbrauche er immer wieder Vollzugslockerungen zu unerlaubtem Ausgang außerhalb des Krankenhausgeländes. Es sei damit zu rechnen, dass der Beschwerdeführer außerhalb der überwachten Krankenhausumgebung seine medizinische und therapeutische Behandlung vernachlässigen würde und folglich seine Aggressivität sich nicht mehr auf dokumentierte verbale Ausbrüche gegenüber den behandelnden Ärzten beschränken, sondern in körperliche Gewalt münden würde. Angesichts dieser Erkenntnisse war das Landgericht der Ansicht, dass weiterhin die Gefahr gegeben sei, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Entlassung auf Bewährung weitere Straftaten begehen werde, und dass seine fortdauernde Unterbringung in einem Krankenhaus daher erforderlich sei.

16. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers hob das Oberlandesgericht Düsseldorf am 3. März 2008 den Beschluss des Landgerichts auf, weil das Ausgangsverfahren deutliche Verfahrensmängel aufweise, und verwies die Sache zur erneuten Prüfung an das Landgericht zurück.

17. Das Oberlandesgericht wies darauf hin, dass der Beschwerdeführer entgegen den in der gefestigten Rechtsprechung entwickelten Anforderungen erneut nur von einem Richter der Kammer und nicht durch die aus drei Richtern bestehende vollständige Kammer angehört worden sei. Überdies seien die nationalen Gerichte aufgrund einer am 20. Juli 2007 in Kraft getretenen Änderung des Strafgesetzbuchs verpflichtet, im Rahmen der Überprüfung der weiteren Verhältnismäßigkeit der Unterbringung nach jeweils fünf Jahren vollzogener Unterbringung eines Verurteilten in einem Krankenhaus ein neues Gutachten eines außenstehenden psychiatrischen Sachverständigen einzuholen. Das Oberlandesgericht stellte fest, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts am 9. November 2007 schon fast sechs Jahre untergebracht war. Mithin hätte das Landgericht im Rahmen des Überprüfungsverfahrens im Jahre 2007 ein neues externes Sachverständigengutachten einholen müssen.

18. Das Oberlandesgericht wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Landgericht bei einer Neubewertung der Verhältnismäßigkeit der Unterbringung des Beschwerdeführers aufgrund dieses neuen Sachverständigengutachtens nicht nur zu prüfen haben werde, ob von dem Beschwerdeführer nach seiner Freilassung weitere rechtswidrige Taten zu erwarten seien, sondern auch, ob in Zukunft zu erwartende Taten von einer solchen Erheblichkeit und für die Allgemeinheit so gefährlich seien, dass die Fortdauer der Unterbringung erforderlich sei. Das Oberlandesgericht führte in diesem Zusammenhang aus, dass sich weder aus dem Beschluss des Landgerichts vom 9. November 2007 noch aus dem Sachverständigengutachten vom 7. Dezember 2005, in dem von „aggressiv eruptivem“ Verhalten des Beschwerdeführers die Rede ist, ergebe, welche Art von aggressivem Verhalten nach einer etwaigen Entlassung von dem Beschwerdeführer zu erwarten sei und ob der Grad seiner Gefährlichkeit seine weitere Unterbringungrechtfertige. Das Verhalten des Beschwerdeführers im Verlauf seiner Unterbringung oder die Taten, derentwegen die Unterbringung des Beschwerdeführers angeordnet worden war, welche im Vergleich zu vielen anderen Fällen der Unterbringung eines Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus von eher geringer Gefährlichkeit waren, legten auch nicht die Annahme nahe, dass von ihm im Falle seiner Freilassung erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien. Zwar treffe es zu, dass das Vorstrafenregister des Beschwerdeführers für die Zeit von 1979 bis 2000 38 Einträge aufweise; darüber hinaus bezögen sich aber nur zwei dieser Einträge aus den Jahren 1992 bzw.1998 aufKörperverletzungsdelikte von einer bestimmten Schwere, wogegen die überwiegende Zahl Beförderungserschleichung betreffe.

(b) Das psychiatrische Gutachten aus dem Jahr 2008

19. Aufgrund der Entscheidung des Oberlandesgerichts beauftragte das Landgericht den ärztlichen Direktor des psychiatrischen Krankenhauses Dortmund mit der Erstellung eines externen Sachverständigengutachtens. Bei der Einschätzung der Kriminalprognose des Beschwerdeführers berücksichtigte der Sachverständige die früheren psychiatrischen Sachverständigengutachten über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und seine Krankenakte, die von den behandelnden Ärzten abgegebene Stellungnahmen zu dem Verhalten des Beschwerdeführers im Krankenhaus sowie zu den seit seiner Einweisung im Jahr 2001 durchgeführten therapeutischen Maßnahmen enthielt. Der Gutachter untersuchte den Beschwerdeführer am 24. Juli 2008 und erstellte sein Gutachten am 18. August 2008.

20. Der Sachverständige stellte fest, dass der Beschwerdeführer zwar keine Symptome der früher diagnostizierten chronischen schizophrenen Psychose zeige, er gleichwohl aber an einer schizotypen Störung leide, die sich unter dem Einfluss von wiederholtem Drogenmissbrauch in der Vergangenheit entwickelt habe. Zudem zeige der Beschwerdeführer Anzeichen einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit vorwiegend narzisstischen und dissozialen Anteilen. Er lasse sich leicht provozieren und sei sehr reizbar; seine Schwelle für aggressives Verhalten sei niedrig. Während seines Krankenhausaufenthalts habe der Beschwerdeführer, wenn er gereizt worden war, oder in Situationen, die er als bedrohlich empfunden habe, aggressives und zum Teil gewalttätiges Verhalten gegenüber Mitpatienten und dem Krankenhauspersonal an den Tag gelegt. Der Beschwerdeführer habe jedoch in keinem dieser Fälle von einer Waffe oder gefährlichem Werkzeug Gebrauch gemacht, und es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass sein aggressives Verhalten in seiner Häufigkeit oder Intensität im Laufe der Jahre zugenommen habe.

21. Nach Auffassung des Sachverständigen war zu erwarten, dass der Beschwerdeführer außerhalb des Krankenhauses Straftaten begehen werde, ähnlich denen, die seiner Unterbringung zugrunde lagen. Wenn er verbal provoziert werde oder Drogen konsumiere, sei auch ein Rückfall wahrscheinlich. Bei der Untersuchung durch den Sachverständigen hatte der Beschwerdeführer geäußert, dass er im Falle seiner Entlassung sein früheres Leben wieder aufnehmen werde und keine Notwendigkeit sehe, seine Therapie fortzusetzen. Die weitere Therapie und Medikation seien jedoch geboten, um das Rückfallrisiko gering zu halten. Daher könne die Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Krankenhaus vorerst nicht empfohlen werden. Der Sachverständige führte in diesem Zusammenhang aus, dass seine Einschätzung sich auf die Annahme stütze, dass das Landgericht zu dem Ergebnis komme, dass die von dem Beschwerdeführer zu erwartenden Straftaten so schwerwiegend seien, dass der Schutz der Allgemeinheit die Fortdauer seiner Unterbringung erfordere.

(c) Zweites Verfahren vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht

22. Am 11. März 2009 hörte eine aus drei Richtern bestehende Kammer des Landgerichts den Beschwerdeführer, den Sachverständigen und einen Oberarzt des psychiatrischen Krankenhauses Düsseldorf an.

Mit Beschluss vom 25. März 2009 ordnete das Landgericht nach § 67e Abs. 2 StGB (siehe „Einschlägiges innerstaatliches Recht“, unten) die Aussetzung der Unterbringung des Beschwerdeführers zur Bewährung an.

23. Das Landgericht stellte fest, dass es – anders als bei Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis, die durch eine Progredienz gekennzeichnet seien, welche häufig mit akuten psychotischen Abstürzen und aggressiven Auffälligkeiten einhergehe – keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Persönlichkeitsstörung des Beschwerdeführers derartige Risiken berge. Es führte aus, dass etwaige rechtswidrige Taten, die von dem Beschwerdeführer in Zukunft zu erwarten seien, aller Voraussicht nach geringfügig seien und es sich dabei um Straftaten wie Beförderungserschleichung, kleinere Diebstahlsdelikte oder leichte Körperverletzungen handele. Vor dem Hintergrund der bisherigen Lebensgeschichte des Beschwerdeführers und seines Verhaltens während der Unterbringung im Krankenhaus war das Landgericht der Auffassung, dass der Angriff des Beschwerdeführers auf die Radfahrererin im Jahr 2000 als Einzelfall anzusehen sei. In Anbetracht der Geringfügigkeit der im Wiederholungsfall zu erwartenden Straftaten sei die Fortsetzung der Unterbringung des Beschwerdeführers nach über sechs Jahren Krankenhausbehandlung nicht mehr verhältnismäßig.

24. Das Landgericht räumte ein, dass wegen des Restrisikos, dass der Beschwerdeführer Körperverletzungsdelikte begehen könnte, wenn er in Konfliktsituationen geriete, die der Konstellation ähnlich seien, die zu den Vorfällen in den Jahren 2000 und 2001 geführt hatten, seine Unterbringung noch nicht erledigt sei, sondern zur Bewährung ausgesetzt werden müsse. Daher ordnete das Landgericht an, dass der Beschwerdeführer in einer Bewährungszeit von fünf Jahren der Führungsaufsicht unterstellt und angewiesen wird, den Anordnungen seines Bewährungshelfers Folge zu leisten und die Wahl seines Wohnsitzes mit ihm abzustimmen. In der Bewährungszeit müsse der Beschwerdeführer sich zudem des Drogenkonsums enthalten und sich straffrei führen. Er habe die behandelnden Ärzte im psychiatrischen Krankenhaus Düsseldorfalle 14 Tage aufzusuchen, ihren Anordnungen Folge zu leisten und die verordneten Medikamente zu nehmen.

25. Am 14. April 2009 legte der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Landgerichts Beschwerde ein und beantragte bei dem Gericht u. a. seine bedingungslose Entlassung.

26. Am 20. April 2009 legte auch die Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen den Beschluss des Landgerichts Beschwerde ein. Die Staatsanwaltschaft war der Auffassung, dass das Rückfallrisiko sich bei der bedingten Entlassung des Beschwerdeführers nicht auf geringfügige Taten beschränke. Vielmehr sei zu erwarten, dass sich das Risiko unkontrollierter Gewaltausbrüche bei dem Beschwerdeführer erhöhe, sobald er außerhalb der überwachten und vertrauten Krankenhausumgebung mit den Herausforderungen des Alltagslebens konfrontiert werde. Ungeachtet der medizinischen Zuordnung der Persönlichkeitsstörung des Beschwerdeführers oder der Frage, ob die Krankheit im Laufe der Jahre fortgeschritten sei, sei es immer noch unstreitig, dass der Beschwerdeführer die seiner Unterbringung zugrunde liegenden Taten aufgrund seiner Erkrankung im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen habe und er im Verlauf seiner Behandlung im Krankenhaus keinerlei Therapiefortschritte gemacht habe.

27. Mit Schriftsatz vom 29. April 2009 an das Oberlandesgericht Düsseldorfbeantragte die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf unter Bestätigung der von der Staatsanwaltschaft vorgebrachten Gründe, die Entscheidung des Landgerichts aufzuheben und die Unterbringung des Beschwerdeführers in dem psychiatrischen Krankenhaus fortzusetzen. Die Generalstaatsanwaltschaft betonte, dass das erkennende Gericht den Angriff des Beschwerdeführers gegen die Radfahrerin im Jahr 2000als Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs gewürdigt habe; diese Tat sei nach § 224 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht und könne daher nicht als geringfügige Straftat eingestuft werden.

28. Am 19. Mai 2009 verwarf das Oberlandesgericht Düsseldorf die Beschwerde des Beschwerdeführers, hob den Beschluss des Landgerichts auf Antrag der Staatsanwaltschaft jedoch auf und ordnete die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers im Krankenhaus an.

29. Das Oberlandesgericht führte aus, dass nach § 67d StGB die Unterbringung eines Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung auszusetzen sei, wenn zu erwarten sei, dass der Untergebrachte keine weiteren rechtswidrigen Taten begehen werde, die ihrerseits nach Art und Gewicht seine Unterbringung in einem Krankenhaus gemäß § 63 StGB rechtfertigten. Voraussetzung für eine derartig günstige Prognose sei dabei die Überzeugung des Gerichts, das die Unterbringung des Verurteilten überprüft, dass die Möglichkeit eines Rückfalls langfristig ausgeschlossen werden könne.

30. Mit Blick insbesondere auf das externe Sachverständigengutachten vom 18. August 2008 war das Oberlandesgericht der Auffassung, dass in vorliegendem Fall Zweifel bestünden, dass erheblich rechtswidrige Taten seitens des Beschwerdeführers im Fall der Entlassung dauerhaft unterbleiben. Im Termin zur mündlichen Anhörung vor dem Landgericht am 11. März 2009 habe der Sachverständige dargelegt, dass mit einer Verschlechterung des Zustands des Beschwerdeführers und in der Folge mit vor seiner Einweisung vergleichbaren akuten Gewaltausbrüchen zu rechnen sei, weil dieser nicht geneigt sei, nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus weiterhin die Medikamente einzunehmen, die für die Kontrolle seiner aggressiven Impulse notwendig seien. Der in dem Krankenhaus in Düsseldorf tätige Oberarzt, der am 11. März 2009 auch angehört worden war, hatte sich der Bewertung des Sachverständigen angeschlossen.

31. Das Oberlandesgericht war daher der Auffassung, dass seit seiner am 3. März 2008 ergangenen früheren Entscheidung, mit der es den Beschluss des Landgerichts vom 9. November 2007 zwar aufgehoben, die Unterbringung des Beschwerdeführers jedoch bestätigt und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen hatte, erwiesen sei, dass von dem Beschwerdeführer ohne wirksame medizinische Behandlung in der überwachten Krankenhausumgebung immer noch eine feststellbare erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit ausgehe. Die an Auflagen und Führungsaufsicht geknüpfte bedingte Entlassung des Beschwerdeführers, die mit Beschluss des Landgerichts vom 25. März 2009 angeordnet worden war, biete keine hinreichende Gewähr dafür, dass der Beschwerdeführer sich der notwendigen medikamentösen Behandlung weiterhin unterziehen werde. Mithin komme die an Auflagen und Führungsaufsicht geknüpfte bedingte Entlassung als weniger belastendes Mittel, um der Gefahr, die der Beschwerdeführer immer noch für die Allgemeinheit darstelle begegnen zu können, nicht in Betracht. Vielmehr habe der Beschwerdeführer alle mit seiner bedingten Entlassung einhergehenden Auflagen ausdrücklich abgelehnt und in seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts seine bedingungslose Entlassung beantragt. Vor diesem Hintergrund wies das Oberlandesgericht zwar darauf hin, dass unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit um so strengere Anforderungen zu stellen seien, je länger die Unterbringung dauere, kam aber zu dem Schluss, dass die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers noch gerechtfertigt sei.

32. Am 26. Juni 2009 wies das Oberlandesgericht eine Anhörungsrüge des Beschwerdeführers zurück.

33. Mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Januar 2010 (2 BvR 1518/09)) lehnte es das Bundesverfassungsgericht ohne Angabe von Gründen ab, die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers vom 7. Juli 2009 zur Entscheidung anzunehmen.

4. Weitere Entwicklungen

34. Seit April 2010 wird dem Beschwerdeführer Dauerbeurlaubung aus dem psychiatrischen Krankenhaus Düsseldorf gewährt; er lebt im Rahmen des betreuten Wohnens in einem Wohnheim für psychisch kranke Menschen in K.

35. Bei den jährlichen Überprüfungen der Unterbringung des Beschwerdeführers in den Jahren 2010 und 2011 befand das Landgerichtmit in der Berufungsinstanz bestätigten Entscheidungen erneut, dass dessen Unterbringung noch nicht zur Bewährung ausgesetzt werden könne. So führte das Landgericht mit Beschluss vom 28. Juni 2011 nach Anhörung des Beschwerdeführers, der behandelnden Ärzte des psychiatrischen Krankenhauses Düsseldorf und der Staatsanwaltschaft aus, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in der betreuten Wohneinrichtung seit 2010 zwar keinen Anlass zu Beschwerden gegeben habe, aber immer noch nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden könne, ob dieser im Falle seiner Entlassung auf Bewährung keine Straftaten begehen werde. Der Beschwerdeführer bestreite jeglichen therapeutischen Wert seiner Behandlung durch die für ihn zuständigen Ärzte; insoweit sei es zweifelhaft, ob er Therapiefortschritte erzielt habe. Wegen früherer fehlgeschlagener Versuche, dem Beschwerdeführer vor seiner Verlegung in offene Einrichtungen im Jahr 2010 Beurlaubung von der Krankenhausumgebung gewähren, sei es zudem notwendig, genau zu prüfen, ob sein Gesundheitszustand in einer Weise stabilisiert werden kann, die eine günstige Kriminalprognose langfristig zulasse.

36. In seinem Beschluss vom 24. August 2011, mit dem die entsprechende Beschwerde des Beschwerdeführers abgewiesen wurde, führte das Oberlandesgericht Düsseldorf aus, dass die an einen Verurteilten im Hinblick auf die Ausstellung einer günstigen Kriminalprognose gestellten Anforderungen realistisch und nicht übertrieben sein dürften, weil ein Rückfallrisiko tatsächlich nie ganz ausgeschlossen werden könne. Im vorliegenden Fall hätten das externe Sachverständigengutachten aus dem Jahr 2008 sowie die Stellungnahmen der behandelnden Ärzte und der eigene Vortrag des Beschwerdeführers jedoch deutlich gemacht, dass konkret die Gefahr bestehe, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner bedingten Entlassung erhebliche Straftaten begehen werde, ähnlich denen, die seiner Unterbringung zugrunde lagen. Bei dem Beschwerdeführer liege nach wie vor eine Persönlichkeitsstörung vor, und er sei hinsichtlich seiner Krankheit immer noch nicht zur Selbstanalyse fähig. Daher sei er ohne wirksame Behandlung nach wie vor für die Allgemeinheit gefährlich. Zunächst sei festzustellen, ob die – möglicherweise chronische – psychische Störung des Beschwerdeführers mit einer solchen Therapie unter Kontrolle gehalten werden könne, um das Rückfallrisiko gering zu halten. Die Beurlaubung des Beschwerdeführers aus dem Krankenhaus habe noch nicht lange genug gedauert, um ihm eine günstige Kriminalprognose zu stellen. Das Oberlandesgericht kam daher zu dem Schluss, dass die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers nicht unverhältnismäßig sei, und betonte in diesem Zusammenhang, dass die Unterbringungsanordnung seit seiner Einweisung in betreutes Wohnen faktisch nicht mehr vollstreckt werde und er im Grunde genommen ein Leben in Freiheit führe.

37. Der Beschwerdeführer verzichtete darauf, seine Verfassungsbeschwerde, die er gegen die im Überprüfungsverfahren im Jahr 2010 von den nationalen Gerichtenerlassenen Entscheidungen erhoben hatte, weiter zu verfolgen, nachdem er vom Präsidialrat des Bundesverfassungsgerichts am 21. Juli 2010 die Mitteilung erhalten hatte, dass hinsichtlich seiner Beschwerde Zweifel an der Erfüllung der gesetzlichen Zulassungskriterien bestünden. Er hat auch keine förmliche Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht wegen der Entscheidung der nationalen Gerichte in dem Verfahren zur Prüfung seiner Unterbringung im Jahr 2011 erwirkt.

B. Das einschlägige innerstaatliche Recht

38. Das Strafgesetzbuch unterscheidet zwischen Strafen und sogenannten Maßregeln der Besserung und Sicherung als Reaktion auf rechtswidrige Taten. Strafen (siehe § 38 ff. StGB) umfassen im Wesentlichen Freiheitsstrafen und Geldstrafen. Die Strafe wird nach der Schuld des Täters zugemessen (§ 46 Abs. 1 StGB). Maßregeln der Besserung und Sicherung (siehe §§ 61 ff. StGB) umfassen insbesondere die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB), in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) oder in der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB). Der Zweck dieser Maßregeln besteht darin, gefährliche Straftäter zu resozialisieren oder die Allgemeinheit vor ihnen zu schützen. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kann angeordnet werden, wenn jemand eine Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit begangen hat. Die Maßregel muss jedoch in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr stehen (§ 62 StGB).

39. Nach § 20 StGB handelt ohne Schuld, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

40. § 63 StGB bestimmt, dass das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ohne Angabe einer Höchstdauer anordnet, wenn jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) begangen hat und die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.

41. § 67d StGB regelt die Dauer der Unterbringung. Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollsteckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird (§ 67d Abs. 6).

42. § 67e StGB regelt die Überprüfung der Unterbringung z. B. in einem psychiatrischen Krankenhaus. Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen ist. Es muss dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen (§ 67e Abs. 1). Diese Frist beträgt bei der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ein Jahr (§ 67e Abs. 2).

43. § 463 Abs. 4 StPO sieht vor, dass das Gericht im Rahmen der Überprüfungen nach § 67e StGB nach jeweils fünf Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus das Gutachten eines Sachverständigen einholen soll. Der Sachverständige darf weder im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung mit der Behandlung der untergebrachten Person befasst gewesen sein noch in dem psychiatrischen Krankenhaus arbeiten, in dem sich die untergebrachte Person befindet.

RÜGEN

44. Unter Berufung auf Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a, Artikel 5 Abs. 2 sowie Artikel 6 Abs. 1 und 3 Buchstaben c und d rügte der Beschwerdeführer, dass seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht gerechtfertigt war, das gerichtliche Verfahren hinsichtlich seiner Unterbringung und die jährlichen Überprüfungen seiner Unterbringung nicht fair gewesen seien und er keine Möglichkeit gehabt habe, sich wirksam selbst zu verteidigen. Ihm sei insbesondere keine Gelegenheit gegeben worden, die medizinischen Sachverständigen im Laufe des Verfahrens zu befragen oder zu den von ihnen erstatteten Gutachten, aufgrund deren die Gerichte seinen Gesundheitszustand beurteilten, Stellung zu nehmen. Er behauptete ferner, dass seine Unterbringung und die Bedingungen seiner Unterbringung eine erniedrigende Behandlung darstellten, die gegen Artikel 3 der Konvention verstoße. Unter Berufung auf Artikel 9 i. V. m. Artikel 14 sowie Artikel 1 und 2 des Protokolls Nr. 12 zur Konvention trug er abschließend vor, dass seine Behandlung durch die nationalen Behörden, die Verfahren vor den nationalen Gerichten, die von diesen hinsichtlich seiner Unterbringung erlassenen willkürlichen Entscheidungen sowie die Bedingungen seiner Freiheitsentziehung diskriminierend gewesen seien und sein Recht auf Gedankenfreiheit verletzt hätten.

RECHTLICHE WÜRDIGUNG

A. Die Rüge hinsichtlich der Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus

45. Der Beschwerdeführer, der sich u. a. aufArtikel 5 Abs. 1 Buchstabe a der Konvention beruft, rügte, dass die Fortdauer seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus unrechtmäßig und willkürlich sei.

46. Der Gerichtshof merkt eingangs an, dass er bereits Gelegenheit hatte, die ähnlichen Beschwerden des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem Verfahren, mit dem seine Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus im Jahr 2002 angeordnet wurde, und der Fortdauer der Unterbringung bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. April 2007 (2 BvR 199/07) im Rahmen seiner Individualbeschwerde Nr. 25714/07 zu prüfen, die der Gerichtshof am 18. April 2012für unzulässig erklärt hatte. Die vorliegende Individualbeschwerde betrifft die anschließenden Verfahren zur Prüfung der Unterbringung des Beschwerdeführers, insbesondere das Überprüfungsverfahren aus dem Jahr 2007 und die damit verbundenen Beschwerdeverfahren.

47. Der Gerichtshof stellt fest, dass dem Beschwerdeführer aufgrund des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 22. November 2002, mit dem seine unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden war, die Freiheit entzogen wurde. Seine Freiheitsentziehung könnte daher als Freiheitsentziehung „nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht” unter Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a und/oder als Freiheitsentziehung eines „psychisch Kranken“ unter Artikel 5 Abs.1 Buchstabe e fallen; diese lauten wie folgt:

„1. Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

a) rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;

[…]

e)rechtmäßige Freiheitsentziehung mit dem Ziel, die Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern; […]“

48. Da die Freiheitsentziehung des Beschwerdeführers in erster Linie auf einer – von dem Beschwerdeführer bestrittenen – Feststellung einer psychischen Störung, also einer psychischen Erkrankung, durch die nationalen Gerichte, beruht, hält es der Gerichtshof für angebracht, die Rüge nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e zu prüfen (siehe X ./. Vereinigtes Königreich, 5. November 1981, Rdnr. 39, Serie A Band 46). Der Gerichtshof hält es folglich nicht für erforderlich zu prüfen, obBuchstabe a im vorliegenden Fall auch anwendbar ist.

49. Der Gerichtshof stellt erneut fest, dass die in Rede stehende Unterbringung, um Artikel 5 Abs. 1 zu genügen, in erster Linie „rechtmäßig“ sein muss, was auch die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Weise einschließt; in diesem Zusammenhang verweist die Konvention im Wesentlichen auf das innerstaatliche Recht und enthält die Verpflichtung, dessen materiell- und verfahrensrechtliche Bestimmungen einzuhalten. Darüber hinaus schreibt sie jedoch vor, dass jedwede Freiheitsentziehung mit dem Ziel von Artikel 5 vereinbar sein sollte, den Einzelnen vor Willkür zu schützen. Überdies stellt die Freiheitsentziehung eine derart schwerwiegende Maßnahme dar, dass sie nur gerechtfertigt ist, wenn andere, weniger einschneidende Maßnahmen in Betracht gezogen und zum Schutz des Einzelnen oder der Allgemeinheit für nicht ausreichend befunden wurden, so dass dem Betroffenen gegebenenfalls die Freiheit entzogen werden muss. Dies bedeutet, dass es nicht ausreicht, dass die Freiheitsentziehung im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften erfolgt; sie muss auch unter den Umständen geboten sein (Stanev ./. Bulgarien [GK], Individualbeschwerde Nr. 36760/06, Rdnr. 143, 17. Januar 2012, mit weiteren Verweisen).

50. Im Hinblick auf die Freiheitsentziehung psychisch Kranker kann einer Person wegen einer „psychischen Erkrankung“ nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e die Freiheit nur entzogen werden, wenn die drei folgenden Mindestvoraussetzungen vorliegen: Erstens muss die psychische Erkrankung zuverlässig nachgewiesen werden, zweitens muss die psychische Störung eine Art oder einen Grad aufweisen, die eine Zwangsunterbringung rechtfertigen; drittens muss die Fortdauer der Unterbringung vom Fortbestehen einer derartigen Störung abhängen (Stanev ./. Bulgarien [GK], a. a. O., Rdnr. 145, mit weiteren Verweisen).

1. Das in Rede stehende Verfahren

51. Der Gerichtshof stellt fest, dass das Landgericht Düsseldorf mit seiner Entscheidung vom 22. November 2002 die ursprüngliche Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnete, nachdem es den Chefarzt der betreffenden Station des psychiatrischen Krankenhauses Düsseldorf hinzugezogen hatte; dieser hatte bei dem Beschwerdeführer eine schizophrene Psychose diagnostiziert, die sich im Laufe der Jahre entwickelt habe und chronisch geworden sei, und bestätigt, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Beschwerdeführers nach § 63 StGB erfüllt seien. Aufgrund der Ausführungen der medizinischen Sachverständigen war das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beschwerdeführer für die Allgemeinheit gefährlich sei, da er mit hoher Wahrscheinlichkeit im Fall seiner Entlassung weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde; seine andauernde Unterbringung sei daher notwendig und eine mögliche Aussetzung der Unterbringung nicht gerechtfertigt.

52. Bei der Prüfung der Frage im Rahmen der regelmäßigen Überprüfungen der weiteren Unterbringung des Beschwerdeführers nach § 67e StGB, ob die Erkrankung des Beschwerdeführers der Art oder Schwere war, die eine Zwangsunterbringung rechtfertigte, nahmen die nationalen Gerichte Bezug auf das Verhalten und die Einlassungen des Beschwerdeführers bei der richterlichen Anhörung, die verschiedenen Stellungnahmen der behandelnden Ärzte, die im Verlauf der Unterbringung der Beschwerdeführers regelmäßig angefertigt wurden, sowie auf dieeingeholten externen Sachverständigengutachten.

53. Der Gerichtshof merkt diesbezüglich an, dass die Verfahrensmängel, die sich auf das erste Überprüfungsverfahren vor dem Landgericht im Jahr 2007 ausgewirkt haben, von dem Oberlandesgericht in der zweiten Instanz festgestellt wurden; daraufhin wurde der Beschluss des Landgerichts vom 9. November 2007 aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Infolge des Beschlusses des Oberlandesgerichts holte des Landgericht ein erneutes externes Sachverständigengutachten zur Kriminalprognose des Beschwerdeführers gemäß § 463 Abs. 4 StGB ein, aufgrund dessen das Landgericht und das Oberlandesgericht in ihren nachfolgenden Entscheidungen vom 25. März 2009 und 19. Mai 2009 die kriminalprognostische Beurteilung des Beschwerdeführers vornahmen. Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführer im Rahmen des zweiten in Rede stehenden Überprüfungsverfahrens von einer aus drei Richtern bestehenden Kammer des Landgerichts angehört und ihm Gelegenheit gegeben, zu den Ausführungen des Sachverständigen Stellung zu nehmen. Die Mängel im ersten Verfahren vor dem Landgericht wurden somit im Rechtsmittelverfahren behoben, und der Gerichtshof ist überzeugt, dass die mit Beschluss des Oberlandesgerichts vom 19. Mai 2009 angeordnete Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers mit den verfahrens- und materiellrechtlichen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts in Einklang stand.

54. Aufgrund der Einschätzung der Sachverständigen sahen es die nationalen Gerichte in ihren Entscheidungen zur Überprüfung der Unterbringung des Beschwerdeführers in dem in Rede stehenden Verfahren als erwiesen an, dass bei dem Beschwerdeführer eine mit einer Persönlichkeitsstörung kombinierte schizotype Störung vorliege und er bisher in seiner Therapie keine hinreichenden Fortschritte erzielt habe. In diesem Zusammenhang stellt der Gerichtshof fest, dass in dem im Jahr 2008 eingeholten Sachverständigengutachten die ursprüngliche Diagnose schizophrene Psychose zwar nicht bestätigt worden war, sondern eine schizotype Störung diagnostiziert wurde; zwischen den Sachverständigen und den behandelnden Ärzten war dennoch unstreitig, dass der Beschwerdeführer an einer krankhaften Persönlichkeitsstörung leide. Die nationalen Gerichte kamen zu dem Schluss, dass infolgedessen nach wie vor die Gefahr bestehe, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Entlassung auf Bewährung rechtswidrige Taten begehen werde, ähnlich denen, die seiner Unterbringung zugrunde lagen.

55. Der Gerichtshof ist daher der Ansicht, dass aufgrund objektiver und hinreichend aktueller medizinischer Sachverständigengutachten von den nationalen Gerichten festgestellt wurde, dass eine wirkliche psychische Störung der Art und Schwere vorlag, die eine Unterbringung des Beschwerdeführers zum Schutz der Allgemeinheit rechtfertigte. Zudem merkt er an, dass die nationalen Gerichte im Rahmen der nach dem innerstaatlichen Recht vorgeschriebenen regelmäßigen Überprüfungen und insbesondere in dem hier in Rede stehenden Verfahren die Notwendigkeit der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers überprüft haben; dies belegt, dass die Fortdauer seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vom Fortbestehen seiner psychischen Störung abhing (siehe sinngemäß Winterwerp ./. Niederlande, 24. Oktober 1979, Rdnr. 39, Serie A Bd. 33, und Shtukaturov ./. Russland, Individualbeschwerde Nr. 44009/05, Rdnr.114, 27. März 2008).

56. Der Gerichtshof kommt zu dem Ergebnis, dass zuverlässig nachgewiesen worden ist, dass der Beschwerdeführer im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e psychisch krank war.

57. Der Gerichtshof stellt zudem fest, dass es keine Beweise dafür gibt, dass derBeschluss des Oberlandesgerichts vom 19.Mai 2009, mit dem die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers angeordnet wurde, nicht mit dem Zweck des Artikels 5 Abs. 1, ihn vor Willkür zu schützen, übereinstimmte. Das Oberlandesgericht berücksichtigte zwar die zunehmende Dauer der Unterbringung des Beschwerdeführers und stützte sich insbesondere auf das Gutachten des externen Sachverständigen vom 18. August 2008, das von den behandelnden Ärzten bestätigt worden war, kam aber zu dem Ergebnis, dass ohne wirksame medizinische Behandlung in der überwachten Krankenhausumgebung die Gefahr bestehe, dass der Beschwerdeführer erneut straffällig werde und somit weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle; dies rechtfertige die Fortdauer seiner Unterbringung. Es war folglich der Auffassung, dass andere weniger einschneidende Maßnahmen als die Unterbringung des Beschwerdeführers zum Schutz der Allgemeinheit nicht ausreichten und seine Unterbringung unter diesen Umständen notwendig sei (siehe sinngemäß Varbanov ./. Bulgarien, Individualbeschwerde Nr. 31365/96, Rdnr. 46, EGMR 2000‑X).

58. Die Feststellung des Oberlandesgerichts widerspricht nicht seiner früheren Entscheidung vom 3. März 2008, mit der es den Beschluss des Landgerichts vom 9. November 2007, das die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus bestätigt hatte, aufgehoben hat. Das Oberlandesgericht hatte diesen Beschluss aufgehoben und den Fall an das Landgericht Düsseldorf hauptsächlich deswegen zurückverwiesen, weil dieses es versäumt hatte, innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fünfjahresfrist ein neues externes Sachverständigengutachten einzuholen, und somit nicht über eine hinreichend gesicherte Grundlage verfügt hatte, um festzustellen, ob der Beschwerdeführer noch eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle, die die Fortdauer seiner Unterbringung erforderlich mache. Gerade anhand des daraufhin eingeholten neuen externen Sachverständigengutachtens, das von den behandelnden Ärzten gestützt wurde, haben die nationalen Gerichte ihre Kriminalprognose des Beschwerdeführers in ihren nachfolgenden Entscheidungen erstellt; darauf wird auch in dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 19. Mai 2009, mit dem die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers angeordnet wurde, Bezug genommen.

59. Der Gerichtshof stellt in diesem Zusammenhang fest, dass das Oberlandesgericht mit dieser Entscheidung den Beschluss des Landgerichts vom 25. März 2009 aufhob, in dem dieses erkannt hatte, dass wegen dervergleichsweise geringfügigen Straftaten, die im Wiederholungsfall von dem Beschwerdeführer zu erwarten seien, die Unterbringung ein einem Krankenhaus nicht mehr verhältnismäßig sei. Das Landgericht hatte in seinem Beschluss jedoch auch betont, dass wegen des Restrisikos, dass der Beschwerdeführer Körperverletzungsdelikte begehen könnte, die Unterbringungsanordnung noch nicht aufgehoben werden könne, sondern zur Bewährung ausgesetzt werden müsse, Führungsaufsicht eintrete und der Beschwerdeführer – insbesondere hinsichtlich der Fortführung seiner medizinischen Behandlung – strenge Auflagen erfüllen müsse. In seinem Beschluss vom 19. Mai 2009 betonte das Oberlandesgericht diesbezüglich, dass der Beschwerdeführer selbst angekündigt habe, dass er nach seiner Entlassung seine Medikamente nicht mehr einnehmen werde, und im Rahmen seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 25. März 2009 auch alle mit einer etwaigen bedingten Entlassung einhergehenden Auflagen abgelehnt hatte.Aufgrund dieser Feststellungen kam das Oberlandesgericht zu dem Schluss, dass weniger belastende Mittel als die weitere Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus – wie die bedingte Entlassung – nicht denkbar seien. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die von dem Oberlandesgericht angeführten Gründe für die Frage nicht unerheblich sind, ob die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers im Hinblick auf das Ziel des Schutzes der Allgemeinheit noch angemessen war. Überdies stellt der Gerichtshof fest, dass das Landgericht selbst bei anschließenden Überprüfungen der Unterbringung des Beschwerdeführers in den Jahren 2010 und 2011 entgegen seinem Beschluss vom 25. März 2009 der Auffassung war, dass die Anordnung der Unterbringung des Beschwerdeführers im Krankenhaus aufrecht zu erhalten sei, um seine wirksame Behandlung sicherzustellen.

60. Der Gerichtshof weist zwar darauf hin, dass die Verhältnismäßigkeit einer fortdauernden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus umso genauer geprüft werden muss, je länger die Unterbringung andauert (siehe F. ./. Deutschland (Entscheidung) Individualbeschwerde Nr. 32705/06, 28. September 2010, und G. ./. Deutschland (Entscheidung) Individualbeschwerde Nr.53783/09, 18. Oktober 2011), ist in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen aber der Auffassung, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf im Zeitpunkt des in Rede stehenden Verfahrens in seiner Entscheidung vom 19. Mai 2009 keine gerechte Abwägung zwischen den Freiheitsinteressen des Beschwerdeführers und den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit vorgenommen hat, und dass auch keine Gründe für die Feststellung vorliegen, dass die Entscheidung Anzeichen von Willkür erkennen ließ. Folglich war die Freiheitsentziehung des Beschwerdeführers nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe e der Konvention gerechtfertigt.

61. Der Gerichtshof stellt daher fest, dass dieser Teil der Beschwerde offensichtlich unbegründet und nach Artikel 35 Abs. 3 Buchstabe a und Abs. 4 der Konvention zurückzuweisen ist.

2. Das anschließende Verfahren

62. Der Gerichtshof erinnert ferner daran, dass der Beschwerdeführer nach eigenem Vortrag darauf verzichtet hat, wegen seiner im Zusammenhang mit den Überprüfungsverfahren in den Jahren 2010 und 2011 erhobenen Verfassungsbeschwerden eine förmliche Entscheidung durch das Bundesverfassungsgerichtzu erwirken. Somit hat er den innerstaatlichen Rechtsweg nicht dem Erfordernis aus Artikel 35 Absatz 1 der Konvention entsprechend erschöpft (siehe O. ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 74866/01, 17. Juni 2004). Daraus folgt, dass die entsprechenden Rügen des Beschwerdeführers nach Artikel 35 Abs. 4 der Konvention zurückzuweisen sind.

B. Die übrigen Rügen des Beschwerdeführers

63. Nach Artikel 5 Abs. 2 und Artikel 6 Abs. 1 und 3 Buchstaben c und d der Konvention, rügte der Beschwerdeführer überdies, dass das gerichtliche Verfahren hinsichtlich seiner Unterbringung und die jährlichen Überprüfungen seiner Unterbringung nicht fair gewesen seien und er keine Möglichkeit gehabt habe, sich wirksam selbst zu verteidigen. Er behauptete ferner, dass seine Unterbringung und die Bedingungen seiner Unterbringung einer erniedrigende Behandlung gleichkämen, die gegen Artikel 3 der Konvention verstoße. Unter Berufung auf Artikel 9 i. V. m. Artikel 14 sowie Artikel 1 und 2 des Protokolls Nr. 12 zur Konvention trug er abschließend vor, dass seine Behandlung durch die nationalen Behörden, die Verfahren vor den nationalen Gerichten, die von diesen in Bezug auf seine Freiheitsentziehung erlassenen willkürlichen Entscheidungen sowie die Bedingungen seiner Unterbringung diskriminierend gewesen seien und sein Recht auf Gedankenfreiheit verletzt hätten.

64. Der Gerichtshof hat die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Rügen geprüft. Unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen stellt der Gerichtshof jedoch fest, dass, selbst wenn die Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs unterstellt wird, diese keine Anzeichen für eine Verletzung der in der Konvention bezeichneten Rechte und Freiheiten erkennen lassen.

65. Daraus folgt, dass dieser Teil der Rüge ebenfalls offensichtlich unbegründet ist und nach Artikel 35 Abs. 3 Buchstabe a und Abs. 4 der Konvention zurückzuweisen ist.

Aus diesen Gründen entscheidet der Gerichtshof mit Stimmenmehrheit wie folgt:

Die Individualbeschwerde wird für unzulässig erklärt.

Claudia Westerdiek                                        Mark Villiger
Kanzlerin                                                        Präsident

Zuletzt aktualisiert am Januar 3, 2021 von eurogesetze

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