BOECKEL und GESSNER-BOECKEL gegen Deutschland (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) Individualbeschwerde Nr. 8017/11

EUROPÄISCHER GERICHTSHOF FÜR MENSCHENRECHTE
FÜNFTE SEKTION
ENTSCHEIDUNG
Individualbeschwerde Nr. 8017/11
B. und G.B.
gegen Deutschland

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Fünfte Sektion) hat in seiner Sitzung am 7. Mai 2013 als Kammer mit den Richterinnen und Richtern

Mark Villiger, Präsident,
Angelika Nußberger,
Boštjan M. Zupančič,
Ganna Yudkivska,
André Potocki,
Paul Lemmens,
Aleš Pejchal
sowie Claudia Westerdiek, Sektionskanzlerin,

im Hinblick auf die oben genannte Individualbeschwerde, die am 3. Februar 2011 erhoben wurde,

nach Beratung wie folgt entschieden.

SACHVERHALT

1. Die 19..bzw. 19.. geborenen Beschwerdeführerinnen, B. und G.B., sind deutsche Staatsangehörige und in H. wohnhaft. Vor dem Gerichtshof wurden sie von Frau Q., Rechtsanwältin in H., vertreten.

A. Die Umstände der Rechtssache

2. Der von den Beschwerdeführerinnen vorgebrachte Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen.

3. Seit 2001 leben die Beschwerdeführerinnen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Am 22. Dezember 2008 brachte die Zweitbeschwerdeführerin den Sohn L. zur Welt.

4. Am 19. Januar 2009 stellte das Standesamt Hamburg-Eimsbüttel eine Geburtsurkunde aus, in der die Zweitbeschwerdeführerin als Mutter von L. eingetragen war. Das für den Namen des Vaters vorgesehene Formularfeld wurde freigelassen.

5. Am 25. Februar 2009 schlossen Erst- und Zweitbeschwerdeführerin eine Vereinbarung, der zufolge die Erstbeschwerdeführerin das Kind L. adoptieren würde. Mit Beschluss vom 27. Januar 2010 sprach das Amtsgericht Hamburg-Altona die Adoption nach § 9 Abs. 7 LPartG (siehe Rdnr. 19) aus und erklärte, dass das Kind L. die rechtliche Stellung eines Kindes beider Beschwerdeführerinnen erlangt habe.

6. Zwischenzeitlich beantragten die Beschwerdeführerinnen am 17. März 2009 beim Amtsgericht Hamburg die Berichtigung der Geburtsurkunde durch Aufnahme der Erstbeschwerdeführerin als zweiter Elternteil von L. Sie machten geltend, dass § 1592 Abs. 1 BGB (siehe Rdnr. 18), wonach der Vater der Mann sei, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet sei, analog anzuwenden sei, falls die Mutter in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit einer anderen Frau lebe. Nach § 1592 Abs. 1 BGB komme es nicht darauf an, ob der Ehemann der Mutter tatsächlich der biologische Vater des in der Ehe geborenen Kindes sei. Folglich gebe es keinen Grund, Kinder, die in eine Lebenspartnerschaft hineingeboren würden, anders zu behandeln als eheliche Kinder.

7. Am 24. Juni 2009 wies das Amtsgericht Hamburg den Antrag der Beschwerdeführerinnen als unbegründet zurück. Es war der Auffassung, dass die Geburtsurkunde nicht berichtigt werden müsse, da sie weder fehlerhaft noch unvollständig sei. Die Geburtsurkunde dokumentiere die Abkunft des Kindes. Sie enthalte die Namen der Eltern, von denen das Kind abstamme. In diesem Zusammenhang sei es unerheblich, ob die Eltern verheiratet seien oder nicht. Die Voraussetzungen des § 1592 BGB lägen im vorliegenden Fall offensichtlich nicht vor.

8. Ferner bestehe keine Rechtsgrundlage dafür, die Erstbeschwerdeführerin als „zweite“ Mutter in die Geburtsurkunde einzutragen, da das Kind unmöglich von ihr abstamme. Allein der Umstand, dass die Mutter des Kindes zum Zeitpunkt der Geburt in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft gelebt habe, rechtfertige nicht die Eintragung eines zweiten Elternteils. Dies werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass in § 1592 BGB widerleglich vermutet werde, dass der Ehemann der Mutter der Vater des Kindes sei. Im vorliegenden Fall könne nicht vermutet werden, dass das Kind von der Partnerin seiner Mutter abstamme; eine solche Abstammung scheide vielmehr aus.

9. Abschließend wies das Amtsgericht darauf hin, dass die Möglichkeit der Adoption des Kindes des Partners nach § 9 Abs. 7 LPartG zeige, dass der Gesetzgeber die Rechte von Lebenspartnern im Hinblick auf die Kinder des anderen Partners bewusst geregelt habe. Unter diesen Umständen komme im vorliegenden Fall eine analoge Anwendung des § 1592 BGB nicht in Betracht.

10. Am 4. November 2009 wies das Landgericht Hamburg die Beschwerde der Beschwerdeführerinnen zurück.

11. Am 26. Januar 2010 wies das Hanseatische Oberlandesgericht die weitere Beschwerde der Beschwerdeführerinnen zurück. Das Oberlandesgericht schloss sich der Begründung der Vorinstanzen an. Es war ferner der Auffassung, dass die Beschwerdeführerinnen in ihrer Eigenschaft als Frauen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft gegenüber Ehepartnern nicht diskriminiert worden seien. Es könne nicht gesagt werden, dass Personen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft diskriminiert oder mit geringeren Rechten versehen würden als Ehepartner, da ein Kind nur von einer bestimmten Mutter und einem bestimmten Vater abstammen könne. Dies sei bei zwei Frauen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft aus biologischen Gründen ausgeschlossen.

12. Das Oberlandesgericht vertrat ferner die Auffassung, dass sich aus alledem ergebe, dass die Rechte der Beschwerdeführerinnen aus Artikel 14 i. V. m. Artikel 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte nicht verletzt worden seien.

13. Am 2. Juli 2010 lehnte es das Bundesverfassungsgericht ab, die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerinnen zur Entscheidung anzunehmen (1 BvR 666/10). Das Bundesverfassungsgericht stellte zunächst fest, dass nichts darauf hinweise, dass die Fachgerichte die Anforderungen der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte nicht berücksichtigt hätten. Ferner verletze die Nichteintragung der Erstbeschwerdeführerin in die Geburtsurkunde ohne vorherige Adoption nicht das Recht der Beschwerdeführerinnen auf Familienleben. Artikel 6 GG schütze die Familie als Gemeinschaft von Eltern und Kindern. Dabei sei nicht maßgeblich, ob die Kinder von ihren Eltern abstammten oder ob sie ehelich oder nichtehelich geboren worden seien. Die Eintragung eines Lebenspartners in die Geburtsurkunde betreffe aber nicht das Familienverhältnis der Lebenspartner mit dem Kind. Die Geburtsurkunde solle lediglich die Abstammung des Kindes nachweisen. In keiner Weise berühre sie das Zusammenleben des Kindes mit seinen Eltern im Rahmen der Familie.

14. Das Bundesverfassungsgericht konnte ferner keine Diskriminierung der Beschwerdeführerinnen erkennen. Lebenspartner hätten keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit rechtlichen oder leiblichen Vätern hinsichtlich ihrer Eintragung in die Geburtsurkunde. In dieser Beziehung seien die beiden Gruppen nicht vergleichbar, da eine leibliche oder rechtliche Vaterschaft eine Rechtsbeziehung mit gegenseitigen Rechten und Pflichten begründe. Zwischen dem Lebenspartner und dem Kind bestehe keine solche Rechtsbeziehung, sofern das Kind nicht adoptiert werde.

15. Dass bei Lebenspartnern nicht gesetzlich vermutet werde, dass der Partner der Mutter der andere Elternteil des Kindes sei, stelle keine Ungleichbehandlung gegenüber Ehegatten dar, da die gesetzliche Vermutung auf der biologischen Herkunft beruhe und bei Lebenspartnern nicht begründet sei.

B. Das einschlägige innerstaatliche Recht

16. Artikel 6 des Grundgesetzes (GG) lautet:

„(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“

17. § 54 des Personenstandsgesetzes (PStG) lautet:

Beweiskraft der Personenstandsregister und -urkunden

„(1) Die Beurkundungen in den Personenstandsregistern beweisen […] Geburt […] und die darüber gemachten näheren Angaben sowie die sonstigen Angaben über den Personenstand der Personen, auf die sich der Eintrag bezieht. […]

(2) Die Personenstandsurkunden […] haben dieselbe Beweiskraft wie die Beurkundungen in den Personenstandsregistern.

(3) Der Nachweis der Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen ist zulässig. […]“

18. Die einschlägigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) lauten:

§ 1591 Mutterschaft

„Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat.“

§ 1592 Vaterschaft

„Vater eines Kindes ist der Mann,

1. der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,

2. der die Vaterschaft anerkannt hat oder

3. dessen Vaterschaft […] gerichtlich festgestellt ist.“

§ 1754 Wirkung der Annahme

„(1) Nimmt ein Ehepaar ein Kind an oder nimmt ein Ehegatte ein Kind des anderen Ehegatten an, so erlangt das Kind die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten.

(2) […]

(3) Die elterliche Sorge steht in den Fällen des Absatzes 1 den Ehegatten gemeinsam […] zu.“

19. § 9 des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) lautet, soweit maßgeblich:

Regelungen in Bezug auf Kinder eines Lebenspartners

„(1) Führt der allein sorgeberechtigte Elternteil eine Lebenspartnerschaft, hat sein Lebenspartner im Einvernehmen mit dem sorgeberechtigten Elternteil die Befugnis zur Mitentscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes. […]

(2) Bei Gefahr im Verzug ist der Lebenspartner dazu berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind; der sorgeberechtigte Elternteil ist unverzüglich zu unterrichten.

[…]

(7) Ein Lebenspartner kann ein Kind seines Lebenspartners allein annehmen. Für diesen Fall gelten […] § 1754 Abs. 1 und 3 […] des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.“

RÜGEN

20. Die Beschwerdeführerinnen rügten nach Artikel 8 für sich genommen und in Verbindung mit Artikel 14 der Konvention die Weigerung der innerstaatlichen Behörden, die Erstbeschwerdeführerin in die Geburtsurkunde einzutragen.

RECHTLICHE WÜRDIGUNG

21. Die Beschwerdeführerinnen rügten nach Artikel 8 der Konvention für sich genommen und in Verbindung mit Artikel 14 der Konvention, dass sie aufgrund ihres Geschlechts im Hinblick auf ihr Familienleben diskriminiert worden seien. Es gebe keine vernünftigen Gründe dafür, den Ehemann der leiblichen Mutter als Vater des Kindes in die Geburtsurkunde einzutragen, während die Eintragung der gleichgeschlechtlichen Partnerin der leiblichen Mutter verweigert werde.

22. Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass diese Rüge in erster Linie nach Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 der Konvention zu prüfen ist, die lauten:

Artikel 14

„Der Genuss der in [der] Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten.“

Artikel 8

„1. Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.

2. Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.“

23. Die Beschwerdeführerinnen rügten insbesondere, dass die Erstbeschwerdeführerin das Kind L. erst habe adoptieren müssen, um rechtlich als anderer Elternteil anerkannt zu werden. § 9 LPartG solle nur für den Fall gelten, dass einer der Partner bereits ein Kind habe, wenn er die Lebenspartnerschaft eingehe. Folglich habe es der deutsche Gesetzgeber versäumt, den rechtlichen Status von Kindern, die in eine bestehende eingetragene Lebenspartnerschaft hineingeboren werden, angemessen zu regeln. Die gesetzliche Vermutung der Vaterschaft in § 1592 Abs. 1 BGB gelte unabhängig von der tatsächlichen Abstammung des Kindes vom Ehemann der Mutter. Sie gelte sogar dann, wenn eine biologische Vaterschaft ausgeschlossen sei. Da es um dieselben geschützten Interessen gehe, solle § 1592 Abs. 1 BGB analog Anwendung finden, wenn ein Kind in eine Lebenspartnerschaft hineingeboren werde.

24. Die Beschwerdeführerinnen machten ferner geltend, dass die Notwendigkeit einer Adoption das Kindeswohl gefährden könne. Vor der Adoption könne der andere Partner in Angelegenheiten des täglichen Lebens nur mit Zustimmung der leiblichen Mutter mitentscheiden. Im Falle schwerwiegender Komplikationen während oder nach der Geburt bestehe die Gefahr, dass das Kind verwaise. Abschließend trugen sie vor, dass die Adoption durch die Partnerin der leiblichen Mutter abgelehnt werden könne, falls die eingetragenen Lebenspartnerinnen nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebten.

25. Der Gerichtshof stellt eingangs fest, dass das Amtsgericht Hamburg-Altona am 27. Januar 2010 die von den Beschwerdeführerinnen beantragte Adoption aussprach und das Kind L. die rechtliche Stellung eines Kindes beider Beschwerdeführerinnen erlangte. Die Beschwerdeführerinnen haben nicht vorgetragen, dass sie bei der Adoption besonderen Schwierigkeiten ausgesetzt waren. Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass aus den Vorbringen der Beschwerdeführerinnen nicht ersichtlich ist, dass sie vor der am 27. Januar 2010 ausgesprochenen Adoption im Hinblick auf ihr Familienleben konkreten rechtlichen oder praktischen Schwierigkeiten ausgesetzt waren.

26. Angesichts der Tatsache, dass die Erstbeschwerdeführerin schließlich die volle Rechtsstellung als anderer Elternteil des Kindes L. erlangte, stellt sich die Frage, ob die Beschwerdeführerinnen noch geltend machen können, Opfer einer Verletzung ihrer Konventionsrechte im Sinne von Artikel 34 der Konvention zu sein. Im Hinblick auf die Art der Rüge der Beschwerdeführerinnen wird der Gerichtshof jedoch bei der weiteren Prüfung davon ausgehen, dass die Beschwerdeführerinnen noch geltend machen können, Opfer einer Verletzung ihrer Konventionsrechte zu sein, da die Erstbeschwerdeführerin für die Anerkennung als anderer Elternteil des Kindes L. das Adoptionsverfahren durchlaufen musste.

27. Der Gerichtshof erinnert daran, dass die Beziehung eines in einer stabilen de-facto-Beziehung zusammenlebenden gleichgeschlechtlichen Paares genauso unter den Begriff des „Familienlebens“ fällt, wie dies bei einem verschiedengeschlechtlichen Paar in derselben Situation der Fall wäre (siehe zuletzt X. u. a. ./. Österreich [GK], Individualbeschwerde Nr. 19010/07, Rdnr. 104, 19. Februar 2013). Der Gerichtshof stellt fest, dass die Beschwerdeführerinnen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben und das Kind L. gemeinsam erziehen. Demnach stellt die Beziehung zwischen den beiden Beschwerdeführerinnen und dem Kind „Familienleben“ im Sinne von Artikel 8 der Konvention dar. Folglich ist Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 der Konvention im vorliegenden Fall anwendbar.

28. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs wird eine Frage nach Artikel 14 nur aufgeworfen, wenn eine unterschiedliche Behandlung von Menschen vorliegt, die sich in Situationen befinden, die in erheblichem Maße vergleichbar sind. Eine solche unterschiedliche Behandlung ist diskriminierend, wenn es für sie keine objektive und angemessene Rechtfertigung gibt, d. h. wenn mit ihr kein legitimes Ziel verfolgt wird oder die eingesetzten Mittel zum angestrebten Ziel nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen. Die Vertragsstaaten haben einen Ermessensspielraum bei der Beurteilung der Frage, ob und inwieweit Unterschiede bei ansonsten ähnlichen Situationen eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (siehe X. u. a., a. a. O., Rdnr. 98; Schalk und Kopf ./. Österreich, Individualbeschwerde Nr. 30141/04, Rdnr. 96, ECHR 2010; und Burden ./. Vereinigtes Königreich [GK], Individualbeschwerde Nr. 13378/05, Rdnr. 60, ECHR 2008). Der Gerichtshof hat auch entschieden, dass ein Staat, wenn er entscheidet, für gleichgeschlechtliche Paare eine alternative Form der Anerkennung wie die eingetragene Lebenspartnerschaft zu schaffen, einen gewissen Beurteilungsspielraum hinsichtlich des konkret verliehenen Status hat (siehe Schalk und Kopf, a. a. O., Rdnr. 108; und Gas und Dubois ./. Frankreich, Individualbeschwerde Nr. 25951/07, Rdnr. 66, 15. März 2012). Angesichts des besonderen Status, den der Akt der Eheschließung den Ehepartnern verleiht, hat der Gerichtshof festgestellt, dass Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 der Konvention die Vertragsstaaten nicht verpflichtet, gleichgeschlechtlichen Paaren im Hinblick auf die Stiefkindadoption gleiche Rechte zu verleihen wie Ehepaaren (siehe X. u. a., a. a. O., Rdnrn. 105‑106; und Gas und Dubois,a. a. O., Rdnr. 68).

29. Die erste zu klärende Frage ist, ob die Beschwerdeführerinnen, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zusammenlebten, als die Zweitbeschwerdeführerin ein Kind zur Welt brachte, sich in einer Situation befanden, die mit der eines verheirateten verschiedengeschlechtlichen Paares, bei dem die Ehefrau ein Kind zur Welt bringt, in erheblichem Maße vergleichbar ist.

30. Der Gerichtshof nimmt die Argumentation der innerstaatlichen Gerichte zur Kenntnis, wonach § 1592 Abs. 1 BGB die – widerlegbare – Vermutung enthalte, dass der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet sei, tatsächlich der biologische Vater des Kindes sei. Dieser Grundsatz wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass diese gesetzliche Vermutung möglicherweise nicht immer die tatsächliche Abstammung widergibt. Der Gerichtshof merkt außerdem an, dass es sich nicht um einen Fall handelt, der die Elternschaft einer Transgender-Person oder eine Leihmutterschaft betrifft. Folglich kann, wenn ein Partner einer gleichgeschlechtlichen Beziehung ein Kind zur Welt bringt, aus biologischen Gründen ausgeschlossen werden, dass das Kind von dem anderen Partner abstammt. Der Gerichtshof lässt unter diesen Umständen gelten, dass keine Tatsachengrundlage für die gesetzliche Vermutung besteht, dass das Kind von der zweiten Partnerin abstammt.

31. Im Hinblick auf die vorstehenden Erwägungen gelangt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass nicht gesagt werden kann, dass die Beschwerdeführerinnen sich im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Geburt vorgenommenen Eintragungen in die Geburtsurkunde in einer in erheblichem Maße vergleichbaren Situation befanden wie Ehepartner. Folglich ist nicht ersichtlich, dass Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 der Konvention verletzt worden ist.

32. Daraus folgt, dass diese Rüge offensichtlich unbegründet und nach Artikel 35 Abs. 3 Buchst. a und Abs. 4 der Konvention zurückzuweisen ist.

33. Im Hinblick auf die vorstehenden Erwägungen ist für den Gerichtshof auch keine Verletzung von Artikel 8 der Konvention für sich genommen ersichtlich. Daraus folgt, dass auch diese Rüge offensichtlich unbegründet und nach Artikel 35 Abs. 3 Buchst. a und Abs. 4 der Konvention zurückzuweisen ist.

Aus diesen Gründen erklärt der Gerichtshof

die Beschwerde einstimmig für unzulässig.

Claudia Westerdiek                                   Mark Villiger
Kanzlerin                                                    Präsident

Zuletzt aktualisiert am Januar 3, 2021 von eurogesetze

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