EUROPÄISCHER GERICHTSHOF FÜR MENSCHENRECHTE
FÜNFTE SEKTION
ENTSCHEIDUNG
Individualbeschwerde Nr. 264/13
M. ./. Deutschland
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Fünfte Sektion) hat in seiner Sitzung am 10. Februar 2015 als Kammer mit den Richterinnen und Richtern
Mark Villiger, Präsident,
Angelika Nußberger,
Boštjan M. Zupančič,
Ganna Yudkivska,
Vincent A. De Gaetano,
André Potocki und
Helena Jäderblom,
sowie Claudia Westerdiek, Sektionskanzlerin,
im Hinblick auf die oben genannte Individualbeschwerde, die am 20. Dezember 2012 erhoben wurde,
nach Beratung wie folgt entschieden:
SACHVERHALT
1. Der 19.. geborene Beschwerdeführer, M., ist deutscher Staatsangehöriger und derzeit in der Justizvollzugsanstalt S. inhaftiert. Vor dem Gerichtshof wird er von Herrn A., Rechtsanwalt in M., vertreten.
A. Die Umstände der Rechtssache
2. Der von dem Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen.
1. Die Verurteilungen des Beschwerdeführers und die vorbehaltene Anordnung seiner Sicherungsverwahrung
3. Zwischen 1980 und 2006 ergingen durch Gerichte in Deutschland, Italien und der Tschechischen Republik vier Urteile gegen den Beschwerdeführer wegen sexuellen Missbrauchs minderjähriger Schutzbefohlener (meist Jungen, oft noch unter vierzehn Jahre alt) in zahlreichen Fällen, begangen u. a. in einem von ihm geleiteten Internat und im Rahmen der Aktivitäten einer von ihm gegründeten Pfadfindergruppe. Der Beschwerdeführer wurde zu mehreren Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren und zwei Monaten verurteilt; zudem wurde ein lebenslanges Verbot der Ausübung eines mit der Ausbildung und Beaufsichtigung von unter fünfzehn Jahre alten Minderjährigen verbundenen Berufes angeordnet.
4. Das Landgericht Deggendorf sprach den Beschwerdeführer am 22. Februar 2008 des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen (begangen zwischen Juli 2001 und Oktober 2004, vermutlich im Sommer 2002), der versuchten Vergewaltigung in drei Fällen (begangen zwischen Juli 2001 und Oktober 2004, wahrscheinlich im Sommer 2003) und des Verstoßes gegen ein Berufsverbot in drei Fällen schuldig. Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und behielt sich gemäß § 66a Abs. 1 StGB i. V. m. § 66 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 StGB die Anordnung seiner Sicherungsverwahrung vor (siehe Rdnrn. 28 und 30-31).
5. Das Landgericht stellte fest, dass der Beschwerdeführer zusammen mit einer weiteren Person einen etwa sieben Jahre alten Jungen und ein etwa zehn Jahre altes Mädchen missbraucht habe und in drei Fällen versucht habe, einen etwa sechzehn Jahre alten Jungen an seinem Wohnsitz in der Tschechischen Republik zu vergewaltigen. Außerdem habe er Jungen unter fünfzehn Jahren Privatunterricht erteilt und dadurch gegen das Verbot der Ausübung eines mit der Ausbildung und Beaufsichtigung von Jugendlichen verbundenen Berufes verstoßen.
6. Darüber hinaus hielt das Landgericht die Voraussetzungen für die vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers gemäß § 66a i. V. m. § 66 Abs. 3 StGB für erfüllt. Es legte dar, dass der Beschwerdeführer des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern schuldig gesprochen und dafür, wie nach § 66 Abs. 3 erforderlich, zu einer mindestens dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Wie von dem psychiatrischen Sachverständigen L., den das Gericht hinzugezogen habe, bestätigt worden sei, habe der Beschwerdeführer im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB einen Hang, Minderjährige, insbesondere Jungen unter vierzehn Jahren, sexuell zu missbrauchen. Das Gericht stellte fest, dass der psychiatrische Sachverständige bei dem Beschwerdeführer eine sexuelle Devianz, nämlich eine seit langem bestehende Pädophilie diagnostiziert habe, die bereits seine Berufswahl bestimmt habe.
7. Das Landgericht war dennoch der Auffassung, dass es nicht mit hinreichender Gewissheit feststellen könne, dass der Beschwerdeführer im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB wegen seines Hanges für die Allgemeinheit gefährlich sei. Da der Beschwerdeführer sich geweigert habe, sich psychiatrisch begutachten zu lassen, lägen hinreichende tatsächliche Anknüpfungspunkte für eine gesicherte Prognose hinsichtlich seiner Gefährlichkeit für die Allgemeinheit nicht vor, obwohl diese Gefährlichkeit sehr wahrscheinlich gegeben sei. Das Gericht vertrat ferner die Auffassung, dass die vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers verhältnismäßig sei, da der Beschwerdeführer es in der Hand habe, den Ausgang einer späteren Gefährlichkeitsprognose durch Absolvieren einer Therapie maßgeblich zu beeinflussen.
8. Am 9. September 2008 verwarf der Bundesgerichtshof die Revision des Beschwerdeführers gegen das Urteil des Landgerichts. Er stellte fest, dass ein Rechtsfehler insoweit vorgelegen habe, als, entgegen den Feststellungen des Landgerichts, die Voraussetzungen für eine vorbehaltlose Anordnung der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers vorgelegen hätten. Der Beschwerdeführer habe jedoch dadurch, dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung lediglich vorbehalten worden sei, keinen Nachteil erlitten.
2. Das in Rede stehenden Verfahren
a) Der Beschluss des Landgerichts Deggendorf
9. Am 18. November 2010 ordnete das Landgericht Deggendorf als Kammer mit zwei Richtern und zwei Schöffen gemäß §66a Abs. 2 StGB (siehe Rdnr. 28) i. V. m.§ 66 Abs. 3 StGB die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers an.
10. Das Landgericht sah die Voraussetzungen des § 66a Abs. 2 StGB als erfüllt an. Es berücksichtigte die Vorverurteilungen des Beschwerdeführers und schloss sich den Feststellungen des psychiatrischen Sachverständigen O. an, der bei dem Beschwerdeführer eine Pädophilie und eine dissoziale Persönlichkeitsstörung diagnostiziert hatte. Angesichts dieser Faktoren war das Landgericht der Auffassung, dass ein sehr hohes Risiko bestehe, dass der Beschwerdeführer, der seine Taten leugne und keine Therapie abgeschlossen habe, im Falle seiner Entlassung erneut straffällig würde. Er habe einen Hang zur Begehung weiterer Sexualstraftaten, ähnlich denen, derer er für schuldig befunden worden sei, und sei daher für die Allgemeinheit gefährlich. In Anbetracht der Vielzahl der Straftaten, bei denen es eine hohe Zahl von Opfern gegeben und die er über einen langen Zeitraum begangen habe, sowie seiner mangelnden Auseinandersetzung mit seinen Straftaten sei die Sicherungsverwahrung auch in Anbetracht seiner mittlerweile 66 Jahre verhältnismäßig.
b) Der Beschluss des Bundesgerichtshofs
11. Am 29. März 2011 verwarf der Bundesgerichtshof die Revision des Beschwerdeführers.
c) Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
12. Am 11. Mai 2011 legte der Beschwerdeführer beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde ein. Er brachte vor, dass die Anordnung seiner Sicherungsverwahrung in Anbetracht der Feststellungen in dem Leiturteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (siehe Rdnrn. 32-34) sein nach dem Grundgesetz und nach Artikel 5 Abs. 1 der Konvention garantiertes Recht auf Freiheit sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt habe. Er brachte weiter vor, dass sein Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden sei, weil das Landgericht Deggendorf seinen Fall nur in einer Besetzung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen entschieden habe. Aufgrund der Komplexität der Rechtsfrage und der Schwere der in Rede stehenden Maßnahme hätte das Gericht in der üblichen Besetzung mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen entscheiden müssen.
13. Am 20. Juni 2012 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers für zulässig, hob den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. Mai 2011 auf und verwies die Sache an den Bundesgerichtshof zurück (Az. 2 BvR 1048/11).
14. Das Bundesverfassungsgericht nahm auf sein Urteil vom 4. Mai 2011 Bezug, in dem es festgestellt hatte, dass die Vorschriften des § 66a Abs. 1 und Abs. 2 StGB mit dem Freiheitsgrundrecht unvereinbar seien. Diese Vorschriften würden dem verfassungsrechtlichen Gebot, zwischen der Freiheitsentziehung in der Sicherungsverwahrung und der Freiheitsentziehung im Strafvollzug zu unterscheiden (Abstandsgebot), nicht gerecht. Sie könnten während der Übergangszeit (bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung, längstens bis 31. Mai 2013) nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung angewandt werden. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei nur dann gewahrt, wenn die Gefahr bestehe, dass die betroffene Person im Fall ihrer Entlassung schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten begehen werde.
15. Das Urteil des Landgerichts Deggendorf und der Beschluss des Bundesgerichtshofs hätten gegen das Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers verstoßen, da die Rechtssache des Beschwerdeführers nicht nach den im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 aufgestellten strengen Verhältnismäßigkeitskriterien geprüft worden sei.
16. Darüber hinaus stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass § 66a StGB nicht aus anderen Gründen mit dem Grundgesetz unvereinbar sei.
17. Das Bundesverfassungsgericht war der Auffassung, dass die vorbehaltene Sicherungsverwahrung, die dem Schutz der Allgemeinheit diene, ebenso wie die Sicherungsverwahrung mit der in Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes verankerten Würde der Person vereinbar sei. Das Gericht räumte ein, das eine von der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung betroffene Person während eines großen Teils ihrer Strafhaft darüber im Ungewissen gelassen werde, ob sie in Sicherungsverwahrung kommen werde. Jedoch liege es im Wesentlichen in ihrer Hand, ob die Voraussetzungen für eine spätere Sicherungsverwahrungsanordnung vorliegen würden. Insbesondere könne sie durch den erfolgreichen Abschluss einer Therapie während der Strafverbüßung ihre Gefährlichkeit mindern oder beseitigen.
18. Sehe man von dem oben dargestellten Grund (siehe Rdnrn 14-15) ab, sei die vorbehaltene Sicherungsverwahrung mit dem Freiheitsgrundrecht vereinbar. Insbesondere schränke sie das Freiheitsgrundrecht in Anbetracht der Wertungen des Artikels 5 Abs. 1 der Europäische Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht unverhältnismäßig ein.
19. Das Bundesverfassungsgericht vertrat die Ansicht, dass die vorbehaltene Sicherungsverwahrung mit Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a der Konvention vereinbar sei. Wie nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erforderlich (siehe van Droogenbroeck ./. Belgien, 24. Juni 1982, Rdnr. 35, Band A Nr. 50; und M. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 19359/04, Rdnrn. 87f., ECHR 2009), bestehe zwischen der „Verurteilung“ durch das erkennende Gericht, in der die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers bereits vorbehalten gewesen sei, und der aus der späteren Anordnung seiner Sicherungsverwahrung resultierenden Freiheitsentziehung ein hinreichender Kausalzusammenhang.
20. Diesbezüglich brachte das Gericht vor, dass sich die später gegen den Beschwerdeführer angeordnete Sicherungsverwahrung in dem durch das zum Zeitpunkt der Verurteilung geltende Gesetz und durch das Urteil des erkennenden Gerichts gesteckten Rahmen halte. Eine spätere Anordnung der Sicherungsverwahrung sei in dem Urteil des erkennenden Gerichts für den Fall, dass er sich als für die Allgemeinheit gefährlich erweisen sollte, bereits zugelassen worden (vgl. auch die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in den Rechtssachen van Droogenbroeck, a.a.O., De Schepper ./. Belgien, Individualbeschwerde Nr. 27428/07, Rdnrn. 35ff, 13. Oktober 2009; H. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 6587/04, 13. Januar 2011; und B. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 61272/09, Rdnr. 75, 19. April 2012). Daher stelle sich die Anordnung der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers nicht als eine Korrektur, sondern als notwendige Ergänzung des strafgerichtlichen Urteils dar, welche eine zweigeteilte Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung abschließe. Erst mit der späteren Anordnung der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers werde abschließend über die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers entschieden. Zum Zeitpunkt des Urteils des erkennenden Gerichts sei eine Gefährlichkeit des Beschwerdeführers wahrscheinlich gewesen, jedoch habe das Gericht sie noch nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen können.
21. Der Kausalzusammenhang zwischen der Genehmigung der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers im Urteil des erkennenden Gerichts und der späteren Anordnung seiner Sicherungsverwahrung werde auch nicht durch den Zeitablauf zwischen der Verurteilung und der Anordnung der Sicherungsverwahrung durchbrochen. Darüber hinaus sei § 66a StGB hinreichend klar formuliert und in seiner Anwendung vorhersehbar und erfülle daher die Voraussetzung einer nach Artikel 5 Abs. 1 der Konvention „rechtmäßigen“ Freiheitsentziehung.
22. Abschließend stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass das angefochtene Urteil des Landgerichts, das in einer Besetzung mit zwei (anstatt drei) Berufsrichtern und zwei Schöffen entschieden habe, das Grundrecht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter nicht verletzt habe. Die Einschätzung des Landgerichts Deggendorf, der gemäß die Rechtssache des Beschwerdeführers, in dem nur drei Zeugen und ein Sachverständiger angehört werden mussten, nicht besonders komplex war und es gemäß dem anwendbaren Recht daher zulässig war, die Besetzung von drei Berufsrichtern auf zwei Berufsrichter zu reduzieren, sei nicht willkürlich gewesen.
3. Weitere Entwicklungen
23. Am 10. Januar 2013 wies der Bundesgerichtshof, an den das Bundesverfassungsgericht die Rechtssache zurückverwiesen hatte, die Revision des Beschwerdeführers gegen das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 18. November 2010 erneut zurück. Er stellte fest, dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers mit den im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 niedergelegten strengeren Verhältnismäßigkeitskriterien vereinbar sei. Es sei sehr wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer erneut schwere Sexualstraftaten begehen würde, ähnlich denen, derer ihn das Landgericht Deggendorf im Jahr 2008 schuldig gesprochen habe.
24. Seit Oktober 2013 befindet sich der Beschwerdeführer nach Verbüßung seiner gesamten Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt S. in Sicherungsverwahrung.
25. Am 6. November 2014 lehnte es das Bundesverfassungsgericht ab, die weitere Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers gegen das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 18. November 2010 und den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. Januar 2013 (2 BvR 582/13) zur Entscheidung anzunehmen.
B. Einschlägiges innerstaatliches Recht und einschlägige innerstaatliche Praxis
26. Ein umfassender Überblick über die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung zur Unterscheidung zwischen Strafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung, insbesondere der Sicherungsverwahrung, sowie zum Erlass, zur Überprüfung und zum praktischen Vollzug von Anordnungen der Sicherungsverwahrung ist im Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache M. ./. Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 19359/04, Rdnrn. 45-78, ECHR 2009) enthalten. Die in der vorliegenden Rechtssache in Bezug genommenen Bestimmungen lauten wie folgt:
1. Die vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung
27. § 66a StGB, der die Möglichkeit einer vorbehaltenen Anordnung der Sicherungsverwahrung vorsieht, wurde durch das Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21. August 2002, das am 28. August 2002 in Kraft trat (Bundesgesetzblatt I, S. 3344), in das Strafgesetzbuch aufgenommen.
28. § 66a Abs. 1 und 2 StGB, über den Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, lautete zur maßgeblichen Zeit wie folgt:
„(1) Ist bei der Verurteilung wegen einer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Straftaten nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, ob der Täter für die Allgemeinheit im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 gefährlich ist, so kann das Gericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 erfüllt sind.
(2) Über die Anordnung der Sicherungsverwahrung entscheidet das Gericht spätestens sechs Monate vor dem Zeitpunkt, ab dem eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung […]möglich ist. Es ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und seiner Entwicklung während des Strafvollzuges ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.“
29. § 66a StGB blieb in einer geänderten Fassung auch nach den seither erfolgten gesetzlichen Änderungen der Vorschriften zur Sicherungsverwahrung in Kraft.
30. § 66 StGB, auf den § 66a StGB Bezug nimmt, betrifft die Anordnung der Sicherungsverwahrung. Nach der zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung von § 66 Abs. 1 StGB hatte das erkennende Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anzuordnen, wenn jemand wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt wurde und folgende weitere Bedingungen erfüllt waren: Erstens muss der Täter wegen vorsätzlicher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden sein (§ 66 Abs. 1 Nr. 1[1]). Zweitens muss der Täter für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden haben (§ 66 Abs. 1 Nr. 2[2]). Drittens muss die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergeben, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, für die Allgemeinheit gefährlich ist (§ 66 Abs. 1 Nr. 3[3]).
31. Nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB kann die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung darüber hinaus zusätzlich zu einer Freiheitsstrafe angeordnet werden, wenn der Täter wegen bestimmter schwerer Straftaten, einschließlich Vergewaltigung und sexuellen Kindesmissbrauchs, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt wird, und er wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten bereits (nur) einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in § 66 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 genannten übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. Nach § 66 Abs. 3 Satz 2 kann das Gericht unter den in § 66 Abs. 1 Nr. 3[4] bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (§ 66 Abs. 1 Nrn. 2 und 3) anordnen, wenn eine Person zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen hat, durch die sie jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat, und wenn sie wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wird.
2. Jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
32. Am 4. Mai 2011 erließ das Bundesverfassungsgericht ein Leiturteil zur nachträglichen Verlängerung der Sicherungsverwahrung über die frühere Höchstdauer von zehn Jahren hinaus und auch zur nachträglichen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG (7 BvR 2365/09, 2 BvR 740/10, 2 BvR 2333/08, 2 BvR 1152/10 und 2 BvR 571/10). In Abkehr von seiner früheren Position stellte es fest, dass alle Vorschriften über die nachträgliche Verlängerung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung mit dem Grundgesetz unvereinbar seien, weil sie das rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot in Verbindung mit dem Freiheitsgrundrecht verletzten.
33. Das Bundesverfassungsgericht stellte ferner fest, dass alle einschlägigen Vorschriften des Strafgesetzbuchs über die Anordnung und die Dauer der Sicherungsverwahrung mit dem Freiheitsgrundrecht der sicherungsverwahrten Personen unvereinbar seien. Diese Vorschriften würden nicht dem verfassungsrechtlichen Gebot gerecht, zwischen der Freiheitsentziehung in der Sicherungsverwahrung und der Freiheitsentziehung im Strafvollzug zu unterscheiden (Abstandsgebot). Zu diesen Vorschriften gehörten insbesondere § 66 StGB in der Fassung vom 27. Dezember 2003 und § 66a Abs. 1 und 2 StGB in der Fassung vom 21. August 2002.
34. Das Bundesverfassungsgericht ordnete an, dass sämtliche mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärten Vorschriften bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung, längstens bis zum 31. Mai 2013, weiter anwendbar blieben. In Bezug auf die Untergebrachten, deren Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 2 StGB oder § 7 Abs. 2 JGG nachträglich verlängert oder angeordnet worden sei, hätten die Strafvollstreckungsgerichte unverzüglich zu prüfen, ob aus den konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten der Untergebrachten eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten abzuleiten sei und diese zudem im Sinne von § 1 Abs. 1 des neu verabschiedeten Therapieunterbringungsgesetzes an einer psychischen Störung litten. Die übrigen Vorschriften über die Anordnung und die Dauer der Sicherungsverwahrung seien während der Übergangszeit nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung anzuwenden; in der Regel werde der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur dann gewahrt sein, wenn die Gefahr bestehe, dass die betroffene Person im Falle ihrer Entlassung schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten begehen werde.
RÜGEN
35. Nach Artikel 5 Abs. 1 der Konvention rügte der Beschwerdeführer, dass die Anordnung und Vollstreckung seiner Sicherungsverwahrung, die sich aus der vorbehaltenen Anordnung der Sicherungsverwahrung durch das erkennende Gericht ergeben habe, sein Recht auf Freiheit verletzt habe.
36. Darüber hinaus sei sein in Artikel 6 Abs. 1 der Konvention verankertes Recht auf Entscheidung seiner Rechtssache durch ein auf Gesetz beruhendes Gericht dadurch verletzt worden, dass das Landgericht Deggendorf in dem in Rede stehenden Verfahren nicht in seiner üblichen Besetzung mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen entschieden habe.
37. Darüber hinaus rügte der Beschwerdeführer, dass die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 20. Juni 2012 getroffene Feststellung, die von einer vorbehaltenen Sicherungsverwahrung betroffenen Personen könnten während der Verbüßung ihrer Strafe ihre Gefährlichkeit mindern oder beseitigen, den Grundsatz der Unschuldsvermutung nach Artikel 6 Abs. 2 der Konvention verletzt habe.
RECHTLICHE WÜRDIGUNG
A. Behauptete Verletzung von Artikel 5 Absatz 1 der Konvention
38. Der Beschwerdeführer rügte, dass die Anordnung und Vollstreckung seiner Sicherungsverwahrung Artikel 5 Abs. 1 der Konvention verletzt habe, der, soweit maßgeblich, wie folgt lautet:
„1. Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a) rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht; …“
1. Die Vorbringen des Beschwerdeführers
39. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass seine Sicherungsverwahrung, wie sie infolge des in Rede stehenden Verfahrens angeordnet und vollstreckt worden sei, mit Artikel 5 Abs. 1 unvereinbar sei. Sie stehe mit Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a nicht in Einklang.
40. Der Beschwerdeführer betonte, dass das Landgericht Deggendorf seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erst am 18. November 2010 in dem in Rede stehenden Verfahren anordnet habe, und nicht zum Zeitpunkt seiner strafrechtlichen Verurteilung. Erst zu diesem späteren Zeitpunkt hätten die innerstaatlichen Gerichte darüber entschieden, ob die Voraussetzung für die Anordnung der Sicherungsverwahrung erfüllt seien. Dass er im Urteil des erkennenden Gerichts lediglich davon in Kenntnis gesetzt worden sei, dass seine spätere Sicherungsverwahrung vor dem Ende des Vollzugs seiner Freiheitsstrafe angeordnet werden könnte, habe die Dauer seine Freiheitsentziehung nicht hinreichend genau eingegrenzt.
41. Darüber hinaus habe das Bundesverfassungsgericht erläutert, dass Personen, die von einer vorbehaltenen Anordnung der Sicherungsverwahrung betroffen seien, die Anordnung ihrer Sicherungsverwahrung dadurch abwenden könnten, dass sie während der Strafverbüßung ihrer Gefährlichkeit minderten (vgl. Rdnr. 17 in fine). Daher sei der notwendige Kausalzusammenhang zwischen seiner Verurteilung und seiner Freiheitsentziehung nicht gegeben oder durchbrochen.
2. Würdigung durch den Gerichtshof
a) Opferstatus und Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe
42. Bezüglich der Opfereigenschaft des Beschwerdeführers im Hinblick auf eine Verletzung seiner Konventionsrechte (Artikel 34 der Konvention) stellt der Gerichtshof fest, dass das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 20. Juni 2012 zwar die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2011 aufhob, nicht aber die Entscheidung des Landgerichts vom 18. November 2010, mit der seine Sicherungsverwahrung angeordnet wurde. Darüber hinaus ist die Anordnung der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers auch in dem nachfolgenden erneut vor dem Bundesgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht durchgeführten Verfahren (siehe Rdnrn. 23 und 25) nicht aufgehoben worden. Daher kann der Beschwerdeführer immer noch behaupten, Opfer einer Verletzung von Artikel 5 Abs. 1 der Konvention zu sein.
43. Der Gerichtshof hat weiter zu prüfen, ob der Beschwerdeführer, wie nach Artikel 35 Abs. 1 der Konvention erforderlich, die innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft hat. Er stellt fest, dass in dem in Rede stehenden Verfahren das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 20. Juni 2012 den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2011 aufhob und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwies. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte jedoch, dass die vorbehaltene Sicherungsverwahrung mit dem Freiheitsgrundrecht und mit Artikel 5 Abs. 1 der Konvention grundsätzlich vereinbar sei. Seine Entscheidung war diesbezüglich endgültig und für die Fachgerichte bindend. Die Rechtssache wurde nur zur Prüfung einer anderen Frage, nämlich der Vereinbarkeit der Entscheidung des Strafgerichts mit den in dem Leiturteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 festgelegten Maßstäben, an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen. Unter diesen Umständen ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die von dem Beschwerdeführer vor dem Gerichtshof erhobene Rüge, welche die Frage betrifft, ob die auf eine vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung folgende Anordnung seiner Sicherungsverwahrung mit Artikel 5 Abs. 1 der Konvention vereinbar ist, von den innerstaatlichen Gerichte in dem in Rede stehenden Verfahren bereits rechtskräftig entschieden worden ist. Daher ist er der Auffassung, dass der Beschwerdeführer die innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft hat.
b) Die Begründetheit der Rüge des Beschwerdeführers
(i) Zusammenfassung der einschlägigen Grundsätze
44. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass eine erschöpfende Liste zulässiger Gründe für die Freiheitsentziehung in Artikel 5 Abs. 1 Buchstaben a bis f enthalten ist und eine Freiheitsentziehung nur rechtmäßig sein kann, wenn sie von einem dieser Gründe erfasst wird (siehe u. a. Guzzardi ./. Italien, 6. November 1980, Rdnr. 96, Serie A Band 39; Witold Litwa ./. Polen, Individualbeschwerde Nr. 26629/95, Rdnr. 49, ECHR 2000-III; und Saadi ./. Vereinigtes Königreich [GK], Individualbeschwerde Nr. 13229/03, Rdnr. 43, ECHR 2008-…).
45. Im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a ist der Begriff „Verurteilung“ (englisch: „conviction“) unter Berücksichtigung des französischen Textes („condamnation“) so zu verstehen, dass er sowohl eine Schuldfeststellung bezeichnet, nachdem das Vorliegen einer Straftat in der gesetzlich vorgesehenen Weise festgestellt wurde (s. Guzzardi, a.a.O., Rdnr. 100), als auch die Verhängung einer Strafe oder einer anderen freiheitsentziehenden Maßnahme (siehe van Droogenbroeck ./. Belgien, 24. Juni 1982, Rdnr. 35, Serie A Band 50; und M. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 19359/04, Rdnr. 87, 17. Dezember 2009).
46. Überdies bedeutet das Wort „nach” in Buchstabe a nicht einfach, dass die „Freiheitsentziehung“ zeitlich auf die „Verurteilung“ folgen muss: Zusätzlich muss die „Freiheitsentziehung” sich aus dieser „Verurteilung“ ergeben, ihr folgen und von ihr abhängen oder kraft dieser „Verurteilung“ angeordnet werden (siehe van Droogenbroeck, a.a.O., Rdnr. 35). Kurz gefasst muss zwischen der Verurteilung und der betreffenden Freiheitsentziehung ein hinreichender Kausalzusammenhang bestehen (siehe Weeks ./. Vereinigtes Königreich, 2. März 1987, Rdnr. 42, Serie A Band 114; Stafford ./. Vereinigtes Königreich [GK], Individualbeschwerde Nr. 46295/99, Rdnr. 64, ECHR 2002-IV; Waite ./. Vereinigtes Königreich, Individualbeschwerde Nr. 53236/99, Rdnr. 65, 10. Dezember 2002; Kafkaris ./. Zypern [GK], Individualbeschwerde Nr. 21906/04, Rdnr. 117, ECHR 2008-…; M. ./. Deutschland, a.a.O., Rdnr. 88; und H. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 6587/04, Rdnr. 75, 13. Januar 2011).
47. Jedoch wird die Verbindung zwischen der ursprünglichen Verurteilung und einer weiteren Freiheitsentziehung mit zunehmendem Zeitablauf allmählich schwächer (vgl. van Droogenbroeck, a.a.O., Rdnr. 40; und Eriksen ./. Norwegen, 27 Mai 1997, Rdnr. 78, Urteils- und Entscheidungssammlung 1997‑III). Der nach Buchstabe a erforderliche Kausalzusammenhang könnte schließlich durchbrochen werden, wenn eine Position erreicht würde, in der die Entscheidung, keine Freilassung bzw. eine neue Haft anzuordnen, sich auf Gründe stützte, die mit den Zielen der ursprünglichen Entscheidung (durch ein erkennendes Gericht) unvereinbar wären, oder auf eine Einschätzung, die im Hinblick auf diese Ziele unangemessen wäre. Unter diesen Umständen würde sich eine Freiheitsentziehung, die zu Beginn rechtmäßig war, in eine willkürliche Freiheitsentziehung verwandeln, die folglich mit Artikel 5 nicht vereinbar wäre (vgl. van Droogenbroeck, a.a.O., Rdnr. 40; Eriksen, a.a.O., Rdnr. 78; Weeks, a.a.O., Rdnr. 49; und M ./. Deutschland, a.a.O., Rdnr. 88).
48. Jede Freiheitsentziehung muss unter eine der Ausnahmen nach den Bestimmungen des Artikels 5 Abs. 1 Buchstaben a bis f fallen und zudem „rechtmäßig“ sein. Soweit es um die „Rechtmäßigkeit“ der Freiheitsentziehung einschließlich der Frage geht, ob sie „auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise“ erfolgt ist, verweist die Konvention im Wesentlichen auf das innerstaatliche Recht und verpflichtet zur Einhaltung seiner materiell- und verfahrensrechtlichen Bestimmungen (siehe u.v.a. Erkalo ./. Niederlande, 2. September 1998, Rdnr. 52, Urteils- und Entscheidungssammlung 1998‑VI; Baranowski ./. Polen, Individualbeschwerde Nr. 28358/95, Rdnr. 50, ECHR 2000‑III, und Saadi, a.a.O., Rdnr. 67). Um rechtmäßig zu sein muss das innerstaatliche Gesetz, demgemäß die Freiheitsentziehung zulässig ist, hinreichend zugänglich und präzise und vorhersehbar anzuwenden sein, um jegliche Gefahr der Willkür zu vermeiden (siehe Amuur ./. Frankreich, 25. Juni 1996, Rdnr. 50, Reports 1996‑III; Nasrulloyev ./. Russland, Individualbeschwerde Nr. 656/06, Rdnr. 71, 11. Oktober 2007; und M. ./. Deutschland [GK], Individualbeschwerde Nr. 11364/03, Rdnr. 76, 9. Juli 2009).
(ii) Anwendung dieser Grundsätze auf die vorliegende Rechtssache
(α) Gründe für die Freiheitsentziehung
49. Der Gerichtshof hat darüber zu entscheiden, ob die in Rede stehende Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers nach einem der Buchstaben a bis f des Artikels 5 Abs. 1 gerechtfertigt war. Er stellt fest, dass das Bundesverfassungsgericht die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers für mit Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a vereinbar hielt, da zwischen der Verurteilung durch das erkennende Gericht und der Freiheitsentziehung des Beschwerdeführers infolge der späteren Anordnung seiner Sicherungsverwahrung ein hinreichender Kausalzusammenhang bestanden habe. Dieser Auffassung trat der Beschwerdeführer entgegen.
50. Bei der Entscheidung darüber, ob die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a als Freiheitsentziehung „nach Verurteilung“ einzuordnen ist, nimmt der Gerichtshof auf seine gefestigte Rechtsprechung Bezug, nach der eine „Verurteilung“ im Sinne dieser Vorschrift eine Schuldfeststellung wegen einer Straftat sowie die Verhängung einer Strafe oder einer anderen freiheitsentziehenden Maßnahme beinhaltet (siehe Rdnr. 45). Wie in einer Reihe von die Sicherungsverwahrung betreffenden Rechtssachen klargestellt worden ist, erfüllt nur das Urteil eines erkennenden Gerichts, mit dem eine Person einer Straftat für schuldig erklärt wird, die Anforderungen der „Verurteilung“ im Sinne der in Rede stehenden Bestimmung. Die Entscheidung eines Strafvollstreckungsgerichts, der betreffenden Person weiter die Freiheit zu entziehen, erfüllt das Erfordernis der „Verurteilung“ im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a hingegen nicht, da sie keine (neue)Schuldfeststellung mehr beinhaltet (siehe insbesondere M. ./. Deutschland, a.a.O., Rdnrn. 95-96; und H., a.a.O., Rdnr. 84; und B. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 61272/09, Rdnr. 72, 19. April 2012). Gleiches gilt auch für ein Urteil, mit dem die Sicherungsverwahrung einer Person wegen einer früheren Straftat, derentwegen diese bereits verurteilt worden war, nachträglich angeordnet wird (siehe B. ./. Deutschland, a.a.O., Rdnr. 72).
51. Daher kann in dem vorliegenden Fall nur das Urteil des erkennenden Gerichts, des Landgerichts Deggendorf, vom 22. Februar 2008, mit dem der Beschwerdeführer insbesondere des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und der versuchten Vergewaltigung schuldig gesprochen und in dem die Sicherungsverwahrung vorbehalten wurde, als „Verurteilung“ im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a angesehen werden. Hingegen enthielt das in dem in Rede stehenden Verfahren ergangene Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 18. November 2010, mit dem die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers wegen derselben Straftaten angeordnet worden wurde, keine Schuldfeststellung wegen einer (neuen) Straftat und kann daher nicht als „Verurteilung“ im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a angesehen werden.
52. Die in Rede stehende Freiheitsentziehung des Beschwerdeführers erfolgte im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a, „nach“ seiner am 22. Februar 2008 durch das Landgericht ergangenen Verurteilung, wenn zwischen der Verurteilung und der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers ein hinreichender Kausalzusammenhang bestand.
53. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass er in seinem Urteil in der Rechtssache M. ./. Deutschland (a.a.O., Rdnrn. 92ff.) festgestellt hat, dass die von einem erkennenden Gericht angeordnete Sicherungsverwahrung einer Person eine Freiheitsentziehung nach Verurteilung im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a darstellt, sofern sie nicht über die Höchstdauer hinaus verlängert wurde, die sich aus dem Urteil des erkennenden Gerichts in Verbindung mit dem zur maßgeblichen Zeit geltenden Recht ergibt. Der Gerichtshof stellt fest, dass – anders als in der Rechtssache M. ./. Deutschland (a.a.O., Rdnr. 95) – die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers in der vorliegenden Rechtssache noch nicht im Urteil des erkennenden Gerichts, mit dem er schuldig gesprochen wurde, angeordnet wurde, sondern in dem späteren gesonderten Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 18. November 2010.
54. Der Gerichtshof erinnert weiter daran, dass er in mehreren Rechtssachen, welche die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung (siehe B. ./. Deutschland, a.a.O., Rdnr. 75; und S. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 3300/10, Rdnr. 86, 28. Juni 2012) oder die Unterbringung einer Person in der Sicherungsverwahrung betrafen (siehe H., a.a.O., Rdnr. 86) und in welchen die Urteile der erkennenden Gerichte keine Sicherungsverwahrungsanordnung enthielten und keine Möglichkeit der nachträglichen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorsahen, festgestellt hat, dass der nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a der Konvention erforderliche hinreichende Kausalzusammenhang nicht gegeben war. Jedoch unterscheidet sich die vorliegende Rechtssache von jenen Rechtssachen dadurch, dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers in dem Urteil, das ihn schwerer Sexualstraftaten schuldig befand, bereits nach § 66a Abs. 1 StGB vorbehalten war.
55. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass sich aus seiner oben erwähnten Rechtsprechung ergibt und es tatsächlich gemeinsame Grundlage dieser Rechtsprechung ist, dass zwischen der Verurteilung einer Person durch das erkennende Gericht und der Sicherungsverwahrung dieser Person im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a ein hinreichender Kausalzusammenhang besteht, wenn und solange diese Freiheitsentziehung innerhalb des durch das Urteil des erkennenden Gerichts vorgegebenen Rahmens im Lichte der zur maßgeblichen Zeit geltenden Rechtsvorschriften erfolgt (siehe insbesondere M. ./. Deutschland, a.a.O., Rdnrn. 92ff., insbesondere Rdnr. 99).
56. Der Gerichtshof stellt fest, dass, in der vorliegenden Rechtssache, das Urteil des erkennenden Landgerichts Deggendorf ausführte, dass die Anordnung der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung nach § 66a StGB vorbehalten war. Unter diesen Umständen war für den Beschwerdeführer bereits zum Zeitpunkt seiner Verurteilung klar ersichtlich, dass seine Sicherungsverwahrung unter den in § 66a Abs. 2 StGB i. V. m. § 66 Abs. 3 StGB festgelegten Voraussetzungen in einem gesonderten Urteil angeordnet werden würde.
57. In Anbetracht dieser Bestimmungen war dem Beschwerdeführer daher bewusst, dass seine Verurteilung eine Sicherungsverwahrungsanordnung nach sich ziehen würde, wenn die Gesamtwürdigung seiner Person, seiner Taten und seiner Entwicklung während des Strafvollzuges ergäbe, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten seien, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt würden. Bei Erfüllung dieser Voraussetzungen würde während seiner Strafverbüßung – was die Grundlage für die Prognose hinsichtlich seiner Gefährlichkeit erweitern würde – und spätestens sechs Monate vor dem Zeitpunkt, ab dem eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung möglich wäre, eine Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen ihn ergehen.
58. Der Gerichtshof nimmt in diesem Zusammenhang zur Kenntnis, dass das Landgericht nach § 66a Abs. 2 StGB bei der Entscheidung darüber, ob Sicherungsverwahrung angeordnet werden sollte, unter anderem die Entwicklung des Verurteilten während der Strafverbüßung zu berücksichtigen hatte. Im Hinblick auf den gesetzlichen Rahmen insgesamt, der für die Anordnung der Sicherungsverwahrung gilt, die auf eine im Urteil vorbehaltene Anordnung folgt, ist er jedoch der Auffassung, dass diese Anordnung eben wegen des genannten Elements der Entwicklung des Verurteilten während der Strafverbüßung keiner zusätzlichen Bestrafung des Verurteilten wegen seines Verhaltens im Strafvollzug gleichkam. Er stellt fest, dass das das zuletzt genannte Element nur eines von mehreren Elementen war, das zusätzlich zu einer Gesamtwürdigung des Verurteilten und seiner Taten herangezogen wurde, um eine Prognose über seine Gefährlichkeit zu erstellen, und als solches daher keine zusätzliche Strafe begründete.
59. Der Gerichtshof kommt darüber hinaus nicht umhin festzustellen, dass in Fällen, in denen das erkennende Gericht eine vorbehaltlose – anstatt einer vorbehaltenen – Anordnung der Sicherungsverwahrung erlassen hat, die Strafvollstreckungsgerichte bei der Entscheidung darüber, ob der Zweck der Maßregel die Vollstreckung der Anordnung immer noch erfordert, gleichermaßen u. a. das Verhaltenen der verurteilten Person im Strafvollzug berücksichtigen, um eine Prognose über ihre Gefährlichkeit abzugeben (im Hinblick auf die diesbezügliche Vorgehensweise der innerstaatlichen Gerichte vgl. z. B. O. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 36035/04, Rdnrn. 17-18 und 72‑82, 22. März 2012; und R. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 5123/07, Rdnrn. 18-19, 22 und 90-99, 22. März 2012). In Anbetracht dieser Faktoren stellt der Gerichtshof fest, dass in Fällen, in denen die erkennenden Gerichte vorbehaltlose Sicherungsverwahrungsanordnungen erließen, und in Fällen, in denen diese Gerichte die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehielten, in der Tat ganz ähnliche Voraussetzungen für die tatsächliche Vollstreckung der Sicherungsverwahrung gegen einen Verurteilten gelten. In beiden Fällen ist dem Verurteilten aufgrund der Entscheidung des Urteilsgerichts bewusst, dass er nach Verbüßung seiner Freiheitsstrafe in Sicherungsverwahrung kommen könnte. Die Frage, ob die Sicherungsverwahrung dann vollstreckt werden wird, wird insbesondere davon abhängen, ob die Gefahr besteht, dass er erneut straffällig wird, und somit von seiner Gefährlichkeit zum Zeitpunkt der Entscheidung des über die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung entscheidenden Gerichts.
60. Unter diesen Umständen ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die am 18. November 2010 in dem in Rede stehenden Verfahren durch das Landgericht Deggendorf erlassene Anordnung der Sicherungsverwahrung innerhalb des oben dargestellten, im Urteil des erkennenden Gerichts hinreichend klar festgelegten Rahmens im Lichte der zur maßgeblichen Zeit geltenden Rechtsvorschriften erfolgte. Die Verurteilung des Beschwerdeführers durch das erkennende Gericht ging somit mit der – klar formulierten – Möglichkeit seiner späteren Unterbringung in der Sicherungsverwahrung einher. Der vorliegende Fall, der eine gesonderte Anordnung der Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers betraf, muss somit von Fällen unterschieden werden, in denen es um nachträgliche Anordnungen der Unterbringung einer Person in der Sicherungsverwahrung ging, in denen eine solche Möglichkeit im Urteil des erkennenden Gerichts nicht vorgesehen war (siehe diesbezüglich H., a.a.O., Rdnr. 86; B. ./. Deutschland, a.a.O., Rdnr. 75; und S. ./. Deutschland, a.a.O., Rdnr. 86) und in denen das Urteil des erkennenden Gerichts durch eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung tatsächlich korrigiert wurde.
61. Der Gerichtshof stellt weiter fest, dass das erkennende Gericht die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers in Anbetracht der Tatsache vorbehielt, dass er aufgrund seines Hanges, schwere Sexualstraftaten gegen Minderjährige zu begehen, für die Allgemeinheit wahrscheinlich gefährlich war. In dem in Rede stehenden Verfahren, in dem die Sicherungsverwahrung des Beschwerdeführers angeordnet wurde, wurde diese Gefährlichkeit später, auch unter Berücksichtigung des fortgeschrittenen Alters des Beschwerdeführers, durch das Landgericht überzeugend nachgewiesen. Daher stützte sich die Entscheidung, dem Beschwerdeführer die Freiheit zu entziehen, weder auf Gründe, die mit den Zielen der ursprünglichen Entscheidung des erkennenden Gerichts nicht vereinbar waren, noch auf eine Einschätzung, die in Bezug auf diese Ziele unangemessen war.
62. In Anbetracht dieser Faktoren stellt der Gerichtshof fest, dass zwischen dem Strafurteil gegen den Beschwerdeführer und seiner Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ein hinreichend enger Kausalzusammenhang bestand. Daher erfolgte seine Freiheitsentziehung im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a „nach Verurteilung“.
(ß) „Rechtmäßige“ Freiheitsentziehung „auf die gesetzlich vorgeschriebene
Weise“
63. Was die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung des Beschwerdeführers nach Artikel 5 Abs. 1 betrifft, ist der Gerichtshof der Auffassung, dass diese Freiheitsentziehung, die aus dem – im Rechtsmittelverfahren bestätigten – Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 18. November 2010 resultierte, mit den in § 66a Abs. 2 StGB i.V.m. § 66 Abs. 3 StGB niedergelegten materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften vereinbar war. In seinem Urteil vom 4. Mai 2011, auf das es in dem in Rede stehenden Verfahren Bezug nahm, hatte das Bundesverfassungsgericht jedoch festgestellt, dass die genannten Artikel des Strafgesetzbuchs mit dem Freiheitsgrundrecht und somit mit höherrangigem nationalen Recht unvereinbar seien. Das Bundesverfassungsgericht ließ die weitere Anwendung dieser Bestimmungen während eines Übergangszeitraums, längstens bis zum 31. Mai 2013, nach Maßgabe einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung jedoch zu.
64. Der Gerichtshof stellt fest, dass die Freiheitsentziehung des Beschwerdeführers während des in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Zeitraums, vor Ablauf des Übergangszeitraums, als mit dem innerstaatlichen Recht vereinbar angesehen werden muss, da die maßgeblichen Bestimmungen, in Verbindung mit der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts, während dieses Übergangszeitraums weiter gültig und anwendbar waren (vgl. bereits H., a.a.O., Rdnr. 96).
65. Unter Bezugnahme auf seine vorhergehenden Feststellungen (siehe Rdnr. 60), ist der Gerichtshof darüber hinaus der Auffassung, dass die in Rede stehenden Bestimmungen des Strafgesetzbuchs zugänglich, hinreichend präzise und in ihrer Anwendung vorhersehbar waren. Daher erfolgte die in Rede stehende Freiheitsentziehung des Beschwerdeführers im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 „rechtmäßig“ und auf die „gesetzlich vorgeschriebene Weise“.
(γ) Schlussfolgerung
66. Daraus folgt, dass dieser Teil der Beschwerde nach Artikel 35 Abs. 3 Buchstabe a und Abs. 4 der Konvention als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen ist.
B. Behauptete Verletzung von Artikel 6 Absätze 1 und 2 der Konvention
67. Darüber hinaus rügte der Beschwerdeführer nach Artikel 6 Abs. 1 der Konvention, dass sein Recht auf Entscheidung seiner Rechtssache durch ein auf Gesetz beruhendes Gericht dadurch verletzt worden sei, dass das Landgericht Deggendorf nicht in seiner üblichen Besetzung mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen entschieden habe. Trotz der Komplexität seiner Rechtssache, die umfassenden gutachterlichen Rat zur Frage seiner Sicherungsverwahrung erfordert habe, habe das Gericht in einer Besetzung mit nur zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen entschieden.
68. Darüber hinaus rügte der Beschwerdeführer, dass das Bundesverfassungsgericht den in Artikel 6 Abs. 2 der Konvention verankerten Grundsatz der Unschuldsvermutung verletzt habe, da es ausgeführt habe, dass Personen, die von einer vorbehaltenen Anordnung derSicherungsverwahrung betroffen seien, ihre Gefährlichkeit während ihrer Strafverbüßung mindern oder beseitigen könnten (siehe Rdnr. 17 in fine). Daher habe es diese Personen als gefährlich angesehen, obwohl das erkennende Gericht nicht in der Lage gewesen sei, mit Sicherheit festzustellen, dass die betroffenen Personen gefährlich seien.
69. Der Gerichtshof hat die übrigen von dem Beschwerdeführer vorgebrachten Rügen geprüft. Unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen stellt der Gerichtshof jedoch fest, dass diese Rügen selbst unter der Annahme, dass sie rationemateriae in jeder Hinsicht mit den Bestimmungen der Konvention vereinbar sind, keine Anzeichen für eine Verletzung der in der Konvention oder den Protokollen dazu bezeichneten Rechte und Freiheiten erkennen lassen.
70. Daraus folgt, dass die Individualbeschwerde im Übrigen ebenfalls nach Artikel 35 Abs. 3 Buchstabe a und Abs. 4 der Konvention als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen ist.
Aus diesen Gründen erklärt der Gerichtshof
die Individualbeschwerde einstimmig für unzulässig.
Ausgefertigt in Englisch und schriftlich zugestellt am 5. März 2015
Claudia Westerdiek Mark Villiger
Kanzlerin Präsident
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[1] Anm. Übersetzung: richtig Nr. 2
[2] Anm. Übersetzung: richtig Nr. 3
[3] Anm. Übersetzung: richtig Nr. 4
[4] Anm. Übersetzung: richtig wäre: Nr. 4
Zuletzt aktualisiert am Januar 2, 2021 von eurogesetze
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