RECHTSSACHE BOHLEN GEGEN DEUTSCHLAND (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) Beschwerde Nr. 53495/09

EUROPÄISCHER GERICHTSHOF FÜR MENSCHENRECHTE
FÜNFTE SEKTION
RECHTSSACHE B. GEGEN DEUTSCHLAND
(Beschwerde Nr. 53495/09)
URTEIL
STRASSBURG
19. Februar 2015

Dieses Urteil wird unter den in Artikel 44 Absatz 2 der Konvention aufgeführten Bedingungen endgültig. Es wird gegebenenfalls noch redaktionell überarbeitet.

In der Rechtssache B. ./. Deutschland

hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Fünfte Sektion) als Kammer, die sich zusammensetzt aus:

Mark Villiger, Präsident,
Angelika Nußberger,
Boštjan M. Zupančič,
Ganna Yudkivska,
André Potocki,
Helena Jäderblom,
Aleš Pejchal, Richterinnen und Richter,
und von Claudia Westerdiek, Sektionskanzlerin,

nach Beratung in nicht öffentlicher Sitzung am 20. Januar 2015,

das folgende Urteil erlassen, das an diesem Tag angenommen worden ist:

VERFAHREN

1. Dem Fall liegt eine gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Beschwerde (Nr. 53495/09) zugrunde, die der deutsche Staatsangehörige B. („der Beschwerdeführer“) aufgrund des Artikels 34 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten („die Konvention”) am 7. Oktober 2009 beim Gerichtshof erhoben hat.

2. Der Beschwerdeführer ist von Herrn N., Rechtsanwalt in H., vertreten worden. Die deutsche Regierung („die Regierung“) ist von einem ihrer Verfahrensbevollmächtigten, Herrn H.-J. Behrens, vom Bundesministerium der Justiz, vertreten worden.

3. Der Beschwerdeführer behauptet insbesondere, dass die Weigerung des Bundesgerichtshofs, ihm eine fiktive Lizenzgebühr als Entschädigung für die unbefugte Nutzung seines Vornamens in einer Werbeanzeige zuzubilligen, sein Recht auf Achtung des Privatlebens im Sinne des Artikels 8 der Konvention verletzt habe.

4. Die Beschwerde ist der Regierung am 9. Januar 2012 übermittelt worden.

5. Die Gesellschaft British American Tobacco (Germany) GmbH ist ermächtigt worden, am schriftlichen Verfahren teilzunehmen (Artikel 36 Abs. 2 der Konvention und Artikel 44 Abs. 3 der Verfahrensordnung).

SACHVERHALT

I. DIE UMSTÄNDE DES FALLES

6. Der Beschwerdeführer ist 19.. geboren und in R. wohnhaft. Er ist Sänger und Musikproduzent.

A. Die Entstehung der Sache

7. Im Herbst 2003 veröffentlichte der Beschwerdeführer ein Buch. Aufgrund mehrerer gegen ihn eingeleiteter gerichtlicher Eilverfahren mussten verschiedene Textpassagen dieses Buches geschwärzt werden.

8. Am 27. Oktober 2003 startete die Gesellschaft British American Tobacco (Germany) GmbH, eine Werbekampagne mit einer Anzeige, auf der im Vordergrund zwei Zigarettenschachteln der Marke L. abgebildet waren. Auf einer Schachtel lag eine glimmende Zigarette, an der anderen war ein großer schwarzer Filzstift angelehnt. Über der Abbildung stand in Großbuchstaben die folgende Textzeile:

„Schau mal, lieber D., so einfach schreibt man super Bücher“.

Die Wörter „lieber”, „einfach” und „super” waren geschwärzt, blieben aber leserlich. Unten auf der Anzeige stand geschrieben: „L.. Sonst nichts“.

9. Die Werbeanzeige erschien ganzseitig in der Ausgabe des Wochenmagazins S. vom 17. Oktober 2003 und in der überregionalen Boulevardzeitung B. mit einer Druckauflage von 1,42 Millionen beziehungsweise 4,67 Millionen. Sie war Teil einer Werbekampagne der Gesellschaft für die Marke L., die im Jahr 1989 gestartet wurde und bei der bis September 2004 mehr als 500 Motive benutzt worden sind, auf denen eine oder mehrere Zigarettenschachteln mit einer humoristischen Schlagzeile abgebildet waren und häufig auf aktuelle Ereignisse und hiermit in Zusammenhang stehende Personen Bezug genommen wurde.

10. Nach Aufforderung des Beschwerdeführers verpflichtete sich die Gesellschaft schriftlich, die in Rede stehende Werbung mit der Textzeile und seinem Namen nicht mehr zu verbreiten, weigerte sich aber, ihm 70.000 EUR zu zahlen, die er als fiktive Lizenzgebühr verlangte.

B. Die Entscheidungen der deutschen Gerichte

11. Der Beschwerdeführer hat daraufhin Klage vor dem Landgericht Hamburg erhoben und beantragt, die Gesellschaft zur Zahlung von 100.000 EUR als fiktive Lizenzgebühr zu verurteilen.

1. Das Urteil des Landgerichts

12. Am 3. September 2004 gab das Landgericht dem Antrag des Beschwerdeführers statt. Es hob zunächst hervor, in der Verwendung des Vornamens D. in der streitgegenständlichen Anzeige sei in der Tat eine Nutzung des Namens des Beschwerdeführers zu erblicken. Es stellte sodann fest, der Vorname D. sei zwar ein äußerst geläufiger Vorname, den auch diverse prominente Persönlichkeiten trügen, angesichts der weiteren Gestaltungselemente würde die Anzeige jedoch ersichtlich auf den Beschwerdeführer Bezug nehmen. Es rief in Erinnerung, die Werbekampagne der Gesellschaft würde regelmäßig auf aktuelle Ereignisse und deren Akteure Bezug nehmen. Nach seiner Ansicht war nicht ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anzeige ein anderer D. als der Beschwerdeführer ein Buch veröffentlicht hatte, aus dem aufgrund gerichtlicher Verbote diverse Textpassagen geschwärzt werden mussten oder dass ein anderes Buch bei seiner Veröffentlichung so intensiv in der Öffentlichkeit diskutiert wurde wie dasjenige des Beschwerdeführers.

13. Das Landgericht fügte hinzu, die Gesellschaft könne das nach Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung geltend machen (siehe „Das einschlägige innerstaatliche Recht und die einschlägige innerstaatliche Praxis“), zu der auch die Wirtschaftswerbung gehöre unter der Voraussetzung, dass sie einen meinungsbildenden Inhalt hat. Es war der Ansicht, dass dies bei der streitgegenständlichen Werbeanzeige der Fall sei. Es vertrat in der Tat die Auffassung, die Anzeige würde die Buchveröffentlichung des Beschwerdeführers in humoristischer Weise kommentieren und den Betroffenen scheinbar darüber belehren, „super Bücher“ zu schreiben, indem diverse Passagen vor der Veröffentlichung gestrichen werden. Soweit die Gesellschaft somit dazu auffordere, Publikationen vor ihrer Veröffentlichung sorgfältig zu überprüfen, thematisierte die streitgegenständliche Anzeige dem Landgericht zufolge einen Belang von öffentlichem Interesse.

14. Das Landgericht erinnerte anschließend daran, dass sowohl das Recht auf freie Meinungsäußerung als auch der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vom Grundgesetz geschützt werden und grundsätzlich dieselbe Achtung verdienen. Es legte dar, dass bei der unautorisierten Vereinnahmung einer Person zu Werbezwecken das Persönlichkeitsrecht grundsätzlich überwiege. Nach Ansicht des Gerichts bleibt es zwar der Entscheidung des Einzelnen überlassen, ob er seinen Namen für eine Werbung zur Verfügung stellen will oder nicht, dieses Recht würde aber unbefugtem Namensgebrauch durch Dritte im Bereich der Werbung Schutz bieten. Insoweit die Gesellschaft behauptet habe, der Beschwerdeführer habe das der Anzeige zugrundeliegende Ereignis selbst geschaffen, würde dies nicht bedeuten, den Beschwerdeführer ohne Schutz zu belassen, könne aber eine Verringerung der Eingriffsintensität und eine Erhöhung der Schutzintensität bei der freien Meinungsäußerung zur Folge haben.

15. Das Landgericht war der Auffassung, dass in der Interessenabwägung der Schutz des Persönlichkeitsrechts des Beschwerdeführers gegenüber der Meinungsäußerungsfreiheit der Gesellschaft überwiegt. In diesem Zusammenhang hob es insbesondere hervor, die Anzeigenkampagne würde primär kommerzielle Zwecke verfolgen, nämlich den Umsatz einer Zigarettenmarke zu erhöhen, und sie diene vor allen Dingen Unterhaltungszwecken, ohne wirklich zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen. Es stellte schließlich fest, dass weder der Aussagegehalt der Anzeige noch der Beschwerdeführer selbst in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem beworbenen Produkt stünden. Es folgerte hieraus, dass der Beschwerdeführer berechtigt war, eine Entschädigung wegen der Ausnutzung seiner Bekanntheit zu kommerziellen Zwecken zu fordern, auch angesichts der Gerichtsentscheidungen, die in Fällen ergangen sind, die einen Tennisspieler (B.) oder einen Politiker (L.) betrafen.

16. Das Landgericht fuhr fort, der Schaden des Beschwerdeführers würde der Höhe der Lizenzgebühr entsprechen, die vernünftige Vertragspartner wie die Gesellschaft und der Betroffene gegebenenfalls vereinbart hätten. Es erinnerte daran, dass die fiktive Lizenzgebühr darauf abziele zu verhindern, dass derjenige, der sich ohne Erlaubnis einer Person bedient, besser gestellt wird, als er im Falle einer erteilten Erlaubnis durch den Betroffenen stünde. Es legte dar, über die Höhe einer solchen Lizenz müsse unter Würdigung aller Umstände des Falles nach freier Überzeugung entschieden werden, wozu insbesondere die folgenden Kriterien zählen: die Bekanntheit und der Imagewert des Betroffenen, die von der Anzeige verursachte Aufmerksamkeit und deren Verbreitungsgrad sowie die Rolle, die dem Betroffenen in der Werbung zugeschrieben wird. Anhand dieser Kriterien und unter Berücksichtigung der Beträge, die in vergleichbaren Fällen von Personen mit einem Bekanntheitsgrad ähnlich demjenigen des Beschwerdeführers bei der Veröffentlichung der sie betreffenden Werbung gewährt worden sind (siehe Randnummer 14 oben), erachtete es das Landgericht für angemessen, dem Beschwerdeführer 100.000 EUR zuzubilligen. Dabei berücksichtigte es die Tatsache, dass die Werbeanzeige, die den Beschwerdeführer verspottet, als ganzseitiger Abdruck insbesondere im Nachrichtenmagazin S. erschienen war und mehr als sechs Millionen Leser erreicht hatte. Es berücksichtigte jedoch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer in der Anzeige nicht im Bild gezeigt und sein Familienname nicht erwähnt wird, so dass ein gewisser Anteil von Personen nicht in der Lage gewesen sein dürfte, den Bezug zwischen der Werbung und dem Beschwerdeführer herzustellen.

2. Das Urteil des Oberlandesgerichts

17. Am 29. November 2005 folgte das Hanseatische Oberlandesgericht den Schlussfolgerungen des Landgerichts im Hinblick auf den rechtswidrigen Eingriff und das Ergebnis der Güter- und Interessenabwägung, wies aber darauf hin, dass die Tatsache, dass der Vorname des Beschwerdeführers zu kommerziellen Zwecken benutzt worden sei, um den Absatz von Zigaretten der Gesellschaft zu erhöhen, zur Folge gehabt habe, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers von vornherein überwiege. Es verringerte jedoch den Betrag der fiktiven Lizenzgebühr, der nach dem Grundsatz des Bereicherungsanspruchs zu zahlen ist, auf 35.000 EUR. Es wies darauf hin, die Werbeanzeige ziele nicht darauf ab, den Beschwerdeführer herabzuwürdigen, und wegen ihrer humorvollen Aufmachung würde sie sich auch nicht negativ auf ihn auswirken. Es unterstrich ferner, der Beschwerdeführer habe sich mit seiner Buchveröffentlichung selbst in die Öffentlichkeit gedrängt. Es folgerte, dass ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers vorliege, wobei es aber darlegte, dass dies zu keiner anderen Beurteilung unter dem Blickwinkel des Rechts auf freie Meinungsäußerung im Kunstbereich führe, welches die Gesellschaft geltend gemacht hatte.

18. Was den materiellen Schaden anbelangt, so hob das Oberlandesgericht hervor, dass die Besonderheiten des Falles darin bestünden, dass bei der streitgegenständlichen Anzeige nur ein Teil des Namens des Beschwerdeführers in humoristischer Weise ohne dessen Einwilligung verwendet und dass sie nur einmal in zwei Zeitschriften veröffentlicht worden sei. Es folgte den Ausführungen des Sachverständigen, den es bestellt hatte, um den Schaden des Beschwerdeführers zu bemessen, und hielt es für angebracht, die Höhe des Schadens auf 35.000 EUR festzusetzen.

19. Das Oberlandesgericht ließ die Revision nicht zu mit der Begründung, die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung, weil weder die Fortbildung des Rechtes noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes erforderten.

3. Das Urteil des Bundesgerichtshofs

20. Die Gesellschaft stellte einen Antrag auf Zulassung der Revision. Am 26. Oktober 2006 gab der Bundesgerichtshof diesem Antrag statt.

21. Mit Urteil vom 5. Juni 2008 (I ZR 223/05) hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Oberlandesgerichts auf. Er hob hervor, dass die Klage des Beschwerdeführers nicht begründet sei, weil die Gesellschaft das Persönlichkeitsrecht und das Namensrecht des Beschwerdeführers nicht rechtswidrig verletzt habe, da die Verwendung des Namens des Betroffenen in der streitgegenständlichen Werbeanzeige durch das nach Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung abgesichert sei. Der Bundesgerichtshof hat zwar die Feststellungen des Oberlandesgerichts in Bezug auf das Vorliegen eines Eingriffs und die Möglichkeit, eine fiktive Lizenzgebühr nach dem Grundsatz des Bereicherungsanspruchs zu gewähren, bestätigt, war aber der Ansicht, das Oberlandesgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass die vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Namensrechts nur einfachrechtlich geschützt seien, während die Meinungsäußerungsfreiheit verfassungsrechtlich geschützt sei.

22. Der Bundesgerichtshof legte zunächst dar, dass es bei dem vor ihm anhängigen Rechtsstreit ausschließlich um einen Eingriff in die vermögensrechtlichen Bestandteile der geltend gemachten Rechte gehe und eine Beeinträchtigung der ideellen Bestandteile dieses Persönlichkeitsrechts nicht gerügt worden sei. Er erinnerte daran, dass die Persönlichkeitsrechte Teil der vom Grundgesetz garantierten Grundrechte seien, soweit sie dem Schutz ideeller Interessen dienen, wohingegen die vermögensrechtlichen Bestandteile lediglich vom Zivilrecht geschützt würden und demnach keinen Vorrang vor der Meinungsäußerungsfreiheit hätten. Er erinnerte ebenfalls daran, dass der nach Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes zugesicherte Schutz sich auch auf die Werbung erstrecke, deren Inhalt zur Meinungsbildung beitrage wobei er darlegte, dass dies nicht nur dann der Fall sei, wenn die Werbung auf historisch-politische Vorgänge Bezug nimmt, sondern auch, wenn sie Fragen von allgemeinem Interesse aufgreift. Er fügte hinzu, dass auch durch unterhaltende Beiträge Meinungsbildung stattfinden könne; solche Beiträge könnten unter Umständen nachhaltiger anregen oder beeinflussen als rein sachbezogene Informationen.

23. Der Bundesgerichtshof verwies darauf, das streitgegenständliche Werbemotiv würde in humoristischer Weise die Buchveröffentlichung des Beschwerdeführers kommentieren. Er war der Ansicht, dass selbst wenn die Gesellschaft dieses Ereignis im Rahmen einer Werbekampagne nur aufgegriffen hat, sie sich gleichwohl auf den besonderen Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit berufen kann. Er stellte fest, dass die Werbung – indem sie den Vornamen des Beschwerdeführers verwendete und auf das von ihm veröffentlichte Buch Bezug nahm – in erster Linie darauf abzielte, den Absatz der Zigarettenmarke zu erhöhen, indem die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregt wird; entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts würde dies nicht bedeuten, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht grundsätzlich überwiege.

24. Der Bundesgerichtshof führte weiter aus:

„Das Berufungsgericht hat bei seiner Abwägung nicht hinreichend beachtet, dass im Streitfall, wie dargelegt, lediglich der zivilrechtlich, nicht verfassungsrechtlich begründete Schutz der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts betroffen ist. Geht es um Eingriffe in die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts, weil der Name einer bekannten Persönlichkeit ohne deren Einwilligung in einer Werbeanzeige genannt wird, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen stets der Vorrang gegenüber der Meinungsäußerungsfreiheit des Werbenden zukommt. Vielmehr kann die mit der Namensnennung verbundene Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts hinzunehmen sein, wenn sich die Werbeanzeige einerseits in satirisch-spöttischer Form mit einem in der Öffentlichkeit diskutierten Ereignis auseinandersetzt, an dem der Genannte beteiligt war, und wenn andererseits der Image- oder Werbewert des Genannten durch die Verwendung seines Namens nicht ausgenutzt und nicht der Eindruck erweckt wird, als identifiziere er sich mit dem beworbenen Produkt oder empfehle es (Verweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. Oktober 2006, I ZR 182/04).“

25. Der Bundesgerichtshof war der Ansicht, die beanstandete Werbung erwecke diesen Eindruck nicht. Er stellte fest, sie behandele ein Thema von öffentlichem Interesse, insoweit sie in humorvoller Weise die Buchveröffentlichung des Beschwerdeführers kurz nach dessen Erscheinen und im Zusammenhang mit der darüber in den Medien geführten Diskussion aufgreift. Nach seiner Ansicht ist sie daher Teil der öffentlichen Auseinandersetzung über die Art und Weise der Buchveröffentlichung des Beschwerdeführers. Der Bundesgerichtshof hob hervor, dass die Werbeanzeige über die satirisch-spöttische Anspielung auf das der Öffentlichkeit bereits bekannte Ereignis keinen den Beschwerdeführer herabsetzenden oder für ihn negativen Inhalt habe. Da ferner nicht der Eindruck erweckt würde, dass der Beschwerdeführer sich in irgendeiner Weise mit dem beworbenen Produkt identifiziert, könne eine Herabsetzung des Beschwerdeführers durch die Werbung nicht allein darin gesehen werden, dass es sich um eine Werbung für eine Zigarettenmarke handelte.

26. Der Bundesgerichtshof pflichtete im Übrigen dem Berufungsgericht hier bei, wonach der Beschwerdeführer nach dessen Ansicht aus eigenem werblichen Interesse die Öffentlichkeit selbst gesucht hatte. Dem Bundesgerichtshof zufolge hatte das Interesse des Beschwerdeführers, ohne seine Einwilligung in der Werbeanzeige nicht genannt zu werden, gegenüber dem Recht der Meinungsäußerungsfreiheit des Tabakkonzerns zurücktreten. Es komme daher nicht mehr auf die Frage an, ob sich die Gesellschaft auch auf die Kunstfreiheit berufen kann.

27. Der Bundesgerichtshof folgerte, dass dem Beschwerdeführer mangels Verletzung der vermögenswerten Bestandteile seines Persönlichkeitsrechts kein Anspruch auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr zusteht.

4. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

28. Das Bundesverfassungsgericht hat am 7. April 2009 die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers (1 BvR 3143/08) nicht zur Entscheidung angenommen und dargelegt, von einer Begründung abzusehen. Der Beschluss ist dem Beschwerdeführer am 24. April 2009 zugegangen.

II. DAS EINSCHLÄGIGE INNERSTAATLICHE RECHT UND DIE EINSCHLÄGIGE INNERSTAATLICHE PRAXIS

29. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 25. Mai 1954 (I ZR 311/53) das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Artikel 1 Absatz 1 (Menschenwürde) und Artikel 2 Absatz 1 (Schutz der freien Entfaltung der Persönlichkeit) des Grundgesetzes anerkannt. Das Namensrecht ist nach § 12 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausdrücklich geschützt.

30. Die Meinungsfreiheit ist nach Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert, der wie folgt lautet:

„(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“

RECHTLCHE WÜRDIGUNG

I. ZUR BEHAUPTETEN VERLETZUNG DES ARTIKELS 8 DER KONVENTION

31. Der Beschwerdeführer behauptet, dass die Weigerung des Bundesgerichtshofs, ihm einen Anspruch auf eine fiktive Lizenzgebühr als Entschädigung für die unberechtigte Nutzung seines Namens in der streitgegenständlichen Werbeanzeige zu gewähren, sein Recht auf Achtung seines Privatlebens im Sinne des Artikels 8 der Konvention verletzt habe, dessen einschlägiger Passus wie folgt lautet:

„(1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens (…).

(2) Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist (…) zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.“

32. Die Regierung widerspricht dieser These.

A. Zur Zulässigkeit

33. Die Regierung behauptet, die Beschwerde des Beschwerdeführers falle nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 8 der Konvention, weil in der streitgegenständlichen Werbeanzeige lediglich der Vorname des Beschwerdeführers genannt worden sei, ein sehr gebräuchlicher Vorname, aus dessen Verwendung allein sich kein Bezug zum Beschwerdeführer herstellen lasse. Der Bezug zwischen der Werbeanzeige und dem Beschwerdeführer sei allein durch die Anspielung auf die Umstände bei der Veröffentlichung des Buches des Beschwerdeführers hergestellt worden, für die er übrigens selbst die Verantwortung trage. Die Regierung behauptet, dass der Beschwerdeführer unter Berufung auf Artikel 8 der Konvention einzig beantragen könne zu untersagen, dass diese Ereignisse erneut in die öffentliche Wahrnehmung gelangen. Die Gesellschaft habe jedoch das Verlangen des Beschwerdeführers auf Unterlassung der weiteren Veröffentlichung der Werbeanzeige anerkannt. Der Regierung zufolge schützt Artikel 8 zwar den guten Ruf einer Person, lässt dagegen aber nicht zu, einen Anspruch auf eine Entschädigung in Form einer fiktiven Lizenzgebühr herzuleiten, wenn die Person durch ihr eigenes Verhalten ihren guten Ruf selbst beschädigt hat.

34. Der Beschwerdeführer erwidert, dass der Name einer Person Teil ihres Privatlebens sei. Artikel 8 der Konvention würde einer Person das Recht verleihen, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Weise ihr Name von Dritten zu Werbezwecken verwertet werden könne. Er unterstreicht, dass dieser Schutz sich auch auf den Vornamen einer Person erstrecke, soweit dessen Gebrauch eine Identifizierung mit dieser Person bewirkt, wie dies vorliegend der Fall gewesen sei, weil die Gesellschaft sich andernfalls nicht damit begnügt hätte, einzig ihren Vornamen zu benutzen. Er stellt klar, dass er sich in diesem Fall nicht vorrangig auf sein Recht auf Schutz des guten Rufs beruft, sondern vielmehr auf das Recht auf seinen Namen und seine Freiheit, selbst darüber zu entscheiden, wem er seinen Namen zu Werbezwecken zur Verfügung stellt. Außerdem habe er sein Recht auf Schutz des guten Rufs nicht allein deshalb eingebüßt, weil er ein Buch veröffentlicht hat. Der Beschwerdeführer meint, diese Rüge falle demnach in den Anwendungsbereich des Artikels 8 der Konvention.

35. Der Gerichtshof erinnert daran, dass Artikel 8 der Konvention keine ausdrückliche Regelung hinsichtlich des Vornamens aufweist. Als Mittel zur Identifizierung innerhalb der Familie und der Gesellschaft berührt der Vorname einer Person allerdings ihr Privat- und Familienleben (G. ./. Frankreich, 24. Oktober 1996, Rdnr. 21, Sammlung der Urteile und Entscheidungen 1996 V; M. ./. Lettland (Entsch.), Nr. 71074/01, CEDH 2004-XII mit den dort zitierten Nachweisen; und K. ./. Frankreich, Nr. 32265/10, Rdnr. 25, 5. Dezember 2013). Der Gerichtshof hebt in dieser Sache hervor, dass der Vorname des Beschwerdeführers zwar gebräuchlich ist und häufig benutzt wird, dass aber seine Nennung im Zusammenhang mit dem Erscheinen seines Buches es gestatte, den Beschwerdeführer zu identifizieren, sodass nicht behauptet werden könne, sein Recht auf Achtung seines Privatlebens sei nicht berührt worden.

36. Der Gerichtshof ist demnach der Auffassung, dass diese Rüge in den Anwendungsbereich des Artikels 8 der Konvention fällt. Er stellt ferner fest, dass in Bezug auf die Rüge kein anderer Unzulässigkeitsgrund vorliegt. Die Beschwerde ist daher für zulässig zu erklären.

B. Zur Hauptsache

1. Die Argumente der Parteien

a) Die Regierung

37. Die Regierung ist der Ansicht, es habe keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privatlebens gegeben, weil die notwendige Eingriffsschwere nicht vorgelegen habe. Nach Ansicht der Regierung ist in der Tat bei der Werbeanzeige weder der vollständige Name des Beschwerdeführers noch ein Bild von ihm verwendet worden, so dass dieser weder materielle noch physische oder psychische Auswirkungen zu spüren bekommen habe, weil die Anzeige zu keinem Zeitpunkt den Eindruck erweckt habe, dass der Beschwerdeführer persönlich für die Zigaretten werbe oder damit in Verbindung stehe.

38. Die Regierung unterstreicht, dass selbst wenn ein Eingriff angenommen würde, die deutsche Rechtsordnung einen ausreichenden Schutz biete. Sie erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass diese Beschwerde nicht den Unterlassungsanspruch des Beschwerdeführers betrifft, den die Gesellschaft anerkannt hatte und der somit keinem Verfahren vor den innerstaatlichen Gerichten zu Grunde lag. Es gehe hier nicht um die Frage, ob die deutschen Gerichte einschreiten mussten, sondern vielmehr darum, wie sie dies tun sollten. In diesem Zusammenhang ist die Regierung der Ansicht, dass die nach deutschem Recht vorgesehene Möglichkeit, einen Unterlassungsanspruch geltend zu machen, einen ausreichenden Schutz darstellt, um sich gegen Werbekampagnen zur Wehr zu setzen. Dem Beschwerdeführer sei es aber in Wahrheit nicht darum gegangen, vor der Werbung geschützt zu werden, sondern einen geldwerten Vorteil zu erlangen, den Artikel 8 der Konvention allerdings nicht garantiere.

39. Die Regierung führt aus, das deutsche Recht sehe bei Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens nicht nur Unterlassungsklagen vor, sondern gewähre in bestimmten Fällen auch Geldentschädigungen. Im vorliegenden Fall habe sich der Bundesgerichtshof mit der Frage auseinandergesetzt, ob dem Beschwerdeführer eine fiktive Lizenzgebühr zuzubilligen sei, und sei nach Abwägung der betroffenen Interessen zu dem Schluss gekommen, dass der Eingriff nicht schwerwiegend genug sei, um dies zu tun, und dass die Meinungsfreiheit der Gesellschaft Vorrang habe. So habe der Bundesgerichtshof herausgestellt, dass selbst Erklärungen zu kommerziellen Zwecken durch die im Grundgesetz verankerte Meinungsfreiheit geschützt seien, dass auch durch unterhaltende Beiträge Meinungsbildung stattfinden könne, dass der Eingriff nicht besonders schwerwiegend gewesen sei, da er weder beleidigend noch herabsetzend gewesen sei, und dass die Werbung nicht den Eindruck erweckt habe, der Beschwerdeführer identifiziere sich mit dem beworbenen Produkt.

b) Der Beschwerdeführer

40. Der Beschwerdeführer behauptet, der Eingriff habe ein ausreichendes Maß an Schwere aufgewiesen, weil er erstens Nichtraucher sei, Zigaretten verabscheue und sich für die Suchtprävention einsetze, zweitens weil der Tabakkonsum gesamtgesellschaftlich zunehmend missbilligt und abgelehnt werde, wie die Richtlinie 2003/33/EG vom 26. Mai 2003 belege, und drittens weil das Recht am eigenen Namen in gleicher Weise wie das Recht am eigenen Bild geschützt sei. Außerdem setze der Gerichtshof nur dann einen Eingriff mit einem gewissen Maß an Schwere voraus, wenn der gute Ruf verletzt worden sei (A. ./. Norwegen, Nr. 28070/06, Rdnr. 64, 9. April 2009), nicht jedoch bei Eingriffen in das Privatleben.

41. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass das deutsche Recht keinen hinreichenden Schutz vor ungerechtfertigten Eingriffen in das Privatleben biete. Der Unterlassungsanspruch würde diesbezüglich nicht ausreichen, weil er nur auf die Abwehr künftiger Verletzungen ausgerichtet sei, wohingegen der grundlose bereicherungsrechtliche Anspruch darauf abziele, daraus resultierende ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen auszugleichen.

42. Der Beschwerdeführer behauptet, der Bundesgerichtshof habe, indem er sich darauf beschränkte, der Meinungsäußerungsfreiheit der Gesellschaft den Vorrang zu geben, weil diese verfassungsrechtlich garantiert sei, wohingegen das vom Beschwerdeführer geltend gemachte Recht nur den Status eines einfachen Gesetzes habe, nachweislich keine Abwägung zwischen den beiden konkurrierenden Rechtspositionen vorgenommen. Im Übrigen sei der Bundesgerichtshof, selbst wenn man seiner Auffassung folge, dass ausschließlich die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts des Beschwerdeführers betroffen waren, trotzdem verpflichtet gewesen, die Meinungsäußerungsfreiheit der Tabakgesellschaft mit dem Recht des Beschwerdeführers auf Eigentum abzuwägen. Die Möglichkeit Dritter, den Werbewert bekannter Persönlichkeiten ohne deren Zustimmung auszunutzen, würde das Risiko bergen, das Namensrecht dieser Personen in unzulässiger Weise einzudämmen.

43. Der Beschwerdeführer hebt hervor, der Inhalt der Werbeanzeige habe keinen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung geleistet, sondern ausschließlich den kommerziellen Interessen der Tabakgesellschaft gedient (Absatzsteigerung), trotz des vermeintlichen Bezugs zu einem aktuellen Zeitgeschehen. Ihm zufolge ist dieses Geschehen nur einem kleinen Kreis von Personen durch die Werbeanzeige in Erinnerung gerufen worden, die Kenntnis von den Rechtsstreitigkeiten des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit seiner Buchveröffentlichung gehabt hätten. Sie sei demnach in keiner Weise geeignet gewesen, der Öffentlichkeit Ideen über Fragen von allgemeinem Interesse zu vermitteln.

2. 2. Stellungnahme der Drittbeteiligten (British American Tobacco (Germany) GmbH)

44. Die Drittbeteiligte führt aus, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs, im Gegensatz zum Vorbringen des Beschwerdeführers, keinen Hinweis enthält, dass Aussagen in einer Werbeanzeige weniger schützenswert sind als diejenigen, die in einem anderen Zusammenhang gemacht werden. Das streitige Urteil des Bundesgerichtshofs stehe mit den vom Gerichtshof in seinem Urteil S.AG ./. Deutschland ([GK], Nr. 39954/08, 7. Februar 2012) festgelegten Kriterien in Einklang und der Beschwerdeführer habe keine ernsthaften Gründe vorgetragen, die den Gerichtshof veranlassen könnten, seine Meinung durch die des Bundesgerichtshofs zu ersetzen. Die Drittbeteiligte betont, dass der zentrale Punkt dieser Rechtssache nicht die Frage ist, ob sie den Vornamen des Beschwerdeführers ohne dessen Einwilligung verwenden durfte, sondern ob sie das Recht hatte, aktuelle Ereignisse und das Verhalten des an diesen Ereignissen beteiligten Beschwerdeführers zu kommentieren. Ihres Erachtens stand außer Zweifel, dass eine Gesellschaft wie sie solche Kommentare ebenso wie die Presse abgeben darf.

3. Die Würdigung durch den Gerichtshof

45. Der Gerichtshof erinnert daran, dass der Begriff „Privatleben“ ein weit gefasster Begriff ist, der nicht abschließend definiert werden kann, der die körperliche und moralische Unversehrtheit der Person einschließt und daher zahlreiche Aspekte der Identität eines Einzelnen umfassen kann, wie den Namen einschließlich des Vornamens (siehe Randnummer 35 oben). Dieser Begriff umfasst persönliche Informationen, von denen eine Person berechtigterweise erwarten kann, dass sie nicht ohne ihr Einverständnis veröffentlicht werden (F. und andere ./. Finnland, Nr. 25576/04, Rdnr. 75, 6. April 2010; S. und andere ./. Finnland, Nr. 184/06, Rdnr. 61, 12. Oktober 2010). Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die Verbreitung von Informationen über Personen unter Nennung des vollständigen Namens zwar in der Regel einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens dieser Person bedeutet, die unautorisierte Verwendung nur des Vornamens einer Person jedoch in bestimmten Fällen auch in das Privatleben dieser Person eingreifen kann. Dies ist wie in der vorliegenden Rechtssache der Fall, wenn der Vorname in einem Zusammenhang genannt wird, der die Identifizierung der betroffenen Person ermöglicht, und wenn er zu Werbezwecken verwendet wird.

46. Der Gerichtshof stellt fest, dass der Beschwerdeführer nicht eine Handlung des Staates rügt, sondern dass der Staat unterlassen hat, ihn vor der unautorisierten Verwendung seines Vornamens durch die Gesellschaft zu schützen. Die vorliegende Beschwerde verlangt eine Prüfung des angemessenen Gleichgewichts, das zwischen dem Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privatlebens unter dem Blickwinkel der dem Staat nach Artikel 8 der Konvention obliegenden positiven Pflichten und der Meinungsfreiheit der Gesellschaft nach Artikel 10 der Konvention herzustellen ist, der auch auf kommerzielle Meinungsäußerungen Anwendung findet (m. und B. ./. Deutschland, 20. November 1989, Rdnr. 26, Serie A Band 165), da er „jeder Person“ die Freiheit der Meinungsäußerung zusichert, ohne danach zu unterscheiden, ob dies unter Umständen in Gewinnerzielungsabsicht geschieht (K. ./. Schweden (Entsch.), Nr. 40397/12, 19. Februar 2013).

47. Die Wahl der Maßnahmen, mit denen die Einhaltung der Bestimmungen des Artikels 8 der Konvention im Verhältnis zwischen Privatpersonen gewährleistet werden soll, fällt grundsätzlich in den Ermessensspielraum der Konventionsstaaten, unabhängig davon, ob es sich um positive oder negative Verpflichtungen des Staates handelt. Dieser Ermessensspielraum ist grundsätzlich der gleiche, der den Vertragsstaaten auch nach Artikel 10 der Konvention zusteht, um über die Notwendigkeit und das Ausmaß eines Eingriffs in die durch diesen Artikel geschützte Freiheit der Meinungsäußerung zu entscheiden (Rechtssache H. ./. Deutschland (Nr. 2), Nrn. 40660/08 und 60641/08, Rdnr. 106, 7. Februar 2012, Rdnr. 106; und vorgenannte RechtssacheS. AG, Rdnr. 87). Der Gerichtshof ruft in Erinnerung, dass der Ermessensspielraum der Vertragsstaaten im kommerziellen Bereich besonders groß ist (M. ./. Schweiz [GK], Nr. 16354/06, Rdnr. 61, CEDH 2012 (Auszüge); D. und andere ./. Frankreich, Nr. 36769/08, Rdnr. 39, 10. Januar 2013).

48. Dieser Spielraum geht allerdings mit einer europäischen Kontrolle einher, die sowohl die Rechtsvorschriften als auch die Entscheidungen über deren Anwendung umfasst, selbst wenn diese von einem unabhängigen Gericht erlassen werden. Bei der Ausübung seiner Kontrollbefugnis ist es nicht Aufgabe des Gerichtshofs, an die Stelle der innerstaatlichen Gerichte zu treten, sondern es obliegt ihm, im Licht aller Umstände des Falles zu prüfen, ob die von den Gerichten aufgrund ihrer Ermessensbefugnis erlassenen Entscheidungen mit den geltend gemachten Konventionsbestimmungen in Einklang stehen. Haben die innerstaatlichen Instanzen die Abwägung in Übereinstimmung mit den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs niedergelegten Kriterien vorgenommen, bedarf es für den Gerichtshof gewichtiger Gründe, um die Ansicht der innerstaatlichen Gerichte durch die eigene zu ersetzen (M. ./. Vereinigtes Königreich, Nr. 39401/04, Rdnrn. 150 und 155, 18. Januar 2011; vorgenannte Rechtssache H. ./. Deutschland (Nr. 2), Rdnr. 107; L. und S. ./. Norwegen, Nr. 13258//09, Rdnrn. 33 und 44, 16. Januar 2014).

49. Der Gerichtshof hat in seinen vorgenannten Urteilen H: (Nr. 2) und S. die für die Abwägung des Rechts auf Achtung des Privatlebens und des Rechts auf freie Meinungsäußerung einschlägigen Kriterien zusammengefasst: Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse, Bekanntheitsgrad der betroffenen Person, Gegenstand der Berichterstattung, vorheriges Verhalten der betroffenen Person und Inhalt, Form und Auswirkungen der Veröffentlichung (vorgenannte Rechtssache H. (Nr. 2), Rdnrn. 108-113, vorgenannte Rechtssache S., Rdnrn. 89-95; siehe auch T. ./. Rumänien, Nr. 3490/03, Rdnr. 41, 19. Juni 2012).

50. Hinsichtlich einer Debatte von allgemeinem Interesse weist der Gerichtshof darauf hin, dass die deutschen Gerichte herausgestellt haben, dass sich die streitgegenständliche Werbeanzeige insofern auf ein Thema von öffentlichem Interesse beziehe, als sie in humorvoller Weise das Geschehen bei der Veröffentlichung des Buches des Beschwerdeführers aufgegriffen hat, und zwar kurz nach der Buchveröffentlichung und im Rahmen einer Debatte, über die anschließend in den Medien berichtet worden war. Der Gerichtshof ist bereit, zuzustimmen, dass die Werbung, wenn sie in diesem Zusammenhang und als Satire gesehen wird – was eine in seiner Rechtsprechung anerkannte Form künstlerischen Ausdrucks und sozialkritischen Kommentars ist (siehe S. ./. Portugal, Nr. 41665/07, Rdnr. 27, 20. Oktober 2009;E. ./. Frankreich, Nr. 26118/10, Rdnr. 60, 14. März 2013) –, zumindest in gewissem Maß zu einer Debatte von allgemeinem Interesse beigetragen hat (siehe, K.u.I. ./. Finnland, Nr. 53678/00, Rdnr. 45, CEDH 2004-X; H. ./. Deutschland (Nr. 3), Nr. 8772/10, Rdnr. 52, 19. September 2013).

51. Was den Bekanntheitsgrad des Beschwerdeführers anbelangt, so hebt der Gerichtshof hervor, dass die deutschen Gerichte sich zwar nicht ausdrücklich mit dieser Frage befasst, aber, indem sie die Sache des Beschwerdeführers mit denjenigen anderer bekannter Personen verglichen oder die Frage geprüft haben, ob der Image- oder Werbewert des Beschwerdeführers ausgenutzt wurde, deutlich darauf hingewiesen haben, dass der Bekanntheitsgrad des Beschwerdeführers außer Zweifel stand. Es ist im Übrigen festzustellen, dass die Gesellschaft seinen Vornamen offensichtlich nicht verwendet hätte, wenn der Beschwerdeführer dem Publikum nicht hinlänglich bekannt gewesen wäre. Der Gerichtshof folgert daraus, dass der Beschwerdeführer zu den im öffentlichen Leben stehenden Personen gehört, die nicht den gleichen Schutz ihres Rechts auf Achtung ihres Privatlebens wie der Öffentlichkeit unbekannte Privatpersonen beanspruchen können (vorerwähnte Rechtssache H. (Nr. 2), Rdnr. 110; vorerwähnte RechtssacheS., Rdnr. 91).

52. In Bezug auf die in Rede stehende Werbung stellt der Gerichtshof fest, dass diese lediglich auf das Erscheinen des Buches des Beschwerdeführers und die sich anschließenden Rechtsstreitigkeiten anspielte, d.h. auf ein öffentliches Ereignis, das in den Medien kommentiert worden war. Die streitgegenständliche Werbeanzeige hatte keine Einzelheiten aus dem Privatleben des Beschwerdeführers dargelegt und außerdem nicht einmal die Aspekte des Privatlebens des Beschwerdeführers wiedergegeben, die er selbst in seinem Buch offenbart hatte (siehe zum Beweis des Gegenteils A. ./. Frankreich, Nr. 12268/03, Rdnr. 53, 23. Juli 2009).

53. Was das frühere Verhalten des Beschwerdeführers anbelangt, haben die deutschen Gerichte hervorgehoben, dass der Beschwerdeführer sich durch die Veröffentlichung des Buches selbst ins Rampenlicht begeben und aus eigenem werblichen Interesse die Öffentlichkeit selbst gesucht hatte. Der Gerichtshof kann den Schlussfolgerungen der deutschen Gerichte beipflichten, so dass angesichts der Bekanntheit des Beschwerdeführers seine „berechtigte Erwartung“, dass sein Privatleben tatsächlich geschützt wird, nur sehr begrenzt war (siehe entsprechend A. vorgenannte Rechtssache, Rdnr. 53; vorgenannte Rechtssache S. Rdnr. 101).

54. Im Hinblick auf den Inhalt, die Form und die Auswirkungen der Werbung merkt der Gerichtshof an, dass die deutschen Gerichte herausgestellt haben, dass die Werbeanzeige keine herabsetzenden oder negativen Elemente in Bezug auf den Beschwerdeführer enthielt (vgl. A.vorgenannte Rechtssache, Rdnr. 54), nicht deswegen abwertend war, weil sie eine Zigarettenmarke bewarb, wohingegender Beschwerdeführer erklärt, Nichtraucher zu sein, und auch nicht suggerierte, dass sich der Beschwerdeführer in irgendeiner Weise mit dem dargestellten Produkt identifiziere. Hierzu macht die Regierung deutlich, dass die Werbung keineswegs den Eindruck vermittele, der Beschwerdeführer werbe persönlich für die Zigaretten oder stehe damit in Verbindung.

55. Der Gerichtshof hebt hervor, dass es Fragen im Hinblick auf Artikel 8 der Konvention aufwerfen kann, den Namen einer Persönlichkeit mit einem beworbenen Produkt ohne deren Einwilligung in Verbindung zu bringen, vor allem dann, wenn das dargestellte Produkt gesellschaftlich nicht akzeptiert ist oder zu ernsthaften ethischen oder moralischen Bedenken Anlass gibt. Er kann vorliegend jedoch den Schlussfolgerungen der innerstaatlichen Gerichte angesichts des humoristischen Charakters der streitgegenständlichen Werbeanzeige beipflichten, die im Übrigen Teil einer Werbekampagne der Gesellschaft war, die eine humoristische Verbindung zwischen der Darstellung einer Schachtel ihrer Zigarettenmarke und einem aktuellen Zeitgeschehen, an dem eine in der Öffentlichkeit bekannte Person beteiligt war, herstellen wollte (siehe z.B. H. ./. Deutschland, Nr. 53649/09, 19. Februar 2015). Wie das Landgericht festgestellt hat, gab es außerdem nur eine begrenzte Zahl an Personen, die in der Lage gewesen ist, den Bezug zwischen der Werbung und dem Beschwerdeführer herzustellen, weil in der Anzeige weder der Familienname erwähnt noch der Beschwerdeführer im Bild gezeigt wurde. Der Beschwerdeführer bestreitet dies im Übrigen nicht, wenn er zugibt, dass lediglich diejenigen Personen die Werbung verstehen konnten, die von seinen Rechtsstreitigkeiten hinsichtlich des Erscheinens seines Buches auf dem Laufenden waren.

56. Der Beschwerdeführer behauptet insbesondere, der Bundesgerichtshof habe seine Klage vor allem deswegen abgewiesen, weil die Meinungsfreiheit der Gesellschaft einen höheren Rechtsschutz als sein Recht auf Achtung seines Privatlebens genieße. Das hohe Gericht habe daher keine wirkliche Abwägung getroffen, die diese Bezeichnung verdiene. Die Regierung behauptet, dass der Bundesgerichtshof eine Abwägung vorgenommen habe, als er sich mit der Frage auseinandersetzte, ob dem Beschwerdeführer die geforderte Lizenzgebühr zuzubilligen sei.

57. Der Gerichtshof stellt fest, dass einige Passagen des Urteils des Bundesgerichtshofs den Eindruck zu erwecken scheinen, dass die Meinungsäußerungsfreiheit der Gesellschaft allein wegen ihrer Verankerung im Verfassungsrecht im vorliegenden Fall mehr Gewicht hat als das Persönlichkeitsrecht und das Recht des Beschwerdeführers auf den Namen, die nur einfachrechtlich geschützt seien. Er merkt an, dass der Bundesgerichtshof dieses abgestufte Schutzkonzept den Schlussfolgerungen des Oberlandesgericht offensichtlich gegenübergestellt hat, das seinerseits behauptet hatte, in solchen Fällen habe das Persönlichkeitsrecht stets Vorrang vor der Meinungsäußerungsfreiheit der Werbeagentur (siehe Randnummer 24 oben).

58. Der Gerichtshof ruft in Erinnerung, dass es nicht seine Aufgabe ist, die einschlägigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder die einschlägige innerstaatliche Praxis in abstrakter Form zu prüfen, sondern dass er sich mit der Art und Weise auseinandersetzen muss, in der diese im vorliegenden Fall auf den Beschwerdeführer angewandt wurden (siehe vorgenannte Rechtssache H. (Nr. 2), Rdnr. 116; vorgenannte Rechtssache K. u. I.Rdnr. 49; und, sinngemäß, E. ./. Deutschland [GK], Nr. 25735/94, Rdnr. 59, CEDH 2000‑VIII). Hierzu macht er zunächst darauf aufmerksam, dass der Bundesgerichtshof klargestellt hat, dass allein die vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts einfachrechtlich geschützt seien, während die Persönlichkeitsrechte Teil der verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte seien, soweit sie dem Schutz ideeller Interessen dienen. Der Gerichtshof hebt ferner hervor, dass der Bundesgerichtshof die Umstände der Rechtssache berücksichtigt hat, nämlich den sowohl kommerziellen als auch humoristischen Charakter der fraglichen Werbung, ihre Verbreitung kurz nach dem Erscheinen des Buches des Beschwerdeführers und im Rahmen einer Debatte in den Medien in Bezug auf dieses Buch, und das Fehlen herabsetzender oder negativer Elemente hinsichtlich des Beschwerdeführers oder seines Imagewertes und des früheren Verhaltens des Beschwerdeführers gegenüber der Öffentlichkeit.

59. Nach Ansicht des Gerichtshofs hat der Bundesgerichtshof demnach eine umfassende Abwägung der fraglichen konkurrierenden Interessen vorgenommen und ist zu dem Schluss gelangt, dass unter den Umständen der ihm vorliegenden Rechtssache der Meinungsäußerungsfreiheit der Gesellschaft Vorrang einzuräumen und die Gewährung einer fiktiven Lizenzgebühr zugunsten des Beschwerdeführers abzulehnen war, dem gegenüber die Gesellschaft sich bereits verpflichtet hatte, die streitgegenständliche Werbeanzeige nicht mehr zu verbreiten.

60. Unter diesen Umständen und angesichts des weiten Ermessensspielraums, der den innerstaatlichen Gerichten in der Sache zusteht (siehe Randnummer 47 oben), wenn sie konkurrierende Interessen abwägen, folgert der Gerichtshof, dass der Bundesgerichtshof seine positiven Verpflichtungen gegenüber dem Beschwerdeführer aus Artikel 8 der Konvention nicht verletzt hat. Daher ist diese Bestimmung nicht verletzt worden.

II. DIE BEHAUPTETE VERLETZUNG DES ARTIKELS 1 DES PROTOKOLLS NR. 1

61. Der Beschwerdeführer ist der Meinung, dass die Weigerung des Bundesgerichtshofs, ihm die geforderte fiktive Lizenzgebühr zu gewähren, auch eine Verletzung seines Eigentumsrechts im Sinne des Artikels 1 des Protokolls Nr. 1 bedeutet, der wie folgt lautet:

„Jede natürliche oder juristische Person hat das Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, dass das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen.

Die vorangegangenen Absätze beeinträchtigen jedoch nicht das Recht des Staates, diejenigen Gesetze anzuwenden, die er für die Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mit dem Allgemeininteresse oder zur Sicherung der Zahlung der Steuern oder sonstigen Abgaben oder von Geldstrafen für erforderlich hält“.

62. Die Regierung behauptet, der Schutzbereich des Artikels 1 des Protokolls Nr. 1 sei nicht eröffnet, da die Werbung nur eine Verbindung zwischen einem sehr gebräuchlichen Vornamen und den Ereignissen herstellte, für die der Beschwerdeführer selbst verantwortlich sei. Eine solche Verbindung könne nicht als vermögenswertes Recht anerkannt werden. Die Regierung führt weiter aus, dass die vom Beschwerdeführer geforderte fiktive Lizenzgebühr kein von Artikel 1 des Protokolls Nr. 1 geschütztes vermögenswertes Recht darstelle, da der Bundesgerichtshof als oberstes Zivilgericht festgestellt habe, dass dieser Anspruch des Beschwerdeführers nicht besteht. Sie fügt hinzu, dass selbst bei der Annahme, dass ein Eingriff in ein von Artikel 1 des Protokolls Nr. 1 anerkanntes Recht stattgefunden hat, dieser Eingriff aus den in der Stellungnahme zu Artikel 8 der Konvention dargelegten Gründen gerechtfertigt gewesen wäre.

63. Der Beschwerdeführer behauptet, sein Werbewert sei nicht zu bestreiten und durch Artikel 1 des Protokolls Nr. 1 geschützt, weil ein wesentlicher Bestandteil seines Einkommens aus Werbeverträgen herrühre. Der vermögensrechtliche Zuweisungsgehalt des Persönlichkeitsrechts sei häufig der Ertrag der Tätigkeit von Personen aus den Bereichen Sport, Kunst oder Kultur und wäre demnach mit dem Recht am geistigen Eigentum vergleichbar, das den Schutz des Artikels 1 des Protokolls Nr. 1 genieße. Der Bundesgerichtshof habe im Übrigen den kommerziellen Wert des Namens einer bekannten Person schon vor seinem in der Sache ergangenen streitgegenständlichen Urteil anerkannt und würde im Falle eines unbefugten Eingriffs ein Recht auf Entschädigung zubilligen. Der Beschwerdeführer folgert, dass die verlangte fiktive Lizenzgebühr nach deutschem Recht also hinlänglich feststand.

64. Die Drittbeteiligte ist der Auffassung, dass die vermögensrechtlichen Aspekte des Rechts auf Privatleben anders als das geistige Eigentum (A. ./. Portugal [GK], Nr. 73049/01, Rdnrn. 66-72, CEDH 2007‑I) kein von Artikel 1 des Protokolls Nr. 1 geschütztes Recht darstellen. Selbst bei der Annahme eines Eingriffs in diese Bestimmung wäre dieser jedenfalls aus den gleichen Gründen gerechtfertigt, die auch zu Artikel 8 der Konvention angeführt worden seien.

65. Der Gerichtshof hebt hervor, dass er nicht darüber zu entscheiden hat, ob der Beschwerdeführer nach innerstaatlichem Recht einen Anspruch auf eine fiktive Lizenzgebühr erheben konnte, so wie es die deutschen Gerichte und insbesondere der Bundesgerichtshof ausgelegt haben. Er ist nämlich der Auffassung, dass selbst bei der Annahme, es liege ein Eingriff in ein Eigentumsrecht des Beschwerdeführers vor, dieser Eingriff aus den zu Artikel 8 der Konvention dargelegten Gründen jedenfalls gerechtfertigt gewesen wäre.

66. Hieraus ergibt sich, dass diese Rüge offensichtlich unbegründet und nach Artikel 35 Absatz 3 Buchstabe a und 4 der Konvention zurückzuweisen ist.

AUS DIESEN GRÜNDEN ENTSCHEIDET DER GERICHTSHOF WIE FOLGT:

1. Er erklärteinstimmig die Beschwerde in Bezug auf die Rüge aus Artikel 8 der Konvention für zulässig und den übrigen Teil der Beschwerde für unzulässig;

2. Er entscheidet mit sechs zu einer Stimme, dass Artikel 8 der Konvention nicht verletzt worden ist.

Ausgefertigt in französischer Sprache und anschließend am 19. Februar 2015 gemäß Artikel 77 Absatz 2 und 3 der Verfahrensordnung schriftlich übermittelt.

Claudia Westerdiek                                         Mark Villiger
Kanzlerin                                                          Präsident

_______________

Diesem Urteil ist gemäß Artikel 45 Absatz 2 der Konvention und Artikel 74 Absatz 2 der Verfahrensordnung die abweichende Meinung des Richters Zupančič beigefügt.

M.W.
C.W.

ABWEICHENDE MEINUNG DES RICHTERS ZUPANČIČ

(Übersetzung)

Ich bedaure, mich in dieser Rechtssache nicht der Mehrheit anschließen zu können. Ich glaube nämlich, dass die deutschen Gerichte unterhalb des Bundesgerichtshofs weitgehend eine richtigere Sichtweise der Sache hatten.

In meinen Augen ist die Aufhebung ihrer Entscheidungen keineswegs überzeugend.

Im Mittelpunkt der Kontroverse, wie sie vom Bundesgerichtshof definiert wird (Rdnr. 24 des Urteils der Mehrheit), steht die zwischen den Persönlichkeitsrechten des Herrn B. und der Meinungsfreiheit herzustellende Hierarchie.

Den deutschen Vorschriften betreffend die Persönlichkeitsrechte des Herrn B. entspricht auf internationaler Ebene Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention („die Konvention“). Die Behauptung, die deutsche Rechtsordnung stufe sie unterhalb des verfassungsmäßigen Schutzes der Meinungsfreiheit ein, hat daher möglicherweise einen Sinn innerhalb dieser Rechtsordnung – auch wenn ich eine solche Auffassung für äußerst formalistisch halte –, jedoch trifft dies auf internationaler Ebene offensichtlich nicht zu. Es kann a priori keinen Vorrang der Meinungsfreiheit gegenüber den von Artikel 8 der Konvention garantierten Persönlichkeitsrechten geben.

Der Bundesgerichtshof hat zwar den vermögensrechtlichen Aspekt angesprochen, d.h. den Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Herrn B.. Er war der Meinung, dieser Entschädigungsaspekt könne nicht mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Meinungsfreiheit auf eine Stufe gesetzt werden. Dies ist auf jeden Fall verwunderlich. Wie kann man das Remedium (im vorliegenden Fall die Entschädigung wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte) von dem Recht selbst trennen? Das Recht und das Remedium sind die beiden Facetten desselben Konzepts.

Im Übrigen ist die Botschaft, welche die Werbung vermittelt, eindeutig. Es wird suggeriert, dass Herr B. die angeführten Schreibfehler nicht begangen hätte, wenn er „L“ Zigaretten geraucht hätte. Die glimmende Zigarette auf der Schachtel ist somit als deutliche Empfehlung zu verstehen. Die Werbebotschaft ist nicht einmal unterschwellig; sie ist kategorisch und vielsagend.

Wir sprechen hier überdies von der Meinungsäußerungsfreiheit der British Tobacco Company, die Herrn B. zu offensichtlich rein kommerziellen Zwecken verspottet.

Diese Werbebotschaft eines Tabakkonzerns hat keinerlei erlösende Kraft Es ist keine Botschaft mit irgendeiner gesellschaftlichen Zweckbestimmtheit, es sei denn, man vertritt die Auffassung diese gesellschaftliche erlösende Kraft)würde darin bestehen, Zigaretten zu rauchen.

In dem sehr ehrenwerten gesellschaftlichen Kontext des Kampfes gegen das Rauchen – ein gesellschaftlich anerkanntes Ziel! – ist die Tabakwerbung hingegen sicher kein Bereich, der unter den Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit fällt. Ich halte dies selbst unabhängig von den Beschwerden von Herrn B. grundsätzlich für zutreffend. Morgen schon könnten wir mit einer Sache befasst werden, bei der die von den Mitgliedstaaten der Tabakwerbung auferlegten Einschränkungen im Namen der Meinungsfreiheit angefochten werden. Die vorliegende Sache könnte in dem Fall als einschlägiger Präzedenzfall zitiert werden.

Es ist nachvollziehbar, dass Herr B.– als Nichtraucher – sich verletzt fühlt und gegen die missbräuchliche Verwendung seines Namens und Vorgehens in einer Werbekampagne für den Tabakkonsum vorgegangen ist.

Wie ich bereits in meiner übereinstimmenden Meinung in der Rechtssache Von H. ./. Deutschland (Beschwerde Nr. 59320/00, CEDH 2004) beschrieben habe, soll keiner, der selbst im Glashaus sitzt, mit Steinen werfen:

„Zwar bin ich der Meinung, dass die Unterscheidungen in der deutschen Rechtsordnung zwischen den verschiedenen Ebenen zulässiger Veröffentlichung allzu sehr der Begriffsjurisprudenz zuzuordnen sind. Gleichwohl ist meines Erachtens das Kriterium des Ausgleichs zwischen dem Informationsrecht der Öffentlichkeit einerseits und dem Recht auf Schutz der Privatsphäre der betroffenen Person andererseits in angemessener Weise anzuwenden. Wer freiwillig die öffentliche Bühne betritt, kann nicht behaupten, eine Privatperson mit einem Anrecht auf Anonymität zu sein. Die Mitglieder der Königsfamilien, Schauspieler, Akademiker, Politiker usw. erfüllen ihre Aufgabenin der Öffentlichkeit. Sie können die Öffentlichkeit zwar scheuen, ihr Bild ist aber per definitionem in gewisser Weise Allgemeingut.

Ich möchte mich hier nicht so sehr auf das Informationsrecht der Allgemeinheit konzentrieren – dieses Recht gilt zunächst und vor allen Dingen für die Frage der Pressefreiheit und die jeweilige Verfassungsdoktrin –, sondern vielmehr auf die einfache Tatsache, dass es nicht möglich ist, Privatleben und Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch einen eisernen Vorhang voneinander zu trennen. Völlig incognito zu leben ist nur Robinson vergönnt; was die gewöhnlichen Sterblichen anbelangt, so ruft jeder von ihnen mehr oder weniger das Interesse des anderen hervor.

Der Schutz der Privatsphäre ist hingegen das Recht, nicht belästigt zu werden. Jeder kann erwarten, nicht belästigt zu werden, sofern jedenfalls sein Privatleben sich nicht mit demjenigen eines anderen überschneidet. Juristische Begriffe wie Verleumdung, Beleidigung usw. bestätigen auf ihre Weise dieses Recht und die Grenzen, die es anderen untersagen, es zu verletzen. Die Doktrin des Persönlichkeitsrechts nach dem deutschen Privatrecht verleiht dem Schutz der Privatsphäre einen größeren konzentrischen Kreis. (…) Die Doktrin des Persönlichkeitsrechts verankert ein höheres zivilisiertes Niveau in den zwischenmenschlichen Beziehungen.

Es ist an der Zeit, dass das Pendel zu einem anderen Ausgleich zwischen Privatem und Geschütztem sowie Öffentlichem und Nichtgeschütztem zurückschwingt.

Es stellt sich hier die Frage, wie ein solcher Ausgleich sichergestellt und festgelegt werden kann. (…) Ich bin aber der Auffassung, dass er ein anderes Kriterium hätte anwenden können, nämlich dasjenige, das er seinem Urteil in der Rechtssache H. ./. Vereinigtes Königreich (25. Juni 1997, Sammlung der Urteile und Entscheidungen, 1997-III) angewandt hat, wo er sich die Frage stellte, ob die betroffene Person „mit Recht an den privaten Charakter“ der fraglichen Anrufe „glauben konnte“.

Der Rahmen des Strafverfahrens und die Nutzung von Beweismaterial, das unter Verletzung des Grundsatzes des Schutzes von Elementen erlangt wurde, die in der Rechtssache H.zu Recht als privat gelten konnten, hindern den Gerichtshof nicht daran, dasselbe Kriterium in Fällen wie diesem zu benutzen. Die Frage nämlich, ob die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens war oder nicht, stellt sich demnach nicht mehr; das vorgeschlagene Kriterium, das darauf abzielt festzulegen, ob die Person, die sich als Opfer einer Verletzung ihrer Privatsphäre sieht und mit Recht an den privaten Charakter der strittigen Situation glauben konnte, gestattet in jedem neuen Fall einen nuancierten Ansatz. (…)

Natürlich sollte eine umständliche Argumentation vermieden werden. Der Umstand, dass jemand „mit Recht“ an den privaten Charakter einer Situation glaubt, könnte sich auf die vorgenannte Gewichtung reduzieren. Wenn aber geltend gemacht wird, dass jemand „mit Recht“ glaubt, bedeutet dies, sich auch auf den gesunden Menschenverstand zu berufen, der uns sagt, dass jemand, der im Glashaus sitzt, nicht mit Steinen werfen sollte.“

Die Behauptung, dass jeder, der ein Buch veröffentlicht, die Werbung sucht, ist eine Tautologie. Darauf zielt eben jeder Werbevorgang ab. Der Bundesgerichtshof geht jedoch zu weit, wenn er behauptet, dass Herr B. selbst und im eigenen Interesse die Werbung gesucht habe (Randnummer 26 des Urteils) und er infolgedessen Opfer einer negativen Werbung geworden sei, weil er ein Buch veröffentlicht hat.

Zuletzt aktualisiert am Januar 2, 2021 von eurogesetze

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