Zweiter Bericht über Liechtenstein. verabschiedet am 28. Juni 2002. Straßburg, den 15. April 2003

Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz

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Zweiter Bericht über Liechtenstein

verabschiedet am 28. Juni 2002
Straßburg, den 15. April 2003

Vorwort

Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) ist ein Organ des Europarates, das sich aus unabhängigen Mitgliedern zusammensetzt. Ihr Ziel ist die Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz auf gesamteuropäischer Ebene im Hinblick auf den Schutz der Menschenrechte.

Einer der Pfeiler des Arbeitsprogramms von ECRI ist der länderspezifische Ansatz, bei dem die Situation in Bezug auf Rassismus und Intoleranz in jedem Mitgliedstaat des Europarates analysiert wird und Vorschläge zur Lösung der aufgezeigten Probleme unterbreitet werden.

Ende 1998 schloss ECRI die erste Runde der Länderberichte über alle Mitgliedstaaten ab. Der erste Bericht von ECRI über Liechtenstein stammt vom 7. Februar 1997 (veröffentlicht im März 1998). Die zweite Phase des länderspezifischen Ansatzes begann im Januar 1999 und beinhaltet die Ausarbeitung eines zweiten Berichts über jeden Mitgliedstaat. Ziel dieses zweiten Berichts ist die Weiterverfolgung der Vorschläge aus den ersten Berichten, die Aktualisierung der hierin enthaltenen Informationen sowie eine tiefgreifendere Analyse einiger Themen, die in dem betroffenen Land von besonderem Interesse sind.

Ein wichtiger Teil der länderspezifischen Arbeit von ECRI ist der vertrauliche Dialog mit den nationalen Behörden des betroffenen Landes, bevor der Bericht endgültig angenommen wird. In der zweiten Runde der Länderberichte werden nun als neues Vorgehen Kontaktbesuche für die Berichterstatter von ECRI organisiert, bevor der zweite Bericht ausgearbeitet wird.

Der Kontaktbesuch in Liechtenstein fand am 13. und 14. März 2002 statt. Bei diesem Besuch trafen die Berichterstatter mit Vertretern der verschiedenen Ministerien und der öffentlichen Verwaltungen zusammen, die für die Fragen, die in den Aufgabenbereich von ECRI fallen, zuständig sind. ECRI dankt den nationalen Behörden in Liechtenstein für die gute Zusammenarbeit bei der Organisation der Kontaktbesuche, insbesondere den verschiedenen Vertretern, die die Delegation empfangen haben, sowie dem nationalen Verbindungsbeamten von Liechtenstein für die Effizienz und Zusammenarbeit, die die Berichterstatter von ECRI sehr schätzten.

Weiterhin möchte ECRI allen Vertretern der NGOs, mit denen die Berichterstatter bei ihrem Kontaktbesuch zusammenkamen, für die nützlichen Beiträge danken, die sie geleistet haben.

Der folgende Bericht wurde von ECRI in Eigenverantwortung verfasst. Er behandelt die Lage am 28. Juni 2002. Alle Entwicklungen nach diesem Zeitpunkt werden von der folgenden Analyse nicht abgedeckt oder bei den Schlussfolgerungen und Vorschlägen von ECRI in Betracht gezogen.

Zusammenfassung

Seit der Veröffentlichung des ersten Berichtes von ECRI hat Liechtenstein zahlreiche bedeutende Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Intoleranz ergriffen, darunter die Ratifizierung mehrerer wichtiger internationaler Rechtsinstrumente in diesem Bereich, die Annahme neuer Bestimmungen des Strafrechts zur Bekämpfung von Rassismus, die Entwicklung einer Strategie zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und der Beginn einer Bewusstseinsbildung über die Notwendigkeit einer besseren Integration der großen Zahl von Nichtstaatsangehörigen in die Gesellschaft.

Allerdings gibt es weiterhin einige Probleme. Insbesondere ein gewisses Interesse von Jugendlichen für Rechtsextremismus gibt Anlass zur Besorgnis. Für die meisten Lebensbereiche gibt es weder Kenntnisse noch Daten über das mögliche Ausmaß von Diskriminierung und Rassismus. Daher sind eine klare und ausführliche Grundsatzerklärung sowie eine Strategie zur Integration der ausländischen Bevölkerung in die Gesellschaft auszuarbeiten und umzusetzen.

Im vorliegenden Bericht empfiehlt ECRI den liechtensteinischen Behörden in mehreren Bereichen Maßnahmen zu ergreifen. Insbesondere wird empfohlen: Die Ratifizierung weiterer internationaler Rechtsinstrumente und die Annahme eines nationalen Anti-Diskriminierungsgesetzes, die Ausarbeitung umfassender und verlässlicher Methoden zur Überwachung von Rassismus und Diskriminierung, die Weiterverfolgung der Strategien zur Bekämpfung von rechtsextremistischen Tendenzen und die Entwicklung und Umsetzung einer detaillierten und konkreten Integrationsstrategie einschließlich Maßnahmen, welche eine weitere Erleichterung des Zugangs zur Staatsbürgerschaft für Ausländer bringt, die seit längerer Zeit in Liechtenstein wohnen.

TEIL I: ÜBERBLICK ÜBER DIE SITUATION

A. Internationale Rechtsinstrumente

1. Liechtenstein hat zahlreiche internationale Rechtsinstrumente zur Bekämpfung von Rassismus und Intoleranz unterzeichnet und ratifiziert. Viele dieser Instrumente wurden seit der Veröffentlichung des ersten Berichts von ECRI ratifiziert. ECRI begrüßt insbesondere, dass Liechtenstein das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung ratifiziert hat, was ein großer Fortschritt seit der Veröffentlichung des ersten Berichts von ECRI bedeutet. Liechtenstein beabsichtigt, eine Erklärung gemäß Artikel 14 dieses Übereinkommens abzugeben, in der es die Befugnis des Ausschusses zur Beseitigung der Rassendiskriminierung zur Prüfung von Einzelbeschwerden anerkennt. ECRI ermutigt die Behörden, diesen Prozess so bald wie möglich zu Ende zu führen. ECRI begrüßt ebenfalls die Ratifizierung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten sowie der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, die beide seit Veröffentlichung des ersten Berichts von ECRI ratifiziert wurden. Außerdem stellt ECRI mit Genugtuung fest, dass Liechtenstein den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie den Internationalen Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte und das Fakultativprotokoll vom 16. Dezember 1966 ratifiziert hat.

2. Liechtenstein hat die Europäische Sozialcharta unterzeichnet, jedoch nicht ratifiziert. Die revidierte Europäische Sozialcharta hat Liechtenstein weder unterzeichnet noch ratifiziert. Derzeit wird die Ratifizierung der revidierten Sozialcharta geprüft und die Ratifizierung ist nach Klärung einiger technischer Fragen vorgesehen. ECRI fordert die Behörden auf, dieses Verfahren so bald wie möglich zu Ende zu bringen. Außerdem empfiehlt ECRI den liechtensteinischen Behörden nachdrücklich, das Protokoll Nr. 12 der Europäischen Menschenrechtskonvention (welches ein allgemeines Diskriminierungsverbot enthält) zu ratifizieren.

3. Liechtenstein hat folgende Vereinbarungen weder unterzeichnet noch ratifiziert: Das Übereinkommen der ILO über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf, die UNESCO-Konvention gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen, das Europäische Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit, das Europäische Übereinkommen über die Rechtsstellung der Wanderarbeiter und das Europäische Übereinkommen über die Beteiligung von Ausländern am kommunalen öffentlichen Leben. Liechtenstein scheint im Augenblick die Ratifizierung dieser Vereinbarungen nicht zu beabsichtigen. Gegenwärtig ist Liechtenstein weder Mitglied der ILO noch der UNESCO und laut den Behörden würde die Ratifizierung der anderen erwähnten Vereinbarungen angesichts der geltenden Gesetze und Regelungen für Nichtstaatsangehörige in Liechtenstein Schwierigkeiten aufwerfen. ECRI ist der Auffassung, dass Liechtenstein nichtsdestotrotz konkrete Schritte zur Unterzeichnung und Ratifizierung aller oben genannten Vereinbarungen ergreifen sollte, insbesondere angesichts bestimmter Fragen zur Situation von Nichtstaatsangehörigen in Liechtenstein, die im Folgenden in dem vorliegenden Bericht behandelt werden.

4. Liechtenstein hält sich an den Grundsatz, dass Verpflichtungen internationaler Verträge nur dann eingegangen werden sollten, wenn sie auch eingehalten werden können. Ein von Liechtenstein ratifiziertes internationales Abkommen geht in das innerstaatliche Recht über, nachdem es in Liechtenstein in Kraft getreten ist. Vorausgesetzt, dass die Bestimmungen eines Abkommens spezifisch genug als Grundlage für ein Gerichtsurteil sind, ist es nicht notwendig, ein eigenes Gesetz zu verabschieden, um den Vertrag in das innerstaatliche Recht aufzunehmen (Prinzip der unmittelbaren Anwendbarkeit). Gemäß der geltenden Praxis haben internationale Abkommen mindestens Gesetzesrang in der innerstaatlichen Rechtsordnung.

B. Verfassungsbestimmungen und andere Bestimmungen

5. Die Verfassung sieht in Artikel 31 vor, dass alle Staatsangehörigen vor dem Gesetz gleich sind und dass die Rechte der Ausländer durch die internationalen Verträge, oder in deren Ermangelung, durch das Gegenseitigkeitsprinzip geregelt werden. Die Liechtensteiner Behörden erklären, dass im Einklang mit diesem Grundsatz und nach Beitritt zu dem internationalen Übereinkommen über die Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, das Diskriminierungsverbot für alle Personen gilt, die auf dem Hoheitsgebiet von Liechtenstein leben. ECRI ist jedoch der Auffassung, dass die Möglichkeit einer Verfassungsänderung zu prüfen sei, welche ausdrücklich allen Personen, die unter die liechtensteinische Gerichtsbarkeit fallen, Gleichheit und andere Menschenrechte garantiert. Dies scheint insbesondere angesichts der beträchtlichen Zahl von Nichtstaatsangehörigen in Liechtenstein angemessen zu sein.

6. ECRI vermerkt mit Interesse, dass eine Gesetzesänderung betreffend den Staatsgerichtshof eingeführt werden soll. Diese sieht eine Ausweitung der Kompetenzen des Staatsgerichtshofs vor, der dann in Fällen angeblicher Verletzungen von Rechten, die sich aus dem Übereinkommen über die Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung ergeben, angerufen werden kann. So kann der Staatsgerichtshof als Gericht letzter Instanz auf nationaler Ebene intervenieren.

– Gesetzgebung zur Staatsangehörigkeit

7. Die liechtensteinische Staatsangehörigkeit ist auf dem Grundsatz der Abstammung (ius sanguinis) begründet. Bis 1996 konnte die Staatsangehörigkeit durch Geburt nur durch den Vater übertragen werden. Seitdem kann sie jedoch sowohl durch die Mutter als auch durch den Vater übertragen werden. Bei der Einbürgerung gibt es drei Möglichkeiten die Staatsangehörigkeit zu erwerben. Zwei gründen sich auf die Erfüllung bestimmter rechtlicher Bedingungen, die dritte ist dem Ermessen überlassen.

8. Die Staatsangehörigkeit kann erstens durch Eheschließung mit einer Person, welche die liechtensteinische Staatsbürgerschaft hat, erworben werden. Für eine solche Einbürgerung muss eine Ehe seit mindestens drei Jahren bestehen und die Person muss sich seit zwölf Jahren in Liechtenstein aufhalten (die Ehejahre zählen doppelt). Die betreffende Person muss ihre alte Staatsangehörigkeit aufgeben, um die liechtensteinische Staatsangehörigkeit annehmen zu können. Personen, die während dieser zwölf Jahre verwitwet oder geschieden wurden, können ebenfalls eine Einbürgerung anstreben.

9. Die zweite Möglichkeit zum Erwerb der Staatsangehörigkeit wird durch das Gesetz über die erleichterte Einbürgerung vom April 2000 geregelt. Der Annahme dieses Gesetzes ging eine dreijährige Initiative der „Aktion Miteinander“ voraus, die der Fürst von Liechtenstein, der Staat und Privatpersonen finanzierten. Diese Initiative sollte die Aufnahme von Ehepartnern und Kindern liechtensteinischer Staatsangehöriger, von Ausländern, die seit langer Zeit im Land leben, und von Staatenlosen erleichtern sowie die Verfahren zur Einbürgerung oder zum Erwerb der doppelten Staatsangehörigkeit für diese Personen vereinfachen. Für den Erwerb der Staatsangehörigkeit nach diesem Gesetz muss sich eine Person seit dreißig Jahren ständig in Liechtenstein aufgehalten haben. Bis zum Alter von zwanzig Jahren zählen die in Liechtenstein verbrachten Jahre doppelt. Eine Prüfung des Strafregisters der Person (es darf keine Verurteilung zu einer Strafe von mehr als drei Jahren Gefängnis enthalten) und ihres Verhaltens sind ebenfalls vorgesehen. Auch in diesem Fall muss die Person auf ihre alte Staatsangehörigkeit verzichten, um die liechtensteinische Staatsangehörigkeit zu erwerben.

10. Drittens kann die Einbürgerung nach fünf Jahren ständigen Wohnsitzes beantragt und in einem Ermessensverfahren erworben werden. Dieses Verfahren beinhaltet eine geheime Abstimmung der Mitglieder der Gemeinde, in der die betreffende Person wohnhaft ist (ein Bürger von Liechtenstein ist nicht nur Bürger des Staates, sondern auch Bürger einer Gemeinde). Auch in diesem Fall muss die betreffende Person, auf ihre alte Staatsangehörigkeit verzichten.

11. Auch wenn ECRI anerkennt, dass durch das Gesetz über die erleichterte Einbürgerung Maßnahmen zur Vereinfachung der Einbürgerung von Nichtstaatsangehörigen ergriffen worden sind, ist sie doch der Auffassung, dass die Bedingungen zur Gewährung der Staatsangehörigkeit immer noch zu restriktiv sind. ECRI findet insbesondere, dass die geforderten dreißig Jahre ständigen Aufenthaltes zu lang sind und die Verpflichtung, die alte Staatsangehörigkeit in jedem Fall aufzugeben, vermutlich zahlreiche Personen abschreckt, die liechtensteinische Staatsangehörigkeit zu beantragen. ECRI zeigt sich insbesondere darüber beunruhigt, dass der Erwerb der Staatsangehörigkeit in dem verkürzten Verfahren einer Abstimmung der Bevölkerung unterliegt. Denn ECRI ist der Ansicht, dass dieses System auf keinen objektiven oder messbaren Kriterien beruht und sich diskriminierend auf Personen bestimmter Herkunft, welche mit einem höheren Ausmass an Vorurteilen und Intoleranz konfrontiert werden könnten, auswirken kann. Es wurde in der Tat darauf hingewiesen, dass nur sehr wenige Personen die Staatsangehörigkeit auf diesem Wege beantragten und dass es für Personen bestimmter Herkunft praktisch unmöglich ist, die Staatsangehörigkeit auf diesem Wege zu erwerben. ECRI empfiehlt, die Anwendung des Gesetzes über die erleichterte Einbürgerung, das vor kurzem angenommen wurde, streng zu überwachen, um festzustellen, inwieweit es von Ausländern, die seit längerer Zeit im Land wohnen, benutzt wird. Auch sollte der notwendige Mindestaufenthalt für einen Antrag auf Einbürgerung verringert werden. ECRI empfiehlt ebenfalls, das System, nach dem die Einwohner der Gemeinden über Anträge zum Erwerb der Staatsangehörigkeit in diesem Ermessensverfahren entscheiden, erneut zu überprüfen, insbesondere angesichts der diskriminierenden Auswirkungen, die dieses für Personen aus bestimmten Gruppen mit sich bringen kann. Schließlich ist ECRI der Auffassung, dass die strengen Regeln, die die Beibehaltung der doppelten Staatsbürgerschaft beim Erwerb der liechtensteinischen Staatsangehörigkeit verhindern, gelockert werden sollten.

C. Strafrechtliche Bestimmungen

12. Beim Beitritt zum Internationalen Übereinkommen über die Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung änderte Liechtenstein im Dezember 1999 Artikel 33, Absatz 5, und Artikel 283 des Strafgesetzbuches, um den Tatbestand der Rassendiskriminierung, der in der Öffentlichkeit von Privatpersonen begangen wird, unter Strafe zu stellen. Artikel 33, Absatz 5, sieht vor, dass Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und ähnliche Beweggründe erschwerende Umstände einer Straftat sind. Artikel 283 kriminalisiert die öffentliche Aufwiegelung zu Hass oder Diskriminierung gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen aufgrund ihrer Rasse, ihres ethnischen Ursprungs oder ihrer Religion; die öffentliche Verbreitung von Ideologien, die Mitglieder einer Rasse, Volksgruppe oder religiösen Gruppe systematisch verleumden oder diffamieren; die Organisation oder Förderung von Propagandaaktivitäten zu diesen Zwecken oder die Beteiligung an Aktivitäten dieser Art; die öffentliche elektronische Verbreitung von Symbolen, Gesten, Darstellungen von Gewaltakten oder jedes anderen Inhalts zur Verleumdung einer Person oder einer Personengruppe oder zur Diskriminierung dieser aufgrund ihrer Rasse usw.; das Ableugnen, das Verharmlosen oder die Rechtfertigung des Völkermordes und anderer ähnlicher Verbrechen; die Weigerung, einer Person oder Personengruppe aufgrund ihrer Rasse usw. eine öffentliche Dienstleistung zu erbringen und die Beteiligung an oder der Beitritt zu einer Vereinigung, die die Rassendiskriminierung vertritt oder dazu aufruft.

13. Artikel 321 des Strafgesetzbuches garantiert Personen oder Personengruppen, die sich durch ihre Religion, Rasse, ethnischen Ursprung, Kultur oder Staatsangehörigkeit unterscheiden, einen besonderen Schutz und stuft den Völkermord als gesetzlich strafbares Verbrechen ein.

14. Die liechtensteinische Staatsanwaltschaft hat in einigen Fällen von Aufwiegelung zu Hass und in einer Rechtssache, bei der es um Rassendiskriminierung und andere gesetzlich strafbare Gewaltakte ging, ein Strafverfahren eingeleitet. Angesichts der Tatsache, dass die neuen strafrechtlichen Bestimmungen über Rassismus erst vor kurzem verabschiedet wurden, sind bis heute nur wenige Urteile gefällt worden. ECRI verweist darauf, dass die Umsetzung der neuen geltenden Bestimmungen überwacht werden muss und dass insbesondere garantiert werden muss, dass die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Gerichte über ihren Inhalt informiert werden. Ferner muss garantiert werden, dass diese Bestimmungen bei der Bekämpfung von rassistischen Handlungen und Straftaten mit rassistischem Hintergrund eingesetzt werden. ECRI stellt ebenfalls das Fehlen von Statistiken über rassistische Zwischenfälle fest und fordert die Polizei und die Staatsanwaltschaft auf, ein System zur Überwachung, Klassifizierung und Registrierung von rassistischen Zwischenfällen, über welche sie informiert werden, sowie zur Weiterverfolgung von Fällen und der erzielten Ergebnisse einzurichten.

D. Bestimmungen des Zivil- und Verwaltungsrechts

– Gesetz über die Arbeitsverträge

15. Der Schutz der Arbeitnehmer ist in Artikel 27, Absatz 1 des Gesetzes über Arbeitsverträge festgelegt. Art. 46, Abs. 1, Bst. (a) des genannten Gesetzes sieht vor, dass der Abbruch einer Arbeitsbeziehung als unzulässig betrachtet wird, wenn er sich auf persönliche Merkmale, d.h. Rasse, Hautfarbe, Abstammung, Staatsangehörigkeit oder ethnischem Ursprung gründet. Jedoch scheint es keine Rechtsprechung zu diesem Artikel zu geben. ECRI ist der Auffassung, dass die Anwendung und die Umsetzung aufmerksam zu prüfen und zu überwachen sind, um sicherzustellen, dass Fälle von Diskriminierung im Bereich der Arbeit nicht ungestraft bleiben. ECRI fordert auch die Behörden auf, darauf zu achten, dass die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber wissen, dass Diskriminierung im Bereich der Arbeit verboten ist. ECRI verweist außerdem darauf, dass dieses Diskriminierungsverbot im Bereich der Arbeit nicht die Diskriminierung abdeckt, die vor oder bei der Einstellung oder bei Beförderungen ausgeübt wird, da es sich nur auf den Abbruch der Arbeitsbeziehungen bezieht: ECRI ist daher der Auffassung, dass das Diskriminierungsverbot im Bereich der Arbeit ausgedehnt werden sollte, um wichtige Bereiche wie Einstellung und Beförderung abzudecken.

16. Es gibt keine weiteren Bestimmungen des Zivil- und Verwaltungsrechts, die die Diskriminierung in Bereichen wie Zugang zu Wohnungen, öffentlichen Diensten oder öffentlichen Einrichtungen verbieten. ECRI empfiehlt den liechtensteinischen Behörden dringend, eine umfassende Gesetzgebung im Zivil- und Verwaltungsrecht zu verabschieden, die die Diskriminierung in den verschiedenen Bereichen des täglichen Lebens, wie oben beschrieben, untersagt.

E. Fachorgane und andere Institutionen

17. Liechtenstein verfügt derzeit über kein Fachorgan (z.B. Bürgerbeauftragter oder Fachkommission), das unter anderem den Opfern von Rassismus und Diskriminierung als Kontaktstelle dienen, als ein Beratungsorgan für die Regierung für Fragen bezüglich Rassismus und Diskriminierung eingesetzt oder ein Zentrum zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit und Durchführung von Bildungsinitiativen im Land sein könnte. ECRI ist der Meinung, dass man in Liechtenstein erst vor kurzem damit begonnen hat, sich mit Fragen wie Rassismus und Diskriminierung auseinanderzusetzen, so dass es offensichtlich an statistischen Informationen über die tatsächliche Tragweite von Rassismus und Diskriminierung fehlt und es derzeit offenbar keine Kontaktstelle gibt, an die sich die Opfer wenden können, um Beistand zu erhalten. Die Einrichtung eines solchen Organs wäre daher besonders wichtig. In diesem Sinne verweist ECRI die liechtensteinischen Behörden auf ihre allgemeine politische Empfehlung Nr. 2 über Fachorgane zur Bekämpfung von Rassismus und Intoleranz auf nationaler Ebene, die eine Reihe von Leitlinien und Prinzipien festhält, die bei der Einrichtung eines solchen Organs zu berücksichtigen sind.

F. Bildung und Sensibilisierung

– Polizeikräfte

18. Die liechtensteinischen Polizeibeamten werden in der Schweiz ausgebildet. Dieses Jahr findet zum ersten Mal ein Teil der Ausbildung der Polizeibeamten in Liechtenstein statt und, ebenfalls zum ersten Mal, beinhaltet diese eine Ausbildung in den Menschenrechten und den Problemen der Diskriminierung und des Rassismus. ECRI begrüßt die Einführung einer solchen Ausbildung für Polizeibeamte in den Menschenrechten. Sie wird fester Bestandteil des künftigen Ausbildungsprogramms sein.

– Schulen

19. In den letzen Jahren gaben einige Probleme betreffend Rassismus und Intoleranz Anlass zu Besorgnis; zum Bespiel wurden Konflikte zwischen Schülern verschiedener Herkunft gemeldet. Das Tragen von Kleidung und Symbolen, die mit rechtsextremen oder Nazi-Bewegungen in Verbindung gebracht werden können, scheint bei einigen Schülergruppen in Mode zu sein. Das Amt für Soziale Dienste hat die Behörden Ende der 90er Jahre auf diese Probleme unter Jugendlichen aufmerksam gemacht. Seine Analyse bildete den Hintergrund für die derzeitigen Arbeiten zur Bekämpfung dieser Entwicklungen. In den letzen Jahren wurden mehrere Präventionsprojekte zur Bekämpfung von Rassismus und Intoleranz, sowie zur Sensibilisierung im Bereich interkulturelle Fragen durchgeführt. Außerdem beschäftigt sich das neue Schulprogramm, das seit 1999 in Kraft ist, vermehrt mit diesen Fragen. Eines der Hauptziele des neuen Schulprogramms ist die Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses von Kindern im kulturellen Bereich und es wurden auch Vorträge zu Themen wie Flüchtlinge und Rechtsextremismus organisiert. Ebenso wurden Maßnahmen zur Sensibilisierung der Lehrer ergriffen. ECRI rät den Behörden dringend, weiterhin Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus, Intoleranz und eines gewissen Interesses der Jugendlichen an Bewegungen und Symbolen der Rechtsextremen oder Neonazis zu ergreifen und die Initiativen zur Verbesserung des Verständnisses zwischen Schülern auf allen Ebenen des Schulsystems zu entwickeln bzw. auszuweiten. ECRI empfiehlt den Behörden ganz besonders, als Präventivmassnahme dem Grundschulunterricht mehr Aufmerksamkeit zu schenken, um zu vermeiden, dass im Unterricht an den höheren Schulen Rassismus und Intoleranz auftreten.

– Breite Öffentlichkeit

20. Rassismus und Intoleranz sowie die Erkenntnis, dass Liechtenstein ein Land ist, in dem sich Personen verschiedener Herkunft permanent aufhalten, werden erst seit kurzem öffentlich diskutiert. Seit kurzem nehmen einige Nicht-Regierungsorganisationen aktiv am Kampf gegen Rassismus und Intoleranz teil und setzen sich für die Verbesserung des Verständnisses für die verschiedenen Kulturen in der Bevölkerung ein. Auch die Behörden haben in diesen Fragen Initiativen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit ergriffen. Die Medien veröffentlichten ebenfalls eine Reihe von Artikeln zu diesem Thema. ECRI ist der Auffassung, dass Bemühungen, der Öffentlichkeit Fragen wie Integration von Nichtstaatsangehörigen, Rassismus und Diskriminierung näher zu bringen, wichtig sind, um die öffentliche Diskussion anzuregen. Die Behörden sollten diesen Weg weiter gehen und Initiativen in diesem Sinne entwickeln, wobei sie insbesondere die politische Priorität hervorheben sollten, die die Regierung dem Kampf gegen Rassismus und Intoleranz und der Integration von Nichtstaatsangehörigen beimisst.

G. Aufnahme und Status von Nichtstaatsangehörigen

– Flüchtlinge und Asylsuchende

21. Das liechtensteinische Flüchtlingsgesetz trat 1998 in Kraft. Zwischen 1998 und 2000 erhielten etwa 600 Flüchtlinge, insbesondere aus dem ehemaligen Jugoslawien eine vorübergehende kollektive Schutzgewährung in Liechtenstein. Ein Großteil der Flüchtlinge ist nun in sein Land zurückgekehrt. Etwa 120 Personen, die meisten davon aus dem Kosovo, befinden sich immer noch in Liechtenstein als Asylsuchende.

22. Bei ihrer Ankunft in Liechtenstein müssen Asylsuchende sich bei der Abteilung für Asylsuchende und Flüchtlinge des Ausländer- und Passamtes melden. Innerhalb einer Woche findet eine erste Anhörung statt. Es ist vorgeschrieben, dass eine Nichtregierungsorganisation an dieser Anhörung teilnehmen muss, um sicherzustellen, dass diese korrekt durchgeführt wird. Auch die Anwesenheit eines Dolmetschers ist vorgesehen. Das Ausländer- und Passamt kann eine Entscheidung treffen, wenn ein Fall für gesetzlich unzulässig angesehen wird, während materielle Entscheidungen andere Fälle betreffend von der Regierung getroffen werden. Es dauert im Schnitt 3 bis 5 Monate, bis eine Entscheidung in erster Instanz fällt. Es ist möglich, Berufung gegen die Entscheidung wegen Unzulässigkeit bei der Regierung einzulegen. Gegen die Entscheidung der Regierung kann Berufung beim Verwaltungsgericht eingelegt werden.

23. Asylsuchende werden im ersten Jahr in einem Aufnahmezentrum untergebracht. Danach können sie eine Wohnung mieten, auch wenn dies für sie aufgrund ihrer unsicheren Situation oft schwierig ist. ECRI stellt mit Interesse fest, dass Asylsuchende sofort nach ihrer Ankunft das Recht auf Arbeit erhalten – und wirklich wo immer möglich arbeiten sollten. ECRI ist der Ansicht, dass eine solche Arbeitserlaubnis eine sehr positive Wirkung haben kann, indem sie die psychische Not der Asylsuchenden lindert und ihre Integration in die Gesellschaft erleichtert. So wird auch verhindert, dass Stereotype und Vorurteile gegenüber Asylsuchenden in der öffentlichen Meinung Fuß fassen. Von der Gesamtsumme ihres Lohnes erhalten die Asylsuchenden den Gegenwert der Sozialleistung sowie einen festen Stundenansatz; ein Teil ihres Gehaltes deckt ihre laufenden Lebenskosten, während der Rest auf einem Bankkonto festliegt, über welches der/die Asylsuchende verfügen kann, wenn er/sie das Land verlässt. Dieses System, so die Behörden, wurde eingerichtet, um Asylsuchende abzuhalten, nach Liechtenstein einzureisen, nur um dort zu arbeiten. Die Kinder der Asylsuchenden gehen in die Schule und erhalten spezielle Unterstützung für das Erlernen der deutschen Sprache (siehe unten „Zugang zur Bildung“). Mit Ausnahme des Sprachunterrichts gibt es im Moment keine besonderen Integrationsstrategien für Asylsuchende und Flüchtlinge. ECRI ist der Auffassung, dass dieser Bereich noch ausgebaut werden könnte und Asylsuchende und Flüchtlinge Informationen und Beistand erhalten sollten, damit sie die liechtensteinische Gesellschaft und die liechtensteinischen Strukturen besser kennen lernen können.

– Einwanderungspolitik

24. Von den Nichtstaatsangehörigen, die mehr als 34% der liechtensteinischen Gesamtbevölkerung ausmachen, kommen etwa zwei Drittel aus der Schweiz, Österreich und Deutschland und haben daher den gleichen sprachlichen und kulturellen Hintergrund wie die Mehrheitsbevölkerung. Die restlichen ausländischen Staatsangehörigen kommen aus Italien (7,6%), der Türkei (7,5%), dem ehemaligen Jugoslawien (3,5%), Portugal (3,3%), Spanien (2,4%) und Bosnien-Herzegowina (2,3%). Die meisten Nichtstaatsangehörigen, die in Liechtenstein leben, befinden sich im Land um zu arbeiten oder sind im Rahmen einer Zusammenführung mit dort arbeitenden Familienmitgliedern nach Liechtenstein gekommen.

25. Die liechtensteinische Einwanderungspolitik gründet sich auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung, der zusammen mit dem Prinzip der Gegenseitigkeit angewendet wird. Liechtenstein wendet das Modell der „drei Kreise“ an. In der Praxis bedeutet dies, dass ausgehend von bilateralen und multilateralen Verträgen Staatsangehörige aus Mitgliedstaaten des EWR gefolgt von denen aus der Schweiz eine Vorzugsbehandlung gegenüber Staatsangehörigen aus anderen Ländern genießen. Seit 1985 ist die Möglichkeit für Nichtstaatsangehörige in Liechtenstein zu leben und zu arbeiten eingeschränkt. Einer der Gründe für diese Beschränkung durch die Behörden ist die geringe Größe des Landes, dessen Gesamtoberfläche 160 km2 beträgt, die jedoch nur zu einem Drittel bewohnbar ist. Seit dem Beitritt Liechtensteins zum EWR 1995 werden die Staatsangehörigen des EWR bevorzugt behandelt. Es wurden jedoch aufgrund der Kleinheit des Landes, so die Behörden, jährliche Quoten für Staatsangehörige des EWR, die in Liechtenstein leben und arbeiten möchten, eingerichtet. Etwa 50 Staatsangehörige des EWR erhalten nun jährlich eine Aufenthaltsgenehmigung zusammen mit einer Arbeitsbewilligung. Einige weitere Personen erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung ohne Arbeitsbewilligung. Die Staatsangehörigen aller anderen Länder werden bei der Vergabe der Aufenthaltsgenehmigung gleich behandelt, vorausgesetzt, sie erfüllen die Bedingungen, die in der Verordnung über den Personenverkehr und in dem Gesetz über die Vergabe von Aufenthaltsgenehmigungen festgelegt sind. Derzeit erhalten nur wenige Personen, die aus anderen Ländern als dem EWR und der Schweiz kommen eine ständige Aufenthaltsgenehmigung. Diese Personen sind im Allgemeinen hoch qualifizierte Spezialisten. Die Qualifikation ist entscheidend bei der Vergabe der Arbeitsgenehmigung.

26. Zeitlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigungen gelten für maximal 12 Monate, je nach Dauer des Arbeitsvertrages. Eine Kurzaufenthaltsgenehmigung kann nur einmal, für einen maximalen Zeitraum von sechs Monaten, verlängert werden. Im Allgemeinen wird ein Kurzaufenthalt nur einmal in einem Zeitraum von drei Jahren bewilligt. Das System der Genehmigungen für Saisonarbeiter, die für einen begrenzten Zeitraum nach Liechtenstein kommen, wird stufenweise eingestellt.

27. ECRI ist über Informationen besorgt, die besagen, dass das System der Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung einige Personen in eine schwierige oder prekäre Lage bringen kann. Zum Beispiel wurde berichtet, dass Personen aus anderen Ländern als dem EWR oder der Schweiz lange warten müssen, bevor ihnen das Recht auf Familienzusammenführung zugestanden wird. Diese Personen können bei den Behörden einen Antrag stellen, damit ihr Ehepartner und ihre minderjährigen Kinder die Genehmigung erhalten, nach Liechtenstein zu kommen, wenn sie selbst dort bereits seit vier Jahren ständigen Wohnsitz haben und unter der Voraussetzung, dass sie dazu in der Lage erachtet werden, für alle Familienmitglieder zu sorgen. Diese Bedingung hatte offenbar unverhältnismäßige Auswirkungen auf einige eingewanderte Frauen, deren Gehalt niedriger ist als das ihrer männlichen Kollegen (siehe unten „Verletzliche Gruppen“). Die Frauen, die ihren Mann verlassen, stehen ebenfalls vor Schwierigkeiten, was ihren Aufenthaltsstatus angeht. Es ist auch darauf hingewiesen worden, dass Personen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, Gefahr laufen, auch ihre Aufenthaltsgenehmigung in Liechtenstein zu verlieren. ECRI ist der Ansicht, dass die Behörden Maßnahmen ergreifen sollten, um dafür zu sorgen, dass dieses System der Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung niemanden unnötig in eine schwierige oder verletzliche Lage bringt.

28. Zahlreiche Personen ausländischer Herkunft leben seit langem in Liechtenstein und haben ihr Leben im Land aufgebaut. Offenbar ist es jedoch in vielen Fällen sehr schwierig für Personen, welche die liechtensteinische Staatsangehörigkeit nicht besitzen oder ausländischer Herkunft sind, sich voll und ganz in die Gesellschaft zu integrieren. Diese Frage wird nachstehend ausführlich geprüft (siehe „Probleme von besonderer Bedeutung“).

H. Zugang zu den öffentlichen Diensten

– Zugang zu Sozialdiensten wie Gesundheitswesen, sozialer Schutz und Zugang zu Wohnungen

29. Innerhalb des Amts für Soziale Dienste bietet ein Ansprechpartner für Migrationsfragen und -probleme Privatpersonen und Gruppen in gesundheitlichen und sozialen Fragen Beistand. Der Zugang zu den Gesundheitsdiensten wird allen in Liechtenstein wohnhaften Personen garantiert.

– Zugang zur Bildung

30. Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt, dass 22% der Schulkinder, die in Liechtenstein leben, in ihrer Familie kein Deutsch sprechen. Kindern, die älter als acht Jahre sind und ohne Deutschkenntnisse nach Liechtenstein kommen, wird ein Intensivdeutschkurs angeboten, damit sie nach einem Jahr in die Klasse integriert werden können, die ihnen entspricht. Kurse für „Deutsch als zweite Sprache“, in denen auch soziale und kulturelle Fragen angesprochen werden, werden in den schulischen Einrichtungen für nicht deutschsprachige Schüler sowie auf allen Niveaus des Schulsystems als Zusatzkurse angeboten. Die Behörden stellen auch einigen privaten Organisationen, die ausländischen Kindern Sprach- und Landeskundekurse über ihr Herkunftsland anbieten, die notwendige Infrastruktur (Klassenzimmer usw.) zur Verfügung. Die Stundenpläne in den öffentlichen Schulen sind daher recht flexibel gestaltet. ECRI ist jedoch der Auffassung, dass angesichts der grossen Zahl von Nichtstaatsangehörigen, die in Liechtenstein leben, die Behörden auch den Unterricht in der Muttersprache der Kinder ausländischer Herkunft finanziell unterstützen könnten.

31. ECRI ist über Informationen besorgt, nach denen Kinder ausländischer Herkunft dazu neigen, weniger gute schulische Leistungen zu erzielen als liechtensteinische Kinder. Auch besuchen sie häufiger eher die niedrige Sekundarschulstufe (Oberschule) und es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass sie weiterführende höhere Schulen besuchen. ECRI ist der Ansicht, dass dieser Bereich untersucht und notfalls Maßnahmen ergriffen werden sollten, um die unterschiedlichen schulischen Leistungen der Kinder verschiedener Gruppen auszugleichen.

32. Die Kinder können unter Berufung auf die Religionsfreiheit vom Religionsunterricht befreit werden.

I. Arbeit

33. Offenbar gibt es nur sehr wenig Informationen über die mögliche Existenz oder das mögliche Ausmaß der Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, obwohl berichtet wurde, dass Frauen ausländischer Herkunft besonders benachteiligt und diskriminiert werden könnten (siehe unten „Verletzliche Gruppen“). Die Behörden haben Maßnahmen ergriffen, um jungen Nichtstaatsangehörigen zu helfen – zum Beispiel durch eine Berufsberatung und die Möglichkeit, ein Jahr lang eine vorbereitende Sprachausbildung zu absolvieren, bevor sie eine Lehre beginnen – in den Arbeitsmarkt einzutreten. ECRI ist der Auffassung, dass es sehr nützlich wäre, eine Umfrage über die Existenz, das Ausmaß und die Anzeichen einer möglichen Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt durchzuführen.

J. Verletzliche Gruppen

Dieser Teil behandelt gewisse Minderheitengruppen, die in dem betroffenen Land vielleicht besonders unter Rassismus, Diskriminierung und Intoleranz leiden können. Es ist nicht beabsichtigt, einen erschöpfenden Überblick über die Situation aller Minderheitengruppen in dem Land zu geben oder anzudeuten, dass alle nicht erwähnten Gruppen nicht auch Rassismus und Diskriminierung ausgesetzt sein könnten.

– Personen ausländischer Herkunft

34. Es konnten nur wenige Informationen über das Ausmaß von Diskriminierung gegen Personen ausländischer Herkunft in den Bereichen wie Beschäftigung, Bildung, Wohnung und Zugang zu öffentlichen Einrichtungen gefunden werden. Einige Berichte weisen jedoch darauf hin, dass zum Beispiel in den Schulen Probleme bestehen, wobei Kinder ausländischer Herkunft Belästigungen durch andere Schüler ausgesetzt sein können und auch beim Zugang zu öffentlichen Einrichtungen wie Diskotheken Probleme erfahren. Dies trifft vor allem auf sichtbare Minderheiten zu. Aus einigen Berichten geht hervor, dass es für Nichtstaatsangehörige, insbesondere Asylsuchende und Frauen ausländischer Herkunft, schwierig ist, eine Mietwohnung auf dem liechtensteinischen Immobilienmarkt zu finden, der als sehr angespannt gilt. ECRI ist der Auffassung, dass die Behörden diese Diskriminierung einiger Personen ausländischer Herkunft genauer prüfen sollten, um Strategien und, falls notwendig, Gesetze zur Bekämpfung dieser Probleme zu erarbeiten.

– Frauen ausländischer Herkunft

35. Frauen ausländischer Herkunft, die in den meisten Fällen nach Liechtenstein gekommen sind, um ihrem Ehepartner zu folgen, sind besonders Rassismus und Diskriminierung ausgesetzt. Es wurde berichtet, dass Frauen ausländischer Herkunft, insbesondere allein erziehende Mütter, oft Schwierigkeiten haben, eine Mietwohnung zu finden und oft auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt werden. Sie werden auf schlecht bezahlte oder nicht deklarierte Arbeitsplätze, verwiesen, an denen sie oft ausgebeutet werden. Das Problem ist besonders schwerwiegend für Frauen, die nicht die Möglichkeit hatten, die deutsche Sprache zu erlernen. Es scheint auch, dass Frauen ausländischer Herkunft weniger Chancen haben als ihre männlichen Gegenspieler, die rechtlichen Voraussetzungen auf Familienzusammenführung zu erfüllen, da es weniger wahrscheinlich ist, dass ihre Beschäftigung ihnen das notwendige Einkommen bietet, um von ihnen abhängige Personen zu unterhalten. ECRI findet, dass die Behörden zusätzliche Maßnahmen ergreifen sollten, um auf die besonderen Probleme der Frauen ausländischer Herkunft einzugehen. Diese Maßnahmen könnten z.B. ein größeres Angebot an Sprachkursen umfassen, die für die betroffenen Frauen leicht zugänglich und ihren Bedürfnisse besser angepasst sind sowie Strategien, um zu vermeiden, dass Frauen ausländischer Herkunft auf dem Arbeitsmarkt ausgebeutet oder benachteiligt werden.

36. ECRI stellt mit Interesse fest, dass eine Nichtregierungsorganisation, die Informations- und Kontaktstelle für Frauen (Infra) im Frühjahr 2000 das Projekt „Migrantinnen“ ins Leben gerufen hat, um die Integration und die Unabhängigkeit von ausländischen Frauen mit Hilfe von Sprachkursen, Beratungs-, Kommunikations- und Informationsdiensten zu fördern. ECRI fordert die Behörden auf, diese Initiativen zu fördern, um die allgemeinen und umfassenden Hilfs- und Beratungsstellen für Frauen ausländischer Herkunft auszubauen und zu unterstützen.

37. Frauen ausländischer Herkunft, die nach Liechtenstein kommen, um eine Ehe einzugehen – darunter diejenigen, die „per Katalog bestellt werden“ – sind besonders missbrauchgefährdet. Da die Aufenthaltsgenehmigung dieser Frauen an ihre Ehe geknüpft ist, wurde ECRI zugetragen, dass diese Frauen manchmal zögerten, ihren Mann zu verlassen, selbst wenn sie Opfer von Gewalt sind, aus Furcht, aus Liechtenstein ausgewiesen zu werden. Ein bindender Regierungsentscheid besagt, dass Frauen, die sich aufgrund von Gewalt scheiden lassen, ermächtigt sind, in Liechtenstein zu bleiben, unabhängig davon wie lange ihre Ehe gedauert hat, vorausgesetzt, dass diese Gewalt von einem Arzt, einem Psychologen oder durch einen Polizeibericht bescheinigt wird. ECRI ermutigt die Behörden dafür zu sorgen, dass verheiratete Frauen, die Opfer von Gewalt innerhalb ihrer Ehe werden, nicht in einer unklaren Situation bezüglich ihres Aufenthaltsrechts belassen werden bis die Scheidung ausgesprochen wird, und ist der Ansicht, dass Frauen, die vor Einreichung der Scheidung der ehelichen Gewalt entfliehen wollen, eine offizielle Bestätigung erhalten sollten, dass sie in Liechtenstein bleiben können.

– Muslime

38. Informationen zufolge haben Intoleranz und Vorurteile gegenüber Muslimen, insbesondere Frauen, seit den Ereignissen des 11. September 2001 zugenommen. Es wurde berichtet, dass insbesondere Frauen, die ein Kopftuch tragen, verbal belästigt und diskriminiert wurden. Andererseits gab es eine Reihe von Zeitungsartikeln, die sich mit der Lage der Muslime in Liechtenstein befassten. Diese konnten vielleicht dazu beitragen, die Öffentlichkeit für dieses Problem zu sensibilisieren. ECRI fordert die Behörden auf, die Situation genau zu verfolgen und möchte auf die allgemeine politische Empfehlung Nr. 5 zur Bekämpfung von Intoleranz und Diskriminierung gegen Muslime aufmerksam machen.

39. Obwohl die Muslime in Liechtenstein über zwei Gebetsräume verfügen und es drei Moscheen in den Nachbarstaaten gibt, gibt es derzeit keine Moschee in Liechtenstein, obwohl Anträge an die Behörden gestellt wurden und Verhandlungen in diesem Bereich geführt werden. Ein Problem scheint der Widerstand der Gemeindebevölkerung gegenüber der Errichtung einer Moschee in der Region zu sein. ECRI hofft, dass die Behörden Schritte einleiten werden, die dieses Problem lösen helfen.

K. Überwachung der Situation

– Daten und Statistik

40. Offensichtlich gibt es keine Daten über die Lage der Nichtstaatsangehörigen in Bereichen wie Wohnung und Bildung. Außerdem fehlt derzeit eine systematische Datenerhebung über rassistische Handlungen, die Anzeige dieser Vorfälle bei der Polizei, deren Strafverfolgung, sowie die erzielten Ergebnisse. ECRI fordert die Behörden auf, Systeme zur Beobachtung der Situation der Nichtstaatsangehörigen in den Bereichen Beschäftigung, Wohnung und Bildung einzurichten, unter Berücksichtigung des Prinzips der Vertraulichkeit und der freiwilligen Selbstidentifizierung von Personen, die einer besonderen Gruppe angehören. Es wäre auch gut, ein Überwachungssystem für Vorfälle von Rassismus und Diskriminierung einzurichten, einschließlich der Anzeigen bei den Behörden und den daraus folgenden Strafverfolgungen sowie der erzielten Ergebnisse.

L. Medien

41. ECRI nimmt zur Kenntnis, dass in den Medien eine Anzahl von Berichten zu Fragen der Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung erschienen ist, insbesondere über das Problem des Rechtsextremismus. ECRI ist der Auffassung, dass solche Artikel eine wichtige Rolle bei der Sensibilisierung der Gesellschaft spielen können. Jedoch wurde auch berichtet, dass die Medien dazu tendieren, in einigen Fällen auf die Staatsangehörigkeit oder den ethnischen Ursprung von Tätern hinzuweisen, darunter auch in Fällen, in denen der ethnische Ursprung des angeblichen Täters nicht von Interesse ist. Diese Darstellung der Information kann Vorurteile und Stereotype in der öffentlichen Meinung schaffen oder verstärken. Daher fordert ECRI die Medienfachleute auf, in diesem Bereich einem Verhaltenskodex zu folgen.

TEIL II: PROBLEME BESONDERERE BEDEUTUNG

In diesem Teil des Länderberichts möchte ECRI die Aufmerksamkeit auf einige eingeschränkte Belange lenken, die ihrer Meinung nach besonderer und dringender Aufmerksamkeit in dem betreffenden Land bedürfen. Im Falle Liechtensteins möchte ECRI auf das Problem der Integration von Personen ausländischer Herkunft und das Problem rechtsextremistischer Tendenzen unter Jugendlichen aufmerksam machen.

M. Integration von Personen ausländischer Herkunft

42. Wie bereits erwähnt, sind mehr als ein Drittel der Bevölkerung Liechtensteins Nichtstaatsangehörige und sind zum größten Teil aus Arbeitsgründen oder im Rahmen der Familienzusammenführung von Arbeitnehmern nach Liechtenstein gekommen. Viele von ihnen leben seit vielen Jahren in Liechtenstein : Mehr als 80% der in Liechtenstein wohnenden Ausländer, leben seit mehr als 10 Jahren dort. Aber es scheint doch, dass man sich erst seit kurzem auf politischer und öffentlicher Ebene mit Fragen wie der Integration von Personen ausländischer Herkunft in die liechtensteinische Gesellschaft beschäftigt. ECRI ist darüber besorgt, dass in Liechtenstein bis anhin eine globale und zielgerichtete Integrationsstrategie fehlt. Obwohl einige Nichtregierungsorganisationen in diesem Bereich aktiv sind und verschiedene offizielle Stellen, wie das Amt für Soziale Dienste und das Schulamt, Initiativen ergriffen haben, scheint es, dass die Regierung bisher kein globales Konzept oder eine Strategie dafür ausgearbeitet oder umgesetzt hat, wie Nichtstaatsangehörige voll und ganz in die liechtensteinische Gesellschaft und deren Strukturen integriert werden könnten.

43. Ein oft angesprochenes Problem ist die Tatsache, dass zahlreiche Ausländer, die schon seit langem in Liechtenstein wohnen, die deutsche Sprache nicht beherrschen und aus diesem Grund dazu neigen, in ihrer Ursprungsgemeinschaft, am Rande der Mehrheitsgemeinschaft, zu bleiben. Nicht-deutschsprachige Kinder erhalten Deutschkurse (siehe oben „Zugang zur Bildung“), aber obgleich es Möglichkeiten für Erwachsene gibt, die deutsche Sprache zu erlernen, ist es für Berufstätige schwierig, während der Arbeitszeit an diesen Kursen teilzunehmen. Auch für andere Personen, wie Frauen ausländischer Herkunft, die nach Liechtenstein gekommen sind, um ihre dort arbeitenden Ehemänner zu begleiten, kann es schwierig sein, passende Sprachkurse zu finden.

44. Abgesehen vom Sprachenproblem wurde ECRI darauf hingewiesen, dass Personen ausländischer Herkunft Schwierigkeiten haben können, in der Gesellschaft akzeptiert zu werden. Dies gelte selbst für Personen aus Nachbarländern, die keine Sprach- oder Kulturbarriere zu überwinden haben. So wurde beispielsweise gegenüber ECRI erwähnt, dass es für Personen ausländischer Herkunft schwierig ist, in Bereichen wie der nationalen oder kommunalen Politik akzeptiert zu werden, auch wenn einige Personen aus Nachbarländern wie Österreich und der Schweiz Beamten- und Richterstellen in Liechtenstein innehaben. Es wurde bemerkt, dass trotz der Tatsache, dass zahlreiche Familien in Liechtenstein Familienmitglieder aus den Nachbarländern haben, die Gesellschaft eher „exklusiv“ ist und Personen, die keine familiären Bindungen in Liechtenstein haben, oft Gefahr laufen, Aussenseiter zu bleiben.

45. ECRI stellt fest, dass selbst wenn die Beziehungen zwischen den Nichtstaatsangehörigen und der Mehrheitsgemeinschaft derzeit nicht besonders angespannt sind, die Lage sich doch verschlechtern könnte, wenn die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen für die gesamte Bevölkerung weniger günstig wären. Unter solchen Umständen könnte die fehlende Integration der Nichtstaatsangehörigen als Vollmitglieder der Gesellschaft diese besonders treffen, falls Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Intoleranz in der Mehrheitsbevölkerung zunehmen würden.

46. ECRI begrüßt es, dass ein „Entwurfspapier zur Integration“ in Vorbereitung ist, das klare Richtlinien für die Integrationspolitik der liechtensteinischen Regierung darlegen soll. Ziel dieses Entwurfspapiers, das nach einer Umfrage des Amtes für Soziale Dienste bei den Ausländervereinigungen im Jahr 2000 ausgearbeitet wurde, ist der Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sowie die Hervorhebung der kulturellen Vielfalt, der Achtung vor dem Anderen und der Vorteile, die eine integrierte Gesellschaft bietet. ECRI begrüßt die Philosophie dieses Entwurfpapiers, das als Zwei-Weg-Strategie gedacht ist, die einen gegenseitigen Integrationsprozess zwischen der Mehrheits- und den Minderheitsgemeinschaften vorsieht. ECRI begrüßt außerdem die Tatsache, dass die Integration einer der zentralen Pfeiler des Nationalen Aktionsplans (NAP) sein wird, der sich aus der Umsetzung der Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban ergeben hat.

47. ECRI hofft, dass die Behörden auf höchster Ebene dafür sorgen werden, dass diese neue Strategie als Priorität der Regierung bekannt gemacht wird und eine öffentliche Debatte über Integrationsfragen geführt wird. ECRI hofft ebenfalls, dass die Integrationsstrategie klare Richtlinien zur Verbesserung der Integration von Personen ausländischer Herkunft vorsieht. Hier könnten zum Beispiel mehr und leichter zugängliche Möglichkeiten für die Erlernung der deutschen Sprache angeboten werden, in Zusammenarbeit und unter Beteiligung der Arbeitgeber selbst. Es sollten besondere Strategien ausgearbeitet werden, um dafür zu sorgen, dass Personen, die möglicherweise sehr isoliert sind, wie Frauen ausländischer Herkunft, die nicht arbeiten, Deutsch lernen können. Es wäre auch sehr nützlich, Maßnahmen zu ergreifen, um den Nichtstaatsangehörigen zu helfen, die liechtensteinische Gesellschaft und Strukturen besser zu verstehen und ihnen Informationen in verschiedenen Sprachen über ihre rechtliche Lage, die geltenden Gesetze und ihre Rechte zu geben. Ferner sollten sie erfahren, wie sie Beistand und Rat erhalten können.

48. ECRI ist auch der Auffassung, dass der Erwerb der Staatsangehörigkeit ein wichtiges Element und eine Motivation für die Integration einer Person sein kann und glaubt daher, dass zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden könnten, um den Zugang zur Staatangehörigkeit für Ausländer, die schon längere Zeit in Liechtenstein leben, zu erleichtern, wie oben unterstrichen (siehe „Gesetzgebung zur Staatsangehörigkeit“). ECRI vertritt auch die Ansicht, dass die Möglichkeit in Betracht gezogen werden sollte, Ausländern, die schon längere Zeit in Liechtenstein leben, das Wahlrecht auf Gemeindeebene zuzugestehen, damit ihre Einbindung in die Gemeinden verstärkt wird. Fragen, wie die Möglichkeit einer raschen Familienzusammenführung, sind ebenfalls von großer Bedeutung, insbesondere um sicherzugehen, dass Kinder von Nichtsstaatsangehörigen sich bereits von klein auf voll und ganz in die Gesellschaft integrieren können.

N. Rechtsextreme Tendenzen unter Jugendlichen

49. Es wurde Besorgnis geäußert über ein Anwachsen von Fremdenfeindlichkeit und rechtsextremistischen Tendenzen bei Heranwachsenden und jungen Erwachsenen. Eine zunehmende Gewaltbereitschaft wurde ebenfalls festgestellt: Im Jahr 2001 wurden der Polizei acht Vorfälle mit rechtsextremistischem Hintergrund gemeldet, Graffiti beinhalteten rassistische Sprüche und Symbole und mindestens eine Person ausländischer Herkunft wurde von Skinheads angegriffen. Nach dem letzten Stand der Dinge glauben die Behörden nicht, dass die Personen, die in Liechtenstein in Bewegungen wie den Skinheads involviert sind, ideologische oder politische Motive haben, sondern, dass es sich eher um Jugendliche handelt, die allgemein eine Neigung zu Gewalt haben. Außerdem scheint es, dass das Tragen von Nazisymbolen und anderen rassistischen Abzeichen sowie von bestimmter Kleidung, die mit der Skinhead-Bewegung in Verbindung gebracht wird, von bestimmten Jugendgruppen, die ebenfalls Gewalttaten oder Vandalismus begehen, für modisch gehalten wird.

50. 1999 verfasste das Amt für Soziale Dienste einen Bericht über Rechtsradikalismus in Liechtenstein und skizzierte eine Reihe von Maßnahmen zur Bekämpfung solcher ideologischen Tendenzen, darunter insbesondere Maßnahmen zur Hilfe und Wiedereingliederung von jugendlichen Straftätern, sowie Erziehungsaktivitäten zur Sensibilisierung und eine besser koordinierte und effizientere Reaktion der Polizei und anderer Behörden auf rassistische Handlungen. Die Regierung richtete folglich in der Polizei eine Expertengruppe betreffend Rechtsextremismus und eine Koordinationsgruppe betreffend Rechtsextremismus ein, um die Koordination unter der Behörden im Bereich der Prävention und der Bekämpfung des Rechtsextremismus zu verbessern. ECRI stellt fest, dass die Expertengruppe betreffend Rechtsextremismus die Aktivitäten von Personen aufmerksam verfolgt, deren Zugehörigkeit zu einer Skinhead- oder ähnlichen Gruppe bekannt ist, und darüber wacht, dass die geltende Gesetzgebung zur Bekämpfung krimineller Handlungen angewendet wird. Außerdem wurden Maßnahmen ergriffen, um die organisierten Aktivitäten dieser Gruppen zu unterbinden, indem die Gemeinden aufgefordert wurden, ihnen die Anmietung von öffentlichen Räumen für ihre Veranstaltungen oder Treffen zu verweigern. Die Expertengruppe verfolgt auch das Ziel, die Personen zu identifizieren, die Skinhead-Gruppen oder ähnlichen Gruppen angehören, damit diese wissen, dass sie der Polizei bekannt sind und folglich vor Gewalt- oder Straftaten zurückschrecken. Die Gruppe arbeitet eng mit der Polizei der Nachbarländer zusammen, um das Problem von Gruppen und Einzelpersonen, die über die Grenzen hinaus aktiv sind, zu bekämpfen. Sie sensibilisiert auch die Polizei für dieses Problem.

51. ECRI begrüsst die bereits ergriffenen Maßnahmen der Behörden zur Beobachtung und Behandlung des Problems des Rechtsextremismus als positiv und ermutigt sie, ihre Bemühungen fortzusetzen. ECRI begrüßt auch die Tatsache, dass die Frage des Rechtsextremismus von den Behörden und den Medien in Liechtenstein offen diskutiert worden ist und unterstreicht die Notwendigkeit, die erzieherischen Maßnahmen und die Sensibilisierung der Jugendlichen sowohl in den Schulen wie auch außerhalb der Schulen zu verstärken, damit sie sich weder mit rechtsextremistischen Symbolen und Kleidung identifizieren, noch sich Gruppen oder Ideologien anschließen, die sie zu Gewalt und Kriminalität verleiten könnten. ECRI ist darüber besorgt, dass die rechtsextremistischen Tendenzen unter Jugendlichen in einigen Fällen darauf hin deuten könnten, dass es eine weit verbreitete fremdenfeindliche oder intolerante Einstellung in der Bevölkerung gibt und dass solche Tendenzen, die vielleicht in ihrem Ausdruck derzeit nur begrenzt und latent vorhanden sind, sich sehr rasch in offener Diskriminierung und Intoleranz äußern und sogar gewalttätige Formen wie Rassismus und Fremdenfeindlichkeit annehmen könnten. Dies insbesondere im Fall einer weniger günstigen Wirtschaftslage, in der Nichtstaatsangehörige als Konkurrenten um Arbeit und Ressourcen gesehen werden. ECRI unterstreicht erneut die Notwendigkeit, die Bevölkerung für die Tatsache zu sensibilisieren, dass Liechtenstein ein Land ist, in dem Nichtstaatsangehörige als permanenter und wertvoller Teil der Gesellschaft gesehen werden sollten und nicht nur als Wirtschaftsressource, die als separater Teil der Bevölkerung existiert.

BIBLIOGRAPHIE

Diese Bibliographie listet die Hauptquellen auf, die bei der Überprüfung der Situation von Liechtenstein herangezogen wurden. Sie deckt nicht alle Informationsquellen ab, die ECRI bei der Ausarbeitung ihres Berichts zur Verfügung standen.

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3. CRI (97) 36: ECRI general policy recommendation n° 2: Specialised bodies to combat racism, xenophobia, antisemitism and intolerance at national level, European Commission against Racism and Intolerance, Council of Europe, June 1997

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10. CDMG (97) 17 rev: “Recent developments in policies relating to migration and migrants”, European Committee on Migration (CDMG), Council of Europe, 1998

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12. ECRML (2001) 5 “European Charter for Regional or Minority Languages – Application of the Charter in Liechtenstein”, Strasbourg, 20 September 2001

13. Government of the Principality of Liechtenstein “National report of Liechtenstein – First report pursuant to article 15 of the European Charter for Regional or Minority Languages of 5 November 1992”, Vaduz, 1 March 1999

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Zuletzt aktualisiert am September 19, 2021 von eurogesetze

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