ANHANG
Der nachfolgende Anhang ist nicht Teil der Bestandsaufnahme und Empfehlungen von ECRI bezüglich der Situation in der Schweiz.
ECRI weist darauf hin, dass die Bestandsaufnahme im dritten Bericht über die Schweiz das Datum des 27. Juni 2003 und spätere Entwicklungen folglich nicht berücksichtigt sind.
In Übereinstimmung mit dem von ECRI bei der Erstellung von Länderberichten praktizierten Verfahren wurde der Entwurf des Berichts über die Schweiz in vertraulichen Gesprächen mit den Schweizer Behörden durchgesprochen. Eine bestimmte Anzahl der dabei gemachten Anmerkungen wurden von ECRI berücksichtigt und in den Bericht eingearbeitet.
Auf Grund der stattgefundenen Gespräche haben die Schweizer Behörden jedoch darum gebeten, dass ihre im Folgenden wiedergegebene Stellungnahme dem ECRI-Bericht als Anhang beigegeben wird.
ECRI – Dritter Bericht über die Schweiz 2003
Bemerkungen der Schweizer Regierung
Entsprechend der länderweisen Vorgehensweise der ECRI konnte die von den Schweizer Behörden bezeichnete nationale Verbindungsperson einen vertraulichen Dialog mit der ECRI führen. Aufgrund einer detaillierten Analyse des Textentwurfs über die Schweiz wurde auf einige Ungenauigkeiten und mehrere Unstimmigkeiten bei der Einschätzung der Problematik hingewiesen.
Leider wurde nur ein kleiner Teil der vorgeschlagenen Korrekturen und Ergänzungen berücksichtigt. Wir betrachten es daher als wichtig, die Stellungnahme der Schweizer Regierung zu einzelnen Punkten des Berichts ausdrücklich festzuhalten.
Ad „Polizei“ (28-36) und „Rassismus und Diskriminierung gegenüber Schwarzafrikanern in der Schweiz“ (88-93)
Wir weisen die dem Berichtsentwurf zu Grunde liegende Auffassung, wonach sich die schweizerischen Polizeikräfte grundsätzlich rassistisch, diskriminierend und misshandelnd gegenüber Minderheiten, insbesondere gegenüber Schwarzafrikanern, verhielten, zurück.
Bei den behaupteten Missständen handelt es sich um pauschale Vorwürfe, die weder substanziiert noch mit nachprüfbaren Quellenangaben versehen sind und Fälle betreffen, welche von der berichterstellenden Kommission nicht vertieft abgeklärt wurden. Die von den kantonalen Polizeibehörden vollzogenen Anhaltungen von Personen – darunter auch Schwarzafrikaner –, welche sich im Drogenhandel betätigen, erfolgen ausschliesslich auf begründeten Verdacht. Alle Verfahrensabläufe stützen sich auf entsprechende gesetzliche Grundlagen. Es handelt sich bei diesen Massnahmen auf keinen Fall um willkürlich verhängte Anordnungen oder um polizeiliche Praktiken, die hauptsächlich auf Asyl Suchende und Schwarzafrikaner ausgerichtet sind und gezielt bezwecken, diese auszuschliessen, fernzuhalten oder sie zu demütigen. Die im Berichtsentwurf erwähnten „Zwangsmassnahmen“ (Ziff. 30, 31) – das „Rayonverbot“ (Verbot für spezifische Gruppen, bestimmte Gegenden zu betreten), die Zwangsausschaffungen, Aufenthalte im Ausschaffungsgefängnis für Personen, die auf ihre Ausschaffung warten, usw. – erfolgen aufgrund von (richterlichen oder behördlichen) Anordnungen und stützen sich auf gültige Gesetze. Das Handeln der Beamten ist dokumentiert, nachvollziehbar und kontrollierbar. Gegen alle Amtshandlungen kann Beschwerde geführt werden. Gleiches gilt auch für die im Berichtsentwurf beanstandete Vorgehensweise der Flughafenpolizei gegenüber (möglicherweise) Asyl Suchenden. Diese Verfahrensschritte und -fristen basieren ebenfalls auf entsprechenden gesetzlichen Grundlagen.
Die Polizei ist sich durchaus bewusst, dass es bei den zahlreichen polizeilichen Verrichtungen, die täglich rund um die Uhr vorgenommen werden, auch zu Fehlleistungen kommen kann. Themen wie Fremdenfeindlichkeit und polizeiliche Gewaltausübung finden jedoch sowohl in der polizeilichen Grundausbildung als auch in der Weiterbildung systematische Beachtung. In der Aus- und Weiterbildung der kantonalen Polizeien werden diese Bereiche eingehend und mit der notwendigen Sorgfalt behandelt. In einzelnen Kantonen sind auch spezifische Bemühungen im Gang, um Polizeibeamte besser auf die schwierigen Situationen vorzubereiten, denen sie sich in ihrem Alltag vermehrt gegenübergestellt sehen.
Ad 48
Neben ein paar Rom- bzw. Manush-Familien gehört die grosse Mehrheit der Schweizer Fahrenden zu den autochthonen Jenischen.
Es ist darauf hinzuweisen, dass Jenisch ein Soziolekt mit deutscher grammatikalischer Struktur ist. Die Fahrenden in der Schweiz benützen diese Sprache nur unter sich, und es ist ihnen im Allgemeinen nicht daran gelegen, dass Aussenstehende diese beherrschen.
Ein Jenischunterricht in der Schule wird daher in keiner Weise nachgefragt. Der Schwerpunkt wird zur Zeit auf die Herstellung von – wenn möglich spielerischen – Lehrmitteln gelegt, die den Kindern der Fahrenden das Erlernen des Jenischen im Rahmen ihrer Familien ermöglichen.
Es muss beachtet werden, dass die Position der Fahrenden in Bezug auf den Schulbesuch der Kinder nicht einheitlich ist. Die Vertreter der Fahrenden sind im Wesentlichen zufrieden mit der aktuellen Situation, die es den Kindern erlaubt, ihre fahrenden Eltern während des Sommers zu begleiten, indem sie mittels Fernunterrichts von Lehrern begleitet und betreut werden.
Ad 56
Der Behauptung, das BFF stelle Statistiken zum Vergleich mit anderen Ländern „auf verzerrende Weise“ dar, muss widersprochen werden. Tatsächlich unterscheiden sich die Praktiken der Erstellung der Asylstatistiken je nach Aufnahmeland, was internationale Vergleiche erschwert. In Anbetracht dieser Situation zieht es das BFF vor, die unterschiedlichen Praktiken, auf denen die gelieferten Zahlen beruhen, klar und offen darzulegen, statt auf jeglichen internationalen Vergleich zu verzichten.
Ad „Situation der in der Schweiz niedergelassenen Ausländer“ (94, 98, 99)
Mit dem dualen Zulassungssystem hat der Bundesrat 1998 das kritisierte „Drei-Kreise-Modell“ auf dem Verordnungsweg abgelöst. Im Entwurf des neuen Ausländergesetzes wird diese Politik nun auf Gesetzesstufe geregelt. Mit dem In-Kraft-Treten des Abkommens über den freien Personenverkehr zwischen der Schweiz und den EU-Staaten am 1. Juni 2002 ist die Zulassung von Arbeitskräften aus anderen Staaten grundsätzlich Personen vorbehalten, deren Qualifikationen auf dem heimischen und europäischen Arbeitsmarkt nicht vorhanden sind. Ausnahmen sind beim Familiennachzug, für Ausbildungsaufenthalte sowie aus wichtigen humanitären Gründen möglich. Diese Ausnahmen bilden den überwiegenden Teil der jährlichen Zulassungen (im Jahr 2002 rund 65’000 Personen oder 63% der gesamten Zuwanderung). Das Personenfreizügigkeitsabkommen ist integraler Bestandteil eines umfassenden Vertragssystems, das die Vertragsstaaten verpflichtet, die Angehörigen der anderen Vertragsstaaten vorrangig zuzulassen und sie gleich zu behandeln wie die eigenen Staatsangehörigen. Es besteht keine verfassungsmässige oder völkerrechtliche Verpflichtung, diese gegenseitigen vertraglichen Verpflichtungen auch auf Angehörige von Drittstaaten auszudehnen, mit denen die Schweiz weder durch einen Vertrag noch durch Gegenrecht verbunden ist. Die Zulassungsvorschriften gelten für sämtliche Angehörigen von Drittstaaten in gleichem Umfang, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit.
Die erhobenen Vorwürfe werden von den Experten im Bereich des Staats- und Völkerrechts nicht gestützt. Die Rechtsprechung des EGMR (Abulaziz, Cabales, und Balkandali c. Vereinigtes Königreich, Sér. A Nr. 94, § 84) bestätigt ebenfalls, dass die Praxis von Staaten, die ihren eigenen Staatsangehörigen oder solchen von Ländern, mit denen sie enge Beziehungen pflegen, eine bevorzugte Behandlung einräumen, keine unzulässige rassistische Diskriminierung darstellt. Auch das Komitee der Vereinten Nationen für die Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung hat keine Einwände gegen das duale Zulassungssystem vorgebracht.
Sämtliche EU- und EFTA-Staaten kennen Zulassungs- und Anwesenheitsregelungen, die stark von den Grundsätzen des freien Personenverkehrs abweichen. Dies gilt auch für die Vorschläge der EU-Kommission für eine gemeinschaftliche Regelung der Zulassung und Anwesenheit von Personen aus Drittstaaten. Sie sind mit der Regelung im Entwurf des neuen Ausländergesetzes vergleichbar. In diesem Entwurf wird überdies die Rechtsstellung der zugelassenen Ausländer aus Drittstaaten – gerade auch in Anlehnung an das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU – gegenüber dem heute geltenden Ausländergesetz deutlich verbessert. Dies gilt insbesondere für den Familiennachzug sowie für die geografische und berufliche Mobilität.
Die Zulassung qualifizierter Arbeitskräfte aus Drittstaaten ist auf Personen beschränkt, deren Qualifikationen weder auf dem heimischen Arbeitsmarkt noch in den EU-Vertragstaaten vorhanden sind. Diese Bestimmung soll zu einer ausgeglichenen Beschäftigungssituation und einer Verbesserung der Arbeitsmarktstruktur führen. Darüber hinaus gilt es als erwiesen, dass sich qualifizierte Personen schneller auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft integrieren. Die Selektion basiert daher auf dem Kriterium der Qualifikation und nicht auf der Staatsangehörigkeit. Beim Familiennachzug und bei anderen besonderen Einwanderungsgründen, welche zusammen zum grössten Teil der jährlichen Einwanderung führen, wird dieses Kriterium jedoch nicht angewendet.
Ad 95
Rund 75 % der in der Schweiz ansässigen Ausländer besitzen eine unbefristete und an keine Bedingungen gebundene Niederlassungsbewilligung, die ihnen einen hohen Grad an Rechtssicherheit und umfassende Wirtschaftsfreiheit gewährt. Diese Bewilligung kann nur in Ausnahmefällen, die vom Gesetz abschliessend geregelt sind, entzogen werden. Für Entscheidung im Zusammenhang mit Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen bestehen wirksame Rekursmöglichkeiten. Kann eine betroffene Person ein Anwesenheitsrecht geltend machen, ist zudem eine Beschwerde bis vor Bundesgericht zulässig (z. B. bei der Ausweisung von Personen mit einer Niederlassungsbewilligung oder bei einem Anspruch auf Familiennachzug).
Ad 100
Bei der heutigen Regelung hängt das Aufenthaltsrecht des Ehegatten bis zur Erteilung der Niederlassungsbewilligung vom Fortbestand der Ehe (bei Ehegatten von Schweizern oder Schweizerinnen) oder vom Fortbestand der ehelichen Gemeinschaft (bei Ehegatten von Ausländern oder Ausländerinnen) ab. Scheitert die Ehe und ist die Rückkehr in das Herkunftsland nicht zumutbar (Härtefall), kann die Aufenthaltsbewilligung jederzeit verlängert werden. Nach fünf Jahren besteht in der Regel ein Anspruch auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung. Ausgenommen hiervon sind Ehegatten von Personen, die eine Aufenthalts-, aber keine Niederlassungsbewilligung haben. Auch in diesem Fall werden nach fünf Jahren keine Wegweisungen mehr beschlossen.
Der Entwurf des neuen Ausländergesetzes sieht für die Rechtsstellung der zugelassenen Ausländer aus Drittstaaten – gerade auch in Anlehnung an das Personenfreizügigkeitsabkommen – gegenüber der heutigen Regelung im ANAG deutliche Verbesserungen vor. Dies gilt insbesondere für den Familiennachzug sowie für die berufliche und geografische Mobilität. So besteht für Ausländer mit Aufenthaltsbewilligung, inkl. Studierende, neu ein Anspruch auf Familiennachzug. Ebenso soll die Möglichkeit des Familiennachzugs neu für Kurzaufenthalter eingeführt werden. Auf eine Regelung analog zum Personenfreizügigkeitsabkommen wurde indessen v. a. wegen des föderalistischen Aufbaus der Schweiz, der demografischen und integrationspolitischen Auswirkungen und nicht zuletzt wegen des fehlenden Gegenrechts verzichtet. Die Unterschiede in der Rechtsstellung basieren somit auf sachlichen Grundlagen und stellen daher keine Diskriminierung im Sinn von Artikel 8 BV dar (siehe zudem Bemerkungen ad 98).
Der Entwurf des neuen Ausländergesetzes ist für Angehörige der EU-/EFTA-Mitgliedstaaten und ihre Familienangehörigen nur noch in wenigen Fällen subsidiär anwendbar, wenn das Personenfreizügigkeitsabkommen keine abweichenden Bestimmungen enthält oder wenn die Regelung im Gesetzesentwurf günstiger ist. Angehörige der EU-/EFTA-Mitgliedstaaten kommen somit analog zu den Angehörigen von Drittstaaten in den Genuss von Integrationsförderungsmassnahmen.
Ad 103
Das duale Zulassungssystem ist bereits heute in Kraft (wie im Bericht unter 97 aufgeführt). Das In-Kraft-Treten des neuen Ausländergesetzes wird deshalb keine Auswirkungen auf die Zahl der illegal in der Schweiz anwesenden Ausländer haben.
Bern, den 24. November 2004
Zuletzt aktualisiert am September 19, 2021 von eurogesetze
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