Zur Frage, ob die Antragsfrist für die Gewährung von Beihilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 LBhVO Bln gegen den verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes verstößt und auf einer hinreichend bestimmten Verordnungsermächtigung beruht

Gericht: OVG Berlin-Brandenburg 4. Senat
Entscheidungsdatum: 10.08.2021
Aktenzeichen: OVG 4 N 31/21
ECLI: ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0810.OVG4N31.21.00
Dokumententyp: Beschluss
Normen: Art 20 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 80 Abs 1 S 2 GG, § 54 Abs 1 S 1 BhV BE, § 76aF BG BE 2009, § 118 Abs 1 VwGO, § 119 Abs 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 4 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 5 VwGO

Leitsatz

Zur Frage, ob die Antragsfrist für die Gewährung von Beihilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 LBhVO Bln gegen den verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes verstößt und auf einer hinreichend bestimmten Verordnungsermächtigung beruht.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das ihm am 21. April 2021 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 1.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der Kläger ist Miterbe seines am 21. April 2018 verstorbenen beihilfeberechtigten Vaters und begehrte mit einem am 11. März 2019 bei dem Beklagten eingegangenen Antrag die Gewährung von Beihilfe für Aufwendungen, die dem Vater zwischen dem 18. Dezember 2017 und dem 16. Februar 2018 entstanden sind. Der Beklagte lehnte die Gewährung der Beihilfe für Aufwendungen, deren Rechnungsdaten in den vorgenannten Zeitraum fielen, ab, da die Beihilfe nicht innerhalb der Jahresfrist des § 54 Abs. 1 Satz 1 LBhVO beantragt worden sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers abgewiesen. Sein dagegen gerichteter Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Das Gericht prüft nur die von dem Kläger dargelegten Gründe (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Gemessen daran hat das Verwaltungsgericht seine Klage mit dem Antrag, den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 29. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2019 zu verpflichten, Beihilfe in Höhe von 70 % aller beantragten Aufwendungen zu gewähren, soweit die Leistungen der Beihilfe unter Hinweis auf die Verfristung gemäß § 54 Abs. 1 LBhVO verweigert worden seien, zu Recht abgewiesen.

1. Der zunächst geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist nicht in der erforderlichen Weise dargelegt.

Eine Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO setzt voraus, dass das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil einen inhaltlich bestimmten, das Urteil tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, mit dem es einem ebensolchen Rechtssatz widersprochen hat, der in einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt worden ist. Die Begründung des Zulassungsantrages muss gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. März 2016 – 5 B 11.16 – juris Rn. 2; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Mai 2021 – OVG 4 N 68.18 – juris Rn. 23). Daran fehlt es hier.

Der Kläger zeigt nicht auf, dass das Verwaltungsgericht von einem Rechtssatz abgewichen ist, den das Bundesverwaltungsgericht zum Vorbehalt des Gesetzes und zum Gebot der Bestimmtheit von Verordnungsermächtigungen im Beihilferecht (BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2012 – 5 C 1.12 – juris Rn. 12 ff., vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 2015 – 5 C 9.14 – juris Rn. 19; BVerwG, Urteil vom 28. März 2019 – 5 C 4.18 – juris Rn. 9) aufgestellt hat.

Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach maßgeblich für die Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen ist (stRspr, BVerwG, Urteile vom 2. April 2014 – 5 C 40.12 – juris Rn. 9 und vom 21. November 2017 – 5 C 2.16 – juris Rn. 8) hat das Verwaltungsgericht – vom Kläger unbeanstandet – § 76 LBG vom 19. März 2009 in der Fassung vom 9. Juli 2014 bzw. in der Fassung vom 9. April 2018 (LBG a.F.) in Verbindung mit § 54 Abs. 1 Satz 1 LBhVO vom 8. September 2009 in der Fassung vom 29. November 2016 für die Gewährung der Beihilfe für maßgeblich angesehen. Nach letzterer Norm wird Beihilfe nur gewährt, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Rechnungsdatum beantragt wird. Der Kläger habe mit seinem Beihilfeantrag diese Antragsfrist nicht gewahrt. Das Verwaltungsgericht hat dazu im Einzelnen ausgeführt, dass der Kläger nicht innerhalb der vorgenannten Frist die Rechnungen beim Landesverwaltungsamt vorgelegt habe und damit die Beihilfe nicht rechtzeitig beantragt habe. Deshalb könne er Beihilfe für die Aufwendungen nicht mehr beanspruchen.

Dabei geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass § 54 Abs. 1 Satz 1 LBhVO nicht gegen den verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG) verstoße und daher wirksam sei. Zur Begründung knüpft es dabei an Rechtssätze im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Vorbehalt des Gesetzes im Beihilferecht vom 19. Juli 2012 (- 5 C 1.12 – juris Rn. 12 f., 15) an und führt aus, dass der Gesetzgeber der Notwendigkeit einer von ihm zu verantwortenden Entscheidung grundsätzlich auch dadurch Rechnung tragen könne, dass er den Beihilfeausschluss durch Landesverordnung regele, sofern das Landesgesetz eine Verordnungsermächtigung enthalte, die den damit verbundenen Leistungsausschluss inhaltlich decke. Dies sei bei § 54 Abs. 1 Satz 1 LBhVO der Fall. Diese Norm regele lediglich die Ausgestaltung der Gewährung der Beihilfe und stelle mithin eine bloße Modalität der Beihilfeleistung dar. Hierfür genüge die Ermächtigung des § 76 Abs. 11 Satz 1 bzw. Abs. 5 Satz 1 LBG a.F. zur Regelung der Einzelheiten der Beihilfegewährung aus.

Der Kläger vertritt hingegen die Ansicht, dass § 54 Abs. 1 Satz 1 LBhVO gegen den verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes verstoße und somit unwirksam sei. Der Kläger macht dazu geltend, dass diese Norm einen Leistungsausschluss regele, für den eine konkrete Ermächtigungsgrundlage erforderlich sei. Die Norm regele, unter welchen Bedingungen – namentlich nach Ablauf der Jahresfrist – ein Leistungsanspruch vollständig ausgeschlossen sei. Die Ermächtigungsnorm des § 76 Abs. 11 LBG a.F. ermächtige lediglich zu Regelungen der Einzelheiten der Beihilfegewährung. Den Anforderungen des Gesetzesvorbehaltes genüge diese Norm nicht. In diesem Zusammenhang macht die Begründung des Zulassungsantrages geltend, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Juli 2012 (Rn. 13 f.) stelle den Rechtssatz auf,

„Der Vorbehalt des Gesetzes verpflichtet den parlamentarischen Gesetzgeber dazu, die tragenden Strukturprinzipien und wesentlichen Einschränkungen des Beihilfesystems selbst festzulegen, wobei zu den tragenden Strukturprinzipien des Beihilferechts insbesondere auch die Grundsätze, nach denen Leistungen erbracht, bemessen oder ausgeschlossen werden, gehören.“

Dem angegriffenen Urteil (S. 6) liege hingegen folgender Rechtssatz zugrunde:

„Die Ausschlussfrist des § 54 Abs. 1 Landesbeihilfeverordnung fällt nicht unter den Vorbehalt des Gesetzes, wonach eine konkrete Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer solchen Regelung im Verordnungswege zu fordern wäre.“

Vorgenannter Satz ist allerdings nicht ein abstrakter Rechtssatz, an welchem die Subsumtion des Verwaltungsgerichts ansetzt, sondern dessen (konkreter) Ergebnissatz. Es findet sich auch nicht ein – vom Kläger unerwähnt gebliebener – abstrakter Rechtssatz im erstinstanzlichen Urteil, der von dem genannten abstrakten Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts abwiche. Das Verwaltungsgericht stellt nicht allgemein in Frage, dass die Regelung des § 54 Abs. 1 Satz 1 LBhVO zur Antragsfrist dem Vorbehalt des Gesetzes unterfällt. Es führt vielmehr der Sache nach zutreffend aus, dass der Gesetzgeber die Notwendigkeit einer von ihm zu verantwortenden Entscheidung grundsätzlich auch dadurch Rechnung tragen könne, dass er die Exekutive ermächtige, die Nichtgewährung der Beihilfe nach Ablauf einer Frist durch Landesverordnung zu regeln (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26. März 2015 – 5 C 9.14 – juris Rn. 21 f.). Hierfür genüge die Ermächtigung des § 76 Abs. 11 Satz 1 bzw. Abs. 5 LBG a.F. zur Regelung der Einzelheiten der Beihilfegewährung aus. Schon deshalb sind die Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 3 VwGO an die Darlegung der Divergenz nicht erfüllt.

Hinzu kommt, dass die Vorinstanz mit ihrer der Sache nach vertretenen Rechtsauffassung, dass § 54 Abs. 1 Satz 1 LBhVO in der hier maßgeblichen Fassung nicht gegen den verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes verstoße und ihre Ermächtigungsgrundlage dem Gebot der Bestimmtheit der Verordnungsermächtigung genüge und damit wirksam sei, nicht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vorbehalt des Gesetzes und dem Gebot der Bestimmtheit von Verordnungsermächtigungen im Beihilferecht abgewichen ist. Im Übrigen würde selbst das Aufzeigen einer fehlerhaften Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, nicht den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge genügen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2020 – 2 B 63.20 – juris Rn. 6).

Die Abweichung des erstinstanzlichen Urteils besteht schon nicht im Hinblick auf das vom Kläger angeführte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Juli 2012 (- 5 C 1.12 – juris Rn. 13). Der Kläger hat sein (mit Anführungszeichen) als wörtlich gekennzeichnetes Zitat aus Teilen dreier Sätze des genannten Urteils zusammengefügt und dabei den inmitten stehenden Satz weggelassen. Dieser lautet: „Andernfalls könnte der für Besoldung und Versorgung bestehende Gesetzesvorbehalt aus Art. 33 Abs. 5 GG zunehmend ausgehöhlt werden und die Exekutive das durch Besoldungs- und Versorgungsgesetze festgelegte Alimentationsniveau durch Streichungen oder Kürzungen von Beihilfeleistungen eigenmächtig absenken (…).“ Nachfolgend heißt es, vom Parlament seien die „Grundsätze, nach denen Leistungen (…) ausgeschlossen werden“ und „Beihilfekürzungen in Form von Selbstbeteiligungen“, auch durch eine Kostendämpfungspauschale, zu beschließen. Das Bundesverwaltungsgericht schreibt im folgenden Absatz (Rn. 14) von der „Anwendung dieser Rechtsgrundsätze“ und bezieht sich damit auf den gesamten vorausgehenden Absatz (Rn. 13). Das Gericht macht so deutlich, dass Grundsätze, nach denen Leistungen ausgeschlossen werden, auf die Absenkung des Alimentationsniveaus bezogen sind. Von der Notwendigkeit parlamentarischer Verantwortung werden demnach nur Regelungen erfasst, die einem Beihilfeberechtigten die Leistung ganz oder teilweise vorenthalten, selbst wenn er alle geltenden Obliegenheiten beachtet. Es geht um unvermeidliche Ausschlüsse und insoweit nur um grundsätzliche Regelungen, nicht um Details.

Das Alimentationsniveau wird hingegen nicht betroffen durch Regelungen, bei deren Beachtung die zustehende Beihilfe ungeschmälert ausgezahlt wird. Dazu gehören Fristen über die Antragstellung, Verjährung und ferner die Regeln über Verwirkung. Bei solchen „Anspruchsbeendigungen“ hat es ein Beihilfeberechtigter in der Hand, sich die ihm zustehende Auszahlung zu sichern, indem er die von ihm beglichenen Rechnungen ohne Säumnis bei der Beihilfestelle einreicht. Dabei unterscheidet sich die einjährige Antragsfrist, wie sie im Beihilferecht der Beamten traditionell üblich ist, von einer einjährigen Verjährungsfrist dadurch, dass sie ohne Weiteres gilt und nicht erst mit einer Einrede geltend gemacht werden muss. Solche Fristen betreffen die verfahrensmäßige Abwicklung der Beihilfezahlungen. Ansprüche stehen in der Regel nicht ewig zu. Das ist keine Besonderheit der Beamtenbeihilfe. Die technische Ausgestaltung des Beihilfeverfahrens durch eine Antragsfrist ist kein Ausschluss im Sinne des Bundesverwaltungsgerichts. Es handelt sich vielmehr um eine der „Einzelheiten der Beihilfegewährung“.

Hinzu kommt, dass das Bundesverwaltungsgericht im Anschluss an das Urteil vom 19. Juli 2012 seine Maßstäbe noch konkretisiert hat:

Der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes, der sich aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungssystem des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG) ergibt und jedenfalls aufgrund des Homogenitätsgebots (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) auch für die Landesgesetzgebung verbindlich ist, gilt auch für das Beihilferecht. Die Verantwortung des Dienstherrn bei Krankheit oder Pflegebedürftigkeit des Beamten und seiner Angehörigen bedarf wegen der außergewöhnlichen Bedeutung der Beihilfe für die Betroffenen und für die Wahrung eines verfassungsgemäßen Alimentationsniveaus der normativen Ordnung. Der parlamentarische Landesgesetzgeber muss die tragenden Strukturprinzipien und wesentlichen Einschränkungen des Beihilfesystems festlegen. Zu den tragenden Strukturprinzipien des Beihilferechts gehören insbesondere die Bestimmung des Leistungssystems, das dem Beamten und seiner Familie Schutz im Fall von Krankheit und Pflegebedürftigkeit bietet, die Festlegung der Risiken, die abgedeckt werden, des Personenkreises, der Leistungen beanspruchen kann, der Grundsätze, nach denen Leistungen erbracht, bemessen oder ausgeschlossen werden, und die Anordnung, welche zweckidentischen Leistungen und Berechtigungen Vorrang haben. Die Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen eine Unterstützung in Form von Beihilfen gänzlich zu versagen ist, ist grundsätzlicher Natur und daher vom parlamentarischen Landesgesetzgeber selbst zu treffen (stRspr, BVerwG, Urteil vom 28. März 2019 – 5 C 4.18 – juris Rn. 9 m.w.N.). Dagegen sind die Anforderungen des Gesetzesvorbehalts geringer, wenn es um die Konkretisierung von Beihilfebeschränkungen durch den Verordnungsgeber geht, die bereits im bisherigen Beihilferecht angelegt waren (BVerwG, Urteil vom 26. März 2015 – 5 C 9.14 – juris Rn. 19).

Der Notwendigkeit einer von ihm zu verantwortenden Entscheidung kann der Gesetzgeber grundsätzlich auch dadurch Rechnung tragen, dass er die Verwaltung ermächtigt, den Beihilfeausschluss durch Landesverordnung zu regeln. Hierfür ist erforderlich, dass das Landesgesetz eine gemessen an dem auch von dem Landesgesetzgeber zu beachtenden Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG hinreichend konkrete Verordnungsermächtigung enthält, die den betreffenden Leistungsausschluss, die Leistungsbeschränkung oder die Konkretisierung zu Gewährung von Beihilfe durch Verordnung inhaltlich deckt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 2015 – 5 C 9.14 – juris Rn. 21; siehe auch Urteil vom 19. Juli 2012 – 5 C 1.12 – juris Rn. 15, Urteil vom 28. März 2019 – 5 C 4.18 – juris Rn. 10).

Diesen Anforderungen genügt die Vorschrift über die Antragsfrist des § 54 Abs. 1 Satz 1 LBhVO, die auf einer hinreichend konkreten Verordnungsermächtigung des § 76 Abs. 11 bzw. dem späteren Abs. 5 LBG a.F. beruht. Die Regelung, dass Beihilfe nur gewährt wird, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Rechnungsdatum beantragt wird, berührt weder ein vom parlamentarischen Gesetzgeber festzulegendes tragendes Strukturprinzip des Beihilfesystems noch stellt sie einen grundsätzlichen Ausschluss der Beihilfe für Leistungen dar, sondern stellt eine bloße Konkretisierung der Einzelheiten der Gewährung von Beihilfe dar. Der Landesgesetzgeber konnte daher die Notwendigkeit einer von ihm zu verantwortenden Entscheidung dadurch Rechnung tragen, dass er durch die gesetzliche Ermächtigung des früheren § 76 Abs. 11 bzw. Abs. 5 LBG dem Senat aufgab, die Einzelheiten der Beihilfegewährung durch Rechtsverordnung zu regeln. Der Berliner Landesgesetzgeber hat nämlich mit der vorgenannten Regelung der Exekutive grundsätzlich die Kompetenz eingeräumt, Einzelheiten der Beihilfegewährung durch Rechtsverordnung zu regeln, insbesondere sie zu konkretisieren und auch in zeitlicher Hinsicht zu beschränken. Durch die Antragsfrist des § 54 Abs. 1 Satz 1 LBhVO wird die Gewährung einer Beihilfeleistung – wie ausgeführt -nicht vollständig oder teilweise ausgeschlossen im Sinne eines Ausschlusses einer Leistung, wie z.B., dass bei stationären Krankenhausaufenthalten eine Chefarztbehandlung oder ein Zweibettzimmerzuschlag nicht beihilfefähig ist oder den Ausschluss der Gewährung von Beihilfe für bestimmte Arzneimittel. Vielmehr regelt die Norm im Kern nur eine zeitliche Schranke für die Gewährung von Beihilfe in dem Sinne, dass sie innerhalb eines Jahres nach dem Rechnungsdatum beantragt werden muss. Diese Regelung bezweckt, die baldige Klärung bestehender Beihilfeansprüche herbeizuführen, und dient einer zügigen Abwicklung der Beihilfeansprüche im Interesse einer ordnungsgemäßen übersichtlichen Verwaltung öffentlicher Haushaltsmittel (vgl. Schröder/
Amelungk, Bundesbeihilfeverordnung, Stand August 2020, § 54 Anm. 4). Die zeitliche Grenze ist mit der Jahresfrist, die auf das Rechnungsdatum der Leistung abstellt, so gezogen, dass nach der Lebenserfahrung beihilfeberechtigten Beamtinnen und Beamten und Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger auch dann noch genügend Zeit zur Anspruchsverwirklichung zur Verfügung steht, wenn sie im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruches oder später vorrübergehend daran gehindert waren (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 1965 – VIII C 334.63 – BVerwGE 21, 258 <262>). Hinzu kommt, dass der Beklagte selbst eingeräumt hat, dass auch bei der Versäumung der Antragsfrist unter den Voraussetzungen des § 32 VwVfG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 VwVfG BE Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (vgl. Schröder/Amelungk, Bundesbeihilfeverordnung, Stand August 2020, § 54 Anm. 5). Auch dies zeigt, dass die Regelung über die Antragsfrist eine bloße Konkretisierung der Einzelheiten der Gewährung von Beihilfe ist und von daher keine Notwendigkeit besteht, dass der parlamentarische Landesgesetzgeber selber eine solche Regelung trifft. Es reicht vielmehr aus, dass der Landesgesetzgeber die Exekutive ermächtigt, dies durch Rechtsverordnung zu regeln. Die gesetzliche Ermächtigung des § 76 Abs. 11 bzw. später Abs. 5 LBG a.F., wonach der Senat Einzelheiten der Beihilfegewährung durch Rechtsverordnung regeln kann, ist dabei noch eine hinreichend konkrete Verordnungsermächtigung, die dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 2 Satz 2 GG genügt. Zwar regelt diese Norm nicht ausdrücklich, dass der Senat durch Rechtsverordnung eine Antragsfrist regeln kann. Das Bestimmtheitsgebot zwingt aber nicht dazu, dass die Ermächtigung so genau wie möglich zu formulieren ist. Vielmehr reicht es aus, dass der Landesgesetzgeber sich darauf beschränkt vorzugeben, dass der Senat vor dem Hintergrund der weitreichenden Vorgaben für die Beihilfe des Parlamentsgesetzgebers (§ 76 LBG a.F.) die Beihilfegewährung in Einzelheiten regeln kann. Die Anforderungen des Gesetzesvorbehalts und der Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage sind hier deshalb geringer, weil es, wie gezeigt, um eine Konkretisierung der Beihilfegewährung im Sinne einer bloßen zeitlichen Beihilfebeschränkung geht. Es handelt sich dabei nicht um eine neuartige Regelung oder erhebliche Einschränkung der Beihilfegewährung, die allgemein das Alimentationsniveau absenkt. Sie war überdies bereits im bisherigen Beihilferecht angelegt. So regelte bereits die Bundesbeihilfeverordnung vom 13. Februar 2009 (BGBl. I S. 326), dass Beihilfe nur gewährt wird, wenn sie innerhalb eines Jahres nach dem Rechnungsdatum beantragt wird.

2. Die Darlegungen des Klägers rechtfertigen auch nicht die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Der Kläger bezeichnet die Frage der „Gültigkeit der Ausschlussfrist des § 54 Abs. 1 Satz 1 LBhVO“ als grundsätzlich bedeutsam.

Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist es erforderlich, dass eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich noch nicht geklärte, konkrete und zugleich entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen und dazu erläutert wird, warum sie über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist und im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung in einem Berufungsverfahren geklärt werden muss. Die Frage von grundsätzlicher Bedeutung muss ausformuliert werden (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Mai 2021 – OVG 4 N 68.18 – juris Rn.20 m.w.N.).

Diesen Anforderungen entspricht der Zulassungsantrag nicht. Der Kläger legt zwar dar, dass § 54 Abs. 1 Satz 1 LBhVO über den Einzelfall hinaus in einer Vielzahl von Fällen eine Rolle spiele. Er formuliert aber keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung hinreichend konkret und legt auch unter Berücksichtigung der zu 1. ausgeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Vorbehalt des Gesetzes und zum Gebot der Bestimmtheit von Verordnungsermächtigungen im Beihilferecht nicht hinreichend dar, dass die von ihm (nur) angerissene Frage klärungsbedürftig ist und nicht bereits geklärt ist.

3. Aus den Darlegungen des Klägers ergibt sich auch nicht, dass an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung ernstliche Zweifel i.S. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden.

Der Kläger führt an, dass bei zutreffender Rechtsanwendung die Regelung des § 54 Abs. 1 Satz 1 LBhVO hier wegen deren Nichtigkeit hätte außer Betracht bleiben müssen. Damit zeigt er nicht auf, dass die Richtigkeit der Entscheidung der Vorinstanz ernstlichen Zweifeln unterliegt. Wie zu 1. ausgeführt, ist die aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 76 Abs. 11 bzw. Abs. 5 LBG a.F. erlassene Vorschrift des § 54 Abs. 1 Satz 1 LBhVO mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes vereinbar und beruht auf einer hinreichend bestimmten Verordnungsermächtigung, so dass sie keinen Wirksamkeitsbedenken unterliegt.

4. Die Berufung ist schließlich nicht wegen des vom Kläger angeführten Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen. Danach ist die Berufung zuzulassen, wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Der Kläger rügt, dass im Tatbestand des Urteils ersichtlich Rechnungsdaten und Daten der Schreiben aus dem Parallelurteil VG 36 K 236.19 (OVG 4 N 34/21) übernommen worden seien und mithin ein falscher Sachverhalt dem vorliegenden Urteil zugrunde liege. Damit beruft sich der Kläger auf einen Fehler, der entweder gemäß § 118 Abs. 1 VwGO als offenbare Unrichtigkeit jederzeit vom erstinstanzlichen Gericht zu berichtigen wäre oder aber gemäß § 119 Abs. 1 VwGO als sonstiger Fehler im Tatbestand des Urteils auf Antrag, der innerhalb von zwei Wochen hätte gestellt werden müssen, vom Verwaltungsgericht zu korrigieren wäre. In der Sache hat das Verwaltungsgericht seine beiden weitgehend identischen Urteile „ersichtlich“, wie der Kläger einräumt, durch Textübernahme vom ersten in das zweite Urteil gefertigt und dabei einige wenige Daten in dem an zweiter Stelle gefertigten Urteil VG 36 K 459.19 versehentlich nicht abgeändert; die maßgeblichen Daten von Bescheid und Widerspruchsbescheid sind allerdings zutreffend. Jedenfalls steht fest, dass der Antrag auf Zulassung der Berufung mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht auf einen Fehler im Tatbestand gestützt werden kann, für den es die Möglichkeit der Korrektur durch das erstinstanzliche Gericht gibt bzw. gegeben hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2009 – 10 B 50.08 – juris Rn. 4; OVG Bautzen, Beschluss vom 14. August 2019 – 1 A 238/19 – juris Rn. 7 ff. <9>; Kilian/Hissnauer in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 119 Rn. 29; Bamberger in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 119 Rn. 1).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Zuletzt aktualisiert am August 29, 2021 von eurogesetze

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