Gericht: OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen. Entscheidungsdatum: 10.08.2021. Aktenzeichen: 13 UF 65/21

Gericht: OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen
Entscheidungsdatum: 10.08.2021
Aktenzeichen: 13 UF 65/21
ECLI: ECLI:DE:OLGBB:2021:0810.13UF65.21.00
Dokumententyp: Beschluss

Tenor

Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 3) wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 30.03.2021 – 20 F 110/20 – in seinem Ausspruch zum Versorgungsausgleich (Ziffer 2.) teilweise abgeändert.

Ziffer 2. des Tenors erhält im 3. Absatz folgende Fassung:

Ein Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der VBL Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (Vers. Nr. …, VBL klassik) findet nicht statt.

Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Im Übrigen werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens unter der Antragstellerin und dem Antragsgegner gegeneinander aufgehoben.

Gebührenwert Beschwerde: 1.350,- €.

Gründe

I.

Die beschwerdeführende Versorgungsträgerin beanstandet den Ausgleich des bei ihr begründeten Anrechts der Antragstellerin.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 30.03.2021 (Bl. 36) hat das Amtsgericht die Ehe der Antragsbeteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich zwischen ihnen durchgeführt. Dabei hat es, ausgehend von der erstinstanzlich ausdrücklich nur vorläufig und in Ansehung des bereits unverfallbaren Teils des Anrechts erteilten Auskunft der Beschwerdeführerin vom 04.11.2020 (Bl. 27 VA-Heft), ein Anrecht der Antragstellerin bei der Beschwerdeführerin aus einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes mit der Bezeichnung „VBLklassik“ zugunsten des Antragsgegners mit 4,91 Versorgungspunkten bei korrespondierendem Kapitalwert von 1.196,54 € im Wege der internen Teilung ausgeglichen.

Gegen den Ausgleich dieses Anrechts wendet sich die weitere Beteiligte zu 3) mit ihrer Beschwerde (Bl. 60). Sie macht geltend, die Entscheidung des Amtsgerichts sei zum einen insoweit unzutreffend, als das Amtsgericht nicht ihre Neubeauskunftung der Höhe der Versorgungsanwartschaft mit Schreiben vom 29.03.2021 (Bl. 59ff. VA-Heft) berücksichtigt habe, wonach aufgrund der mittlerweile insgesamt erfüllten Wartezeit nach § 34 der Satzung der VBL der zutreffende Ausgleichswert 10,57 Versorgungspunkte, entsprechend einem Kapitalwert von 2.577,77 € betrage. Zum anderen müsse infolge der erforderlichen Bagatellprüfung gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG ein Ausgleich des Anrechts wegen Geringwertigkeit unterbleiben.

II.

Die gemäß §§ 58, 228 FamFG zulässige Beschwerde, über die der Senat nach Gewährung des rechtlichen Gehörs ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG), führt zum Erfolg.

Nach § 18 Abs. 2 VersAusglG soll das Familiengericht einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert nicht ausgleichen. Die „Soll“- Regelung eröffnet dem Familiengericht einen Ermessensspielraum, den das Gericht entsprechend der Grundkonzeption des Versorgungsausgleichs fehlerfrei auszuüben hat (vgl. BGH vom 23.11.2016 – XII ZB 323/15, juris Rn. 11). Bei der Ausübung des Ermessens sind neben dem Gesetzeszweck die ausdrücklich geäußerten Wünsche der beteiligten Eheleute (BGH vom 23.11.2016, a. a. O., Rn. 13; BT-Drs. 16/10144, 61) und des Versorgungsträgers, bei dem das betreffende Anrecht besteht, zu berücksichtigen (Erman/Norpoth/Sasse, BGB, 16. Aufl. 2020, § 18 VersAusglG Rn. 8). Zweck des § 18 VersAusglG ist, eine unverhältnismäßige und aus Sicht der Beteiligten nicht vorteilhafte (BT-Drs 16/10144, 60) bzw. wirtschaftlich nicht erforderliche (BT-Drs. 16/11903, 54) Durchführung des Versorgungsausgleichs sowie die Schaffung von „Splitterversorgungen“ zu vermeiden (BGH vom 02.09.2015 – XII ZB 33/13, juris Rn. 24). Insbesondere sollen entweder ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand des Versorgungsträgers oder unverhältnismäßige Teilungskosten vermieden werden (BGH vom 02.09.2015, a. a. O.).

Gemessen an den obigen Kriterien hat die Durchführung des Versorgungsausgleichs hinsichtlich der Anwartschaft der Antragstellerin bei der Beschwerdeführerin zu unterbleiben.

Nach der auch im Beschwerdeverfahren von keiner Seite beanstandeten Auskunft der Beschwerdeführerin vom 26.03.2021 (Bl. 59ff. VA-Heft) hat die Antragstellerin in der als Ehezeit geltenden Zeit vom 01.06.2016 bis zum 31.07.2020 (§ 3 VersAusglG) folgendes Anrecht aus einer Pflichtversicherung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (VBL klassik) erworben:

Ehezeitanteil 23,54 Versorgungspunkte
Ausgleichswert 10.57 Versorgungspunkte
Korrespondierender Kapitalwert 2.577,77 €.

Daneben hat die Antragstellerin ein weiteres, im Verhältnis zum beschwerdegegenständlichen gleichartiges (vgl. OLG Brandenburg, 2. Senat für Familiensachen, FamRZ 2014, 1781) Anrecht aus einer Pflichtversicherung der Zusatzversorgung des öffentlichen Diensts bei der Beteiligten zu 2) erworben, das erstinstanzlich wegen Geringfügigkeit nicht ausgeglichen worden ist.

Ehezeitanteil 1,37 Versorgungspunkte
Ausgleichswert 0,24 Versorgungspunkte
Korrespondierender Kapitalwert 60,40 €.

Der im Grundsatz nach § 10 Abs. 1 VersAusglG im Wege der internen Teilung vorzunehmende Ausgleich ist nach §§ 18 Abs. 1 und Abs. 2 VersAusglG ausgeschlossen, wenn der Ausgleichswert (nach Abzug der Teilungskosten) als geringfügig im Sinne von § 18 VersAusglG zu beurteilen ist. Die Geringfügigkeitsgrenze bemisst sich bei Anrechten, deren maßgebliche Bezugsgröße – wie bei dem hier vorliegenden – kein Rentenbetrag ist, nach dem Kapitalwert, den der Ausgleichswert des Anrechts am Ende der Ehezeit hatte (§ 18 Abs. 3 VersAusglG). Gemäß § 18 Abs. 3 VersAusglG beträgt die Bagatellgrenze als Kapitalwert 120 % der am Ende der Ehezeit (hier 31.07.2020) maßgebenden monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV. Für das Jahr 2020 galt eine Bezugsgröße von 3.822 € (vgl. Schürmann, Tabellen zum Familienrecht, 41. Aufl., S. 33). Gemessen daran überschreitet weder die Höhe des Anrechts der Antragstellerin bei der Beschwerdeführerin noch die Summe der Kapitalwerte beider Anrechte der Antragstellerin aus ihren Pflichtversicherungen der Zusatzversorgungen des öffentlichen Diensts die Geringfügigkeitsgrenze.

Hat der Ausgleichspflichtige mehrere gleichartige Anrechte bei unterschiedlichen Versorgungsträgern, von denen nur eines Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, kann die Einbeziehung der weiteren gleichartigen Anrechte in die Ermessensentscheidung über das Absehen vom Ausgleich gemäß § 18 VersAusglG geboten sein (vgl. BGH NJW 2012, 1281; Götsche in Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, 3. Aufl. 2018, §228 FamFG Rn. 12; ders., a. a. O. § 18 VersAusglG Rn. 24f.). Da vorliegend die Summe der Kapitalwerte der auszugleichenden Anrechte der Antragstellerin aus beiden Pflichtversicherungen der Zusatzversorgungen des öffentlichen Diensts schon nicht die Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 18 Abs. 3 VersAusglG überschreitet – und im Übrigen das Absehen vom Ausgleich beider Anrechte eine unangemessene Benachteiligung des Antragsgegners nicht erkennen lässt – führt die im Rahmen der Ermessensausübung gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG vorzunehmende Gesamtbetrachtung (vgl. BGH NZFam 2016, 885) zu keinem abweichenden Ergebnis.

Im Hinblick auf die Geringfügigkeit des Anrechts der Antragstellerin bei der Beschwerdeführerin, und weil auch nicht besondere Gründe ausnahmsweise die Durchführung des Versorgungsausgleichs trotz Geringfügigkeit des Anrechts gebieten, hat dieser zu unterbleiben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG, 150 Abs. 1 FamFG.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 55 Abs. 2, 50 Abs. 1 S 1 FamGKG; beschwerdegegenständlich war ein Anrecht.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor.

Zuletzt aktualisiert am August 29, 2021 von eurogesetze

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