Gericht: OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat
Entscheidungsdatum: 11.08.2021
Aktenzeichen: OVG 3 S 6/21
ECLI: ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0811.OVG3S6.21.00
Dokumententyp: Beschluss
Normen: § 1 ASchulG, § 2 Abs 2 ASchulG, § 4 ASchulG, § 4 KMKSekG BE
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 15. Januar 2021 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Soweit sie sich gegen die Ablehnung der erstinstanzlich gestellten Sachanträge wendet,
der Antragsgegnerin zu 1 und dem Antragsgegner zu 2 im Wege einstweiliger Anordnung aufzugeben, den Schulverein (Schulträger) anzuweisen, für den Antragsteller zusätzliche mündliche Prüfungen in den schriftlichen Abiturprüfungsfächern Deutsch, Mathematik und Englisch anzusetzen, hilfsweise, durch die Schulleiterin der Europa-Schule in Kairo nach Anhörung der Abiturprüfungskonferenz festlegen zu lassen, für den Antragsteller zusätzliche mündliche Prüfungen in den schriftlichen Abiturprüfungsfächern Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch anzusetzen, hilfsweise, mit dem Antragsteller zusätzliche mündliche Prüfungen in den Fächern Mathematik und Englisch durchzuführen,
rechtfertigt das Beschwerdevorbringen, das allein Gegenstand der Prüfung durch das Oberverwaltungsgericht ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern.
Nicht berechtigt ist zunächst der Vorwurf der Beschwerde, das Verwaltungsgericht bezeichne „die Prüfungen, deren Durchführung der Antragsteller begehrt, hartnäckig als ‚zusätzliche‘ Prüfungen“, obwohl mündliche Prüfungen überhaupt nicht durchgeführt worden seien, so dass es „nicht um deren zusätzliche, sondern überhaupt erst erstmalige Durchführung geht“. Die erstinstanzlich gestellten Anträge verwenden ausdrücklich den Begriff „zusätzliche Prüfungen“, was auch dem Anliegen des Antragstellers entspricht, der „zusätzliche“ mündliche Prüfungen im Sinne von § 30 Abs. 4 Buchst. a, § 33 Abs. 1 der „Deutsches Internationales Abitur – Ordnung zur Erlangung der Allgemeinen Hochschulreife an Deutschen Schulen im Ausland“ (DIA-PO, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 11. Juni 2015 in der Fassung vom 3. Mai 2018) in seinen schriftlichen Prüfungsfächern erstrebt, in denen er nicht ausreichende Ergebnisse in den schriftlichen Prüfungsarbeiten erzielt und damit die Bestehensanforderungen nach § 6 Abs. 1 und 2, § 7 Abs. 2 DIA-PO nicht erfüllt hat. Die mit der Beschwerde gestellten Anträge enthalten zwar nicht das Wort „zusätzliche“, sind aber in der Sache weiterhin auf die Durchführung mündlicher Prüfungen (nur) in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch gerichtet, so dass keine Antragsänderung vorliegt, die im Beschwerdeverfahren grundsätzlich unzulässig wäre (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Juli 2020 – OVG 3 S 32/20 – juris Rn. 9).
Das Verwaltungsgericht hat einen Anordnungsanspruch des Antragstellers verneint, weil weder die Antragsgegnerin zu 1 noch der Antragsgegner zu 2 passivlegitimiert seien. Hiergegen wendet sich die Beschwerde ohne Erfolg.
Ein Anspruch auf (schul)aufsichtliches Einschreiten durch die Antragsgegnerin zu 1 ergibt sich nicht aus §§ 4, 6 des Gesetzes über die Förderung Deutscher Auslandsschulen (Auslandsschulgesetz – ASchulG) vom 26. August 2013 (BGBl. I S. 3306). Dieses Gesetz regelt nach seinem § 1 Abs. 1 die Förderung der Deutschen Auslandsschulen im Rahmen der Auswärtigen Angelegenheiten (Satz 1), wobei Bund und Länder im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten zusammen arbeiten (Satz 2). Deutsche Auslandsschule im Sinne dieses Gesetzes ist gemäß § 2 Abs. 1 ASchulG eine Schule, die im Ausland liegt und der aus einem erheblichen Bundesinteresse heraus der Status „Deutsche Auslandsschule“ durch Vertrag zwischen dem Bund und dem Träger der Schule verliehen worden ist (Verleihungsvertrag). § 2 Abs. 2 ASchulG stellt zur Definition der Abschlüsse im Sinne des Gesetzes, deren Vermittlung durch die Deutsche Auslandsschule Voraussetzung ihrer Förderfähigkeit ist (§ 8 Nr. 1 ASchulG), jeweils auf die Anerkennung durch die Kultusministerkonferenz ab („gemäß der Anerkennung durch die Kultusministerkonferenz“); in Nr. 1 konkret (u.a.) für die dort aufgeführten deutschen Abschlüsse zur Erlangung der deutschen allgemeinen Hochschulzugangsberechtigung (Abitur) einschließlich der von der Kultusministerkonferenz anerkannten binationalen Abschlüsse an deutschen Auslandsschulen zur Erlangung der deutschen allgemeinen Hochschulzugangsberechtigung. Der __ ist der Status einer Deutschen Auslandsschule durch Art. 1 des zwischen dem Antragsgegner zu 1 und dem Schulträger geschlossenen Vertrages vom 11. Juli/6. August 2014 verliehen worden. Nach Art. 2 dieses Verleihungsvertrages bietet die Schule Abschlüsse nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 ASchulG an, darunter die Deutsche allgemeine Hochschulzugangsberechtigung (Abitur).
Nach § 4 Abs. 1 ASchulG beaufsichtigt der Bund die Deutschen Auslandsschulen, soweit das Recht des Sitzlandes es zulässt, auf der Grundlage des Verleihungsvertrags und des Fördervertrags. Er nimmt die Schulaufsicht insbesondere dadurch wahr, dass er eigene Überprüfungen vor Ort durchführt, die Berichte der Schulen an die fördernden Stellen auswertet und prüft, ob die Förderung vertragsgemäß verwendet wird (§ 4 Abs. 2 ASchulG). Im Rahmen der Schulaufsicht können den Deutschen Auslandsschulen Weisungen erteilt werden (§ 4 Abs. 3 ASchulG). Nach § 4 Abs. 4 ASchulG regeln die Länder ihre Aufgaben bei der Schulaufsicht im Rahmen ihrer Zuständigkeit. Damit soll klargestellt werden, so die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, dass auch den Ländern im Rahmen ihrer Kulturhoheit Aufsichtsrechte an den Deutschen Auslandsschulen zukommen, die sie in eigener Verantwortung organisieren (BT-Drs. 17/13058 S. 10). Auch wenn die Beschwerde zutreffend darauf hinweist, dass die Vorschrift keine Zuständigkeiten begründet, sondern voraussetzt, ist ihr jedenfalls zu entnehmen, dass der Gesetzgeber dem Bund, handelnd durch das Auswärtige Amt (§ 6 ASchulG), keine umfassende aufsichtsrechtliche Zuständigkeit für das Auslandsschulwesen insgesamt, d.h. unter Einschluss der dort durchgeführten Abschlussprüfungen, zugewiesen hat. Von Zuständigkeiten sowohl des Bundes als auch der Länder auf dem Gebiet des Auslandsschulwesens geht im Übrigen schon § 1 Abs. 1 ASchulG aus, der die Zusammenarbeit von Bund und Ländern „im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten“ vorsieht. Hiernach folgt auch aus dem Umstand, dass der Status einer Deutschen Auslandsschule nach § 2 Abs. 1 ASchulG durch Vertrag zwischen dem Bund und dem Träger der Schule verliehen wird, nicht, dass die Durchführung von Abschlussprüfungen an einer Deutschen Schule der (alleinigen) Schulaufsicht des Bundes § 4 Abs. 1 und 2 ASchulG unterläge.
Für die Abschlüsse im Sinne des Gesetzes, deren Vermittlung durch die Deutsche Auslandsschule Voraussetzung ihrer Förderfähigkeit ist (§ 8 Nr. 1 ASchulG), verweist § 2 Abs. 2 ASchulG vielmehr jeweils auf die Anerkennung durch die Kultusministerkonferenz. Dementsprechend sind Verfahren und Voraussetzungen der Erlangung des Deutschen Internationalen Abiturs, dessen Bestehen an der __ der Antragsteller anstrebt, in der DIA-PO, einem Beschluss der Kultusministerkonferenz, geregelt. Die Kultusministerkonferenz ist es auch, die nach § 37 Satz 1 DIA-PO den Prüflingen, die die Deutsche Internationale Abiturprüfung bestanden haben, die allgemeine Hochschulreife zuerkennt. Für die ordnungsgemäße Durchführung der Abiturprüfung verantwortlich ist gemäß § 8 Abs. 3 DIA-PO die Prüfungsleiterin oder der Prüfungsleiter. Das ist nach § 8 Abs. 1 und 2 DIA-PO der oder die von der Präsidentin oder dem Präsidenten der Kultusministerkonferenz im Benehmen mit dem Auswärtigen Amt benannte Beauftragte der Kultusministerkonferenz. Beauftragte der Kultusministerkonferenz und damit zugleich Prüfungsleiterin war für die vom Antragsteller besuchte im Schuljahr 2019/2020 eine Beamtin des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, dem mit Beschluss des Bund-Länder-Ausschusses für schulische Arbeit im Ausland (BLASchA) vom 9./10. Dezember 2015 die Verantwortung zur Wahrnehmung der Schulaufsicht der Länder im Zeitraum 2017 bis 2020 für die Region Ägypten und Nahost übertragen worden war. Zwar gehören der Prüfungskommission über die Prüfungsleiterin/den Prüfungsleiter hinaus neben (u.a.) der deutschen Schulleiterin/dem deutschen Schulleiter, der Oberstufenkoordinatorin/dem Oberstufenkoordinator und den Klassenlehrerinnen und Klassenlehrern und einem Mitglied des Schulvereinsvorstands, auch die oder der für den Schulort zuständige diplomatische bzw. berufskonsularische Vertreterin oder Vertreter der Bundesrepublik Deutschland an (§ 8 Abs. 1 DIA-PO). Damit sind indessen keine besonderen Kompetenzen oder Entscheidungsbefugnisse verbunden, an die Aufsichtsrechte der Antragsgegnerin zu 1 bzw. des Auswärtigen Amtes hinsichtlich der Durchführung der Prüfung anknüpfen könnten. Derartige Aufsichtsrechte sind auch sonst in der Prüfungsordnung nicht vorgesehen. Dass diese als bloßer Beschluss der Kultusministerkonferenz keine Rechtsnorm ist und damit den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts für schulische Abschlussprüfungen im Inland nicht genügen würde, ist hier schon deshalb unerheblich, weil die Prüfungsordnung, auf die der Antragsteller sich für seinen Wunsch nach Durchführung von Prüfungen (und letztlich das Bestehen des Abiturs) stützt, im Falle ihrer Unwirksamkeit erst recht keine Aufsichtsrechte der Antragsgegnerin zu 1 begründen könnte, die ihr – wie ausgeführt – das Auslandsschulgesetz für Abschlussprüfungen nicht verleiht. In Ermangelung einer solchen Regelung bedarf es hier nicht der Klärung, ob der Bund aufgrund seiner ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz für die auswärtigen Angelegenheiten nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG befugt wäre, Regelungen über die Verleihung deutscher Schulabschlüsse im Ausland und deren Voraussetzungen zu treffen, auf die sich seine Aufsicht erstrecken würde. Für die vom Antragsteller erstrebte Durchführung zusätzlicher mündlicher Prüfungen nach § 33 DIA-PO ergibt sich danach eine Fachaufsicht der durch das Auswärtige Amt vertretenen Antragsgegnerin zu 1 auch nicht aus der Zuständigkeit des Bundes für die Pflege der auswärtigen Angelegenheiten (Art. 32 Abs. 1 GG).
§ 3 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, auf den sich die Beschwerde für ihre Annahme einer aufsichtsrechtlichen Zuständigkeit des Bundes stützt, greift nur, wenn nach § 3 Abs. 1 VwVfG mehrere Behörden zuständig sind. Das trägt die Beschwerde selbst nicht vor. Soweit sie geltend macht, die aufsichtsrechtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin zu 1 ergebe sich „im Wege des negativen Ausschlussverfahrens“, weil „irgendwer“ aufsichtsrechtlich zuständig sein müsse und dies jedenfalls nicht das Land Nordrhein-Westfalen sei, überzeugt dies ebenfalls nicht. Der Hinweis, dass „unser gesamtes Rechtssystem und Rechtsschutzsystem … auf Kontrolle durch Aufsicht“ angelegt sei, besagt weder, dass die Durchführung von Prüfungen im Ausland als Voraussetzung der Verleihung in Deutschland anerkannter Schulabschlüsse der (Rechts- oder Fach-)Aufsicht einer deutschen Behörde unterliegen müsse, noch dass darauf ein subjektives Recht bestehe. Aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG lässt sich dafür jedenfalls nichts herleiten, denn Rechtsschutz gegen die öffentliche Gewalt hängt nicht vom Bestehen von Aufsichtsrechten ab. Ohnehin wäre das Rechtsschutzbedürfnis für eine Geltendmachung eines – etwaigen – subjektiven Rechts auf Erlasse einer Aufsichtsmaßnahme im Wege der Klage oder der einstweiligen Anordnung schon deshalb zweifelhaft, weil es regelmäßig einfacher und effektiver wäre, gegen die beanstandete Entscheidung oder Handlung bzw. deren Unterlassen direkt vorzugehen.
Die Beschwerde macht ohne Erfolg geltend, dass – wenn nicht die Antragsgegnerin zu 1, so – der Antragsgegner zu 2 aufsichtsrechtlich zuständig sei, bei dem das Sekretariat der KMK-Sekretariat als eine der für Wissenschaft zuständigen Senatsverwaltung nachgeordnete Behörde angesiedelt ist (§ 1 des Gesetzes über das Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland – KMK-Sekretariats-Gesetz – vom 7. Februar 2014, GVBl. S. 39, zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. Mai 2016, GVBl. S. 226). Sie greift die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass keine der dem KMK-Sekretariat in § 4 KMK-Sekretariats-Gesetz zugeschriebenen Aufgaben die Aufsicht über die Abiturprüfungen im Ausland umfasse (BA Seite 11) nicht an, sondern meint, der Antragsgegner zu 2 könne vielmehr als eines der Mitglieder der KMK in Anspruch genommen werden. Warum indessen gerade dem Antragsgegner insoweit Aufsichtsbefugnisse zukommen sollten, wird nicht deutlich. Dies gilt erst recht unter Berücksichtigung der Erwägungen der Beschwerde, das Land Nordrhein-Westfalen komme „wohl nicht als Aufsichtsbehörde in Betracht“, und es falle nicht ein, aus welchen rechtlichen Gründen es zuständig sein könnte. Das trifft auch auf den Antragsgegner zu 2 zu, zumal nach den Festlegungen des BLASchA vom 9./10. Dezember 2015 die Verantwortung zur Wahrnehmung der Schulaufsicht der Länder im Zeitraum 2017 bis 2020 für die Region Ägypten und Nahost nicht ihm, sondern dem Land Nordrhein-Westfalen übertragen worden ist.
Die Beschwerde hat auch mit ihrem weiteren Antrag, den Schulverein beizuladen, keinen Erfolg. Ein Fall notwendiger Beiladung (§ 65 Abs. 2 VwGO) ist nicht gegeben, weil der Schulverein an dem streitigen Rechtsverhältnis nicht derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Der Senat schließt sich der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts an, dass über die vom Antragsteller erstrebte Verpflichtung des Schulträgers zur Ansetzung zusätzlicher mündlicher Prüfungen einerseits, der Antragsgegner auf aufsichtliches Einschreiten andererseits, weder aus prozessualen noch aus materiellrechtlichen Gründen zwingend einheitlich entschieden werden muss (BVerwG, Beschluss vom 8. Juli 2020 – 6 AV 4.20 – juris Rn. 7). Dies gilt bereits deshalb, weil es nichts über das Bestehen eines Anspruchs gegen den Schulträger aussagt, wenn – wie hier – Aufsichtsrechte der Antragsgegner verneint werden. Aus dieser Erwägung heraus ist eine einfache Beiladung (§ 65 Abs. 1 VwGO) jedenfalls nicht sinnvoll.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Zuletzt aktualisiert am August 29, 2021 von eurogesetze
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