Gericht: OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat
Entscheidungsdatum: 20.08.2021
Aktenzeichen: OVG 11 S 87/21
ECLI: ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0820.OVG11S87.21.00
Dokumententyp: Beschluss
Normen: § 60 VwGO, § 82 VwGO
Tenor
In der Verwaltungsstreitsache hat der 11. Senat am 20. August 2021 beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. Juli 2021 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller, der die Verpflichtung des Antragsgegners zur weiteren Duldung seines Aufenthalts im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt, wendet sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. Juli 2021, mit dem dieses seinen Antrag wegen fehlender Angabe einer ladungsfähigen Anschrift als unzulässig abgewiesen hat.
Die dagegen erhobene Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass gemäß § 82 Abs. 1 S. 1 VwGO, der für selbstständige Beschlussverfahren entsprechend anzuwenden sei, der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes den Antragsteller bezeichnen müsse und zu diesem auch die Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift gehöre. Gemeint sei damit die Angabe des tatsächlichen Wohnorts, also die Anschrift, unter der die Partei tatsächlich zu erreichen sei. Dies gelte unabhängig davon, ob der Antragsteller von einem Prozessbevollmächtigten vertreten werde, und sei nur ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn die Erfüllung dieser Pflicht unmöglich oder unzumutbar sei. Komme der Antragsteller einer mit ausschließender Wirkung gesetzten Anordnung nach § 82 Abs. 2 VwGO nicht innerhalb der gesetzten Frist nach, sei der Antrag unzulässig, verspätete Angaben könnten nicht berücksichtigt werden. So liege der Fall hier. Der Antragsteller habe auf die gerichtliche Aufforderung vom 1. Juni 2021, seine Wohnungsanschrift bis zum 22. Juni 2021 mitzuteilen, lediglich eine Meldebescheinigung vom 24. Juni 2019 eingereicht. Im Hinblick auf den Tätigkeitsbericht der Polizei vom 17. Mai 2021, wonach die dort lebende Mutter des Antragstellers mitgeteilt habe, dass er seit 1,5 Monaten nicht mehr dort wohne sie keinen Kontakt mehr zu ihm habe und eine Verzugsadresse nicht bekannt sei, belege diese allein nicht, dass der Antragsteller unter dieser Anschrift tatsächlich noch wohne. Auf die geringe Aussagekraft der eingereichten Meldebescheinigung sei der Antragsteller mit gerichtlichem Schreiben vom 10. Juni 2021 hingewiesen worden. Auch die danach eingereichte erweiterte Meldebescheinigung vom 21. Juni 2021 vermöge keine Aussagen darüber zu treffen, ob der Antragsteller tatsächlich noch dort wohne. Zu den Angaben seiner Mutter habe sich der Antragsteller nicht geäußert.
Die Beschwerdebegründung vermag diese Ausführungen nicht zu erschüttern.
Die rechtlichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts stellt der Antragsteller ebenso wenig in Frage wie das vom Verwaltungsgericht festgestellte Ergehen einer Anordnung gem. § 82 Abs. 2 VwGO mit ausschließender Wirkung, mit der er aufgefordert worden war, bis zum 22. Juni 2021 seine Wohnungsanschrift mitzuteilen. Von beidem ist deshalb auch für das Beschwerdeverfahren auszugehen.
Der Antragsteller meint vielmehr, dass er der Aufforderung des Gerichts durch Übersendung der – einfachen und erweiterten – Meldebescheinigungen innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen sei. Er führt aus, dass die vorgelegte Meldebescheinigung die Anschrift der Mutter betreffe. Hier halte er sich auf, wenn er in Berlin sei. Dies geschehe nicht regelmäßig. Der Kontakt zu seiner Mutter sei nicht unproblematisch und bestehe „kaum“, seine Mutter informiere ihn aber zuverlässig über seine Post. Er arbeite schon seit dem 7. Juli 2020 in einem Restaurant in Braunschweig und lebe dort auch in einer Wohnung des Arbeitgebers, deren Adresse dem Beklagten bekannt sei. Da er aufgrund der vom Antragsgegner erteilten Auflagen gezwungen sei, seinen Wohnsitz in Berlin zu nehmen, sei ihm eine Anmeldung am Arbeitsort nicht möglich; er habe keine andere Meldeadresse als die in Berlin.
Mit diesem Vorbringen bestätigt der auch erstinstanzlich bereits anwaltlich vertretene Antragsteller allerdings nur, dass es sich bei der Berliner Anschrift, für die er die Meldebescheinigungen vorgelegt hat, nicht um seinen tatsächlichen Wohnort – und damit auch nicht um seine ladungsfähige Anschrift i.S.d. § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO – handelt. Nur nach dieser – und nicht etwa nach der Meldeanschrift oder einer Anschrift, über die ihn Postsendungen erreichen – hatte das Verwaltungsgericht in der Anordnung vom 1. Juni 2021 gefragt, und mit weiterem – nach Übersendung der einfachen Meldebescheinigung versandten – Schreiben vom 10. Juni 2021 hatte es zudem darauf hingewiesen, dass die Meldebescheinigung nicht belege, dass der Antragsteller noch an der genannten Anschrift wohne, und um Stellungnahme zur „aktuellen Wohnanschrift“ gebeten. Vor Ablauf der ihm gesetzten Frist hat der Antragsteller dem Verwaltungsgericht dennoch weder die Anschrift in Braunschweig als aktuelle Wohnanschrift benannt, unter der er sich nach seiner eigenen Darstellung tatsächlich aufhält, noch hat er dargelegt, dass und ggf. weshalb ihm die Angabe dieser aktuellen Anschrift ausnahmsweise unmöglich oder unzumutbar gewesen sein könnte.
Eine fristgemäße Beantwortung der Aufforderung war auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil der Antragsteller dem Antragsgegner gegenüber vor Erlass des Ablehnungsbescheides vom 25. März 2021 angegeben hatte, dass er unter dieser Adresse in einer Wohnung seines Arbeitgebers in Braunschweig lebe. Denn die Duldung des Antragstellers lief auch nominell am 1. April 2021 ab und nach der darin enthaltenen Nebenbestimmung galt seine Beschäftigungserlaubnis ebenfalls nur bis zu diesem Tag. Mit der ihm am 25. März 2021 per Mail übersandten Grenzübertrittsbescheinigung vom selben Tag war der nunmehr ausreisepflichtige Antragsteller zudem darüber belehrt worden, dass sein Aufenthalt räumlich beschränkt war auf das Land Berlin. Schon angesichts dessen konnte und musste das Verwaltungsgericht jedenfalls nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass der aktuelle Wohnsitz des Antragstellers sich Ende Mai/Anfang Juni noch immer in der ihm von seinem Arbeitgeber in Braunschweig zur Verfügung gestellten Wohnung befinden würde. Hinzu kommt, dass die Mutter des Antragstellers den Polizisten, die am 17. Mai 2021 ihre Berliner Wohnung aufgesucht hatten, erklärt hatte, dass sie seit ca. 1,5 Monaten keinen Kontakt mehr zu ihm habe und seine Verzugsadresse nicht kenne. Da die Adresse in Braunschweig, an der der Antragsteller sich seit Beginn seiner dortigen Beschäftigung im Juli 2020 aufgehalten haben will, seiner Mutter aus den danach bis Ende März/Anfang April 2021 noch bestehenden Kontakten bekannt gewesen sein müsste, musste diese Aussage zusätzlich Zweifel daran begründen, dass der Antragsteller tatsächlich noch immer dort wohnte.
Davon ausgehend kann für das Beschwerdeverfahren dahinstehen, ob das nunmehrige – bisher weder durch eine Meldebestätigung (zur aus § 2 Abs. 1 BMG folgenden Unbeachtlichkeit ausländerrechtlicher Gesichtspunkte für das Melderecht vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 23. Februar 2021 – 18 B 16/21 -, juris Rn 21) noch durch eine Erklärung des Arbeitgebers als Vermieter oder durch eine eigene eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemachte – Vorbringen des Antragstellers, er halte sich weiterhin an der dem Antragsgegner zuvor mitgeteilten Braunschweiger Adresse auf, den Anforderungen an die Mitteilung der aktuellen Wohnanschrift genügt. Denn die Nennung der ladungsfähigen Anschrift kann nach Ablauf der gesetzten, hier bereits am 22. Juni 2021 endenden Ausschlussfrist nicht mehr wirksam nachgeholt werden, sofern nicht die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nach § 82 Abs. 2 Satz 3 VwGO i.V.m. § 60 VwGO vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. August 2019 – 1 A 2/19 -, juris Rn. 15). Das ist hier indes nicht der Fall. Dem Antragsteller ist keine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nach § 82 Abs. 2 Satz 3 VwGO i.V.m. § 60 VwGO zu gewähren. Er hat keine Wiedereinsetzung beantragt und diese kann auch nicht von Amts wegen erfolgen. Denn der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert gewesen zu sein. Die Schilderung des nunmehr zur Begründung der Beschwerde vorgebrachten Sachverhalts hätte auch innerhalb der ihm vom Verwaltungsgericht gesetzten Frist erfolgen können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Zuletzt aktualisiert am August 27, 2021 von eurogesetze
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