Gericht: VG Berlin 6. Kammer. Entscheidungsdatum: 20.07.2021. Aktenzeichen: 6 L 211/21

Gericht: VG Berlin 6. Kammer
Entscheidungsdatum: 20.07.2021
Aktenzeichen: 6 L 211/21
ECLI: ECLI:DE:VGBE:2021:0726.6L211.21.00
Dokumenttyp: Beschluss

Tenor

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1. Die Antragstellerin wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen mehrere Rückführungsaufforderungen nach dem Zweckentfremdungsverbot-Gesetz (ZwVbG). Sie ist seit April 2019 Eigentümerin des mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks in der R…. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz.

2. Im September 2016 hörte der Antragsgegner nach einem Bürgerhinweis auf den Leerstand mehrerer Wohnungen in dem Gebäude den damaligen Eigentümer des Grundstücks (im Folgenden: Voreigentümer) zu einem Leerstand i.S.d. ZwVbG hinsichtlich der Wohnungen im Vorderhaus, 1. OG rechts und 2. OG links, an. Dabei wurde die Wohnung im 1. OG rechts zunächst von den Beteiligten irrtümlich als links liegend bezeichnet. Daraufhin teilte die von dem Voreigentümer beauftragte Hausverwaltung dem Antragsgegner mit, die Wohnung im Vorderhaus, 1. OG rechts, stehe seit Ende Januar 2015 leer, die Wohnung im Vorderhaus, 2. OG links, seit Ende März 2015.

3. Im August 2018 erhielt der Voreigentümer eine Mitteilung nach § 62 Abs. 3 Bauordnung Berlin – BauO Bln – für das Vorhaben „Wohnungsumbau eines Gründerzeithauses, Erweiterung der Etagenwohnungen durch den Abriss von zwei Nebentreppenhäusern in den Seitenflügeln“. Die denkmalschutzrechtliche Genehmigung hierfür beantragte der Voreigentümer im Oktober 2018.

4. Nach weiterem Hinweis, wonach in dem Gebäude die Wohnungen im Vorderhaus, 1. OG links (seit 2014), 2. OG rechts (seit Mai 2018), 3. OG links (seit 2016), 3. OG rechts (seit Juli 2018) sowie im Souterrain rechts (seit 2015) leerständen, hörte der Antragsgegner den Voreigentümer im Oktober 2018 erneut wegen eines Leerstandes i.S.d. ZwVbG an.

5. Im Mai 2019 meldeten sich die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin für den Voreigentümer und beantragten bei dem Antragsgegner die Erteilung von Genehmigungen zum Leerstand der Wohnungen im Vorderhaus, 1. OG rechts, 2. OG links und rechts sowie 3. OG links und rechts, bis zum 31. Oktober 2019. Der geplante und bereits 2012 genehmigte Anbau eines Außenfahrstuhls und von jeweils einem zweiten Balkon an den Wohnungen habe zunächst nicht umgesetzt werden können, da der Voreigentümer die Zustimmung mehrerer Mieter des Gebäudes zu den geplanten Arbeiten im Zivilrechtsweg habe erwirken müssen. Die geplanten Arbeiten hätten einer Herrichtung auch der genannten Wohnungen zu Wohnzwecken entgegengestanden, da hierdurch erheblich in die Substanz der Wohnungen eingegriffen worden wäre. Diese Maßnahmen würden nun umgesetzt. Es bestünden aufgrund des stark abgenutzten und beschädigten Zustands der Räumlichkeiten bereits erhebliche Zweifel, ob es sich dabei um Wohnraum i.S.d. § 1 Abs. 3 ZwVbG handele. Aufgrund der bestehenden zivilrechtlichen Streitigkeiten i.S.d. § 555b Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – habe zudem gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 4 ZwVbG keine Zweckentfremdung vorgelegen bzw. der Voreigentümer einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigungen gehabt.

6. Im Januar 2020 hörte der Antragsgegner den Voreigentümer zu dem beabsichtigten Erlass einer Rückführungsaufforderung nach dem ZwVbG hinsichtlich der Räume im Vorderhaus, 1. OG rechts, 2. OG links und rechts, 3. OG links und rechts sowie Souterrain rechts, an. Daraufhin teilte der Voreigentümer mit, er beabsichtige größere Umbaumaßnahmen, im Zuge derer die beiden Nebentreppenhäuser abgerissen und der Wohnnutzung zugeschlagen werden sollten. Hierdurch solle zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden. Lediglich die erforderliche denkmalschutzrechtliche Genehmigung stehe noch aus. Diese sei bereits im Oktober 2018 beantragt, der Antrag bislang indes nicht beschieden worden. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 ZwVbG liege deshalb keine Zweckentfremdung vor. Die Norm sei analog anwendbar, wenn der Eigentümer für die begehrten Baumaßnahmen einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung bedürfe. Die Räume befänden sich überdies in einem schlechten baulichen Zustand. Unabhängig von den großen Umbaumaßnahmen seien zwingend Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen nötig, damit die Räumlichkeiten tatsächlich zu Wohnzwecken geeignet seien und genutzt werden könnten. Auch eine Zwischenvermietung i.S.d. § 4 Abs. 3 ZwVbG sei aufgrund des aktuellen Zustands der Wohnungen sowohl unmöglich als auch wirtschaftlich unzumutbar. Die Genehmigungen zum Leerstand seien rein vorsorglich beantragt worden. Der Genehmigungsantrag beträfe alle von einer Rückführungsaufforderung bedrohten Räumlichkeiten.

7. Im Mai 2020 teilten die Prozessbevollmächtigten des Voreigentümers dem Antragsgegner mit, dass sie auch die Antragstellerin als neue Eigentümerin verträten. Im Juni 2020 teilte die Antragstellerin erstmals mit, dass sie die Wohnungen nunmehr veräußern wolle.

8. Mit sechs Bescheiden vom 23. Dezember 2020 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, die Wohnungen im Vorderhaus, Souterrain rechts, 1. OG rechts, 2. OG links und rechts sowie 3. OG links und rechts, auf eigene Kosten in einen für Wohnzwecke geeigneten Zustand wiederherzustellen und diesen bis zum 1. Juni 2021 wieder Wohnzwecken zuzuführen. Für den Fall, dass sie dieser Aufforderung nicht oder nicht fristgemäß nachkommen sollte, drohte er ihr ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 5.000,00 Euro an. Er habe den Voreigentümer hierzu angehört. Eine erneute Anhörung müsse nicht erfolgen, da dieser mit anwaltlichem Schreiben vom 4. März 2020 auf die Anhörung reagiert habe und überdies Kommanditist der Antragstellerin sei. Sinn und Zweck des § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – seien damit gewahrt. Es liege eine Zweckentfremdung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 ZwVbG vor. Die erforderliche denkmalschutzrechtliche Genehmigung betreffe ausschließlich den Abriss der Nebentreppenhäuser, welche nach den eingereichten Bauplänen neben einem Abstellraum und einem Flur der jeweiligen Wohnungen lägen. Die Elektro- und Sanitärarbeiten hätten damit nichts zu tun, sondern seien gemäß dem Schreiben der Hausverwaltung vom September 2016 zumindest teilweise durchgeführt worden. Die genehmigungssichere Nutzung des Wohnraums zu Wohnzwecken liege zudem in der Risikosphäre des Eigentümers. Der Voreigentümer habe die Einholung der Genehmigung verschleppt. § 2 Abs. 2 Nr. 4 ZwVbG sei vorliegend nicht analog anwendbar.

9. Es liege auch kein Fall von § 2 Abs. 2 Nr. 4 Alt. 2 ZwVbG aufgrund der eingereichten zivilrechtlichen Klagen vor. Es handele sich dabei nicht um Duldungsklagen nach § 555a oder § 555b BGB. Der Anbau eines zweiten Balkons sei keine Modernisierungsmaßnahme. Selbst wenn es sich um eine Klage i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 4 ZwVbG handeln sollte, seien keine zügigen Modernisierungsarbeiten vorgenommen worden. Erst dann könne sich auf diesen Ausnahmetatbestand bezogen werden. Eine Widerherstellung der Räumlichkeiten, um diese zumindest kurzfristig zu vermieten, sei geboten und zumutbar, zumal die Planungen bereits seit 2012 bestünden. Die Rückführungsfrist sei annähernd danach zu bemessen, dass nach den bisher eingereichten Bauablaufplänen die Strangsanierung nebst Elektroinstallation etwa vier Monate dauere. Ein Zeitkontingent von einem Monat habe man hinzugerechnet, um Bauverzögerungen zu kompensieren.

10. Gegen diese Bescheide legte die Antragstellerin Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Das Objekt befinde sich in einem desolaten Zustand. Die von ihr geplanten Umbauarbeiten, insbesondere der Abriss der Nebentreppenhäuser, hätten in Ermangelung der Erteilung der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung nicht ausgeführt werden können. Sie habe sich deshalb dazu entschlossen, das geplante große Bauvorhaben nicht umzusetzen und ein kleines Bauvorhaben begonnen. Hierzu zählten die Aufwertung der Fassade und des Treppenraumes. Ferner habe sie neue Kalt- und Warmwasserleitungen sowie Zirkulationsleitungen und Abwasserleitungen errichtet und eine Strangsanierung durchgeführt. Die Rückführungsaufforderungen seien aufgrund ihrer tatsächlichen objektiven Unausführbarkeit gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nichtig. Die Räume seien aufgrund ihres aktuellen stark abgenutzten Bauzustands nicht zu Wohnzwecken geeignet. Bevor sie wieder zu Wohnzwecken genutzt werden könnten, seien umfangreiche Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen nötig. Innerhalb der gesetzten Frist bis zum 1. Juni 2021 sei es unmöglich, die notwendigen Baumaßnahmen auszuführen. Dies gelte schon unabhängig von den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, verschärfe sich durch diese jedoch noch. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 4 ZwVbG handele es sich nicht um verbotenen Leerstand. Die Zeitverzögerung bei der Umsetzung der geplanten großen Baumaßnahme sei der Antragstellerin bzw. dem Voreigentümer nicht vorzuwerfen. Im Rahmen der kleinen Umbaumaßnahme würden die Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten zügig umgesetzt. Aufgrund der aktuellen Baumaßnahmen bestehe zumindest ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigungen zum Leerstand der Wohnungen. Die Rückführungsaufforderungen seien schon deshalb rechtswidrig, da über die Erteilung der Leerstandsgenehmigungen noch nicht abschließend entschieden worden sei.

11. Mit sechs Widerspruchsbescheiden vom 29. März 2021 wies der Antragsgegner die Widersprüche der Antragstellerin zurück. Die Rückführungsaufforderungen seien nicht nach § 44 VwVfG nichtig. Die Frist zur Wiederherstellung und Rückführung habe er an den eingereichten Bauzeitenplänen bemessen, die noch das große Bauvorhaben realisieren sollten. Schon im April 2020 hätten die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin mitgeteilt, dass bereits mehrere Arbeiten durchgeführt worden seien. Die fehlenden Komponenten des kleinen Bauvorhabens tangierten nicht die Wohnungen selbst, sondern lediglich die Fassade und den Treppenraum. Auch die eingereichten Modernisierungs- und Sanierungsvereinbarungen mit den Mietern des Hauses bestimmten lediglich einen Zeitrahmen bis Juli oder August 2020, so dass die maßgeblichen Arbeiten in den Wohnungen des Hauses (Strangsanierung und Elektrik) bereits abgeschlossen seien. Die Antragstellerin trage nicht vor, inwieweit die leerstehenden Wohnungen nicht zu Wohnzwecken geeignet seien. Die weiteren erforderlichen Arbeiten habe sie nicht näher dargelegt. Vom derzeitigen Lockdown seien Baufirmen überdies nicht betroffen, auch Wohnungsbesichtigungen seien durch die SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung nicht verboten. Die Ausnahme des § 2 Abs. 2 Nr. 4 ZwVbG liege nicht vor, da jedenfalls die Arbeiten nicht zügig ausgeführt würden. Seit dem erstmaligen Leerstand seien mehrere Jahre vergangen, 2019 und 2020 seien zwar partiell Arbeiten ausgeführt worden, dies entspreche indes nicht der Definition von Zügigkeit. Die Überlegungen für das große Bauvorhaben existierten bereits seit dem Jahr 2012. Spätestens seit 2016 sei bekannt, dass hierfür eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung erforderlich sei. Diese sei erst zwei Jahre später beantragt worden, die Antragstellerin habe auch keine auf Erteilung der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung gerichtete Untätigkeitsklage erhoben. Dass sie nunmehr ein kleines Bauvorhaben realisieren wolle, ändere an der Beurteilung nichts, da hier die gesamte Zeit des Leerstands heranzuziehen sei. Es gehe zu ihren Lasten, dass sie sich zwischenzeitlich entschieden habe, ein anderes Bauvorhaben zu realisieren.

12. Am 29. April 2021 hat die Antragstellerin Klage gegen die Rückführungsaufforderungen und Zwangsgeldandrohungen vom 23. Dezember 2020 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 29. März 2021 erhoben (VG 6 K 191/21). Am 27. Mai 2021 hat sie insoweit einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Aufgrund der geplanten Umbaumaßnahmen und des desolaten Zustands der Räume habe der Voreigentümer die Wohnungen nicht vermietet. Auch eine Zwischenvermietung sei wegen des schlechten baulichen Zustandes nicht möglich gewesen. Sie habe einen Anspruch darauf, die Wohnungen an Selbstnutzer bezugsfrei zu veräußern. Bei ernsthaften und geeigneten Verkaufsabsichten bzw. Verkaufsbemühungen sei ein Leerstand von mehr als drei Monaten hinzunehmen. Dieser Rechtsanspruch ergebe sich entweder unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 GG oder aus einer analogen Anwendung oder verfassungskonformen Auslegung von § 2 Abs. 2 Nr. 4 ZwVbG. Der Verkauf einer Wohnung innerhalb von drei Monaten sei nur in den seltensten Fällen möglich, durchschnittlich dauere er sechs bis zwölf Monate. Eine Zwischenvermietung sei der Antragstellerin nicht zuzumuten, da Selbstnutzer keine vermietete Wohnung erwerben würden. Gemäß § 566 BGB trete der Erwerber einer Wohnung in den bestehenden Mietvertrag ein. Im Falle einer Zwischenvermietung befinde sich die Wohnung nach Auszug der Mieter auch nicht mehr in renoviertem Zustand. Eine vermietete Wohnung könne von potentiellen Käufern nicht besichtigt werden. Der Käufer benötige die Rechtssicherheit, die Räume nach Erwerb selbst zu Wohnzwecken nutzen zu können. Bei einer Vermietung zum vorübergehenden Gebrauch bestehe die tatsächliche Schwierigkeit, dass diese in der Regel möbliert erfolgen müsse. Ferner bestehe die Gefahr, dass der Mieter trotz Vermietung zum vorübergehenden Gebrauch nach Zeitablauf nicht ausziehe oder dass Zivilgerichte trotz der ausdrücklichen Befristung von einem unbefristeten Mietvertrag ausgingen. Die Vermietung und der Verkauf von Wohnungen seien als Möglichkeiten einer Rückführung zu Wohnzwecken gleichrangig zu bewerten. Der Schutzzweck des ZwVbG, der Bestandsschutz von Wohnraum, rechtfertige die Privilegierung der Vermietung bzw. die Erschwerung oder Verhinderung des Verkaufes einer Wohnung nicht. Dem Gesamtwohnraumangebot sei durch eine Zwischenvermietung nicht geholfen. Vielmehr liege der ungestörte und zügige Verkauf der Wohnung zu Wohnzwecken im Interesse des Gesamtwohnraumangebotes. Sie habe ernsthafte Verkaufsabsichten. Die Vermarktung und der Verkauf der Wohnungen erfolge über die I…. Insoweit nimmt die Antragstellerin Bezug auf ein eingereichtes Exposé. Vier der Wohnungen seien bereits verkauft, für eine weitere Wohnung gebe es eine qualifizierte Reservierungsvereinbarung. Der Nachweis geeigneter Verkaufsbemühungen müsse nicht wohnungsspezifisch erfolgen, vielmehr sei eine Gesamtbetrachtung anzustellen. Aus den dargelegten Gründen habe sie zumindest Anspruch auf Erteilung einer vorläufigen Genehmigung zum Leerstand der Wohnungen. Diese setze nicht zwingend eine wirtschaftliche Existenzgefährdung voraus. Jedenfalls aufgrund der Einschränkungen im Zuge der Covid-19-Pandemie bestehe ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Genehmigungen.

13. Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

14. die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 29. April 2021 gegen die Rückführungsaufforderungen und Zwangsgeldandrohungen in den Bescheiden vom 23. Dezember 2020 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 29. März 2021 (VG 6 K 191/21) anzuordnen.

15. Der Antragsgegner beantragt,

16. den Antrag abzulehnen.

17. Zur Begründung nimmt er im Wesentlichen Bezug auf die angegriffenen Bescheide.

18. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (sieben Hefter) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

II.

19. Der Antrag hat keinen Erfolg.

20. Er ist zwar zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Var. i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO. Der Anfechtungsklage gegen die Rückführungsaufforderung kommt von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zu (vgl. § 4 Abs. 4 Satz 1 des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes – ZwVbG – in der Fassung des Gesetzes vom 12. Oktober 2020, GVBl. 807).

21. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Abwägung der widerstreitenden Interessen geht zulasten der Antragstellerin aus.

22. 1. Die Rückführungsaufforderungen vom 23. Dezember 2020 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 29. März 2021 sind nach summarischer Prüfung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren rechtmäßig.

23. a) Die Rückführungsaufforderungen sind formell rechtmäßig. Der Antragsgegner musste die Antragstellerin nicht gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG erneut anhören, nachdem das Eigentum an dem Grundstück auf sie übergegangen war. Sinn und Zweck des Anhörungsrechts sind vorliegend erfüllt, da die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin bereits den Voreigentümer des Grundstücks vertraten, der zudem ausweislich der Handelsregisterauszüge der Kommanditist der Antragstellerin und alleiniger Geschäftsführer ihrer Komplementärin ist. Jedenfalls wurden etwaige Mängel der Anhörung durch Nachholung im Widerspruchsverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 VwVfG geheilt.

24. b) Die angegriffenen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig. Rechtsgrundlage der Rückführungsaufforderungen ist § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ZwVbG. Wird Wohnraum ohne die erforderliche Genehmigung zweckentfremdet, soll das zuständige Bezirksamt nach dieser Bestimmung anordnen, dass Verfügungsberechtigte oder Nutzungsberechtigte die Wohngebäude, Wohnungen oder Wohnräume wieder Wohnzwecken zuzuführen haben (Rückführungsgebot). Das zuständige Bezirksamt setzt hierfür eine Frist, die im Regelfall einen Monat beträgt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Wegen der Anfechtungssituation kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2011 – BVerwG 8 C 12.10 –, juris Rn. 15; Urteil der Kammer vom 30. April 2019 – VG 6 K 30.18 –, juris Rn. 35).

25. aa) Bei den Räumlichkeiten handelt es sich um Wohnraum i.S.v. § 1 Abs. 3 ZwVbG. Wohnraum im Sinne des ZwVbG sind gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 ZwVbG alle Räumlichkeiten, die zur dauernden Wohnnutzung tatsächlich und rechtlich geeignet sind. Das ist hier der Fall. An der Wohneignung bestehen keine Zweifel aus rechtlichen Gründen. Die Räume sind auch tatsächlich zur dauernden Wohnnutzung geeignet. Zu Wohnzwecken errichtete Räumlichkeiten – wie sie hier unstreitig vorliegen – unterfallen auch dann dem Zweckentfremdungsverbot, wenn sie sich noch „mit vertretbarem, dem Verfügungsberechtigten objektiv zumutbaren Modernisierungs- oder Renovierungsaufwand“ in einen bewohnbaren Zustand versetzen lassen (vgl. zur insoweit übertragbaren alten Rechtslage BVerfG, Urteil vom 4. Februar 1975 – 2 BvL 5/74 –, juris Rn. 52; BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1990 – BVerwG 8 C 38.89 –, juris Rn. 9 f.; Urteil der Kammer vom 30. April 2019, a.a.O., Rn. 39).

26. Die Wiederherstellung der Bewohnbarkeit ist für den Eigentümer dann unzumutbar, wenn die dafür aufzuwendenden Mittel nicht „längerfristig“, regelmäßig binnen zehn Jahren, durch eine erzielbare Rendite ausgeglichen werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Mai 1985 – BVerwG 8 C 35.83 –, juris Rn. 29; BVerwG, Urteil vom 20. August 1986 – BVerwG 8 C 16.84 –, juris Rn. 34; OVG Berlin, Urteil vom 13. Februar 1997 – OVG 5 B 45.95 –, Das Grundeigentum 1997, 623 [625]). Wer sich auf diese Ausnahme beruft, trägt für ihr Vorliegen die materielle Beweislast, wenn ein Gebäude ursprünglich zu Wohnzwecken errichtet und genutzt wurde (vgl. VG München, Urteil vom 29. März 2017 – M 9 K 15.3795 –, juris Rn. 17; jedenfalls von einer gesteigerten Darlegungslast des Eigentümers ausgehend OVG Hamburg, Beschluss vom 16. Januar 2020 – 4 Bs 176/19 –, juris Rn. 35). Hierzu ist substantiiert darzulegen, welche Beträge für welche erforderlichen Arbeiten anfallen und ob hierdurch ein unvertretbarer Aufwand entsteht (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 15. März 2001 – OVG 5 N 171/00 –, NZM 2001, 594 [595]).

27. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin auf den desolaten Zustand der Räume. Sie trägt schon nicht vor, aus welchen konkreten Gründen die Räume zur dauernden Wohnnutzung tatsächlich nicht geeignet seien, welche Arbeiten genau noch durchgeführt werden müssten, um die Räume wieder Wohnzwecken zuzuführen, und welche Kosten hierdurch anfielen. Vielmehr behauptet sie pauschal, die Räume befänden sich in einem stark abgenutzten Zustand. Überdies hat sie nach eigenem Vortrag einzelne Wohnungen zwischenzeitlich zu Wohnzwecken verkauft.

28. Die Rückausnahme nach § 1 Abs. 3 Satz 2 ZwVbG ist nicht erfüllt, da das Gebäude unstreitig zu Wohnzwecken errichtet wurde und auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass es zwischenzeitlich zu anderen Zwecken genutzt wurde.

29. Die Antragstellerin ist als Eigentümerin Verfügungsberechtigte der Räume. Dass das Eigentum aufgrund der vorgelegten Kaufverträge bereits an die Erwerber der Wohnungen übergegangen sei, hat sie nicht vorgetragen. Die erforderliche Leerstandsgenehmigung nach § 3 ZwVbG hat das Bezirksamt der Antragstellerin (bislang) nicht erteilt.

30. bb) Die tatbestandlich vorausgesetzte Zweckentfremdung von Wohnraum liegt hier gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 ZwVbG vor, weil die Wohnungen ohne die erforderliche Genehmigung länger als drei Monate leer stehen. Die letzten Mieter der jeweiligen Wohnungen zogen zwischen den Jahren 2015 und 2018 aus.

31. cc) Die Antragstellerin kann nichts aus der Ausnahme des § 2 Abs. 2 Nr. 3 ZwVbG ableiten. Nach dieser Bestimmung liegt keine Zweckentfremdung vor, wenn Wohnraum leer steht, weil er trotz geeigneter Bemühungen über längere Zeit nicht wieder vermietet werden konnte. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

32. (1) Vergebliche Vermietungsbemühungen hat die Antragstellerin nicht dargelegt. An den Nachweis von vergeblichen Vermietungsbemühungen i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 3 ZwVbG, für den die Antragstellerin die materielle Beweislast trägt, sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 10. Juni 1986 – OVG 2 B 122.84 –, juris Rn. 4 ff.; OVG Münster, Beschluss vom 28. Februar 1996 – 14 B 3227/95 –, juris Rn. 13 ff.). Hierfür bedürfte es im Einzelnen der Darlegung und Glaubhaftmachung konkreter Vermietungsbemühungen, insbesondere der Darlegung, welche Aufträge die Antragstellerin welchen Maklern erteilt hat und welche Bemühungen diese zur Vermietung der Wohnung im Einzelnen unternommen haben (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 28. Februar 1996, a.a.O., Rn. 15). Die Antragstellerin hat bereits nicht behauptet, die Wohnung zur Vermietung anzubieten.

33. (2) Auf fruchtlose Verkaufsbemühungen bzw. eine ernsthafte Verkaufsabsicht ist § 2 Abs. 2 Nr. 3 ZwVbG indes nicht unmittelbar anwendbar (vgl. Beschlüsse der Kammer vom 12. Mai 2020 – VG 6 L 75/20 –, EA S. 6, sowie vom 11. Februar 2021 – VG 6 L 308/20 –, EA S. 7). § 2 Abs. 2 Nr. 3 ZwVbG lässt sich auch nicht analog auf das Vorliegen einer ernsthaften Verkaufsabsicht bzw. vergeblicher Verkaufsbemühungen anwenden. Die Ausnahmen des § 2 Abs. 2 ZwVbG sind von vorneherein keiner erweiternden Analogie zugänglich. In gesetzessystematischer Hinsicht handelt es sich um eng auszulegende Ausnahmen vom grundsätzlichen Zweckentfremdungsverbot gemäß § 2 Abs. 1 ZwVbG. Zudem hat der Gesetzgeber das Zweckentfremdungsverbot als repressives Verbot mit Genehmigungsvorbehalt formuliert, bei dem Ausnahmen restriktiv zu handhaben sind (vgl. Beschlüsse der Kammer vom 22. April 2020 – VG 6 K 386.18 –, EA S. 2, sowie vom 10. August 2020 – VG 6 L 102/20 –, juris Rn. 21, jeweils zu § 2 Abs. 2 Nr. 4 ZwVbG).

34. Auch unter Berücksichtigung höherrangigen Rechts, insbesondere von Art. 14 GG, bedarf es keiner Gleichstellung einer ernsthaften Verkaufsabsicht mit vergeblichen Vermietungsbemühungen i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 3 ZwVbG. Der Gesetzgeber hat dem Eigentümer die Möglichkeit belassen, Wohnraum begründungslos bis zu drei Monate ungenutzt zu lassen, etwa um einen Käufer zu finden, und den länger andauernden Leerstand als eine Zweckentfremdung von Wohnraum definiert (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 4 ZwVbG). Ein Anspruch auf Verkauf der Wohnungen an Selbstnutzer besteht nicht. Die Antragstellerin kann auch vermieteten Wohnraum veräußern. Die Kammer verkennt nicht, dass hiermit wirtschaftliche Nachteile einhergehen, sei es, weil für vermieteten Wohnraum auf dem Markt nur geringere Kaufpreise erzielt werden können oder weil eine Zwischenvermietung nach § 4 Abs. 3 ZwVbG in der Praxis regelmäßig nur bei möblierten Wohnungen möglich ist. Diese Nachteile können den andauernden Leerstand und auch die Erteilung einer Genehmigung indes nicht rechtfertigen (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 13. März 1997 – VG 16 A 11.97 –, Das Grundeigentum 1997, 631; Beschlüsse der Kammer vom 12. Mai 2020, a.a.O., S. 6, sowie vom 11. Februar 2021, a.a.O., S. 8).

35. Genauso ist es der Antragstellerin zumutbar, den Leerstand durch zeitlich befristete Vermietungen zu Wohnzwecken zu beenden (vgl. Urteil der Kammer vom 4. März 2020 – VG 6 K 420.19 –, juris Rn. 47). Soweit sie vorträgt, im Falle einer Zwischenvermietung i.S.v. § 4 Abs. 3 ZwVbG befinde sich die Wohnung anschließend nicht mehr in einem renovierten Zustand, ist es ihr zuzumuten, nach Ende des Mietverhältnisses die notwendigen Renovierungsmaßnahmen durchzuführen. Diese können aufgrund der begrenzten Dauer der Zwischenvermietung in der Regel nicht von umfassendem Charakter sein. Bei einem bevorstehenden Verkauf der Wohnung hat der Vermieter zudem das Recht, eine Besichtigung mit Kaufinteressenten oder mit einem Immobilienmakler durchzuführen (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Aufl. 2019, BGB § 535 Rn. 209).

36. Auch aus dem von der Antragstellerin zitierten Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. Dezember 2019 (65 S 101/19, bei juris) geht nicht hervor, dass eine Zwischenvermietung stets nur unter den engen Voraussetzungen des § 575 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – möglich sei. Wann Wohnraum nur zum vorübergehenden Gebrauch gemäß § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB vermietet ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei ist nicht allein auf ein – mit der Vermietung eines Hotelzimmers bzw. einer Ferienwohnung vergleichbares – zeitliches Moment abzustellen, sondern auch eine besondere (abweichende) Zwecksetzung des Gebrauchs zu berücksichtigen (vgl. LG Berlin, a.a.O., Rn. 7). Die Kammer verkennt nicht, dass damit für den Eigentümer eine Rechtsunsicherheit verbunden ist. Diese ist aufgrund der Wertentscheidung des Gesetzgebers in § 4 Abs. 3 ZwVbG, wonach eine Zwischenvermietung grundsätzlich zumutbar ist, jedoch hinzunehmen.

37. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Verkauf einer Wohnung nach Angaben der Antragstellerin im Schnitt sechs bis zwölf Monate dauere. Durch die gesetzgeberische Entscheidung, einen länger als drei Monate andauernden Leerstand als Zweckentfremdung von Wohnraum zu definieren, wird der Verkauf einer Wohnung nicht verhindert. Sinn und Zweck des ZwVbG entspricht es, auch Leerstand zu verhindern, der sich aus Verzögerungen beim Verkaufsprozess ergibt. Auch die befristete Zwischenvermietung von Wohnraum verhindert, dass dem Wohnungsmarkt Wohnraum entzogen wird und erhöht während der Dauer des Mietverhältnisses das Gesamtwohnraumangebot.

38. Im Übrigen hat die Antragstellerin geeignete Verkaufsbemühungen im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses der Widerspruchsbescheide nicht dargelegt. Insoweit gilt derselbe strenge Maßstab, welcher an den Nachweis vergeblicher Vermietungsbemühungen anzulegen ist. Nur die Behauptung einer Verkaufsabsicht reicht als rein subjektive Tatsache ohne konkrete Belege nicht aus. Hiernach genügt der Verweis auf das Exposé eines mit der Vermarktung und dem Verkauf der Wohnungen beauftragten Immobilienunternehmens nicht. Welche Bemühungen dieses zum Verkauf der Wohnungen im Einzelnen unternommen hat, war dem Vortrag der Antragstellerin nicht zu entnehmen. Konkrete Interessenten, Besichtigungstermine oder Vertragsanbahnungen bei Erlass des Widerspruchsbescheides waren nicht benannt. Der Verkauf der Wohnungen im Vorderhaus, Hochparterre rechts, 2. OG rechts, sowie im 3. OG rechts und links, und ein verbindliches Kaufangebot für die Wohnung im Vorderhaus, 2. OG links, waren bei Erlass der Widerspruchsbescheide noch nicht dargelegt oder erfolgt. Dass ein Teil der Wohnungen inzwischen verkauft ist und zugunsten der jeweiligen Käufer ggf. eine Eigentumsverschaffungsvormerkung ins Grundbuch eingetragen wurde, berührt die Rechtmäßigkeit der Rückführungsaufforderungen nicht, sondern führt allenfalls zu einem Vollstreckungshindernis.

39. Sofern der gewünschte Verkaufspreis vom Markt zunächst nicht akzeptiert worden sein sollte, böte dies keine Rechtfertigung für den andauernden Leerstand. Zu den der Antragstellerin zumutbaren Bemühungen zählt auch, den Preis an die Nachfrage anzupassen, um den Leerstand zu beenden (vgl. Beschluss der Kammer vom 12. Mai 2020, a.a.O., EA S. 6).

40. Auch im Hinblick auf die Einschränkungen infolge des Corona-Virus SARS-CoV-2 ergibt sich nichts anderes. Selbst wenn die Antragstellerin oder die von ihr beauftragte Wohnungsmaklerin pandemiebedingt ihren Geschäftsbetrieb einschränken mussten, rechtfertigte dies keine vollständige Untätigkeit. Ihr blieben weiterhin Möglichkeiten, sich um eine Vermietung oder den Verkauf der Wohnungen zu bemühen und dies gegenüber dem Antragsgegner nachzuweisen. Dies ist insbesondere auch daraus ersichtlich, dass das von der Antragstellerin eingereichte Exposé (erst) das Datum vom 25. Februar 2021 trägt.

41. dd) Auch die Ausnahme gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 4 ZwVbG ist vorliegend nicht erfüllt. Danach liegt keine Zweckentfremdung vor, wenn Wohnraum zügig umgebaut, instand gesetzt oder modernisiert wird und deshalb bis zu zwölf Monate unbewohnbar ist oder leer steht oder aus anderen objektiven Gründen nicht mehr vermietet werden kann; dasselbe gilt, wenn eine Klage auf Duldung von Modernisierungs- beziehungsweise Sanierungsmaßnahmen im Sinne der §§ 555a und 555b BGB erhoben wurde, bis zur Klärung im rechtskräftigen Urteil und bis zum Abschluss der sich hieran anschließenden zügigen Baumaßnahmen.

42. (1) Die Voraussetzungen von § 2 Abs. 2 Nr. 4 Alt. 1 ZwVbG liegen bereits deshalb nicht vor, da dieser Ausnahmetatbestand nur einen Leerstand von bis zu zwölf Monaten erfasst. Diese Frist war vorliegend im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides deutlich überschritten, selbst unter Hinzurechnung der in § 2 Abs. 1 Nr. 4 ZwVbG vorgesehenen dreimonatigen Frist, welche auch nach Beendigung von Modernisierungs- oder Sanierungsarbeiten gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 4 ZwVbG Anwendung findet (vgl. Nr. 7.4 der Zweiten Änderung der Ausführungsvorschriften über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2019 – AV). Die Antragstellerin hat überdies nicht substantiiert vorgetragen, welche Umbau-, Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen bei Erlass des Widerspruchsbescheides noch durchgeführt wurden, die zu einer objektiven Unbewohnbarkeit bzw. Unvermietbarkeit der Wohnungen führten. Allenfalls die Instandsetzung der Fassade und des Treppenraumes stand nach den Angaben der Antragstellerin in dem Widerspruch vom Februar 2021 noch aus. Es ist jedoch nicht ersichtlich, wie diese zu einer Unbewohnbarkeit oder Unvermietbarkeit der Wohnungen führen sollten.

43. Ferner wurden die Arbeiten vorliegend nicht zügig durchgeführt. Seit dem Jahr 2012 plante der Voreigentümer nach Auskunft der Hausverwaltung vom 28. September 2016 umfassende Modernisierungs- und Sanierungsvorhaben auf dem Grundstück und in den Wohnungen. Im Jahr 2015 wurde nach Auskunft der Hausverwaltung zunächst mit dem Innenausbau eines Teils der Wohnungen begonnen. Die Antragstellerin kann sich nicht darauf berufen, dass sie bzw. der Voreigentümer zunächst ein größeres Umbauvorhaben geplant habe, welches sie aufgrund der fehlenden denkmalschutzrechtlichen Genehmigung nicht verwirklichen habe können, und deshalb nunmehr ein kleineres Instandsetzungsvorhaben realisiere. Hier ist die gesamte Dauer des Leerstandes – seit den Jahren 2015 bis 2018 – heranzuziehen. Es geht zu Lasten der Antragstellerin, dass sie insoweit zwischenzeitlich eine neue planerische Entscheidung getroffen hat.

44. (2) Auch § 2 Abs. 2 Nr. 4 Alt. 2 ZwVbG ist nicht erfüllt. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei den Klagen, die Gegenstand der Verfahren vor dem Amtsgericht Schöneberg und dem Landgericht Berlin waren, um Duldungsklagen i.S.v. § 555a oder § 555b BGB handelte. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides zivilrechtliche Duldungsklagen i.S.v. § 555a oder § 555b BGB rechtshängig waren. Die von der Antragstellerin eingereichten Urteile des Amtsgerichts Schöneberg vom 22. Januar 2018 (5 C 276/16) und des Landgerichts Berlin vom 18. Dezember 2018 (63 S 77/18) waren, soweit ersichtlich, bereits rechtskräftig. Auch die mit ihnen angestrebten Umbaumaßnahmen, der Anbau des Außenfahrstuhls und der weiteren Balkone, waren bei Erlass des Widerspruchsbescheides abgeschlossen. Dies ergibt sich aus dem von der Antragstellerin eingereichten Exposé mit Bearbeitungsstand vom 25. Februar 2021, aus dem hervorgeht, dass die Wohnungen über neue Hofbalkone und einen Außenaufzug verfügen. Aus den eingereichten Modernisierungsvereinbarungen mit den Mietern E…und H…(vgl. jeweils § 4) …geht zudem hervor, dass die Montage der Balkone bereits bei Abschluss dieser Vereinbarungen im Juni 2020 abgeschlossen war.

45. …(3) § 2 Abs. 2 Nr. 4 ZwVbG ist auch nicht deshalb analog anwendbar, weil die untere Denkmalschutzbehörde die denkmalschutzrechtliche Genehmigung für das große Umbauvorhaben nicht erteilt und den hierauf gerichteten Antrag nicht beschieden hat. Für das von der Antragstellerin nunmehr beabsichtigte kleine Sanierungsvorhaben ist eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung nicht mehr erforderlich.

46. Eine andere Bewertung ergibt sich nicht daraus, dass die Antragstellerin ihr zunächst angestrebtes großes Umbauvorhaben aufgrund der fehlenden denkmalschutzrechtlichen Genehmigung nicht verwirklichen konnte. Die genehmigungssichere Nutzung des Wohnraums zu Wohnzwecken liegt in ihrer Risikosphäre (vgl. Beschluss der Kammer vom 29. Oktober 2020 – VG 6 K 213/20 –, juris Rn. 39 f.). Bis zur Erteilung der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung durfte die Antragstellerin die von ihr geplanten Umbaumaßnahmen nicht durchführen und die Räumlichkeiten solange nicht leerstehen lassen. Während des schwebenden Genehmigungsverfahrens war ihr eine Zwischenvermietung zur Abwendung der Zweckentfremdung durch Leerstand zumutbar (siehe oben). Insoweit kann sie sich auch nicht darauf berufen, dass die Räume aufgrund ihres schlechten baulichen Zustandes zur Wohnnutzung nicht geeignet waren, da sie zweckentfremdungsrechtlich gehalten war, einen zum Wohnen geeigneten Zustand wiederherzustellen (siehe oben).

47. c) Die Rückführungsaufforderungen sind auch wirksam, insbesondere nicht gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes – VwVfG – nichtig. Danach ist ein Verwaltungsakt nichtig, den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann.

48. Die Einhaltung der von dem Antragsgegner gesetzten Frist zur Wiederherstellung der Räumlichkeiten und deren Wiederzuführung zu Wohnzwecken bis zum 1. Juni 2021 ist nicht schlechterdings unmöglich. Die Antragstellerin hat in ihrem Widerspruch lediglich pauschal vorgetragen, die Räume seien stark abgenutzt und es seien umfangreiche Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten nötig, um sie in einen zu Wohnzwecken geeigneten Zustand zu versetzen. Die hierzu konkret erforderlichen Maßnahmen hat sie nicht benannt. Sie hat jedoch ausgeführt, zu dem von ihr nunmehr angestoßenen kleinen Bauvorhaben gehörten die Aufwertung der Fassade und des Treppenraumes. Ferner habe sie neue Kalt- und Warmwasserleitungen sowie Zirkulationsleitungen und Abwasserleitungen errichtet und eine Strangsanierung durchgeführt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Erneuerung der Leitungen und die Strangsanierung bereits abgeschlossen sind. Dafür spricht auch, dass sich die eingereichten Modernisierungs-/Sanierungsvereinbarungen mit Mietern des Hauses auf die Strangsanierung sowie Modernisierung der Bäder beziehen und insgesamt einen Zeitraum vom 29. Juni bis zum 6. August 2020 umfassen. Die noch ausstehenden Arbeiten, Instandsetzung von Fassade und Treppenraum, betreffen nicht die Wohnungen selbst und stehen einer Rückführung zu Wohnzwecken somit nicht ersichtlich entgegen.

49. Selbst unter der Annahme, dass die Strangsanierung und Elektroinstallation, wie mit Schreiben vom 28. April 2020 beschrieben, noch ausstehen, ist die Frist bis zum 1. Juni 2021 auskömmlich bemessen. Der Antragsgegner hat die Frist anhand der eingereichten Bauzeitenpläne bemessen. Gemäß dem mit Schriftsatz vom 12. Juli 2019 eingereichten Bauablaufplan sollten die Strangsanierung und Elektroinstallationen zusammen rund vier Monate andauern. Zur Kompensation von Bauzeitenverzögerungen wurde hierzu noch ein Zeitkontingent von einem Monat hinzugerechnet.

50. Auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie ergibt sich nichts anderes. Baufirmen war die Arbeit im Rahmen der SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung bzw. Eindämmungsmaßnahmenverordnung nie untersagt. Soweit Arbeiter aus anderen EU-Mitgliedstaaten zeitweise nicht oder nur erschwert einreisen durften, hat die Antragstellerin nicht dargelegt, dass ihr die Einstellung inländischer Arbeiter unmöglich gewesen wäre.

51. Im Übrigen kann die Antragstellerin dem Antragsgegner die tatsächliche Undurchführbarkeit der Arbeiten innerhalb der hierfür bestimmten Frist unter Nachweis der konkreten Gründe für die jeweilige Verzögerung im Rahmen eines sich möglicherweise anschließenden Verwaltungsvollstreckungsverfahrens entgegenhalten.

52. d) Ermessen bezüglich der Rückführungsaufforderung ist hier nicht eröffnet. Die Ausgestaltung als „Soll“-Vorschrift verpflichtet das Bezirksamt in der Regel zum Einschreiten, wenn – wie hier – eine Zweckentfremdung vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. September 1992 – BVerwG 5 C 80.88 –, juris Rn. 16).

53. Ob die Zweckentfremdung von Wohnraum ausnahmsweise genehmigt werden kann, ist grundsätzlich nicht im Verfahren der Rückführungsaufforderung, sondern in dem Genehmigungsverfahren zu klären. Ermessensfehlerhaft ist die Rückführungsaufforderung nur dann, falls offensichtlich ein Anspruch auf Genehmigung der Zweckentfremdung von Wohnraum besteht (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 28. September 1989 – VG 16 A 265.89 –, Grundeigentum 1990, S. 51 [53]) oder falls die Rückführung aufgrund einer atypischen Fallgestaltung unverhältnismäßig wäre (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 26. September 2017 – VG 6 L 292.17 –, juris Rn. 63).

54. Beides ist hier nicht der Fall. Der Leerstand der Wohnungen aufgrund des angestrebten Verkaufes an Selbstnutzer begründet keinen offensichtlichen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung. Die wirtschaftlichen Nachteile, die mit dem Verkauf einer vermieteten Wohnung möglicherweise einhergehen, können keinen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung begründen (siehe oben).

55. Ein offensichtlicher Anspruch auf Erteilung der Genehmigung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 ZwVbG besteht auch nicht aufgrund der laufenden Baumaßnahmen. Zwar kann eine Genehmigung für den Leerstand von Wohnraum im Falle von mehr als zwölf Monate andauernden Umbau-, Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 4 ZwVbG) erteilt werden, soweit berechtigte Gründe für einen weiter andauernden Leerstand vorliegen. Als berechtigter Grund gilt insbesondere die umfassende Modernisierung beziehungsweise Sanierung von Wohnraum; dabei sind zusätzlich die Umstände darzulegen, die zur Überschreitung der zwölf Monate führen. Hier kann eine Leerstandsgenehmigung nur erteilt werden, wenn die entsprechend erforderlichen Unterlagen über den Umfang, den Beginn und die voraussichtliche Dauer der Arbeiten vorliegen (vgl. Nummer 7.4 AV). Die Antragstellerin hat nicht dargelegt, welche Modernisierungs- bzw. Sanierungsmaßnahmen bei Erlass des Widerspruchsbescheides noch andauerten, die zur Unbewohnbarkeit der Wohnungen führten (siehe oben). Die Einschränkungen infolge der Coronavirus-Pandemie rechtfertigen keine andere Beurteilung, da die Maßnahmen der SARS-CoV-2-Infektionsschutzmaßnahmenverordnung weder die Instandsetzung der Räume zu Wohnzwecken noch ihre Vermietung oder ihren Verkauf innerhalb der gesetzten Frist vereiteln (siehe oben).

56. Für das Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung sind Anhaltspunkte weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Nichts anderes folgt daraus, dass – wie die Antragstellerin meint – über die Anträge auf Erteilung der Genehmigung zum Leerstand von Wohnraum noch nicht abschließend entschieden wurde. Der Widerspruch gegen die Versagung der Leerstandsgenehmigungen wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2021 zurückgewiesen, der den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 27. Januar 2021 zuging. Die Ordnungsfunktion des Genehmigungsverfahrens liefe überdies leer, wenn vor Erlass einer Rückführungsaufforderung rechtskräftig über den Genehmigungsantrag zu entscheiden wäre (vgl. Beschluss der Kammer vom 11. Februar 2021, a.a.O., S. 11).

57. Die Frist zur Rückführung hat der Antragsgegner beanstandungsfrei gesetzt. Er hat einen längeren Zeitraum als die in § 4 Abs. 1 Satz 2 ZwVbG vorgesehene Monatsfrist eingeräumt.

58. 2. Die Zwangsgeldandrohungen in Höhe von jeweils 5.000 Euro sind nicht zu beanstanden. Sie beruhen auf § 6 ZwVbG i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 13 Verwaltungsvollstreckungsgesetz – VwVG –, deren Voraussetzungen erfüllt sind. Insbesondere war das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin nach § 7 Abs. 1 Halbsatz 1 VwVG zuständige Vollzugsbehörde. Die Androhungen waren gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVG auch jeweils mit den Rückführungsaufforderungen zu verbinden, da den Widersprüchen gegen die Rückführungsaufforderungen nach § 4 Abs. 4 Satz 1 ZwVbG keine aufschiebende Wirkung zukam.

59. 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 39, 52 f. GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. https://www.bverwg.de/user/data/media/streitwertkatalog.pdf.). Dabei legt die Kammer für jede Wohnung jeweils den Auffangwert von 5.000 Euro zugrunde, wovon sie für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hälfte ansetzt (vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges). Die Zwangsgeldandrohung bleibt bei der Festsetzung des Streitwertes vorliegend außer Betracht (vgl. Ziffer 1.7.2 Satz 1 des Streitwertkataloges).

Zuletzt aktualisiert am August 17, 2021 von eurogesetze

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