Gericht: VG Berlin 35. Kammer. Entscheidungsdatum: 28.07.2021. Aktenzeichen: 35 L 184/21

Gericht: VG Berlin 35. Kammer
Entscheidungsdatum: 28.07.2021
Aktenzeichen: 35 L 184/21
ECLI: ECLI:DE:VGBE:2021:0728.35L184.21.00
Dokumenttyp: Beschluss

Leitsatz

1. Nach § 18 Abs. 3 SchulG obliegt es der für das Schulwesen zuständigen Senatsverwaltung, durch Rechtsverordnung Schulen besonderer pädagogischer Prägung einzurichten und Vorschriften zur Aufnahme in solche Schulen zu
erlassen.
2. Die CoronaVBesPädSchulAufnV BE vom 25. Juni 2021 (GVBl. vom 2. Juli 2021, S. 688, abrufbar bei juris) ist erst am 3. Juli 2021 in Kraft getreten und kam für die vorliegend zu überprüfende Aufnahmentscheidung vom 2. Juni 2021 zu spät.
3. Werden die Schulplätze der Jahrgangsstufe 1 an den SISB allein aufgrund verwaltungsinterner Regelungen abweichend von den Vorgaben in § 5a Abs. 5 AufnahmeVO-SbP verteilt, so macht dies die – vielschichtige – Aufnahmeentscheidung insgesamt rechtswidrig und verkürzt den Aufnahmeanspruch aller abgelehnten Bewerberkinder.

Verfahrensgang
vorgehend VG Berlin, VG 35 L 184/21, Beschluss

Tenor

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller zum Schuljahr 2021/2022 vorläufig in die Jahrgangsstufe 1 der … Internationale-Schule, Staatliche Internationale Schule Berlins, aufzunehmen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

1. Die Beteiligten streiten um die Vergabe eines Schulplatzes in der Jahrgangsstufe 1 der …-Internationale-Schule – WMIS-, einer Staatlichen Internationalen Schule Berlins – SISB -, im kommenden Schuljahr 2021/2022.

2. Der minderjährige Antragsteller ist im D… geboren und besitzt nach den Feststellungen des Antragsgegners die Mindesteignung, um auf eine SISB aufgenommen zu werden.

3. Der Antragsteller hat mit seinem aus dem Tenor ersichtlichen Antrag vom 22. Juni 2021 Erfolg.

4. Wegen des im einstweiligen Anordnungsverfahrens nach § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – grundsätzlich zu beachtenden Verbots, die Entscheidung in einem Klageverfahren in der Hauptsache vorwegzunehmen, kommt der Erlass der begehrten, dem (möglichen) Prozessergebnis in der Hauptsache weitgehend vorgreifenden einstweiligen Anordnung nur dann in Betracht, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass der Antragsteller mit seiner Klage vom 22. Juni 2021 – VG 35 K 185/21 – Erfolg hat (Anordnungsanspruch) und ihm durch die Verweisung auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens unzumutbare, irreparable Nachteile entstehen (Anordnungsgrund).

5. Diese Voraussetzungen sind nach der im Eilverfahren gebotenen und nur möglichen summarischen Prüfung erfüllt.

6. A. Der Antragsteller hat gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung – ZPO – glaubhaft gemacht, dass er einen (Anordnungs-)Anspruch darauf hat, dass er wie beantragt vorläufig in die WMIS aufgenommen wird.

7. Der dies ablehnende Bescheid des Antragsgegners vom 3. Juni 2021 erscheint als rechtswidrig und den Antragsteller in seinen Rechten verletzend (§ 113 Abs. 5 VwGO).

8. 1. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufnahmeentscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Aufnahmeentscheidung, die vorliegend am 2. Juni 2021 getroffen (s. den Vermerk vom 2. Juni 2021 in der Hauptakte des Generalvorgangs) und am 3. Juni 2021 durch Bekanntgabe der einzelnen Bescheide umgesetzt wurde.

9. a) Ob ein Bewerberkind an der von ihm gewünschten Schule aufgenommen wird, beurteilt sich grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Aufnahmeentscheidung, die als verbindlicher Abschluss des bei einer Übernachfrage durchzuführenden Auswahlverfahrens ergeht. Alle rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen, von denen die Aufnahme abhängt, müssen aus Gründen der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit spätestens im Zeitpunkt der Aufnahmeentscheidung erfüllt sein (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 18. September 2014 – OVG 3 S 47.14 – Rn. 4, 31. Oktober 2016 – OVG 3 S 79.16 – Rn. 5, 7. November 2018 – OVG 3 S 67.18 – Rn. 4, 6. September 2019 – OVG 3 S 79.19 – Rn. 7 und 9. Oktober 2020 – OVG 3 S 69.20 – Rn.18, wie alle im Folgenden mit n zitierten Entscheidungen abrufbar bei juris).

10. b) Das bedeutet für das vorliegende Verfahren, dass die nachträglich erlassene Verordnung zur Anpassung von Regelungen für die Aufnahme in Schulen besonderer pädagogischer Prägung zur Bewältigung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Schuljahr 2021/2022 vom 25. Juni 2021 (GVBl. Nr. 51 vom 2. Juli 2021, S. 688, abrufbar bei juris unter: CoronaVBesPädSchulAufnV BE) bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der – am 2. Juni 2021 getroffenen – Aufnahmeentscheidung keine Anwendung finden kann.

11. Die Verordnung vom 25. Juni 2021 enthält zwar Sonderregelungen, die sich ihrem Inhalt nach auf die Aufnahme an die SISB im Schuljahr 2021/2022 beziehen sollen. So heißt es in § 1 der Verordnung vom 25. Juni 2021, abweichend von § 5a Abs. 5 Satz 1 bis 3 der Verordnung über die Aufnahme in Schulen besonderer pädagogischer Prägung – AufnahmeVO-SbP – werden im Schuljahr 2021/2022 zur Bewältigung der Folgen der pandemiebedingten Einschränkung der Mobilität in jeder neu eingerichteten Klasse vierzehn (statt zehn) Plätze an Kinder vergeben, die dauerhaft in Berlin wohnen (Satz 1). Die übrigen sechs (statt zehn) Plätze werden ausschließlich an Kinder aus hochmobilen Familien vergeben (Satz 2). Innerhalb des Platzkontingentes der dauerhaft in Berlin wohnenden Kinder stehen bei der Einrichtung der Klassen jeweils sieben (statt fünf) Plätze für Schülerinnen und Schüler mit der Muttersprache Deutsch und sieben (statt fünf) Plätze für Schülerinnen und Schüler mit der Muttersprache Englisch zur Verfügung (Satz 3). Innerhalb des Platzkontingentes der Kinder aus hochmobilen Familien stehen jeweils drei (statt fünf) Plätze für Schülerinnen und Schüler mit der Muttersprache Deutsch und drei (statt fünf) Plätze für Schülerinnen und Schüler mit der Muttersprache Englisch zur Verfügung (Satz 4).

12. Die in § 1 der Verordnung vom 25. Juni 2021 vorgesehenen Abweichungen hinsichtlich der Aufteilung der Platzkontingente nach § 5a Abs. 5 Satz 1 bis 3 AufnahmeVO-SbP für dauerhaft in Berlin wohnende Kinder einerseits und Kinder aus hochmobilen Familien andererseits kamen jedoch für die vorliegend getroffene Aufnahmeentscheidung zu spät. Sie galten zum Zeitpunkt der Aufnahmeentscheidung am 2. Juni 2021 nicht. Die Verordnung vom 25. Juni 2021 ist gemäß ihres § 2 erst am Tag nach ihrer Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin in Kraft getreten, also am 3. Juli 2021.

13. Gründe dafür, dass die Sonderreglungen nicht (wie zahlreiche andere das Schulwesen betreffende pandemiebedingte Verordnungen) kurzfristig – also rechtzeitig vor der Aufnahmeentscheidung – hätten erlassen werden können, lassen sich den Vorgängen nicht entnehmen, zumal der Großteil der Schulanmeldungen bereits im letzten Herbst vorgelegen haben dürfte (s. zum Anmeldezeitraum: https://wangari-maathai-schule.jimdofree.com/unsere-schule/anmeldung/klasse-1/).

14. Der Verordnungsgeber hat auch davon abgesehen, die Verordnung vom 25. Juni 2021 mit ihren Sonderreglungen rückwirkend in Kraft treten zu lassen, obwohl ihm diese Möglichkeit aus anderen Normgebungsverfahren bekannt ist. So heißt es beispielsweise schon in der Begründung der Verordnung über die Aufnahme in Schulen besonderer pädagogischer Prägung vom 23. März 2006, dass es, um eine geordnete Aufnahme in das Schuljahr 2006/2007 zu ermöglichen, erforderlich sei, die Regelungen bereits rückwirkend zum 1. Februar 2006 in Kraft zu setzen, da die Aufnahmeentscheidungen an Schulen mit vorgezogenen Anmeldezeiträumen teilweise bereits Ende Februar getroffen würden (s. S. 11 der VO Nr. 15/315, abrufbar unter https://pardok.parlament-berlin.de/portala/start.tt.html).

15. Gleichwohl hat der Verordnungsgeber im vorliegenden Fall kein rückwirkendes Inkrafttreten der Verordnung vom 25. Juni 2021 vorgesehen, so dass es keiner Prüfung bedarf, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen eine Rückwirkung zulässig gewesen wäre (vgl. zur Rückwirkung von schulrechtlichen Regelungen bspw. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 18. September 2014 – OVG 3 S 47.14 – Rn. 2 ff., und 7. November 2018 – OVG 3 S 67.18 – Rn. 4).

16. 2. Rechtliche Grundlage für die Überprüfung der Aufnahmeentscheidung ist somit allein das Schulgesetz für das Land Berlin – SchulG – in Verbindung mit der gemäß § 18 Abs. 3 SchulG erlassenen Verordnung über die Aufnahme in Schulen besonderer pädagogischer Prägung – AufnahmeVO-SbP – in der am 2. Juni 2021 geltenden Fassung (datierend vom 23. März 2006, GVBl. S. 306, zuletzt geändert durch Verordnung vom 25. Januar 2021, GVBl. S. 65; abrufbar bei juris unter: BesPädSchulAufnV BE).

17. Nach § 5a Abs. 1 AufnahmeVO-SbP ist die WMIS eine Staatliche Internationale Schule, in welche die Aufnahme in der Jahrgangsstufe 1 erfolgt.

18. Die Staatlichen Internationalen Schulen nehmen gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 AufnahmeVO-SbP im Rahmen der Einschulung Kinder auf, die Deutsch oder Englisch altersgemäß wie eine Muttersprache beherrschen, wobei die Aufnahme von Kindern mit der Muttersprache Deutsch zusätzlich das Vorliegen mindestens passiver Kenntnisse in Englisch voraussetzt. Nach Satz 2 der Vorschrift ist ansonsten auch bei freien Kapazitäten keine Aufnahme möglich (Mindesteignung).

19. § 5a Abs. 3 AufnahmeVO-SbP regelt, dass die für die Aufnahme erforderlichen sprachlichen Kompetenzen in einer von der Schulaufsichtsbehörde einheitlich genehmigten Überprüfung nachzuweisen sind (Satz 1). Die Überprüfung der Sprachkenntnisse erfolgt durch die Staatlichen Internationalen Schulen (Satz 2). Die Überprüfung der muttersprachlichen Kenntnisse erfolgt in einem in Englisch oder in Deutsch geführten Test, je nachdem, welche Sprache als Muttersprache angegeben wird, bei Kindern, die als bilingual angemeldet werden, in beiden Unterrichtssprachen (Satz 3). Muttersprachliche Kenntnisse liegen bei Kindern vor, die in diesem Test mindestens 80 Prozent der möglichen Punkte erreichen (Satz 4). Die passiven Englischkenntnisse nach Absatz 2 Satz 1 letzter Halbsatz werden grundsätzlich in einem gesonderten Test festgestellt und liegen vor, wenn Kinder in diesem Test mindestens 70 Prozent der möglichen Punkte erreichen (Satz 5). Bei Kindern, die als bilingual angemeldet wurden, aber keine muttersprachlichen Englischkenntnisse nachweisen konnten, liegen passive Englischkenntnisse dann vor, wenn sie in dem Test zur Überprüfung der muttersprachlichen Kenntnisse mindestens 30 Prozent erreichen (Satz 6). Das an der einen SISB erreichte Testergebnis gilt auch für die andere Schule (Satz 7). Die Wiederholung des Tests ist unzulässig (Satz 8). Maßgeblich für die Aufnahme sind die zum Zeitpunkt der jeweiligen Überprüfung festgestellten Sprachkenntnisse (Satz 9). Erziehungsberechtigte, deren Kinder beide Sprachen altersgemäß wie eine Muttersprache beherrschen, entscheiden unverzüglich nach Bekanntgabe der Testergebnisse, welcher Sprachgruppe ihr Kind zugeordnet werden soll (Satz 10).

20. In der Jahrgangsstufe 1 beträgt die Einrichtungsfrequenz nach § 5a Abs. 4 Satz 1 AufnahmeVO-SbP 20 Schülerinnen und Schüler. Sie darf bis zur Entscheidung nach Satz 3 nicht überschritten werden, um die Aufnahme von Kindern aus dem Ausland kommender hochmobiler Familien nach Satz 3 zu ermöglichen (Satz 2). Alle zwischen dem Abschluss des Auswahlverfahrens nach Absatz 5 und zwei Wochen vor dem Unterrichtsbeginn in der Jahrgangsstufe 1 eingehenden Bewerbungen werden gesammelt; die Vergabe der Plätze erfolgt entsprechend den Kriterien der Absätze 3 und 8 (Satz 3). Für das Verfahren nach Satz 3 stehen zwei Plätze zur Verfügung, die sich aus der Differenz zwischen der Einrichtungsfrequenz nach Satz 1 und der in Satz 6 für die Jahrgangsstufe 1 festgesetzten Höchstfrequenz ergeben (Satz 4). Nach der Durchführung des Verfahrens nach Satz 3 frei bleibende Plätze werden an Kinder aus hochmobilen Familien entsprechend der Nachrückerliste vergeben (Satz 5). Die Höchstfrequenz je Klasse beträgt 22 Schülerinnen und Schüler bis einschließlich Jahrgangsstufe 3 (Satz 6 Alt. 1).

21. Im Rahmen der Einrichtung werden gemäß § 5a Abs. 5 Satz 1 AufnahmeVO-SbP – in der vorliegend maßgeblichen Fassung – je Klasse zehn Plätze an Kinder vergeben, die dauerhaft in Berlin wohnen. Die übrigen zehn Plätze stehen ausschließlich Kindern aus hochmobilen Familien zur Verfügung (Satz 2). Innerhalb beider Platzkontingente stehen bei der Einrichtung der Klassen jeweils fünf Plätze für Schülerinnen und Schüler mit der Muttersprache Deutsch und fünf Plätze für Schülerinnen und Schüler mit der Muttersprache Englisch zur Verfügung (Satz 3). Können innerhalb eines Platzkontingents in einer Sprachgruppe nicht alle Plätze vergeben werden, werden sie der jeweils anderen Sprachgruppe zugeordnet (Satz 4). Bleiben im Kontingent der dauerhaft in Berlin lebenden Kinder Plätze unbesetzt, werden diese dem Platzkontingent für Kinder aus hochmobilen Familien der jeweiligen Sprachgruppe zugeordnet (Satz 5). In dem Platzkontingent für hochmobile Schülerinnen und Schüler unbesetzt bleibende Plätze sind für Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger nach Absatz 9 vorzuhalten (Satz 6).

22. Nach § 5a Abs. 9 Satz 1 AufnahmeVO-SbP ist die Aufnahme in eine bereits eingerichtete Klasse nach Maßgabe freier Plätze möglich, sofern die Voraussetzungen des Absatzes 6 vorliegen.

23. Als hochmobil gelten nach § 5a Abs. 6 Satz 1 AufnahmeVO-SbP Familien, wenn sie ihren Lebensmittelpunkt aus beruflichen Gründen eines oder beider Erziehungsberechtigten mehrfach in Abständen von in der Regel höchstens vier Jahren nicht nur kurzzeitig in das Ausland verlagern; einmalige Auslandsaufenthalte sowie Ein- oder Auswanderungsabsichten begründen keine Hochmobilität. Die Zuordnung zur Personengruppe der hochmobilen Familien setzt ferner voraus, dass die Erziehungsberechtigten das Vorliegen der Voraussetzungen des Satzes 1 im Rahmen der Anmeldung glaubhaft machen und schriftlich erklären, Berlin nach in der Regel höchstens vier Jahren aus beruflichen Gründen wieder verlassen und den Lebensmittelpunkt der gesamten Familie in das Ausland verlegen zu müssen (Satz 2).

24. In dem Kontingent der hochmobilen Familien nach Absatz 5 werden gemäß § 5a Abs. 7 Satz 1 AufnahmeVO-SbP auch geeignete, aus dem Ausland kommende Kinder berücksichtigt, die keinen Berliner Wohnsitz haben, aber glaubhaft machen, spätestens zwei Wochen vor Unterrichtsbeginn in Berlin ihren Wohnsitz zu begründen. Die Aufnahme dieser Kinder erfolgt unter der auflösenden Bedingung, dass bis zu dem in Satz 1 genannten Zeitpunkt ein Wohnsitz in Berlin nachgewiesen wird (Satz 2). Erfolgt kein fristgerechter Nachweis, werden diese Plätze entsprechend der Nachrückerliste vergeben (Satz 3).

25. Übersteigt die Zahl der Anmeldungen geeigneter Schülerinnen und Schüler die Zahl der verfügbaren Plätze, werden nach § 5a Abs. 8 Satz 1 AufnahmeVO-SbP in dem für Kinder aus hochmobilen Familien zur Verfügung stehenden Kontingent in beiden Sprachgruppen jeweils vorrangig Kinder von Bediensteten des Auswärtigen Amtes oder ausländischer diplomatischer Vertretungen aufgenommen, danach Kinder, deren Geschwister im Jahr der Aufnahme noch die Primarstufe der jeweiligen Staatlichen Internationalen Schule besuchen. Die Aufnahme in dem Kontingent der dauerhaft in Berlin lebenden Schülerinnen und Schüler erfolgt abweichend von § 55a Absatz 2 des Schulgesetzes ausschließlich durch Los (Satz 2).

26. 3. Zunächst bestehen – was die Kammer bereits in der Vergangenheit ausgeführt hat und im Hinblick auf Rügen einiger Antragstellerinnen und Antragsteller wiederholt – keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 5a AufnahmeVO-SbP, der von einzelnen Vorschriften des Schulgesetzes abweicht.

27. Eine solche Abweichung ist aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 18 Abs. 3 SchulG möglich, die ihrerseits bestimmt genug ist und mit den Grundrechten vereinbar ist sowie die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wahrt (vgl. VerfGH Berlin, Beschlüsse vom 19. Februar 2007 – VerfGH 180/06, 180 A/06 – Rn. 29 ff., und 10. April 2019 – VerfGH 5/19 u.a. – Rn. 26 ff., OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. November 2018 – OVG 3 S 75.18 – Rn. 20 ff., VG Berlin, Beschlüsse vom 26. Juli 2018 – VG 3 L 295.18 – Rn. 16 ff., und 7. August 2020 – VG 35 L 287/20 u.a. – Rn. 17 ff.).

28. 4. Die somit grundsätzlich mit höherrangigem Recht vereinbaren Vorgaben in § 18 Abs. 3 SchulG i. V. m. § 5a AufnahmeVO-SbP hat der Antragsgegner jedoch bei seiner Aufnahmeentscheidung nicht ausreichend beachtet, sondern sich für eine hiervon abweichende und damit insgesamt rechtswidrige Verteilung der zur Verfügung stehenden Schulplätze entschieden.

29. a) Zum kommenden Schuljahr stehen an der WMIS insgesamt 40 Schulplätze für Schulanfängerinnen und -anfänger zur Verfügung.

30 Nach den Ziffern I und II der Rahmenvorgaben der Schule besonderer pädagogischer Prägung vom 23. Januar 2019, die ab dem Schuljahr 2018/2019 gelten und sich in der Hauptakte des Generalvorgangs befinden (s. dort auch die Vermerke zum diesjährigen Aufnahmeverfahren vom 28. Mai 2021 und 2. Juni 2021), werden an der WMIS zwei Züge eingerichtet.

31. Mit Einrichtung von zwei ersten Klassen ist die an der WMIS vorhandene Aufnahmekapazität erschöpft (vgl. VG Berlin, Beschlüsse vom 10. August 2020 – VG 35 L 299/20 u.a. – Rn. 31 ff., m. w. N.).

32. Die Einrichtungsfrequenz in der Jahrgangsstufe 1 beträgt gemäß § 5a Abs. 4 Satz 1 AufnahmeVO-SbP 20 Schülerinnen und Schüler. Es stehen somit zunächst (2 x 20 =) 40 Schulplätze in der Jahrgangsstufe 1 zur Verfügung.

33. Nach den für die Aufnahmeentscheidung maßgeblichen Vorgaben in § 5a Abs. 1 AufnahmeVO-SbP waren davon je Klasse zehn Plätze an Kinder zu vergeben, die dauerhaft in Berlin wohnen (Satz 1). Die übrigen zehn Plätze waren ausschließlich Kindern aus hochmobilen Familien zur Verfügung zu stellen (Satz 2).

34. Aufgrund der im kommenden Schuljahr einzurichtenden zwei ersten Klassen waren somit insgesamt (2 x 10 =) 20 Plätze an dauerhaft in Berlin wohnende Kinder und 20 Plätze an Kinder aus hochmobilen Familien zu vergeben.

35. b) Hiervon abweichend hat der Antragsgegner statt der vorgesehenen 20 Kinder zum kommenden Schuljahr insgesamt (2 x 14 =) 28 dauerhaft in Berlin wohnende Kinder aufgenommen. Zudem hat er im Rahmen seiner Aufnahmeentscheidung fünf Kinder aus hochmobilen Familien aufgenommen. Somit hat der Antragsgegner zusammengefasst entschieden, insgesamt (28 + 5 =) 33 Kinder aufzunehmen und (2 x 6 = 12; 12 – 5 =) 7 Schulplätze im Kontingent für Hochmobile unbesetzt gelassen.

36. Dabei hat sich der Antragsgegner – vorbereitet durch den Vermerk vom 28. Mai 2021 – am 2. Juni 2021 entschlossen, gezielt von den seinerzeit geltenden Vorgaben in § 5a Abs. 5 AufnahmeVO-SbP abzuweichen und stattdessen selbst zu bestimmen, wie er im kommenden Schuljahr die Plätze zwischen dauerhaft in Berlin wohnenden Kindern und Kindern aus hochmobilen Bewerbern aufteilen und wie viele Plätze er unbesetzt lassen möchte, um sie für hochmobile Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger vorzuhalten.

37. c) Die von den Vorgaben des § 5a Abs. 5 AufnahmeVO-SbP abweichende verwaltungsinterne Entscheidung des Antragsgegners, wie zum kommenden Schuljahr an den SISB die Schulplätze verteilt werden sollen, ist ohne eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage getroffen worden und damit bereits formell rechtswidrig.

38. Gemäß § 18 Abs. 3 SchulG obliegt es der für das Schulwesen zuständigen Senatsverwaltung, durch Rechtsverordnung Schulen besonderer pädagogischer Prägung einzurichten und Vorschriften zur Aufnahme in solche Schulen zu erlassen.

39. Der Antragsgegner hat die Regelungen in § 5a Abs. 5 AufnahmeVO-SbP jedoch nicht vor der Aufnahmeentscheidung am 2. Juni 2021 durch eine Rechtsverordnung geändert, sondern stattdessen lediglich in seinen Vermerken vom 28. Mai 2021 und 2. Juni 2021 dargelegt, aus welchen Gründen besprochen und entschieden worden sei, im Schuljahr 2021/2022 pandemiebedingt von den rechtlichen Vorgaben in § 5a Abs. 5 AufnahmeVO-SbP abzuweichen.

40. Ein solches Abweichen von den in der AufnahmeVO-SbP vorgesehenen Platzzahlen aufgrund eines „Vorgriffsrundschreibens“ als verwaltungsinterner Regelung ist nach den formellen rechtlichen Vorgaben im Schulgesetz nicht zulässig. Eine Ablehnung der Aufnahme von Bewerberkindern an eine SISB muss – wie in § 18 Abs. 3 SchulG vorgesehen – grundsätzlich auf den Vorschriften einer Rechtsverordnung beruhen, welche die damit verbundenen Grundrechtseingriffe legitimieren (vgl. VerfGH Berlin, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – VerfGH 28/11, 28 A/11 u.a. – Rn. 59, zur fehlenden Festsetzung eines Curricularnormwertes durch Rechtsverordnung).

41. d) Hiervon ausgehend braucht nicht über die materielle Rechtmäßigkeit des verwaltungsinternen Entschlusses entschieden werden. Es kann dahinstehen, ob es ausreichende sachliche Gründe für die Entscheidung des Antragsgegners gibt, bei der Verteilung der Schulplätze an den SISB von den – verbindlichen – Vorgaben des § 5a Abs. 5 AufnahmeVO-SbP abzuweichen.

42. Lediglich vorsorglich wird insoweit zu der Angabe des Antragsgegners, laut Aussage des Auswärtigen Amtes sei nach Aufhebung der Reisebeschränkungen mit weiteren Anträgen von hochmobilen Familien zu rechnen (s. hierzu unter anderem den Vermerk vom 28. Mai 2021 im Generalvorgang), angemerkt, dass zahlreiche vorübergehende Reisebeschränkungen bereits schrittweise aufgehoben wurden und zudem nicht für Reisende galten, die eine wichtige Funktion ausüben oder deren Reise zwingend notwendig ist, wie beispielsweise Personen im diplomatischen Dienst und das Personal internationaler Organisationen sowie für von internationalen Organisationen eingeladene Personen (vgl. bspw. https://ec.europa.eu/info/live-work-travel-eu/coronavirus-response/travel-during-coronavirus-pandemic/exemptions-coronavirus-travel-restrictions-eu_de, https://reopen.europa.eu/de und https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/usa-node/usavereinigtestaatensicherheit/201382).

43. Hierzu scheint zu passen, dass das Auswärtige Amt sich wie schon in den vorangegangenen Sommern auch in diesem Jahr an das erkennende Gericht gewandt und gebeten hat, zeitweilig von der Terminierung mündlicher Verhandlungen in Visasachen abzusehen, weil der anstehende Personalwechsel im Rahmen der Postenrotation die Kapazitäten zeitweilig spürbar begrenze (Schreiben des Auswärtigen Amtes an die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. Juni 2021).

44. Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang ferner, ob die Annahme des Antragsgegners zutrifft, die Anzahl der Aufnahmeanträge aus dem Kontingent „Hochmobil“ sei im Vergleich zu den beiden Vorjahren wegen der Corona-Pandemie erneut erheblich gesunken (vgl. hierzu VG Berlin, Beschlüsse vom 28. Juli 2021 – VG 35 L 183/21 u. a. – zur Veröffentlichung in juris vorgesehen).

45. 5. Die rechtswidrige Entscheidung des Antragsgegners, den Antragsteller nicht in die staatliche WMIS aufzunehmen, greift in dessen Grundrechte ein und verkürzt zugleich dessen Aufnahmeanspruch.

46. a) Art. 20 Abs. 1 der Verfassung von Berlin – VvB – gewährt jedem Menschen das Recht auf Zugang zu den bestehenden öffentlichen Bildungseinrichtungen im Land Berlin nach Maßgabe der den Zugang regelnden Gesetze. Diese müssen allerdings den Anforderungen des Art. 10 Abs. 1 VvB entsprechen, wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Das Grundrecht auf gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Bildungseinrichtungen berechtigt somit dazu, bei der Verteilung von Schulplätzen an staatlichen Schulen gleichbehandelt, das heißt nicht ohne vertretbaren Grund gegenüber anderen Schülerinnen und Schülern benachteiligt zu werden.

47. Ein Eingriff in diese Rechte setzt für seine Zulässigkeit voraus, dass er auf den Vorschriften der AufnahmeVO-SbP und damit letztlich auf der Ermächtigungsgrundlage des § 18 Abs. 3 SchulG beruht (vgl. VerfGH Berlin, Beschlüsse vom 10. April 2019 – VerfGH 5/19 u.a. – Rn. 14 f. m. w. N., sowie vom 20. Dezember 2012 – VerfGH 28/11, 28 A/11 u.a. – Rn. 54 ff. und 60 f., zu einem entgegen dem Landesrecht nicht durch Rechtsverordnung festgesetzten – sondern von den hierzu nicht befugten Gerichten selbst ermittelten – Curricularnormwert für die Vergabe von Studienplätzen).

48. Darüber hinaus würde es die Durchsetzung des Rechts der abgelehnten Bewerberkinder auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 15 Abs. 4 Satz 1 VvB beeinträchtigen, wenn die Verteilung von Plätzen an den SISB vor jedem Schuljahr entgegen der Vorgabe in § 18 Abs. 3 SchulG lediglich durch verwaltungsinterne Regelungen frei bestimmt werden könnte. Sowohl die Transparenz des Aufnahmeverfahrens als auch die Nachprüfbarkeit der Aufnahmeentscheidung wären in diesem Fall eingeschränkt, da die Schulplätze stets nach neu geschaffenen – den Bewerberinnen und Bewerbern vorher nicht bekannten – internen Vorgaben vom Antragsgegner frei verteilt werden könnten.

49. b) Die rechtswidrige Aufnahmeentscheidung des Antragsgegners verkürzt den Aufnahmeanspruch des Antragstellers, unabhängig davon, welchem Kontingent der Antragsteller vom Antragsgegner zugeordnet wurde und welcher Sprachgruppe er angehört.

50. Ohne Erfolg macht der Antragsgegner hiergegen in den die SISB betreffenden Verfahren unter anderem geltend, durch sein Handeln sei es nicht zu einer Beschneidung der Rechte von Bewerberkindern gekommen, die dauerhaft in Berlin wohnhaft seien. Stattdessen sei diesen Kindern durch die zusätzlichen Plätze sogar ein Mehr an Rechten in dem Auswahlverfahren gewährt worden. Die Abweichung von den rechtlichen Vorgaben in § 5a Abs. 5 AufnahmeVO-SbP stelle keinen Verstoß gegen höherrangiges Recht dar. Von ihr sei nur ein abgeschlossener Personenkreis betroffen. Sie begünstige dauerhaft in Berlin lebende Familien durch die vier zusätzlichen Plätze pro Klasse. Alle Bewerberkinder aus hochmobilen Familien hätten bereits einen Platz erhalten und es würden noch ausreichend Plätze für hochmobile Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger freigehalten.

51. Dies wird der Komplexität der Aufnahmeentscheidung nicht gerecht. Die Vielschichtigkeit der Aufnahmeentscheidung hat weitreichende Folgen für das Aufnahmeverfahren insgesamt und nicht nur für die Gruppe der dauerhaft in Berlin wohnenden Bewerberkinder.

52. Indem der Antragsgegner sich dazu entschlossen hat, zum kommenden Schuljahr die Plätze für Schulanfängerinnen und -anfänger abweichend von den geltenden rechtlichen Vorgaben in § 5a Abs. 5 AufnahmeVO-SbP zu verteilen, hat er zugleich darüber entschieden, wie viele Schulplätze er nach seinem Dafürhalten abweichend von den anderslautenden Vorgaben in der AufnahmeVO-SbP zum kommenden Schuljahr unbesetzt lassen und für etwaige Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger aus hochmobilen Familien vorhalten möchte.

53. Mit der Verschiebung von vier in jeder neu eingerichteten Klasse im Kontingent für hochmobile Schülerinnen und Schüler unbesetzt gebliebenen Plätzen in das Kontingent für dauerhaft in Berlin wohnenden Kinder, ist der Antragsgegner – ohne dies ausdrücklich zu benennen – zugleich von der Vorgabe in § 5a Abs. 5 Satz 6 AufnahmeVO-SbP abgewichen, nach der solche unbesetzten Plätze für Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger vorzuhalten sind. Der verwaltungsinterne Entschluss, in diesem Jahr abweichend von den rechtlichen Vorgaben genau vier Plätze je Klasse aus dem Kontingent der hochmobilen Bewerberkinder in das Kontingent der dauerhaft in Berlin wohnenden Bewerberkinder zu verschieben, beinhaltet als Kehrseite zugleich die Entscheidung dafür, nicht mehr als genau diese vier Plätze (und nicht etwa eine Anzahl von fünf bis zehn Plätzen) je Klasse der Gruppe der dauerhaft in Berlin wohnenden Kinder zuzuschlagen. Insoweit beschwert er auch dauerhaft in Berlin wohnende Bewerberkinder.

54. Der Antragsgegner scheint auch selbst davon auszugehen, dass seiner Entscheidung die beschriebene Kehrseite innewohnt. Denn er trägt vor, seine Aufnahmeentscheidung sei so getroffen worden, dass alle Kinder aus hochmobilen Familien aufgenommen hätten werden können und noch genügend Plätze für spätere Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger unbesetzt geblieben seien.

55. Der vorliegende Fall ist damit deutlich anders gelagert als die Fälle, in denen sich der Antragsgegner an die grundlegenden Verteilungsgrundsätze in § 5a AufnahmeVO-SbP hält, ihm aber bei deren Anwendung und Besetzung der einzelnen Kontingente Fehler unterlaufen, die sich isoliert auf eines der Kontingente beziehen und als Folge davon den Aufnahmeanspruch von Bewerberkindern aus anderen Kontingent nicht verkürzen (vgl. zu solchen Fallkonstellationen bspw.: VG Berlin, Beschlüsse vom 7. August 2020 – VG 35 L 287/20 u. a. – Rn. 60, und 10. August 2020 – VG 35 L 299/20 u. a. – Rn. 79, sowie OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – OVG 3 S 85/20 – Rn. 10).

56. Das Aufnahmeverfahren ist vorliegend nicht allein in Bezug auf ein einzelnes Kontingent fehlerhaft. Denn es geht nicht um einzelne Fehler des Antragsgegners bei der Anwendung des geltenden Rechts im Rahmen der Auffüllung eines einzelnen Kontingents, sondern um eine gezielte Abweichung von dem – der konkreten Rechtsanwendung vorgelagerten – System, das die AufnahmeVO-SbP als Rechtsverordnung in § 5a Abs. 5 AufnahmeVO-SbP verbindlich für das Verteilen und Freihalten von Schulplätzen vorgibt.

57. Aufgrund dieser grundlegenden und quasi vorgelagerten rechtswidrigen Abweichung von den Vorgaben in § 5a Abs. 5 AufnahmeVO-SbP zur Verteilung der Schulplätze an der SISB insgesamt kommt es vorliegend auch nicht darauf an, ob es dann später im Verlauf des weiteren Verfahrens – was einige Antragstellerinnen und Antragsteller rügen – bei der konkreten Zuordnung von einzelnen Bewerberkindern in die einzelnen Kontingente oder etwa bei der Durchführung des Losverfahrens noch zu weiteren Fehlern gekommen ist.

58. Durch die der Aufnahmeentscheidung des Antragsgegners zugleich innewohnende Bestimmung, wie viele der an der SISB vorhandenen Plätze im kommenden Schuljahr nicht vergeben und freigehalten werden sollen, ist der vorliegende Fall darüber hinaus anders gelagert, als wenn an einer Regelgrundschule in einem Schuljahr ausnahmsweise Kinder zusätzlich überkapazitär aufgenommen werden (vgl. hierzu bspw. VG Berlin, Beschluss vom 29. Juli 2020 – VG 9 L 405/20 – S. 4, und OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. September 2019 – OVG 3 S 82.19 – Rn. 5 f.). Denn in den die Regelschulen betreffenden Fällen wurden mehr als an den betroffenen Regelschulen vorhandene Plätze vergeben und anders als vorliegend bei der SISB wurde nicht zugleich darüber mitentschieden, wie viele der noch unbesetzten Schulplätze frei bleiben sollen.

59. 6. Aufgrund der insgesamt rechtswidrigen Aufnahmeentscheidung hat der Antragsteller einen Anspruch darauf, dass er wie oben tenoriert vorläufig in die WMIS aufgenommen wird.

60. Abgelehnte Bewerberinnen und Bewerber, die um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen, können sich im Hinblick auf die Gesetzesbindung der Verwaltung (s. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes – GG – und vgl. auch Art. 36 Abs. 1 VvB ) und die Verpflichtung der Gerichte zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 15 Abs. 4 Satz 1 VvB grundsätzlich auf eine rechtswidrige Platzvergabe berufen. Für rechtswidrig vergebene Plätze müssen zusätzliche (ggf. fiktive) Plätze als Ausgleich bereitgestellt werden, die an diejenigen Bewerberinnen und Bewerber zu vergeben sind, die ihre Abweisung nicht hingenommen haben (vgl. OVG Berlin, Beschlüsse vom 22. November 2017 – OVG 3 S 88.17 – Leitsatz sowie Rn. 3, 6. September 2019 – OVG 3 S 79.19 – Leitsatz sowie Rn. 12 ff., 19. November 2020 – OVG 3 S 76/20 – Rn. 10, und 22. November 2020 – OVG 3 S 86/20 – Rn. 4, jeweils m. w. N.).

61. Der Antragsgegner hat entgegen der Vorgaben in § 5a Abs. 5 AufnahmeVO-SbP acht Kinder rechtswidrig aufgenommen. Es stehen somit jedenfalls acht weitere Schulplätze zur Vergabe, von denen einer dem hiesigen Antragsteller zur Verfügung zu stellen ist.

62. Hierdurch wird weder die Funktionsfähigkeit der WMIS gefährdet noch die Grenze der Aufnahmekapazität der Schule überschritten.

63. Zwar wird der Antragsgegner bei Berücksichtigung der übrigen, die WMIS betreffenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglicherweise verpflichtet, vorläufig (den hiesigen Antragsteller mitgezählt) insgesamt bis zu sechs weitere Kinder aufzunehmen. Für eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Schule oder Überschreitung der Grenze der Aufnahmekapazität ist gleichwohl nichts ersichtlich.

64. Denn auch bei einer Aufnahme von sechs weiteren Kindern bleiben im Ergebnis noch immer Schulplätze frei.

65. Unter Berücksichtigung etwaiger Verpflichtungen des Antragsgegners aus den einstweiligen Rechtsschutzverfahren, sechs weitere Kinder aufzunehmen, wären insgesamt lediglich (2 x 14 = 28; 28 + 5 = 33; 33 + 6 =) 39 von den anfänglich 40 in der Jahrgangsstufe 1 der WMIS zur Verfügung stehen Schulplätzen vergeben.

66. Damit wäre sowohl die anfängliche Aufnahmekapazität als auch die in § 5a Abs. 4 Satz 6 Alt. 1 AufnahmeVO-SbP vorgesehene, spätere Höchstfrequenz je Klasse von 22 Schülerinnen und Schülern (2 x 22 = 44) noch immer unterschritten. Es wären zudem noch immer Plätze für etwaige Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger aus hochmobilen Familien frei. Für diese Gruppe stünden darüber hinaus auch an der anderen der beiden SISB, der benachbarten Nelson-Mandela-Schule, noch freie Plätze zur Verfügung (vgl. VG Berlin, Beschlüsse vom 28. Juli 2021 – VG 35 L 183/21 u. a. -).

67. Unabhängig davon ist es für die Funktionsfähigkeit einer SISB nach den Regelungen in § 5a AufnahmeVO-SbP nicht zwingend geboten, Plätze für etwaige Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger aus hochmobilen Familien freizuhalten. Denn falls es für alle Kontingente eine Übernachfrage von geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern gibt, dürfen und müssen die Klassen alle bis zur Höchstfrequenz aufgefüllt werden (§ 5a Abs. 4 Satz 6 Alt. 1 AufnahmeVO-SbP). Der Verordnungsgeber geht selbst davon aus, dass nicht bei jeder Einrichtung der ersten Klassen stets Schulplätze unbesetzt bleiben, weil es auch im Kontingent für Kinder aus hochmobilen Familien zu einer Übernachfrage von geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern kommen kann. Für den Fall einer solchen Übernachfrage hat er eigens Regelungen geschaffen (s. bspw. § 5a Abs. 4 Satz 5 und Abs. 8 Satz 1 AufnahmeVO-SbP). Dies dürfte auf der Annahme des Verordnungsgebers beruhen, dass eine SISB auch dann funktionieren kann, wenn bei einer Übernachfrage von geeigneten Bewerberkindern alle ersten Klassen bis zu den vorgegebenen Höchstfrequenzen voll besetzt werden.

68. B. Es besteht auch ein Anordnungsgrund.

69. Ohne die aus dem Tenor ersichtliche Anordnung würde der Anspruch des Antragstellers auf Aufnahme an die SISB zum Beginn des Schuljahres 2021/2022 zumindest teilweise vereitelt. Eine Entscheidung im Hauptsachverfahren könnte nicht mehr rechtzeitig vor dem Schulbeginn ergehen.

70. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

71. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes, wobei die Kammer in schulrechtlichen Eilverfahren nach den Nrn. 1.5 Satz 1 Hs. 1 und 38.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzusetzenden Auffangstreitwertes zugrunde legt.

Zuletzt aktualisiert am August 17, 2021 von eurogesetze

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