FÜNFTE SEKTION
ENTSCHEIDUNG
Individualbeschwerde Nr. 52390/09
A. und andere ./. Deutschland
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Fünfte Sektion) hat in seiner Sitzung am 11. Dezember 2012 als Ausschuss mit der Richterin und den Richtern
André Potocki, Präsident,
Angelika Nußberger,
Aleš Pejchal,
sowie Stephen Phillips, Stellvertretender Sektionskanzler,
im Hinblick auf die oben genannte Individualbeschwerde, die am 24. September 2009 erhoben wurde,
im Hinblick auf die Stellungnahme der beschwerdegegnerischen Regierung und die Erwiderung der Beschwerdeführer,
nach Beratung wie folgt entschieden:
SACHVERHALT UND VERFAHREN
Die ersten beiden Beschwerdeführer, Herr A. und Frau B., sind syrische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit; sie wurden 19… bzw. 19… geboren. Der dritte, der vierte und der fünfte Beschwerdeführer, A., J. und H. A., sind Kinder der ersten beiden Beschwerdeführer. Sie wurden 1996, 2003 und 2006 in Deutschland geboren. Alle Beschwerdeführer leben gemeinsam in V., Deutschland.
Vor dem Gerichtshof werden sie von Herrn K., Rechtsanwalt in D., vertreten.
Am 10. November 2007 beantragten die Beschwerdeführer Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), da eine Abschiebung aus tatsächlichen Gründen nicht durchführbar sei. Am selben Tag beantragten die Beschwerdeführer auch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG aus Härtefallgründen. Sie brachten vor, dass ihr fortdauernder unrechtmäßiger Aufenthaltsstatus eine besondere Härte für sie bedeute. Sie legten im Einzelnen dar, dass sie mit den deutschen Behörden stets kooperiert hätten. Die Darstellung der syrischen Vertretung, die ersten beiden Beschwerdeführer hätten die Formulare nicht korrekt ausgefüllt, sei nicht zutreffend, denn sie hätten Formulare gar nicht in Arabisch ausfüllen können.
Am 13. März 2008 lehnte der Landrat des Kreises Wesel die Anträge aller Beschwerdeführer auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 104a AufenthG mit der Begründung ab, die ersten beiden Beschwerdeführer hätten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich hinausgezögert. Die Behörde wies darauf hin, dass die Beschwerdeführer nicht daran gehindert seien, Deutschland freiwillig zu verlassen. Die minderjährigen Kinder hätten denselben Status wie ihre Eltern und somit keinen eigenständigen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Am 15. April 2008 erhoben die Beschwerdeführer Klage beim Verwaltungsgericht Düsseldorf. Sie brachten vor, dass der Landrat des Kreises Wesel sehr wohl wisse, dass es schwierig, wenn nicht gar unmöglich sei, syrische Ausweispapiere zu beschaffen. Der Behörde sei sogar bekannt, dass die Syrer willkürlich vorgingen und auf einer persönlichen Vorsprache in Syrien bestehen könnten. Sie brachten weiter vor, die minderjährigen Beschwerdeführer könnten nicht für das angebliche Fehlverhalten ihrer Eltern, der ersten beiden Beschwerdeführer, verantwortlich gemacht werden.
Am 26. März 2009 wies das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, den Beschwerdeführern könne eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt werden, da sie das Verfahren zur Beendigung ihres Aufenthalts effektiv behindert hätten. Das Gericht war darüber hinaus der Auffassung, dass die minderjährigen Beschwerdeführer den Aufenthaltsstatus ihrer Eltern teilten. Die aus Eltern und minderjährigen Kindern bestehende Familie bilde eine aufenthaltsrechtliche Schicksalsgemeinschaft, die jedoch nicht die erwachsenen Söhne umfasse.
Am 8. Juni 2009 wies das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen den Antrag auf Zulassung der Berufung zurück.
Am 4. September 2009 lehnte es eine aus drei Richtern bestehende Kammer des Bundesverfassungsgerichts ab, die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen.
Am 15. Juni 2012 wurde die Rechtssache der Regierung zur Stellungnahme in Bezug auf den dritten, den vierten und den fünften Beschwerdeführer zugeleitet.
In ihrer Stellungnahme vom 3. September 2012 teilte die Regierung dem Gerichtshof mit, dass am 3. Dezember 2009 allen Beschwerdeführern Aufenthaltserlaubnisse für Deutschland erteilt worden seien. Die Regierung wies ferner darauf hin, dass der Beschwerdeführer den Gerichtshof von dieser Entwicklung nicht unterrichtet habe, und beantragte, die Individualbeschwerde nach Artikel 35 Abs. 3 Buchstabe a der Konvention für unzulässig zu erklären.
Mit Schreiben vom 18. September 2012 teilten die Beschwerdeführer daraufhin mit, die Beschwerde zurückziehen zu wollen.
RÜGEN
Die Beschwerdeführer rügten nach den Artikeln 8 und 14 der Konvention sowie nach Artikel 1 des Protokolls Nr. 7 und Artikel 4 des Protokolls Nr. 4 zur Konvention, dass die nationalen Gerichte unzutreffend festgestellt hätten, dass die Beschwerdeführer das Verfahren zur Beendigung ihres Aufenthalts vorsätzlich hinausgezögert hätten. Der dritte, der vierte und der fünfte Beschwerdeführer gaben an, kein anderes Land als Deutschland zu kennen und in der deutschen Gesellschaft voll integriert zu sein. Sie machten geltend, dass ihnen – den minderjährigen Beschwerdeführern – das Verhalten ihrer Eltern, auf das sie keinen Einfluss hätten, nicht zugerechnet werden könne.
RECHTLICHE WÜRDIGUNG
Der Gerichtshof stellt fest, dass den Beschwerdeführern am 3. Dezember 2009 Aufenthaltserlaubnisse erteilt wurden und dass sie nunmehr erklärt haben, die vorliegende Individualbeschwerde zurückziehen zu wollen.
Dementsprechend ist die Beschwerde nach Artikel 37 Abs. 1 Buchstabe a der Konvention, weil die Beschwerdeführer ihre Beschwerde nicht weiterzuverfolgen beabsichtigen, und nach Artikel 37 Abs. 1 Buchstabe b, weil die Streitigkeit einer Lösung zugeführt worden ist, im Register des Gerichtshofs zu streichen. Es liegen ferner hinsichtlich der Achtung der Menschenrechte, wie sie in der Konvention und ihren Protokollen anerkannt sind, keine besonderen Umstände vor, die gemäß Artikel 37 Abs. 1 in fine eine weitere Prüfung der Rechtssache erforderlich machen würden.
Aus diesen Gründen entscheidet der Gerichtshof einstimmig,
die Beschwerde in seinem Register zu streichen.
Stephen Phillips André Potocki
Stellvertretender Kanzler Präsident
Zuletzt aktualisiert am Juli 21, 2021 von eurogesetze
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