Eine Testung in der Schule auf das Corona-Virus ist geeignet, den gewünschten Zweck des Gesundheitsschutzes zu erreichen oder zu fördern

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 3. Senat
Entscheidungsdatum: 25.05.2021
Aktenzeichen: OVG 3 S 39/21
ECLI: ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0525.OVG3S39.21.00
Dokumenttyp: Beschluss

Testung in der Schule auf das Corona-Virus

Orientierungssatz

1. Eine Testung in der Schule auf das Corona-Virus ist geeignet, den gewünschten Zweck des Gesundheitsschutzes zu erreichen oder zu fördern.(Rn.4)

2. Die Testpflicht bedeutet keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Menschenwürde, die Privatsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Kinder.(Rn.6)

Verfahrensgang

vorgehend VG Berlin, 22. April 2021, 3 L 134/21

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. April 2021 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, das nach § 146 Abs. 4 VwGO den Umfang der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt keine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses.

2. Der Antragsteller besucht die erste Klasse einer Grundschule. Er begehrt in erster Linie eine Feststellung oder Regelung im Wege einstweiliger Anordnung, nach der er vorläufig berechtigt ist, die in § 5 Abs. 1 der Schul-Hygiene-Covid-19-Verordnung vom 24. November 2020 (GVBl. S. 894, zuletzt geändert durch die Zehnte Änderungsverordnung vom 5. Mai 2021, GVBl. S. 411 – SchulHygCoV-19-VO) als Voraussetzung für eine Teilnahme am Präsenzunterricht vorgesehenen Tests auf eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Coronavirus (vgl. dazu erstmals die Neunte Änderungsverordnung vom 17. April 2021, GVBl. S. 386) im häuslichen Umfeld im Beisein seiner Erziehungsberechtigten durchzuführen und das Testergebnis durch Eigenerklärung gegenüber der Schule nachzuweisen. Das Verwaltungsgericht hat den Rechtsschutzantrag abgelehnt.

3. Die pauschale Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag genügt nicht dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO.

4. Der Einwand der Beschwerde, es ergebe sich bereits aus dem gesunden Menschenverstand, dass das Mittel der Testung in der Schule nicht geeignet sei, den gewünschten Zweck des Gesundheitsschutzes zu erreichen oder zu fördern, bleibt ohne hinreichende Begründung. Die Beschwerde führt aus, eine Testung erst in der Schule bedeute, dass infizierte Schüler in die Schule kämen. Es komme zu einem vermehrten Ausstoß von Aerosolen, wenn bis zu 15 Erstklässler in einem Raum getestet würden. Für den Test müsse die medizinische Maske – für mehr als nur 15 Sekunden – abgenommen werden; dabei werde geniest und im Gesicht herumgerieben. Die Beschwerde legt jedoch nicht substantiiert dar und macht deshalb nicht glaubhaft, dass damit eine so erhebliche Infektionsgefahr verbunden wäre, dass eine Testung in der Schule auch bei Einhaltung der vorgesehenen Randbedingungen (u.a. Durchführung in Kleingruppen, gute Belüftung des Raumes, Einhaltung der Abstandsregelung; Vermeidung von Ansammlungen vor Gebäuden oder Räumen) kein geeignetes Mittel zur Eindämmung der Infektionsgefahr darstellt. Ebenso wenig macht sie glaubhaft, dass das angenommene Problem der Beaufsichtigung der Schüler, wenn ein Kind mit positivem Befund aus dem Raum gebracht werden müsse, nicht mit geeigneten organisatorischen Maßnahmen gelöst werden kann. Eine andere Beurteilung rechtfertigt schließlich nicht der Hinweis, aktuellen Erhebungen zufolge kämen 31% der Schnelltests zu falschen Ergebnissen, denn diese Aussage ist nicht durch Unterlagen belegt und ist hinsichtlich der Ursachen und möglichen Arten falscher Ergebnisse zu pauschal und undifferenziert, um die Eignung solcher Test als Beitrag zum Infektionsschutz schlüssig in Frage zu stellen.

5. Nicht durchzugreifen vermag weiter das Argument der Beschwerde, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Verordnung eine Selbsttestung im häuslichen Umfeld durch die Eltern nicht ausreichen lasse, die ein milderes und deshalb verhältnismäßigeres Mittel darstelle. Wie die Beschwerde selbst ausführt, ist der Verordnungsgeber davon ausgegangen, eine Testung in der Schule unter Beaufsichtigung sei erforderlich, um sicherzustellen, dass die Testungen mittels Selbsttests korrekt durchgeführt werden; eine Selbsttestung zuhause stelle die sachgerechte Handhabung nicht im selben Maße sicher. Diese Erwägung ist nicht zu beanstanden (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 4. Mai 2021 – 13 B 600/21.NE – juris Rn. 10). Dass der Verordnungsgeber damit den ihm zustehenden Einschätzungsspielraum überschreitet, legt die Beschwerde nicht erfolgreich dar. Sie beanstandet, dass die Entscheidung für eine Durchführung der Tests in der Schule weder wissenschaftlich noch tatsächlich – etwa durch eine gescheiterte Erprobungsphase häuslicher Tests – begründet sei, sondern von der Empfehlung der Charité abweiche, die Tests zuhause durchzuführen, damit erkrankte Kinder gar nicht erst in der Schule säßen oder sich auf dem Weg dahin, etwa im Bus, mit Freunden träfen. Es obliegt der Entscheidung des Verordnungsgebers, die Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen, die sich aus der Durchführung der Tests in der Schule oder zuhause ergeben. Einen gerichtlich zu beanstandenden Fehler zeigt die Beschwerde insoweit nicht auf.

6. Ohne Erfolg macht die Beschwerde schließlich geltend, die Testpflicht bedeute einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Menschenwürde, die Privatsphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Kinder, wobei sie u.a. darauf hinweist, es sei der Wille des siebenjährigen Antragstellers, sich nicht selbst in der Öffentlichkeit testen zu wollen. Diese Einwände gehen daran vorbei, dass der in § 5 Abs. 1 SchulHygCoV-19-VO vorgesehenen Testpflicht – rechtlich handelt es sich angesichts der Freiwilligkeit der Teilnahme am Präsenzunterricht (vgl. für die Primarstufe § 4 Abs. 2 Nr. 1 Satz 4 SchulHygCoV-19-VO) um eine Obliegenheit – auch durch Vorlage eines schriftlichen oder elektronischen negativen Ergebnisses eines PCR- oder Point-of-Care (PoC)-Antigen-Tests genügt werden kann (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SchulHygCoV-19-VO). Dass die damit eingeräumten alternativen Testmöglichkeiten dem Antragsteller nicht zumutbar oder die danach u.a. mögliche Teilnahme an einem außerschulischen Schnelltest den Antragsteller in gleicher Weise belasten würde, wie ein in der Schule im Beisein der Mitschüler durchgeführter Test, legt die Beschwerde nicht dar (zu damit ausgeräumten Vorbehalten gegenüber einer „Stigmatisierung“ s.a. BayVGH, Beschluss vom 12. April 2021 – 20 NE 21.2021 – juris Rn. 22). Die Beschwerde führt zu den Testalternativen lediglich aus, ein PCR-Test gehe viel weiter in die Nasenhöhle als ein Schnelltest und sei für Kinder oftmals schmerzhaft. Sie verhält sich jedoch nicht zu den daneben möglichen PoC-Tests. Nicht nachvollziehbar ist angesichts der durch die Verordnung eingeräumten alternativen Testmöglichkeiten auch der Vorwurf, der Gleichbehandlungsgrundsatz werde verletzt, da Erwachsene bei erforderlichen Testungen – etwa im Betrieb, vor einem Einkauf oder dem Besuch eines Museums – einen Schnelltest unter sicheren hygienischen Bedingungen machen könnten, bei dem das Ergebnis vertraulich mitgeteilt werde.

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.

8. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Zuletzt aktualisiert am Juli 21, 2021 von eurogesetze

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