VG Berlin 4. Kammer. Aktenzeichen: 4 K 428.19

Gericht: VG Berlin 4. Kammer
Entscheidungsdatum: 31.05.2021
Aktenzeichen: 4 K 428.19
ECLI: ECLI:DE:VGBE:2021:0531.4K428.19.00
Dokumenttyp: Urteil

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweiligen Vollstreckungsbetrages leistet.

Tatbestand

1. Der im Jahre 1955 geborene Kläger wendet sich gegen die Aufhebung seiner Ermächtigung zum Zugang zu Verschlusssachen (im Folgenden: VS-Ermächtigung).

2. Er ist Ingenieur und war in der Vergangenheit für unterschiedliche Rüstungsunternehmen tätig. Für diese Tätigkeiten war ihm eine Ermächtigung zum Zugang zu Verschlusssachen erteilt worden. Im November 2018 teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz (im Folgenden: Bundesamt) dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (im Folgenden: Bundesministerium) mit, es seien Informationen über den Kläger bekannt geworden, die im Hinblick auf den Fortbestand der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nach dortiger Beurteilung ein Sicherheitsrisiko darstellten. Es sei bekannt geworden, dass der Kläger im Internet auf eigenen Internetseiten Stellungnahmen zu zeitpolitischen Themen abgebe unter Verwendung einer unangemessenen, diskriminierenden, beleidigenden und hetzerischen Wortwahl. So werde der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments und ehemaliger SPD-Vorsitzende Martin Schulz als Verräter bezeichnet, welchen man „in früheren Zeiten mittels Guillotine für seinen Verrat hingerichtet“ hätte. Polen nenne er einen Staat, welcher „Deutschland Land gestohlen“ habe. Über Bundeskanzlerin Merkel heiße es dort, sie wolle „das Volk ausrotten“. Im Rahmen der Eigenbefragung habe der Kläger erklärt, Mitglied der AfD und deren Wahlkreiskandidat für die Bundestagswahl 2017 gewesen zu sein. Nach der Gesprächsterminierung mit dem Bundesamt sei er vorsorglich aus der AfD ausgetreten. Nachdem ihm erläutert worden sei, dass die AfD derzeit kein Beobachtungsobjekt für das Bundesamt sei, habe er sich sichtlich erleichtert gezeigt, dass er seine Austrittserklärung zurückziehen könne. Er habe sich bereit erklärt, sämtliche Inhalte seiner Homepages zu entfernen, um hinsichtlich der Sicherheitserklärung keine Probleme zu bekommen. Das Meinungsbild, das der Kläger im Internet publiziere, insbesondere zu Fragen der Genetik und zur deutschen Geschichte, begründe Zweifel am Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bzw. am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung. Mit seinen Äußerungen werde rechtsextremistisches Gedankengut (weiter-)verbreitet. Unter anderem wirke es hetzerisch, wenn er im Rahmen von Gedanken zur Leitkultur den „Ariernachweis“ anführe, der „wenigstens funktioniert“ habe im Hinblick auf die Unterscheidung von „Hiesigen und Zugereisten, und diese Unterscheidung braucht es, sonst könnte ja jeder kommen“. Des Weiteren greife er den Begriff „Nichtarier“ auf, die „mangels ausreichender Gehirnzellen die Evolutionstheorie nicht verstanden“ hätten. Zudem spreche er die Reinheit des Blutes an und erkläre, „das Jüdische wird von der bayerischen Identität durchaus nicht vereinnahmt …“. Die von ihm bekundete Bereitschaft, Inhalte auf seinen Internetseiten zu löschen, werde nicht als Distanzierung von seinem bisherigen Meinungsbild gewertet.

3. Das Bundesministerium hörte den Kläger im Januar 2019 schriftlich unter Bezugnahme auf die Mitteilung des Bundesamtes zur möglichen Aufhebung seiner VS-Ermächtigung an und gab Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch. Der Kläger erklärte im Wesentlichen, man könne ihm gerne seine VS-Ermächtigung entziehen, auf die er nie Wert gelegt habe. Zudem arbeite er schon lange nicht mehr an geheimhaltungswürdigen Projekten, weil es diese in Deutschland auch kaum mehr gebe. Er sei 64 Jahre alt und könne von heute auf morgen in Rente gehen. Vorliegend handele es sich um eine „Hatz auf politisch missliebige Gegner“. Er berufe sich auf die Freiheit des Glaubens, Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, die nach dem Grundgesetz unverletzlich seien. Er habe sich nicht bereit erklärt, sämtliche Inhalte seiner Homepages zu löschen. Dafür gelte das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Er habe keine volksverhetzenden Schriften der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ehrverletzende Tatsachenbehauptungen seien nach dem Strafgesetzbuch zudem nur strafbar, wenn sie unwahr seien. Martin Schulz habe die Einführung von EU-Anleihen vorgeschlagen. Dies verdiene in seinen Augen nur die Bezeichnung „Verräter“. Der Hinweis auf die Guillotine sei überspitzt formuliert, aber als rhetorisches Stilmittel gerade noch zulässig. Jeder wisse doch, dass die Todesstrafe nach dem Grundgesetz abgeschafft sei. Frau Merkel rotte die Menschheit aus, indem sie die Autoindustrie unterstütze und damit zum Klimawandel beitrage. Die Frage der deutschen Ostgrenzen sei abschließend geklärt. Trotzdem könne man im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung darüber spekulieren, wo der historische Siedlungsraum der Germanen einst gelegen und was den Deutschen früher gehört habe und nun nicht mehr gehöre, wer wem den Krieg erklärt habe und ob der Staat Israel rechtmäßig sei. Die Gedanken seien frei und stellten auch kein Sicherheitsrisiko dar. An einem persönlichen Gespräch habe er kein Interesse.

4. Das Bundesamt nahm ergänzend im April 2019 Stellung und führte u.a. aus, dass die Aussage des Klägers zum Löschen der Inhalte auf seinen Internetseiten im Rahmen der Eigenbefragung am 4. Juli 2018 vermerkt sei. Es lägen auch in Ansehung der Stellungnahme des Klägers, der seine Ansichten verteidige, weiterhin Zweifel am aktiven Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung vor. Dazu gehörten die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, mithin auch die Unterlassung von fremdenfeindlicher Hetze und die Anerkennung der grundsätzlichen Gleichheit von Menschen.

5. Mit Schreiben vom 26. Juli 2019 teilte das Bundesministerium dem Kläger mit, dass es seine Ermächtigung zum Zugang zu Verschlusssachen aufhebe, da ein Sicherheitsrisiko im Sinne des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes vorliege. Zur Begründung bezog sich die Behörde auf das Anhörungsschreiben und die Stellungnahme des Klägers. Es sei zweifelhaft, dass sich seine Aussage, wonach Frau Merkel die Menschheit ausrotte, auf den anthropogenen Klimawandel bezogen habe. Der zugrunde liegende Artikel des Klägers beziehe sich neben klimapolitischen Überlegungen vor allem auf vermeintliche Defizite der Bundesregierung u.a. in der Bildungs- und Integrationspolitik sowie der inneren Sicherheit. Mit seinem im Internet publizierten Meinungsbild verbreite er rechtsextremistisches Gedankengut und zeige damit eine besondere ideologische Nähe zur rechtsextremistischen Szene. Diese Erkenntnisse begründeten Zweifel an seinem Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und ließen kein aktives Eintreten hierfür erwarten. Zudem seien die Angaben zur Bereitschaft, Inhalte seiner Internetseiten zu löschen, widersprüchlich. Bewusst unzutreffende Angaben gegenüber den Sicherheitsbehörden begründeten Anhaltspunkte für Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit. Verstößen gegen die Wahrheitspflicht komme eine besondere sicherheitsmäßige Bedeutung zu, weil gewährleistet sein müsse, dass eine zum Zugang zu Verschlusssachen ermächtigte Person in ganz erheblicher Weise korrekt Rechtsvorschriften, Weisungen und Verfügungen nachkomme und man sich auf die von ihr gemachten Angaben ohne weitere Nachprüfung verlassen können müsse. Falschangaben rechtfertigten Zweifel, dass er, der Kläger, auch dann jederzeit wahrheitsgemäße Angaben machen werde, wenn es zur Aufklärung des Verbleibs von Verschlusssachen oder sicherheitsrelevanten Vorfällen darauf ankomme, dass er gegebenenfalls auch für sich nicht vorteilhafte Angaben machen müsse. Eine günstige Zukunftsprognose könne aufgrund der genannten Erkenntnisse nicht gestellt werden. Bei der Entscheidung habe die Behörde berücksichtigt, dass ihm, dem Kläger, dadurch möglicherweise berufliche Nachteile entstünden. Im Vergleich zu dem Schaden, der der Bundesrepublik Deutschland anderenfalls entstehen könne, müssten solche Nachteile jedoch in Kauf genommen werden. Im Zweifel habe das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen.

6. Mit seiner am 20. September 2019 beim Verwaltungsgericht München erhobenen Klage, das die Sache mit Beschluss vom 7. November 2019 an das erkennende Gericht verwiesen hat, verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt im Wesentlichen vor, die Voraussetzungen eines Sicherheitsrisikos lägen nicht vor, da es an tatsächlichen Anhaltpunkten für Zweifel an seiner Verfassungstreue fehle. Seine gesellschaftskritischen Webinhalte berührten keine Kernbelange der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Sie richteten sich unterschiedslos gegen alle Parteien, Konfessionen und hochgestellte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, nicht gezielt gegen einzelne Gruppen, Ethnien oder Minderheiten. Es dürften nicht einzelne Passagen aus den umfangreichen Abhandlungen selektiv ausgewählt werden. Bei dem Vorwurf der Beleidigung handele es sich um unerlaubte Zensur. Das Ansinnen, ganze Dokumente aus dem Verkehr zu ziehen, gleiche dem Akt einer „Bücherverbrennung“. Es gebe nicht die geringsten Hinweise, dass er jemals für fremde Nachrichtendienste gearbeitet habe; er sei weder vorbestraft noch wegen Beleidigung oder Volksverhetzung verurteilt. Die Eigenbefragung beim Bundesamt stelle eine Art „Femegerichtssitzung“ dar. Er habe als einzelner gar nicht die Möglichkeit, die in der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zusammengefassten Werte zu beseitigen. Maßstab für relevante Aktivitäten von einzelnen sei daher die strafrechtlich sanktionierte Volksverhetzung. Auch habe er seine Grundrechte nicht verwirkt. Ihm werde trotz des Zensurverbots vorgeworfen, seine Meinung schriftlich zu äußern und zu verbreiten sowie die persönliche Ehre der Kanzlerin und von Martin Schulz verletzt zu haben. Er bestreite jedoch eine Beleidigung, weil diese von Ironie, Sarkasmus und Zynismus zu unterscheiden sei. Es sei nicht Sache des Verfassungsschutzes, Beleidigungen der Bundeskanzlerin zu ahnden. Er sei auch nicht in einer Position, wo er für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eintreten müsse. Solche Annahmen dienten nur zur politischen Verfolgung. Dem Verfassungsschutz fehle überdies die fachliche Kompetenz, seine wissenschaftlichen Ausführungen zur Genetik zu beurteilen. Mit der Geschichte allgemein und speziell des 20. Jahrhunderts verhalte es sich ähnlich. Was die Wortwahl angehe, so sei es ausschließlich Sache des Rhetorikers selbst, zu entscheiden, was angemessen sei, zumal Vieles der künstlerischen Freiheit unterliege. Rechtsextremismus sei in der Bundesrepublik Deutschland auch nicht strafbar. Er habe den Begriff „Arier“ als Anachronismus verwendet, er habe mit der Bedeutung, wie ihn die Nationalsozialisten verwendet hätten, nur wenig zu tun. Hierzu bedürfe es des Verständnisses des Süffisanten, Satirischen, Zynischen oder Sarkastischen. Aus einem Mosaik aus Einzelbausteinen, die einem mehrere tausend Seiten umfassenden Gesamtwerk entnommen seien, lasse sich keine Schlussfolgerung auf eine verfassungsfeindliche Tätigkeit ableiten. Man könne die Reinheit des Denkens neben die Reinheit des Blutes setzen, eine anachronistische Auffassung, an die heute im Zeitalter der modernen Genetik kein Mensch mehr glaube. Der Satz „Das Jüdische wird von der bayerischen Identität durchaus nicht vereinnahmt“ bedeute nichts anderes als „vor hundert Jahren war sie rein katholisch“. Er frage sich, seit wann solche historischen Tatsachen nicht mehr in eine Abhandlung einfließen dürften. Er habe auch an keiner Stelle geschrieben, dass „Nichtarier“ aufgrund ihrer Abstammung minderwertiger seien. Derartige Aussagen seien vielmehr das von Chamberlain formulierte Ergebnis einer historisch über Jahrhunderte zurückreichenden Debatte. Verweise auf den Gleichheitsgrundsatz hätten zudem keinen Bezug zur natürlichen Ungleichheit der Menschen. Die Gleichheit im Grundgesetz gelte nur vor dem Gesetz. Das Grundgesetz werde allerdings von linksextremen Weltanschauungen umgedeutet. Das gleiche gelte für die Menschenwürde. Solange unter Juristen Uneinigkeit bestehe, was darunter zu fallen habe, man sich aber fast einig sei, dass sie nichts mit der persönlichen Würde zu tun habe, laufe dieser Hinweis ins Leere. Soweit ihm die Angabe vorgeworfen werde, Frau Merkel maße sich an, ein ganzes Volk auszurotten, handele es sich tatsächlich um eine Parodie. Die „Neuauflage des Ariernachweises“ sei lediglich die Reaktion auf einen Pressartikel. Er habe, um sich abzugrenzen, sogar den Begriff „Nichtarier“ in Anführungszeichen gesetzt. Es sei ihm nicht bekannt, dass Ingenieure den Grundsätzen des Berufsbeamtentums unterlägen, so dass ihnen eine besondere Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung geboten sei.

7. Zweifel an seiner, des Klägers, Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit habe es nicht gegeben, da er einen einwandfreien Leumund habe. Die Mitarbeiter des Bundesamtes hätten etwas anderes zu Protokoll gegeben als sich dann später herausgestellt habe. Er habe auf eine Einsichtnahme in das Protokoll verzichtet, weil ihm klar gewesen sei, dass es sich ohnehin nur um politische Verfolgung gehandelt habe. 90% seiner Webinhalte seien wissenschaftliche Inhalte oder Reiseberichte. Jedermann müsse klar sein, dass er die Vernichtung seines Lebenswerks nicht zugesagt haben könne. Als er bei der Sicherheitsbefragung habe wissen wollen, ob von ihm erwartet werde, dass er die umstrittenen Webinhalte lösche, habe er zur Antwort ein betretenes Schweigen erhalten und habe daraufhin mit einem schlichten Raunen „Hm“ geantwortet. Raunen könne man aber nicht als eindeutiges Ja interpretieren. Zweifel müssten der Beklagten gegenüber auch nicht ausgeräumt werden, denn es sei bekanntlich so, dass die Beklagte ihm eine Schuld nachweisen müsse.

8. Der Kläger hatte seine Klage zunächst darauf gerichtet, die Nichtigkeit der an ihn gerichteten Mitteilung vom 26. Juli 2019 festzustellen. Nachdem er mit Ablauf des Jahres 2020 altersbedingt aus seinem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden ist, verweist er darauf, dass die Aufhebung seiner VS-Ermächtigung einen nahtlosen Übergang zu einer Beratertätigkeit bei der NATO verhindert habe. Er habe während seiner aktiven Zeit zwei Angebote, an weiteren NIAG-Studien (NATO Industrial Advisory Group) teilzunehmen, mit Verweis auf seine fehlende VS-Ermächtigung ablehnen müssen. Aus demselben Grunde habe er sein Beschäftigungsverhältnis bei seiner letzten Arbeitgeberin nicht in Form eines Beratervertrages verlängern können. Entsprechende Unterlagen seien nur auf seinem Firmenrechner gespeichert gewesen und seien mittlerweile gelöscht, aber habe nichts mitnehmen dürfen. Zudem beabsichtige er für jedes ihm aufgrund des Entzuges der VS-Ermächtigung entgangenes Verdienstjahr eine Schadenersatzforderung in Höhe seines Endgrundgehalts zu stellen.

9. Der Kläger beantragt sinngemäß,

10. festzustellen, dass die Feststellung im Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 26. Juli 2019, wonach in seiner Person ein Sicherheitsrisiko vorliege, rechtswidrig war.

11. Die Beklagte beantragt,

12. die Klage abzuweisen.

13. Sie verteidigt die Aufhebung der VS-Ermächtigung des Klägers. Personen, die eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausübten, werde eine besondere Verfassungs- und Rechtstreue abverlangt. Das bedeute, dass sich eine solche Person eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanzieren müsse, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren. Seine Äußerungen lieferten jedoch jedenfalls Zweifel am jederzeitigen Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung. Sein widersprüchlicher Vortrag zu seiner Bereitschaft, die umstrittenen Webinhalte zu löschen, ergebe Anhaltspunkte für Zweifel an seiner Zuverlässigkeit. Dem Kläger sei nicht gelungen, diese Zweifel auszuräumen. Seine Äußerungen überstiegen einen allgemeinen gesellschaftskritischen Duktus. Mit seinem Verweis auf den „Ariernachweis“ stufe er „Nichtarier“ aufgrund ihrer Abstammung als minderwertiger ein. Dies sei mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar. Die pauschale Einordnung von Muslimen und Arabern, die nach Aussagen des Klägers immer wieder für terroristische Aktivitäten verantwortlich seien, stelle eine nicht hinnehmbare und beleidigende Gleichsetzung von Menschen dar, welche dem Menschenbild des Grundgesetzes widerspreche. Derartige Aussagen seien auch nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Der Vorwurf, es seien einzelne Passagen seiner Ausführungen selektiv herausgegriffen, gehe fehl, da es sich um Kernthesen handele. Ob er als einzelner die Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gar nicht aberkennen könne, sei angesichts des Maßstabes für ein Sicherheitsrisiko unbeachtlich. Ebenso wenig komme es auf Verurteilungen des Klägers oder die Frage strafrechtlich relevanter Beleidigungen an. Soweit der Kläger mutmaße, er werde seit Jahren vom Verfassungsschutz „eifrig gelesen und zensiert“, treffe dies nicht zu. Die Eigenbefragung durch das Bundesamt sei verfahrensfehlerfrei erfolgt. Hinsichtlich der Bereitschaft des Klägers, sämtliche Inhalte von seiner Homepage zu entfernen, sei aufgrund des durch die beiden Ermittler des Bundesamtes protokollierten Gesprächsinhaltes der Eigenbefragung nicht von einer Weisung auszugehen. Eine günstige Zukunftsprognose sei nicht möglich, da der Kläger an seinen Äußerungen festhalte.

14. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten – insbesondere wegen der Kopien aus den Webseiten des Klägers –, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15. 1. Die Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist als Feststellungsklage gemäß 43 Abs. 1 VwGO zulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. März 2011 – BVerwG 2 A 3.09 –, juris Rn. 15). Sie betrifft, wie von § 43 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VwGO vorausgesetzt, die Feststellung eines Rechtsverhältnisses. Darunter sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis zwischen Adressaten von Rechtsnormen, also zwischen Rechtssubjekten, ergeben (vgl. Pietzcker, in: Schoch/Schneider, VwGO, Loseblattkommentar, Stand Juli 2020, § 43 Rn. 5; BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1996 – BVerwG 8 C 19.94 –, juris Rn. 10). Rechtliche Beziehungen haben sich dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (BVerwG, a.a.O.). So liegt es hier. Für seine Tätigkeit bei einem Rüstungsunternehmen bedurfte der Kläger des Zugangs zu Verschlusssachen, so dass er eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes (vom 20. April 1994, BGBl. I S. 867, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. April 2021, BGBl. I S. 771 – Sicherheitsüberprüfungsgesetz – SÜG) ausübte, derentwegen er gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SÜG einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen war. Das Rechtsverhältnis ist auch hinreichend konkret (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1985 – BVerwG 3 C 53.84 –, juris Rn. 15), zumal diese Voraussetzung bei vergangenen Rechtsverhältnissen – wie hier – naturgemäß erfüllt ist (Pietzcker, in: Schoch/Schneider, VwGO, Loseblattkommentar, Stand Juli 2020, § 43 Rn. 21).

16. a. Insbesondere ist die Klage nicht wegen Subsidiarität gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegenüber einer Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO unzulässig. Eine Anfechtungsklage gegen die Mitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie – vom 26. Juli 2019 an den Kläger, dass seine VS-Ermächtigung aufgehoben werde, da ein Sicherheitsrisiko im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 SÜG vorliege, wäre nicht statthaft. Denn die streitige Mitteilung ist kein Verwaltungsakt.

17. Ein solcher setzt nach § 35 Satz 1 VwVfG voraus, dass es sich um eine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme handelt, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die getroffene Maßnahme muss Rechte des Betroffenen unmittelbar begründen, verbindlich feststellen, beeinträchtigen, aufheben oder mit bindender Wirkung verneinen. Eine derartige Regelung eines Einzelfalles setzt eine unmittelbare rechtliche Außenwirkung voraus. Ob ihr diese Wirkung zukommt, hängt davon ab, ob sie ihrem objektiven Sinngehalt nach dazu bestimmt ist, Außenwirkung zu entfalten, nicht aber davon, wie sie sich im Einzelfall auswirkt (BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1989 – BVerwG 6 A 2.87 –, juris Rn. 21, in diesem Sinne zur Entziehung des Zugangs zu Verschlusssachen vor Erlass des SÜG). So liegt es hier nicht. Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 SÜG entscheidet die zuständige Stelle, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt, das der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit des Betroffenen entgegensteht. Lehnt die zuständige Stelle die Betrauung mit der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit ab, so teilt sie dies gemäß § 14 Abs. 4 SÜG dem Betroffenen mit. Die derart gesetzlich ausgestaltete Feststellung eines Sicherheitsrisikos im Sinne von § 5 SÜG ist nach ihrem objektiven Sinngehalt nicht auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet. Die Sicherheitsüberprüfung dient ausschließlich dem Zweck, den Schutz geheimhaltungsbedürftiger Umstände zu gewährleisten. Die Auswirkungen einer negativen Entscheidung für den Betroffenen sind nicht Gegenstand der Prüfung und demzufolge nicht Regelungsinhalt der abschließenden Entscheidung (BVerwG, Urteil vom 31. März 2011 – BVerwG 2 A 3.09 –, juris Rn. 14; Denneborg, Sicherheitsüberprüfungsrecht, Loseblattkommentar, Stand August 2020, § 14 Rn. 12; Einordnung als Verwaltungsakt offengelassen noch in BVerwG, Urteil vom 22. Dezember 1987 – BVerwG 1 C 34.84 –, juris Rn. 23). Handelt es sich – wie hier – um die Sicherheitsüberprüfung eines Betroffenen, der bei einem Privatunternehmen, einer nicht-öffentlichen Stelle im Sinne der §§ 24 ff. SÜG, beschäftigt ist, so stellt sich die – positive – Sicherheitsüberprüfung des Beschäftigten als eine von der Beklagten geforderte allgemeine Voraussetzung dafür dar, dass dem Unternehmen überhaupt staatliche geheimschutzbedürftige Aufträge erteilt werden. Regelungsgegenstand ist damit die Wahrnehmung staatlicher Sicherheitserfordernisse durch die Beklagte gegenüber dem Unternehmen und der Schutz der staatlichen Sicherheitsbelange durch das Unternehmen bei der Erfüllung von Staatsaufträgen. Rechte des Betriebsangehörigen werden dadurch nicht berührt (BVerwG, Urteil vom 22. Dezember 1987, a.a.O. Rn. 21 f.). Diese rechtliche Vorstellung liegt auch dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz zugrunde (vgl. Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/4891, S. 25, Erläuterung zu § 14 Abs. 4 SÜG; a.A.: Warg, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019 Vorb. SÜG Rn. 21; VG Berlin, Urteil vom 7. Dezember 2010 – VG 36 A 146.08 –, S. 7 f. des amtlichen Entscheidungsabdrucks).

18. b. Dem Kläger fehlt es auch nicht an dem erforderlichen Feststellungsinteresse, § 43 Abs. 1 VwGO, das angesichts des in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnisses qualifiziert sein muss (vgl. Pietzker, in: Schoch/Schneider, a.a.O. Rn. 34 m.w.N.). Ob sich ein solches Feststellungsinteresse für den Kläger nach seinem Renteneintritt zum 1. Januar 2021 aus einer von ihm vorgetragenen Beeinträchtigung im beruflichen Fortkommen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 31. März 2011, a.a.O.; Denneborg, a.a.O., § 14 Rn. 16c) ergibt, ist zweifelhaft, weil er ein hierfür erforderliches konkret in Aussicht stehendes Beschäftigungsverhältnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1994 – BVerwG 2 A 5.93 -, juris Rn. 9) nicht mit dem Verweis auf die Teilnahme an zwei NATO-Studien bzw. einen Beratervertrag bei seiner bisherigen Arbeitgeberin bezeichnet hat. Soweit er sich darauf bezieht, er habe entsprechende Unterlagen beim Eintritt in den Ruhestand auf seinem Rechner am Arbeitsplatz belassen müssen, überzeugt das nicht. Denn es ist nicht plausibel, dass Angebote für eine Tätigkeit nach dem Ausscheiden aus dem abhängigen Beschäftigungsverhältnis dem Verbot der Mitnahme von Arbeitsunterlagen unterlegen haben sollten und überdies keine anderen Bestätigungen zu erlangen gewesen sein sollen. Allerdings genügt für ein qualifiziertes Feststellungsinteresse die Absicht, Amtshaftungsansprüche geltend machen zu wollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1998 – BVerwG 2 C 4.97 – juris Rn. 21). Dies hat der Kläger bekundet. Damit ist er auch nicht ausgeschlossen, denn die Erledigungssituation in Gestalt der Beendigung der sicherheitsrelevanten Beschäftigung ist nicht nach Klageerhebung eingetreten (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1989 – BVerwG 8 C 30.87 –, juris Rn. 9).

19. 2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da die vom Kläger zu beantragende Feststellung nicht zu treffen ist. Die Feststellung des Bundesministeriums, dass beim Kläger ein Sicherheitsrisiko vorliegt, war rechtsmäßig.

20. a. Ein Sicherheitsrisiko liegt gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 SÜG u.a. vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen (Nr. 1) oder Zweifel am Bekenntnis des Betroffenen zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes oder am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung begründen (Nr. 3). Gemäß § 14 Abs. 3 SÜG entscheidet die zuständige Stelle, ob ein Sicherheitsrisiko vorliegt, das der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit des Betroffenen entgegensteht. Die Bewertung der übermittelten Erkenntnisse erfolgt aufgrund einer am Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalles, insbesondere im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit. Im Zweifel hat das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen.

21. Zum gerichtlichen Überprüfungsmaßstab der Feststellung eines Sicherheitsrisikos im Sinne von § 5 SÜG durch die zuständige Behörde im Sinne von § 14 SÜG hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 17. September 2015 ausgeführt (BVerwG 2 A 9.14 – Rn. 21 ff.):

22. „Allerdings ist der Umfang dieser gerichtlichen Kontrolle wegen des der Beklagten insoweit eingeräumten Beurteilungsspielraums eingeschränkt.

23. a) Die Garantie effektiven Rechtsschutzes schließt – wie dargestellt – eine Bindung der rechtsprechenden Gewalt an tatsächliche oder rechtliche Feststellungen und Wertungen seitens anderer Gewalten nicht aus, wenn dem materiellen Recht ausdrücklich oder im Wege der Auslegung mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden kann, dass es der Verwaltung einen Einschätzungs- oder Beurteilungsspielraum belässt (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 – 1 BvR 857/07 – BVerfGE 129, 1 <22> m.w.N.). Solche Einschätzungs- und Beurteilungsspielräume der Verwaltung sind von den Gerichten vielfach und in verschiedenen Rechtsgebieten anerkannt worden. Maßgeblich dafür waren wiederum unterschiedliche – teils miteinander kombinierte – Gründe und Kriterien (vgl. etwa die Zusammenstellung bei Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 114 Rn. 59 ff.). So ist ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum der Verwaltung angenommen worden bei Verwaltungsentscheidungen, bei denen auch politische Vorgaben und Bewertungen von Bedeutung sind, etwa im Bereich der Außenpolitik (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1981 – 7 C 60.79 – BVerwGE 62, 11 <15 f.> und Beschluss vom 6. März 1997 – 3 B 178.96 – Buchholz 11 Art. 32 GG Nr. 2 S. 1 ), oder wenn die Entscheidung Ausdruck und Ergebnis einer komplexen Abwägung verschiedener Belange ist (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 28. November 2007 – 6 C 42.06 – BVerwGE 130, 39 Rn. 28 ff. ), wenn die Entscheidung eine prognostische Risikobewertung erfordert (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 1985 – 7 C 65.82 – BVerwGE 72, 300 <316> ) oder wenn die Entscheidung maßgeblich von fachspezifischen, besondere Sachkunde oder Erfahrungen voraussetzenden Wertungen bestimmt wird (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 – 9 A 14.07 – BVerwGE 131, 274 Rn. 64 ff. ).

24. b) Ein derartiger Beurteilungsspielraum ist auch bei der Entscheidung über das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos i.S.v. §§ 5 und 14 Abs. 3 SÜG anzuerkennen.

25. Hierfür spricht zunächst schon im Ausgangspunkt, dass die sicherheitsrechtliche Eignung für die hier streitige Einstellung beim BND ein Teilaspekt der (umfassend verstandenen) dienstrechtlichen Eignung i.S.v. Art. 33 Abs. 2 GG ist. Mit den dort genannten Kriterien der „Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung“ wird dem Dienstherrn ein prognostisches Urteil über einen allein nach diesen Kriterien zu bewertenden Bewerber um ein öffentliches Amt zugewiesen, das einer gerichtlichen Kontrolle nur in eingeschränktem Umfang zugänglich ist (stRspr; vgl. nur BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 – 2 BvR 1436/02 – BVerfGE 108, 282 <296>; Kammerbeschlüsse vom 29. Mai 2002 – 2 BvR 732/99 – NVwZ 2002, 1368 und vom 11. Mai 2011 – 2 BvR 764/11 – BVerfGK 18, 423 <427>; vgl. zur abweichenden Lage bei der einer Sachverständigenbeurteilung zugänglichen gesundheitlichen Eignung BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 – 2 C 12.11 – BVerwGE 147, 244 Rn. 24 ff.).

26. Für die Annahme eines derartigen Beurteilungsspielraums auch bei der Sicherheitsüberprüfung nach §§ 5 und 14 Abs. 3 SÜG sprechen zudem sowohl der Wortlaut des Gesetzes als auch Inhalt und Charakter der Entscheidung.

27. Das Gesetz weist der zuständigen Stelle die Bewertung der über die zu überprüfende Person gewonnenen Erkenntnisse auf Grund einer am Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalles zu (§ 14 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SÜG). Für die hiernach zu treffende umfassende Würdigung aller Belange enthält das Gesetz eine Vorrangklausel, derzufolge im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen hat (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG). Damit räumt das Gesetz der zuständigen Stelle bei der Prüfung und Abwägung der Zweifel eine fachliche Einschätzungsprärogative ein, welches Gewicht den staatlichen Sicherheitsinteressen – bezogen auf die jeweils in Rede stehende sicherheitsempfindliche Tätigkeit – im Verhältnis zu anderen Belangen beizumessen ist. Diese fachliche Einschätzungsprärogative ist vornehmlich geprägt durch Aspekte der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 4 Abs. 2 SÜG), der Herstellung und Erhaltung ihrer Verteidigungsbereitschaft (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 2 SÜG) und ihrer Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 14 SÜG). Diese Aspekte betreffen angesichts ihrer ständigen Wandelbarkeit und Abhängigkeit von (sicherheits- und verteidigungs-)politischen Rahmenbedingungen Sachbereiche von hoher Komplexität und besonderer Dynamik, bei deren Überprüfung die Gerichte an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stoßen. Das rechtfertigt es, dem zuständigen und mit einer speziellen fachlichen Expertise ausgestatteten Teil der Exekutive einen Beurteilungsspielraum einzuräumen (Beschluss vom 21. Juli 2011 – 1 WB 12.11 – BVerwGE 140, 384 Rn. 32 m.w.N.). Die staatlichen Gerichte verfügen nicht über die Sachkompetenz, diese Frage anders oder besser als die Exekutive zu beurteilen. Deren Einschätzungen werden vielfach einer Beweiserhebung, etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, nicht zugänglich sein.

28. Dies wird besonders augenfällig, je mehr in die Sicherheitsüberprüfung auch politische Einschätzungen einfließen, etwa wenn die ablehnende Entscheidung darauf beruht, dass der zu Überprüfende, sein Ehegatte oder Lebenspartner aus einem Staat stammen oder dorthin Beziehungen haben, bei denen nach Feststellung des Bundesministeriums des Innern als Nationale Sicherheitsbehörde besondere Sicherheitsrisiken zu besorgen sind (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 17 SÜG). Welche Staaten dies jeweils aktuell sind, unterliegt ständiger Änderung und wechselnder (sicherheits-)politischer Einschätzung.

29. Auch die in § 5 Abs. 1 SÜG genannten materiellen Kriterien enthalten mit den Tatbestandsmerkmalen der tatsächlichen „Anhaltspunkte“ und „Zweifel“ Parameter, die nicht auf objektiv feststehende Tatsachen abstellen, sondern – dahinter zurückbleibend – Bewertungen ausreichen lassen, die von subjektiven Einschätzungen abhängen.

30. Die Annahme eines dergestalt begründeten Beurteilungsspielraums bedeutet nicht, dass der Verwaltung insoweit Freiräume ohne gerichtliche Kontrolle zugebilligt würden. Auch die Überprüfung behördlicher Einschätzungsprärogativen ist wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz, nämlich bezogen auf die Einhaltung der (oben dargestellten) rechtlichen Grenzen des behördlichen Einschätzungsspielraums, und genügt damit den verfassungsrechtlichen Erfordernissen (vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2005 – 2 BvR 2236/04 – BVerfGE 113, 273 <310>; BVerwG, Urteile vom 19. März 1998 – 2 C 5.97 – BVerwGE 106, 263 <266 f.> und vom 9. Juli 2008 – 9 A 14.07 – BVerwGE 131, 274 Rn. 67, jeweils m.w.N.). Das dokumentiert nicht zuletzt die Rechtsprechung des 1. Wehrdienstsenats des Bundesverwaltungsgerichts, die trotz des eingeschränkten Kontrollmaßstabs Sicherheitsüberprüfungsentscheidungen bei Soldaten vielfach beanstandet hat (vgl. etwa Beschluss vom 21. Juli 2011 – 1 WB 12.11 – BVerwGE 140, 384 Rn. 34, vgl. ferner die Darstellung der umfangreichen Kasuistik bei Deiseroth, juris-Praxis-Report BVerwG 9/2008 zu BVerwG 1 WB 59.06, sub C.). Der Prüfungsmaßstab bei der gerichtlichen Kontrolle behördlicher Einschätzungsprärogativen trägt lediglich in Ansatz und Umfang den Sachgegebenheiten Rechnung, die sich aus der jeweiligen materiellen Rechtslage ergeben.

31. Soweit der Senat zuletzt angenommen hat, die Entscheidung gemäß §§ 5 und 14 Abs. 3 SÜG unterliege voller gerichtlicher Nachprüfung (BVerwG, Urteil vom 31. März 2011 – 2 A 3.09 – Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 24 Rn. 36 ff.), hält er daran nicht mehr fest. Die dort gegebene Begründung, es handele sich um eine – wie auch sonst gerichtlich überprüfbare – Prognose im Bereich der Gefahrenabwehr, reicht für sich nicht aus und wird – wie dargestellt – dem wertenden, auf besonderer Sachkunde beruhenden, ein Sicherheitsrisiko abschätzenden und dabei auch politische Vorgaben und Einschätzungen einschließenden Charakter der Entscheidung nicht gerecht. Vielmehr folgt der Senat der ständigen Rechtsprechung des 1. Wehrdienstsenats, der seit jeher einen Beurteilungsspielraum der zuständigen Stelle annimmt (BVerwG, Beschlüsse vom 12. Januar 1983 – 1 WB 60.79 – BVerwGE 76, 52 <53>, vom 11. März 2008 – 1 WB 37.07 – BVerwGE 130, 291 Rn. 24 und vom 21. Juli 2011 – 1 WB 12.11 – BVerwGE 140, 384 Rn. 24 ff.; ebenso der 6. Senat, Urteil vom 15. Februar 1989 – 6 A 2.87 – BVerwGE 81, 258 <264> und zuvor auch der 2. Senat, Beschluss vom 1. Oktober 2009 – 2 VR 6.09 – juris Rn. 15 f.).

32. Hiernach ist die gerichtliche Kontrolle auf das – auch sonst in Fällen eines Beurteilungs- oder Einschätzungsspielraums anerkannte – Prüfprogramm beschränkt, nämlich ob die zuständige Stelle von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr; vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 2011 – 1 WB 12.11 – BVerwGE 140, 384 Rn. 24 ff. und zuletzt vom 21. Mai 2015 – 1 WB 54.14 – DokBer 2015, 233 Rn. 31).“

33. b. Nach diesem Maßstab, dem die Kammer folgt, ist die Bejahung eines Sicherheitsrisikos beim Kläger rechtlich nicht zu beanstanden.

34. aa. Die formellen Voraussetzungen für die Aufhebung der VS-Ermächtigung des Klägers waren erfüllt.

35. (1) Das Sicherheitsüberprüfungsgesetz regelt u.a. die Voraussetzungen und das Verfahren zur Überprüfung einer Person, die von der zuständigen Stelle mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden soll (Sicherheitsüberprüfung), § 1 Abs. 1, Var. 1 SÜG. Der Kläger sollte (weiterhin) eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 1 SÜG ausüben, bei der er Zugang zu Verschlusssachen der Einstufung GEHEIM bzw. VS-VERTRAULICH erhalten sollte. Zuständige Stelle für die Sicherheitsüberprüfung des bei einer nicht-öffentlichen Stelle beschäftigten Klägers ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, § 24 i.V.m. § 25 Abs. 1 SÜG. Mitwirkende Behörde bei der Sicherheitsüberprüfung ist gemäß § 3 Abs. 2 SÜG das Bundesamt für Verfassungsschutz nach § 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes.

36. (2) Die durch das Bundesamt für Verfassungsschutz durchgeführte Eigenbefragung des Klägers begegnet keinen formellen Rechtmäßigkeitsbedenken, auch wenn eine Wiederholungsprüfung zur Sicherheitsüberprüfung gemäß § 17 Abs. 2 SÜG grundsätzlich im Abstand von zehn Jahren einzuleiten ist. Zwar war dieser Zeitraum im Jahre 2018, als der Kläger befragt wurde, noch nicht abgelaufen, nachdem seine letzte Sicherheitsüberprüfung im Jahre 2013 erfolgt war. Unabhängig hiervon haben sich jedoch nach § 16 Abs. 1 SÜG die zuständige Stelle und die mitwirkende Behörde unverzüglich gegenseitig zu unterrichten, wenn sicherheitserhebliche Erkenntnisse über die betroffene Person oder die mitbetroffene Person bekanntwerden. Die mitwirkende Behörde prüft gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 SÜG die sicherheitserheblichen Erkenntnisse und stellt fest, ob ein Sicherheitsrisiko nach § 5 Abs. 1 SÜG vorliegt und unterrichtet die zuständige Stelle über das Ergebnis der Prüfung. Im Anwendungsbereich der erweiterten Sicherheitsüberprüfung gemäß § 9 SÜG – wie hier – zulässigen Maßnahmen gehört gemäß § 12 Abs. 3a SÜG, dass zu der betroffenen Person in erforderlichem Maße Einsicht in öffentlich sichtbare Internetseiten genommen werden kann. Dem entspricht es, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz den Inhalt der öffentlich sichtbaren Internetseiten des Klägers ausgewertet hat. Gemäß § 12 Abs. 5 Satz 1 SÜG können, soweit es eine sicherheitserhebliche Erkenntnis erfordert, die betroffene und die mitbetroffene Person selbst befragt werden. Diese Vorgehensweise entspricht der Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 1 SÜG, wonach entsprechend dem datenerhebungsrechtlichen Grundsatz des Vorrangs der Datenerhebung beim Betroffenen (vgl. Warg, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 12 Rn. 27) zur Klärung offener sicherheitserheblicher Fragen zunächst die betroffene Person zu befragen ist.

37. (3) Gemäß §§ 16 Abs. 2 Satz 2, 14 Abs. 3 f., 6 Abs. 1 SÜG ist dem Betroffenen vor der Entscheidung über die Zulassung zu einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit Gelegenheit zu geben, sich persönlich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Diesen Maßgaben entspricht das Vorgehen des Bundesministeriums im vorliegenden Fall. Zwar hat sich der Kläger nur schriftlich geäußert. Doch ist dies unschädlich. Denn eine Anhörung ist auch im schriftlichen Verfahren möglich. Es liegt daher in der Initiative des anzuhörenden Betroffenen, es entweder mit einer schriftlichen Äußerung bewenden zu lassen oder auf einer persönlichen Anhörung zu bestehen (BVerwG, Beschluss vom 21. Oktober 2010 – BVerwG 1 WB 16.10 –, juris Rn. 44). Die persönliche Anhörung ist keine Vorladung zu einer Vernehmung, sondern ein Recht des Betroffenen (siehe die Überschrift zu § 6 SÜG), wie überhaupt die Sicherheitsüberprüfung nur mit Zustimmung des Betroffenen durchgeführt wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 SÜG). Der Betroffene ist daher weder verpflichtet, sich überhaupt zu äußern, noch, seine Äußerung gerade in persönlicher Form abzugeben. Möchte der Betroffene von der Gelegenheit zur Äußerung zwar grundsätzlich, nicht jedoch in einem persönlichen Gespräch Gebrauch machen, so steht es ihm deshalb – gleichsam als Minus zur persönlichen Äußerung – frei, sich schriftlich zu äußern (BVerwG, Beschluss vom 26. November 2013 – BVerwG 1 WB 57.12 –, juris Rn. 58). Allerdings ist es nicht Aufgabe des Betroffenen, von der zuständigen Stelle eine Anhörung zu verlangen; diese muss vielmehr eine solche anbieten, wenngleich sie das Angebot mit dem Hinweis verbinden kann, dass es dem Betroffenen freistehe, sich auch in schriftlicher Form zu äußern (BVerwG, Beschluss vom 26. November 2013, a.a.O., Rn. 62). Diesen Maßgaben genügt das Anhörungsschreiben des Bundesministeriums vom 17. Januar 2019, weil es jedenfalls auch die Möglichkeit einer persönlichen Anhörung eröffnete. Hiervon hat der Kläger lediglich keinen Gebrauch gemacht.

38. bb. Die Behörde ist nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen.

39. (1) Dies gilt zunächst im Hinblick auf tatsächliche Anhaltspunkte für Zweifel am jederzeitigen Eintreten des Klägers für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Var. 2 SÜG.

40. (a) Mit dieser Vorschrift wird Personen, die eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausüben, eine dem Beamtenrecht entnommene Verfassungstreue abverlangt (Denneborg, a.a.O., § 5 Rn. 15). Daher geht der Kläger bereits im Ansatz fehl, wenn er meint, er dürfe als Ingenieur hinsichtlich seines Verhaltens nicht an beamtenrechtlichen Maßstäben gemessen werden. Das Sicherheitsüberprüfungsgesetz fordert für den hier betroffenen Personenkreis die Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, d.h. seiner freiheitlichen, demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung zu identifizieren und aktiv dafür einzutreten (Denneborg, a.a.O.; Warg, a.a.O., § 5 Rn. 36). Die betroffene Person hat sich daher von Gruppen und Bestrebungen zu distanzieren, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 –, juris Rn. 42). Dabei ist bereits dem Wortlaut der Vorschrift das Ziel zu entnehmen, dass nicht nur Personen, die als eindeutige Extremisten bzw. Verfassungsfeinde zu bezeichnen sind, nicht mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden, sondern darüber hinaus alle Personen, die nicht in jeder Lage die Gewähr dafür bieten, positiv und aktiv für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten (Warg, a.a.O.). Das bedeutet, dass § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SÜG – in Ausweitung der Pflichten des „Normalbürgers“ – nicht nur den Verzicht auf die Teilnahme an verfassungsfeindlichen Bestrebungen verlangt, sondern vielmehr die positive Bejahung der elementaren Grundbedingungen der Verfassung (Warg, a.a.O.).

41. Die freiheitliche demokratische Grundordnung, auf die sich die geforderte Gewähr für ein jederzeitiges Eintreten bezieht, und die sich auf diejenigen Prinzipien beschränkt, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit gewährleisten, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zunächst auf die folgenden acht Elemente konkretisiert worden: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor das Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952 – 1 BvB 1/51 – juris Rn. 38). In der Folgezeit wurde dieser Katalog der Elemente um verschiedene Einzelgrundrechte ergänzt, immer unter Verweis auf die elementare Bedeutung der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG), in welcher die freiheitliche demokratische Grundordnung ihren Ausgangspunkt findet. Sie ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als der oberste Wert des Grundgesetzes anerkannt. Die Menschenwürde ist unverfügbar. Die Staatsgewalt hat sie in allen ihren Erscheinungsformen zu achten und zu schützen. Damit wird dem Staat und seiner Rechtsordnung jede Absolutheit und jeder „natürliche“ Vorrang genommen (BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 – BVerfG 2 BvB 1/13 –, juris Rn. 533 ff.). Zur Menschenwürde hat das Bundesverfassungsgericht im Einzelnen ausgeführt (a.a.O., Rn. 539 ff.):

42. „Die Garantie der Menschenwürde umfasst insbesondere die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die elementare Rechtsgleichheit (vgl. Dreier, in: ders., GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 1 Abs. 1 Rn. 60 ff.; Höfling, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 1 Rn. 19). Dem liegt eine Vorstellung vom Menschen zugrunde, die diesen als Person begreift, die in Freiheit über sich selbst bestimmen und ihr Schicksal eigenverantwortlich gestalten kann (vgl. BVerfGE 45, 187 <227>; 49, 286 <298>). Mit der Subjektqualität des Menschen ist ein sozialer Wert- und Achtungsanspruch verbunden, der es verbietet, den Menschen zum „bloßen Objekt“ staatlichen Handelns zu degradieren (vgl. BVerfGE 122, 248 <271>).

43. Auch wenn diese „Objektformel“ in ihrer Leistungskraft begrenzt sein mag (vgl. BVerfGE 109, 279 <312>; kritisch Dreier, a.a.O., Art. 1 Abs. 1 Rn. 55; Höfling, a.a.O., Art. 1 Rn. 15, jeweils m.w.N.), ist sie zur Identifizierung von Menschenwürdeverletzungen jedenfalls überall dort geeignet, wo die Subjektqualität des Menschen und der daraus folgende Achtungsanspruch grundsätzlich in Frage gestellt werden (so im Ergebnis auch Dreier, a.a.O., Art. 1 Abs. 1 Rn. 60 ff.). Dies ist insbesondere bei jeder Vorstellung eines ursprünglichen und daher unbedingten Vorrangs eines Kollektivs gegenüber dem einzelnen Menschen der Fall. Die Würde des Menschen bleibt nur unangetastet, wenn der Einzelne als grundsätzlich frei, wenngleich stets sozialgebunden, und nicht umgekehrt als grundsätzlich unfrei und einer übergeordneten Instanz unterworfen behandelt wird. Die unbedingte Unterordnung einer Person unter ein Kollektiv, eine Ideologie oder eine Religion stellt eine Missachtung des Wertes dar, der jedem Menschen um seiner selbst willen, kraft seines Personseins (BVerfGE 115, 118 <153>) zukommt. Sie verletzt seine Subjektqualität und stellt einen Eingriff in die Garantie der Menschenwürde dar, der fundamental gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verstößt.

44. Menschenwürde ist egalitär; sie gründet ausschließlich in der Zugehörigkeit zur menschlichen Gattung, unabhängig von Merkmalen wie Herkunft, Rasse, Lebensalter oder Geschlecht (vgl. Isensee, in: Merten/Papier, HGRe, Bd. IV, 2011, § 87 Rn. 168). Dem Achtungsanspruch des Einzelnen als Person ist die Anerkennung als gleichberechtigtes Mitglied in der rechtlich verfassten Gemeinschaft immanent (vgl. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 120 ). Mit der Menschenwürde sind daher ein rechtlich abgewerteter Status oder demütigende Ungleichbehandlungen nicht vereinbar (vgl. Höfling, a.a.O., Art. 1 Rn. 35). Dies gilt insbesondere, wenn derartige Ungleichbehandlungen gegen die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 GG verstoßen, die sich – ungeachtet der grundsätzlichen Frage nach dem Menschenwürdegehalt der Grundrechte (vgl. hierzu BVerfGE 107, 275 <284>) – jedenfalls als Konkretisierung der Menschenwürde darstellen. Antisemitische oder auf rassistische Diskriminierung zielende Konzepte sind damit nicht vereinbar und verstoßen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.“

45. (b) Nach diesem Maßstab hat das Bundesministerium rechtsfehlerfrei Anhaltspunkte für Zweifel am jederzeitigen Eintreten des Klägers für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Var. 2 SÜG beim Kläger mit Rücksicht auf im Verwaltungsvorgang dokumentierte Verlautbarungen auf seinen Internetseiten bejaht. Darunter finden sich solche, die mit der Garantie der Menschenwürde im Sinne von Art. 1 Abs. 1 GG nicht vereinbar sind.

46. (aa) Da es mit dem Grundsatz Menschenwürde unvereinbar ist, den Menschen zum bloßen Objekt im Staate zu machen (BVerfG, Urteil vom 21. Juni 1977 – BVerfG 1 BvL 14/76 –, juris Rn. 145), stellt jede Form des Todesurteils und jede Form der Todesstrafenvollstreckung einen Verstoß gegen die Menschenwürdegarantie dar (vgl. statt vieler: Kersten, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblattkommentar, Stand Oktober 2020, Art. 102 Rn. 21). Mit der Verlautbarung auf seiner Internetseite (VV Bl. 97)

47. „Angela Merkel verdankt ihre erneute Regierungsbildung dem Totalausfall Martin Schulz, der mit seinen paranoiden Wahnvorstellungen von einem vereinten Europa seinen kommunistischen Traum endlich in Erfüllung gehen lassen kann. Vorbei sind die Zeiten, als man solche Verräter mit der Guillotine vom Leben zum Tod befördert hat, denn sie alle können sich heute hinter den Menschenrechten verstecken und machen, was sie wollen – ohne das geringste befürchten zu müssen.“

48. bringt der Kläger zum Ausdruck, dass er nicht hinter der grundgesetzlichen Regelung des Art. 102 GG steht, wonach die Todesstrafe abgeschafft ist, sondern es für einen Fehler hält, dass übergeordnete Wertmaßstäbe, zu denen auch die Menschenwürde im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG gehört, im verfassungsrechtlichen System der Bundesrepublik Deutschland der Todesstrafe entgegenstehen. Dem kann er nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass der Hinweis auf Guillotine lediglich überspitzt formuliert, aber als rhetorisches Stilmittel gerade noch zulässig sei. Es bleibt schon unklar, unter welchem Gesichtspunkt der pauschale Verweis auf ein rhetorisches Stilmittel geeignet sein sollte, seine Angabe zu relativieren. Dass es sich demgegenüber nicht um bloße Rhetorik handelt, zeigt der Kläger, indem er anderenorts (VV Bl. 102) ausführt:

49. „Derart lassen sich noch viele Dinge anführen, die das Allgemeinwohl nicht gerade erhöhen: […] die Abschaffung der Todesstrafe […]“.

50. Unterstrichen wird diese Haltung des Klägers durch das, was er im Übrigen über Bundeskanzlerin Angela Merkel schreibt (VV Bl. 97):

51. „Der Deutsche interessiert in Deutschland nicht mehr, er ist so bedeutungslos wie eine ausgebrannte Glühbirne. Erst kommen alle anderen, dann lange nichts, und dann erst kommen wir. […] So etwas gibt es nur in Deutschland und nur in einer Menschenrechtsdiktatur à la Merkel. […] Kann es sein, dass ein Mensch sich anmaßt, noch dazu eine Frau, ein ganzes Volk ausrotten zu wollen? Hildebrandt, der Waffenmeister Dietrichs von Bern, hätte ihr den Kopf abgeschlagen, da sie es gewagt hat, einem Helden den Garaus zu bereiten.“

52. Soweit der Kläger einwendet, es handele sich insoweit um eine Parodie, erschließt sich schon nicht, was in diesem Fall Gegenstand einer Parodie sein soll. Verfahrensangepasst wirkt überdies, dass der Kläger den Vorwurf des „Ausrottens“ mit der von der Bundeskanzlerin unterstützten Autoindustrie und dem damit verbundenen Klimawandel erklären will, ohne dass dies einen erkennbaren Bezug zur genannten Textstelle besitzt.

53. (bb) Die Ausführungen des Klägers lassen weiter darauf schließen, dass er einen ethnisch definierten Staatsvolkbegriff befürwortet. Ein solcher ist indes nicht mit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG vereinbar, ebenso wenig mit dem Verbot der Ungleichbehandlung wegen der Abstammung oder der Rasse im Sinne von Art. 3 Abs. 3 GG (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017, a.a.O., Rn. 646 ff.). So heißt es auf der Internetseite des Klägers (VV Bl. 101, Bl. 115, Bl. 119 und Bl. 111):

54. „Die vierte Bevormundung ist die geteilte Meinung darüber, wer Deutscher ist und wer nicht und wer von denen, die es nicht sind, Deutscher werden darf, wobei man allerdings nicht jemand werden kann, der man nicht ohnehin schon ist, insbesondere nicht durch Hinzugeburt. Wäre darüber abgestimmt worden, ob jemand, der nur fünf Jahre zum Wohle Deutschlands beigetragen hat, staatsrechtlich einem gleichgestellt werden darf, der seit 50 Generationen dem Land seiner Väter treue Dienste erwiesen hat, so hätten diese Leute niemals eine Anerkennung als Deutsche erhalten und den Sozialsystemen wie dem Staat wären erhebliche Belastungen und Kosten erspart geblieben.“

55. „Was weite Teile der deutschen Gesellschaft glauben, interessiert eigentlich nicht, denn weite Teile der deutschen Gesellschaft sind dar gar keine Deutschen mehr, sondern schlicht „Eingeblutete“. Demokratie heißt ja nicht notwendig, dass jeder, der nur 5 Jahre in unserem Land zugebracht hat, sei es nun als Hartz IV-Empfänger oder als staatlich geförderter Salafist, deswegen schon Deutscher ist. Deutscher kann insbesondere nicht sein, wer in diesem Land keinen Wehrdienst abgeleistet hat und nicht bereit ist, seine vorgebliche Heimat zu verteidigen. […] Nicht verstehen indes kann man, dass weite Teile der deutschen Gesellschaft dieses böse Spiel nicht zu durchschauen vermögen, weil wir ganz offensichtlich durch „Umblutung“ vor einem intellektuellen Niedergang stehen, […]“.

56. „Die Existenz eines Staates ist immer ein „rassistisches Unterfangen“, weil Rasse und Volk identisch sind […]“.

57. „Und um Macht geht es bei der ganzen Leitkultur-Diskussion überhaupt nicht, es geht vielmehr um das Einfangen des rechten Rands. Eher noch geht es um die Reinheit des Blutes.“

58. Unterstrichen wird dies durch den Hinweis darauf, dass für dieses ethnisch definierte Staatsvolk eine Vermischung mit andersrassigen Völkern schädlich sei. Über den bereits soeben angesprochenen Vorwurf hinaus, Bundeskanzlerin Angela Merkel wolle ein ganzes Volk ausrotten (VV Bl. 97), schreibt der Kläger in diesem Sinne ferner (VV Bl. 106, Bl. 107 und Bl. 111):

59. „Im Volke gärt es, und zwar gewaltig, jedenfalls in der deutschstämmigen Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. […] Aus dem Stamm einst heldenhafter Germanen ist ein ein erbärmlicher Haufe sich selbst beweihräuchernder Zauderer geworden, denen es erheblich an Mut und Manneskraft gebricht. […] Wenn das Land in seinen Spiegel blicken könnte, sähe es die ganze Ekelhaftigkeit seines äußeren Erscheinungsbildes – ein aufgedunsenes Gesicht im Anblick des Wohlstands. Dass dieser Niedergang politisch gewollt ist, daran besteht überhaupt kein Zweifel. Die Umsiedlungs- und Vermischungspolitik der letzten Jahrzehnte sind ein untrüglicher Beweis.“

60. […]

61. „Es gibt eine eindeutige Korrelation zwischen dem uns allseits umgebenden Niedergang, der teilweise nicht einmal mehr als solcher wahrgenommen wird, und dem Zuzug fremder Völkerschaften, die uns massenhaft überrennen, ohne einen für uns erkennbaren Vorteil … Wenn klar ist, dass die Leistungen immer geringer werden, warum werden dann Renten auch noch an Ausländer gezahlt, wo doch vereinbart wurde, dass wer einen Job in Deutschland erhält, gefälligst für die Rente der Deutschen zu sorgen habe?“

62. […]

63. „Wie kommen Sie zu der Vermutung, dass Dunkelhäutige in Bayern willkommen seien? Glauben Sie, wir haben es nötig, Schwarze zu heiraten, weil wir unter den Blonden nicht ausreichend Schöne finden? Ist für Sie Black beautiful? Das Fremde wird uns Bayern nie zum Eigen, sonst wäre es uns ja nicht fremd, und fremd soll es auch bleiben: Es lebe der Unterschied, nicht der Einheitsbrei. […] Unter dem Deckmantel der Leitkultur verbirgt sich nichts anderes als der Wunsch: Bleibt weg und geht nach Hause, dorthin, wo ihr hergekommen seid. Bei uns gibt es nichts zu holen. […] Die Leitkultur muss man nicht pachten, man muss den eigenen Grund und Boden, er einem sowieso schon gehört, nicht zweimal kaufen. Und der Ariernachweis, man kann dagegen sagen, was man will, hat wenigstens funktioniert. Er war das Unterscheidungsmerkmal zwischen den Hiesigen und den Zugereisten, und diese Unterscheidung braucht es, sonst könnte ja jeder kommen. Glauben Sie, wir haben noch nicht gemerkt, dass unser schönes Land auch anderen gefällt, und dass diese gerne ihr Ei hier hinlegen wollen?“

64. Bei dieser Sachlage kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf einen bloßen Hinweis auf ein notwendiges Verständnis „des Süffisanten, Satirischen, Zynischen oder Sarkastischen“ zurückziehen, weil sich nicht erschließt, unter welchem Gesichtspunkt dies den Inhalt und die Zielrichtung der genannten Zitatstellen in einem anderen Licht erscheinen lassen sollte. Ebenso verhält es sich mit seinem unklar gebliebenen Einwand, er habe den Begriff „Arier“ als Anachronismus verwendet und dieser habe, soweit er ihn verwende, mit der Bedeutung, die ihm die Nationalsozialisten beigemessen hätten, nur wenig zu tun. Soweit er meint, seine Ausführungen zum „Ariernachweis“ seien lediglich eine Reaktion auf einen Presseartikel gewesen, betrifft dies seine Motivation, aber nicht den Inhalt seiner Äußerung. Ohne Erfolg macht der Kläger zudem geltend, dass die ihm vom Bundesministerium vorgehaltenen Zitatstellen nur einen geringen Anteil am Gesamtumfang seiner Internetseiten ausmachten. Denn soweit sonstige Inhalte seiner Veröffentlichungen als wissenschaftliche Ausführungen und Reiseberichte in Bezug auf die Gewähr für ein jederzeitiges Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung neutral sind, sind sie auch nicht geeignet, die ihm vorgehaltenen Inhalte zu relativieren. Für eine rein arithmetische Betrachtung, welchen Anteil verfassungsfeindliche Äußerungen am Gesamtumfang der Äußerungen einer Person besitzen, ist bei der Anwendung des § 5 Abs. 1 SÜG anzustellenden Prognose kein Raum.

65. Die auf dieser Grundlage getroffene behördliche Einschätzung, wonach die Äußerungen des Klägers auf seinen Internetseiten eine derartige Qualität besitzen, dass sie geeignet sind, Zweifel an seinem jederzeitigen Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung zu begründen, nicht bereits Gegenstand des behördlichen Beurteilungsspielraums und damit der gerichtlichen Überprüfung entzogen sind (vgl. in diesem Sinne: Denneborg, a.a.O., § 5 Rn. 15a), ist die diesbezügliche Wertung des Bundesministeriums rechtlich nicht zu beanstanden. Denn nach der gesetzlichen Vorgabe des § 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG hat die Behörde im Zweifel dem Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen geben.

66. (2) Unter diesen Umständen kann es auf sich beruhen, ob gleichzeitig ein Sicherheitsrisiko unter dem Gesichtspunkt von Zweifeln am Bekenntnis des zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Var. 1 SÜG bzw. einer fehlenden Zuverlässigkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG vorliegt. Insbesondere muss den Einzelumständen der zwischen den Beteiligten umstrittenen Zusage in der Eigenbefragung des Klägers, Webinhalte zu löschen, nicht nachgegangen werden. Es kommt ferner nicht auf die vom Bundesministerium ergänzend angeführten Einzelpassagen auf den Internetseiten des Klägers an.

67. cc. Die Behörde hat bei ihrer Feststellung auch nicht den gesetzlichen Rahmen verkannt. Insbesondere war keine einschränkende Auslegung der §§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 14 Abs. 3 SÜG mit Rücksicht auf höherrangiges Recht geboten. Ohne Erfolg macht der Kläger sinngemäß geltend, die Feststellung eines Sicherheitsrisikos verletze ihn – insbesondere – in seiner grundrechtlich geschützten Berufs- und Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Artt. 12 Abs. 1, 5 Abs. 1 GG. Entgegen seiner Auffassung betrifft die Entziehung seiner VS-Ermächtigung nicht etwa die Frage der Verwirkung von Grundrechten im Sinne von Art. 18 GG. Eine solche Verwirkung durch ihn steht nicht im Raum, zumal Verwirkung und Ausmaß nach Art. 18 Satz 2 GG nur durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden können, woran es hier fehlt. Allerdings betrifft ihn die Entziehung seiner VS-Ermächtigung nicht in seinen Grundrechten.

68. (1) Zunächst ist mangels Betroffenheit in eigenen Rechten ein Eingriff in den Schutzbereich in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit zu verneinen. In diesem Sinne hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt (Urteil vom 22. Dezember 1987 – BVerwG 1 C 34.84 –, juris Rn. 33f.):

69. „Erteilung, Versagung oder Widerruf einer VS-Ermächtigung nach den Regeln des Geheimschutzhandbuchs berühren den geschützten Rechtsbereich – insbesondere den Schutzbereich der Berufsfreiheit – der Betriebsangehörigen eines mit staatlichen Aufträgen betrauten Unternehmens nicht, weil es sich hierbei ausschließlich um die Wahrnehmung staatlicher Sicherheitsbelange handelt, die die Bundesrepublik Deutschland als Auftraggeber gegenüber dem jeweiligen Unternehmen als Auftragnehmer geltend macht und über die allein sie verfügen kann.

70. Die Bundesrepublik Deutschland tritt bei der Vereinbarung der Regeln des Geheimschutzhandbuchs und deren Anwendung ausschließlich als Vertragspartner (Auftraggeber) des jeweiligen Unternehmens (Auftragnehmer) zur Wahrung und Durchsetzung der Sicherheitsbelange auf, die das Unternehmen bei der Vorbereitung, Durchführung und Abwicklung solcher öffentlicher Aufträge zu beachten hat, die sie als Auftraggeber als geheimschutzbedürftig betrachtet. Sie nimmt dagegen keine hoheitlichen – insbesondere keine polizeilichen – Befugnisse zur Regelung der Berufsfreiheit der Betriebsangehörigen dieses Unternehmens für sich in Anspruch. Die Regeln des Geheimschutzhandbuchs und die nach diesen Regeln zulässigen Maßnahmen und Entscheidungen betreffen – auch wenn sie auf die berufliche Tätigkeit von Betriebsangehörigen durch Erteilung, Ablehnung oder Widerruf einer VS-Ermächtigung einwirken – nicht die Berufsfreiheit dieser Personen, sondern Sachbereiche, die nicht Gegenstand dieser Berufsfreiheit sind.

71. Durch die öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen über den Geheimschutz bestimmt die Bundesrepublik Deutschland die Anforderungen, die sie als Auftraggeber zur Wahrung der spezifischen staatlichen Sicherheitsbelange an den Auftragnehmer stellt. Diese Vereinbarung von Geheimschutzanforderungen dient der Sicherung einer umfassenden Einsatzbereitschaft der Streitkräfte, die zu gewährleisten ausschließlich Aufgabe des Staates ist und die als solche durch das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht beschränkt ist. Das Grundrecht der Berufsfreiheit wird deshalb durch Geheimschutzregelungen und Geheimschutzmaßnahmen nicht berührt, die durch staatliche Sicherheitsbelange in dem dargelegten Sinn gerechtfertigt sind. Hierzu gehört insbesondere – außer der hier nicht unmittelbar streitbefangenen Qualifizierung von Angelegenheiten nach bestimmten Regeln als Verschlußsachen mit einem bestimmten Geheimhaltungsgrad – die Forderung, Angelegenheiten, die als Verschlußsachen nach den hierfür geltenden Regeln eingestuft sind, nur solchen Personen anzuvertrauen, die durch den Bundesminister für Wirtschaft aufgrund diesbezüglicher Prüfung als hierfür geeignet befunden werden.

72. Bei den Entscheidungen über die Erteilung, die Versagung oder den Widerruf einer VS-Ermächtigung handelt es sich demnach um die Einwirkung des Staates auf betriebliche Entscheidungen, die das Beschäftigungsunternehmen kraft seiner arbeitsrechtlichen oder dienstvertragsrechtlichen Direktionsbefugnis oder aufgrund diesbezüglicher besonderer Vereinbarung über den betrieblichen Einsatz seiner Betriebsangehörigen im Rahmen des dem Unternehmen erteilten öffentlichen Auftrags trifft. Durch diese Einwirkung bringt der Staat seine spezifischen Sicherheitsbelange – die als solche nur einen begrenzten Teilaspekt der betrieblichen Entscheidung über den Einsatz der Betriebsangehörigen erfassen – gegenüber dem Unternehmen als vertraglich vereinbarte Voraussetzung der Befassung von Betriebsangehörigen mit Verschlußsachen dadurch zur Geltung, daß er die unternehmerische Entscheidung in dieser Hinsicht von seiner Einwilligung abhängig macht. Diese Einwilligung wird dem Unternehmen als dem Auftragnehmer eines öffentlichen Auftrags erteilt; sie beschränkt sich inhaltlich auf die Zustimmung dazu, daß die in der VS-Ermächtigung aufgeführten Betriebsangehörigen durch das Unternehmen mit Verschlußsachen befaßt werden können. Sie beseitigt insoweit ein sonst nach den getroffenen Geheimschutzvereinbarungen bestehendes Zugangshindernis, indem sie die in der VS-Ermächtigung benannten Betriebsangehörigen als (auch) aus staatlicher Sicht für geeignet zum Umgang mit Verschlußsachen erklärt. Die Betriebsangehörigen werden durch eine Entscheidung ihres Beschäftigungsunternehmens im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses bzw. Dienstverhältnisses mit Verschlußsachen befaßt. Die dem vorausliegende VS-Ermächtigung bewirkt lediglich, daß diese Betriebsangehörigen den Zugang zu Verschlußsachen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland befugt und im Rahmen eines geordneten Verfahrens mit ihrer Zustimmung sowie unter Wahrung staatlicher Interessen erhalten.

73. […]

74. „Die Berufsfreiheit umfaßt nicht die Befugnis, als Betriebsangehöriger eines Unternehmens Zugang zu Angelegenheiten zu erlangen, die der Staat als Auftraggeber eines diesem Unternehmen erteilten öffentlichen Auftrags zur Gewährleistung staatlicher Sicherheitsbelange rechtmäßig als Verschlußsachen eingestuft hat.“

75. Das Bundesverfassungsgericht hat sich dieser Auffassung angeschlossen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1988 – 1 BvR 564.88 –). Durch die in Gestalt des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes ergangene gesetzliche Regelung des Zugangs zu Verschlusssachen hat sich daran nichts geändert. Es kommt hinzu, dass Grundrechte in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat sind (BVerfG, Urteil vom 15. Januar 1958 – 1 BvR 400/51 –, juris Rn. 25; Dreier, in: ders., Grundgesetz, Band I, 3. Aufl. 2013, Vorb. Rn. 84). Vorliegend legen die §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3, 14 Abs. 3 f., 24 ff. SÜG dem Kläger jedoch keine Rechtspflicht auf. Vielmehr bewirkt die Feststellung eines Sicherheitsrisikos für den Beschäftigten einer nicht-öffentlichen Stelle – wie den Kläger – lediglich im Ergebnis, dass ihm eine über seinen allgemeinen Tätigkeitsbereich hinausgehende Verwendungsmöglichkeit verwehrt bleibt. Die abwehrrechtliche Dimension von Grundrechten ist dadurch nicht betroffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2013 – 1 BvR 1083/09 –, juris Rn. 10).

76. Vorliegend wäre die Feststellung eines Sicherheitsrisikos eines bei einer nicht-öffentlichen Stelle beschäftigten Ingenieurs bei Bejahung eines Eingriffs in den Schutzbereich an den Maßgaben einer Berufsausübungsregelung zu messen, weil es den Beruf eines „Rüstungsingenieurs“ nicht gibt. Als solche ist die Feststellung allerdings durch vernünftige Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Die Prüfung der Voraussetzungen eines Zugangs zu Verschlusssachen dient dazu, die Verteidigungsbereitschaft der Bundesrepublik sicherzustellen. Dies ist ein schützenswertes Gut, das in Art. 87a GG ausdrücklich von der Verfassung anerkannt ist. Es rechtfertigt eine Regelung, die darauf abzielt, nur solche Personen mit Rüstungsgeheimnissen zu befassen, gegen deren Eignung als Geheimnisträger keine Bedenken bestehen (vgl. OVG Münster, Urteil vom 9. Februar 1984 – 4 A 2387/82 – NJW 1985, 281, 284).

77. (2) Aus den Ausführungen zur Berufsfreiheit folgt gleichzeitig, dass auch das – ebenfalls primär abwehrrechtlich gestaltete (Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, Stand 15. Februar 2021, Art. 5 Rn. 18) – Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 GG Abs. 1 bereits im Schutzbereich nicht betroffen ist. Selbst wenn man diesen als eröffnet ansehen wollte, würde dies im Ergebnis nichts ändern. Denn selbst im Beamtenrecht, dem die Figur der Verfassungstreue für das Sicherheitsüberprüfungsgesetz entnommen worden ist (Denneborg, a.a.O., § 5 Rn. 15), ist geklärt, dass politische Meinungsäußerungen (vgl. zur Kundgabe einer inneren politischen Überzeugung BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 – BVerwG 2 C 27.17 –, juris Rn. 83) nur dann verfassungsrechtlich durch Art. 5 GG gedeckt sind, wenn sie nicht unvereinbar mit der in Art. 33 Abs. 5 GG geforderten politischen Treuepflicht des Beamten steht (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 –, juris Rn. 96). Die nach letzterer Verfassungsbestimmung für das Recht des öffentlichen Dienstes maßgeblichen hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums gebieten eine politische Treuepflicht des Inhalts, dass der Beamte durch sein gesamtes Verhalten zur Sicherung und Wahrung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beizutragen hat (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975, a.a.O., juris Rn. 105). Entsprechendes gilt für die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975, a.a.O., juris Rn. 97).

78. 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit entspricht § 167 VwGO und den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Zuletzt aktualisiert am Juli 21, 2021 von eurogesetze

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert