VG Berlin 4. Kammer. Aktenzeichen: 4 L 162/21

Gericht: VG Berlin 4. Kammer
Entscheidungsdatum: 03.06.2021
Aktenzeichen: 4 L 162/21
ECLI: ECLI:DE:VGBE:2021:0603.4L162.21.00
Dokumenttyp: Beschluss

Leitsatz

Stellt ein Supermarkt auf seinem Parkplatz seiner Kundschaft kostenlos eine Lademöglichkeit für Elektrofahrzeuge zur Verfügung, liegt hierin kein Betrieb einer Tankstelle im Sinne von § 5 Nr. 2 LadÖffG, der eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Öffnung von Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen für Reisebedarf zulässt.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 20. April 2021 gegen die Zwangsgeldandrohung im Bescheid des Bezirksamts Steglitz-Zehlendorf von Berlin vom 1. April 2021 wird angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens zu drei Vierteln und der Antragsgegner zu einem Viertel.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine behördliche Anordnung, ihr Einzelhandelsgeschäft an Sonn- und Feiertagen geschlossen zu halten.

2. Sie betreibt in der D…in Berlin-…einen Supermarkt mit einer Verkaufsfläche von etwa 400 m² für Bio-Lebensmittel. Auf dem Parkplatz rund um das Gebäude bietet sie ihrer Kundschaft an zwei Ladesäulen die Möglichkeit, kostenfrei elektrisch betriebene Fahrzeuge aufzuladen. Kunden ist die Nutzung des Parkplatzes im Übrigen für die Dauer einer Stunde kostenfrei gestattet. Ebenfalls in der D…belegen befindet sich gegenüber dem Betrieb der Antragstellerin eine A… -Tankstelle. Eigenen Angaben der Antragstellerin zufolge hält sie das Ladengeschäft bislang seit etwa sechs Jahren auch an Sonntagen zum Verkauf geöffnet. Nachdem Mitarbeiter des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf von Berlin (nachfolgend: Bezirksamt) am Sonntag, den 21. Februar 2021 festgestellt hatten, dass der Betrieb geöffnet hatte, forderten sie den Betrieb mündlich zur Einstellung der Verkaufstätigkeit auf.

3. Mit Bescheid vom 1. April 2021, zugestellt am 8. April 2021, gab das Bezirksamt der Antragstellerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, ihren Betrieb an Sonn- und Feiertagen geschlossen zu halten, soweit die §§ 4 – 6 BerlLadÖffG nichts Abweichendes für den jeweiligen Sonn- und Feiertag bestimmten. Der Verkauf von Back- und Konditorwaren dürfe aber weiterhin in Anspruch genommen werden, soweit dieser deutlich getrennt vom übrigen Betrieb im Eingangsbereich durchgeführt werde. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verfügung drohte ihr die Behörde ein Zwangsgeld i.H.v. 5.000,– Euro an. Zur Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass sie sich für eine Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen nicht auf eine Ausnahme nach dem Berliner Ladenöffnungsgesetz berufen könne. Insbesondere unterfalle das von ihr betriebene Einzelhandelsgeschäft nicht der Ausnahme für Tankstellen, die auch an Sonn- und Feiertagen Reisebedarf anbieten dürften. Zwar könne es sich bei reinen Elektro-Tankstellen auch um Tankstellen im Sinne dieses Gesetzes handeln. Allerdings sei diesen auch nur der Verkauf von Reisebedarf gestattet, typischerweise also Reiseproviant in kleinen Mengen. Bei dem weit überwiegenden Teil des Sortiments der Antragstellerin handele es sich nicht um solche Waren, die zum alsbaldigen Verzehr unterwegs geeignet seien.

4. Mit ihrem Widerspruch vom 20. April 2021 macht die Antragstellerin geltend: Die Ordnungsverfügung sei rechtswidrig. Sie habe dem Bezirksamt bereits mit der Aufnahme des Betriebs der Lademöglichkeit angezeigt, dass sie auf der Grundlage eines Gutachtens einer von ihr beauftragten Anwaltskanzlei davon ausgehe, dass der Warenverkauf an Sonn- und Feiertagen aufgrund des Betriebs einer Tankstelle grundsätzlich zulässig sei. Dies habe das Bezirksamt auch seit August 2015 gebilligt und keinerlei Einwände erhoben. Sie plane nun auch den Ausbau der Lademöglichkeiten für Elektro-Fahrzeuge. Sie sei im Übrigen dazu bereit, ihr Warenangebot auf die Abgabe von Lebens- und Genussmitteln in handelsüblichen Mengen zu beschränken. In der gegenüber ihrem Geschäft befindlichen A… -Tankstelle werde ebenfalls an Sonn- und Feiertagen ein sogenanntes „R… to-go“-Angebot bereitgehalten, gegen das der Antragsgegner nicht einschreite. Gegenwärtig gebe es noch zu wenig Elektrotankstellen. Diese müssten daher vermehrt dezentral zur Verfügung gestellt werden. Der Ladevorgang dauere anders als bei herkömmlichen Kraftstoffen regelmäßig länger als 30 Minuten. Daher müsse Reisenden in einem Elektrofahrzeug regelmäßig die Möglichkeit gegeben werden, dem Bedürfnis nachzugehen, Lebens- und Genussmitteln vor Ort im Rahmen der gegebenen Zwangspause zu konsumieren. Damit sei die Beschränkung des zulässigen Verkaufs auf Back- und Konditoreiwaren unzulässig. Die Behörde gehe unzutreffend davon aus, dass es sich bei der von ihr – der Antragstellerin – betriebenen Lademöglichkeit nicht um eine Tankstelle im Sinne des Berliner Ladenöffnungsgesetz handele. Hierin liege ihrerseits auch keine beabsichtigte Umgehung des Gesetzes. Es gehe ihr in erster Linie um den politisch gewollten Umstieg auf die Elektromobilität. Soweit der Antragsgegner im Übrigen ungeachtet der Frage, ob sie eine (Elektro-)Tankstelle betreibe, den Umfang des angebotenen Sortiments beanstande, weil nur die Abgabe von Reisebedarf zulässig sei, lasse sich dieses Kriterium dem Gesetz nicht entnehmen. Es sei ermessensfehlerhaft, ihr gegenüber einzuschreiten, nicht aber gegen die A… -Tankstelle. Schließlich fehle es am sofortigen Vollziehungsinteresse.

5. Am 21. April 2021 hat die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend trägt sie im Wesentlichen vor, es fehle bereits an einer ordnungsgemäßen Begründung des Vollziehungsinteresses. In der Sache meint sie, die Zugangsbeschränkungen durch eine Schranke auf dem Parkplatz sei überdies erforderlich, um Fremdparker von der Lademöglichkeit auszuschließen. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners sei es für die Definition einer Tankstelle nicht erforderlich, dass eine Vielzahl von Lademöglichkeiten zur Verfügung gestellt werde.

6. Die Antragstellerin beantragt wörtlich,

7. die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 20. April 2021 gegen die am 1. April 2021 zum Aktenzeichen OA 2/20 erlassene Ordnungsverfügung des Antragsgegners wiederherzustellen.

8. Der Antragsgegner beantragt,

9. den Antrag zurückzuweisen.

10. Er hält an dem angefochtenen Bescheid fest. Er verweist ergänzend darauf, dass der Kundenparkplatz nicht jedermann in gleicher Weise zugänglich sei. Nur für Kunden des Geschäfts sei bei einem Mindesteinkaufswert von 3,- Euro die erste Stunde kostenfrei. Im Übrigen betrage die Parkgebühr für jede angefangene Stunde 3,- Euro. Die Kostenfreiheit der Nutzung des Parkplatzes sei also an bestimmte Bedingungen geknüpft. Gleiches gelte für die Nutzung der Ladesäule. Das von der Antragstellerin eingereichte Gutachten einer Anwaltskanzlei entfalte keinerlei rechtliche Bindungswirkung. Auch die Anzeige der Lademöglichkeit bei der Behörde entfalte keine rechtliche Wirkung. Ein gewerbsmäßiges Angebot von Elektrizität für Elektrofahrzeuge habe die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Es handele sich lediglich um ein kostenfreies Serviceangebot an eigene Kunden im Rahmen von deren Einkauf. Eine größere Zahl von Interessenten könne ohnehin in Ermangelung weiterer Lademöglichkeiten nicht bedient werden. Werbung für die Nutzung der Lademöglichkeit sei im Ladengeschäft nicht vorhanden. Das ihr zustehende Ermessen habe er fehlerfrei ausgeübt. Der Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe und der Arbeitnehmer habe erhebliches Gewicht. Durch die angebliche jahrelange Duldung sei kein Vertrauenstatbestand entstanden. Der bloße Verzicht auf ein Einschreiten stelle kein Verhalten dar, auf das sich ein Vertrauen hätte bauen können.

11. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte sowie auf den Verwaltungsvorgang des Antragsgegners verwiesen, welche vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

II.

12. Der Antrag hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

13. I. Der Antrag ist, soweit er sich auf die für sofort vollziehbar erklärte Anordnung bezieht, wonach die Antragstellerin ihr Unternehmen an Sonn- und Feiertagen geschlossen zu halten hat, nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO zulässig; er ist insoweit aber unbegründet.

14. 1. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids entspricht dabei den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach darf die Begründung zwar nicht bloß formelhaft, sondern muss einzelfallbezogen sein. Allerdings belegen bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr – wie hier zum Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe – die den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigenden Gründe in der Regel zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Juni 2009 – OVG 1 S 97.09 –, juris Rn. 3). Diesen Anforderungen wird die vom Antragsgegner gegebene Begründung gerecht. Er hat hinreichend deutlich und einzelfallbezogen zu erkennen gegeben, dass das öffentliche Interesse am Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe besteht sowie daran, Wettbewerbsverzerrungen und eine negative Vorbildwirkung zu vermeiden, und er sich des Ausnahmecharakters der Anordnung bewusst war.

15. 2. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung wird sich der angegriffene Bescheid mit hoher Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig erweisen, so dass das Gericht von einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung absieht.

16. In formeller Hinsicht bestehen allerdings Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Bescheides. Denn die Behörde hat der Antragstellerin nicht ausreichend Gelegenheit gegeben, sich – wie § 28 Abs. 1 VwVfG dies fordert – vor Erlass der Verfügung zu äußern. Ausweislich des Verwaltungsvorgangs hat der Sachbearbeiter der Antragstellerin nach einem Hinweis auf die Unzulässigkeit der Sonntagsöffnung mit E-Mail vom 23. Februar 2021 lediglich angekündigt, ihr „in den nächsten Tagen einen Bescheid“ zuzustellen. Dies genügte vorliegend nicht, um der Antragstellerin deutlich zu machen, dass und vor allem bis wann ihr die Gelegenheit gegeben werden sollte, sich in der Sache zu äußern. Dieser Fehler ist allerdings vorliegend unschädlich, weil er im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt werden kann.

17. In materieller Hinsicht wird sich die Anordnung aller Voraussicht nach als rechtmäßig herausstellen. Rechtsgrundlage für die Anordnung, die Ladenschlusszeit an Sonn- und Feiertagen einzuhalten, ist § 8 Abs. 3 des Berliner Ladenöffnungsgesetzes vom 14. November 2006 (GVBl. S. 1045, zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. Oktober 2010, GVBl. S. 467 – BerlLadÖffG). Danach können die zuständigen Behörden die erforderlichen Maßnahmen zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz ergebenden Pflichten anordnen. Diese Voraussetzungen sind bei der in diesem Verfahren nur gebotenen summarischen Prüfung erfüllt.

18. Der Anwendungsbereich des BerlLadÖffG ist hinsichtlich des Einzelhandelsbetriebs der Antragstellerin grundsätzlich eröffnet. Das BerlLadÖffG regelt nach seinem § 1 die Ladenöffnungszeiten von gewerblichen Anbietern sowie damit zusammenhängend die Beschäftigung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Verkaufspersonal in Verkaufsstellen des Einzelhandels. Darunter fallen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 BerlLadÖffG Ladengeschäfte aller Art und so auch dasjenige der Antragstellerin. Gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 BerlLadÖffG müssen Verkaufsstellen grundsätzlich an Sonn- und Feiertagen geschlossen sein. Indem die Antragstellerin ihren Einzelhandelsbetrieb in der Vergangenheit sonntags insgesamt geöffnet gehalten hat, hat sie gegen dieses Sonntagsöffnungsverbot verstoßen.

19. Die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg auf die hier allein in Betracht kommende Ausnahme nach § 5 Nr. 2 BerlLadÖffG berufen. Danach dürfen Tankstellen für das Anbieten von Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge, soweit dies für die Erhaltung oder Wiederherstellung der Fahrbereitschaft notwendig ist, sowie für das Anbieten von Betriebsstoffen und von Reisebedarf auch an Sonn- und Feiertagen und am 24. Dezember geöffnet sein. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, denn die Antragstellerin betreibt keine Tankstelle.

20. Dabei bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob eine Ladestation für E-Fahrzeuge dem Begriff der Tankstelle im Sinne der genannten Norm unterfällt, (bejahend zur sächsischen Parallelnorm OLG Dresden, Beschluss vom 5. Dezember 2001 – Ss (OWi) 464/01 –, juris Rn. 38 ff.; offen gelassen vom Sächsischen OVG, Beschluss vom 1. Dezember 2009 – 3 B 561/07 –, juris Rn. 4). Denn abgesehen von rechtlichen Bedenken gegen die Einordnung einer Ladestation für Elektrofahrzeuge als Tankstellenbetrieb (vgl. dazu ausführlich VG Leipzig, Beschluss vom 26. Juni 2018 – 5 L 233/18 –, juris Rn. 32 ff., bestätigt vom Sächsischen OVG, Beschluss vom 14. September 2018 – 3 B 275/18 –, juris Rn. 27 f.) hat die Antragstellerin das gewerbsmäßige Anbieten von Elektrizität für Elektrofahrzeuge nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr stellt sich das Angebot der Antragstellerin, welches sich ausschließlich „kostenfrei“ an „alle L… -Kunden“ richtet, in der Gesamtschau als untergeordnete Nebenleistung zum eigentlichen Betrieb des Supermarkts dar, deren Zielsetzung in erster Linie in der Kundenbindung besteht. Den Betrieb einer Tankstelle hat die Antragstellerin offensichtlich gewerberechtlich nicht angemeldet, und – soweit ersichtlich – wird für diese Dienstleistung weder an Außenflächen des Geschäfts noch auf der Homepage der Antragstellerin (https://l… .berlin) – abgerufen am 3. Juni 2021 – geworben. Das Angebot wird bei objektiver Betrachtung vielmehr erst in dem Moment deutlich, in dem ein Kunde sich bereits auf dem Parkplatz befindet. Der Zugang zu diesem Parkplatz ist zudem mit einer Schranke versehen, wodurch eine Begrenzung des (ohnehin limitierten) Angebots auf die eigenen Kunden des Geschäfts und die geradezu zwingende Verknüpfung des Aufladens mit einem Kaufvorgang nochmals deutlich wird. Das Geschäftskonzept der Antragstellerin kehrt damit das Leitbild, wonach ein Tankvorgang an einer (herkömmlichen) Tankstelle einen Kaufvorgang (bezogen auf ein begrenztes Warensortiment) nach sich zieht, geradezu um. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung zur Frage, ob das aktuell an Sonntagen verkaufte Sortiment der Antragstellerin überdies den in § 2 Abs. 3 BerlLadÖffG definierten Umfang zulässigen Reisebedarfs überschreitet, der sich auf Straßenkarten, Stadtpläne, Zeitungen, Zeitschriften, Reiselektüre, Schreibmaterialien, Andenken, Tabakwaren, Blumen, Reisetoilettenartikel, Bedarf für Reiseapotheken, Verbrauchsmaterial für Film- und Fotozwecke, Tonträger, Spielzeug geringen Wertes, Lebens- und Genussmittel in kleinen Mengen sowie ausländische Geldsorten beschränkt.

21. Das auf Rechtsfolgenseite eröffnete Ermessen hat der Antragsgegner beanstandungsfrei ausgeübt. Denn bei Ermächtigungsgrundlagen zu ordnungs-rechtlichem Einschreiten besteht ein intendiertes Ermessen dahingehend, dass die Behörde im Regelfall einschreiten soll (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. September 2014 – OVG 10 B 5.12 –, juris Rn. 36). Das Ermessen war auch nicht durch Aspekte des Vertrauensschutzes eingeschränkt. Es ist nicht erkennbar, dass der Antragsgegner eine Vertrauensgrundlage bei der Antragstellerin dadurch geschaffen hat, dass der Betrieb der Ladestation über viele Jahre behördlicherseits bekannt gewesen sein soll. Dagegen spricht zudem, dass das Bezirksamt offenbar – wie sich aus dem von der Antragstellerin eingeholten Gutachten der Rechtsanwälte M… vom 1. September 2015 ergibt – die Frage der Sonntagsöffnung zwischen den Beteiligten inmitten stand. Selbst wenn die Behörden den Zustand lange gekannt haben sollte, lässt sich hieraus nicht ableiten, dass gegen eine gesetzlich nicht zulässige Sonntagsöffnung nicht eingeschritten werden wird. Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass die ihrem Geschäft gegenüber liegende A… -Tankstelle ebenfalls Reisebedarf an Sonn- und Feiertagen verkauft, entspricht dies gerade dem genannten gesetzlichen Leitbild. Liegen die Fälle demnach unterschiedlich, kann die Antragstellerin einen Gleichheitsverstoß hier nicht rügen. Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass das Warenangebot, welches Tankstellen im Land Berlin gegenwärtig feilbieten, zuweilen erkennbar über das nach § 2 Abs. 3 BerlLadÖffG allein Zulässige hinausgehen dürfte, was im Einzelfall ebenfalls ein behördliches Einschreiten rechtfertigen mag. Im hiesigen Zusammenhang kann sich die Antragstellerin hierauf aber nicht berufen.

22. II. Soweit sich der Antrag sinngemäß auch auf die Zwangsgeldandrohung bezieht, hat er Erfolg. Insoweit war der Antrag dahingehend auszulegen, dass er sich auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO richtet. Denn Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung, wozu auch die Androhung von Zwangsmitteln zählt, haben kraft Gesetzes (§ 4 Abs. 1 AGVwGO Bln) keine aufschiebende Wirkung. Die Androhung des Zwangsgeldes beruht auf § 8 Abs. 1 Satz 1 VwVfG Bln i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 b), 11, 13 VwVG. Sie widerspricht im konkreten Fall § 13 Abs. 1 Satz 2 VwVG, wonach für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist zu bestimmen ist, innerhalb der der Vollzug dem Pflichtigen billigerweise zugemutet werden kann. Denn der angegriffene Bescheid unterlässt diese Fristsetzung gänzlich.

23. III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes.

Zuletzt aktualisiert am Juli 21, 2021 von eurogesetze

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