Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 6. Senat. Aktenzeichen: OVG 6 S 17/21

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 6. Senat
Entscheidungsdatum: 09.06.2021
Aktenzeichen: OVG 6 S 17/21
ECLI: ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0609.6S17.21.00
Dokumenttyp: Beschluss

Waffenrecht; Widerruf der Waffenbesitzkarte; einstweiliger Rechtsschutz; Beschwerde; persönliche Eignung; Alkoholabhängigkeit; Atemalkoholkontrolle; fachpsychologisches Zeugnis

Leitsatz

Zur Frage der persönlichen Eignung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG im Hinblick auf eine Alkoholabhängigkeit.

Verfahrensgang

vorgehend VG Cottbus, 4. Mai 2021, 3 L 138/21, Beschluss

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 4. Mai 2021 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten der Beschwerde.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 4.750 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Auf der allein maßgeblichen Grundlage des Beschwerdevorbringens ergibt sich kein Grund für eine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses.

2. Die Antragstellerin wendet sich gegen den Widerruf der Waffenbesitzkarte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG und die im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzverfahrens vom Verwaltungsgericht geteilte Einschätzung des Antragsgegners, es seien nachträglich Tatsachen eingetreten, die zu ihrer Versagung hätten führen müssen.

3. Das Verwaltungsgericht hat die waffenrechtlichen Eignungszweifel auf einen Vorfall am 11. Juli 2020 im Zusammenhang mit einer gegen die Antragstellerin gestellten Strafanzeige wegen Bedrohung gestützt. Ein vom Antragsgegner durchgeführter Atemalkoholtest habe bei ihr einen Wert von 2,2 Promille ergeben. Weiter sei es in der Nacht zum 21. Januar 2021 erneut zu einem Polizeieinsatz gekommen, weil die Antragstellerin sich mit einem Messer verletzt und (wahrheitswidrig) behauptet habe, ihr Ex-Lebensgefährte, habe ihr in die Schulter gestochen. Ein bei ihr durchgeführter Atemalkoholtest habe einen Wert von 2,0 Promille ergeben. Damit seien Tatsachen im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG bekannt, die Bedenken gegen die persönliche Eignung der Antragstellerin im Hinblick auf eine Alkoholabhängigkeit begründeten. Nach dem aktuellen Stand der Alkoholforschung deute eine Alkoholkonzentration ab 1,6 Promille auf deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit hin. Die bei der Antragstellerin gemessenen Promillewerte seien zwar nicht belastbar, weil sie durch nicht als sichere Messmethode anerkannte Atemalkoholkontrollen durchgeführt und außerdem nicht dokumentiert worden seien. Selbst wenn man zugunsten der Antragstellerin deutlich unter 2,2 bzw. 2,0 Promille liegende Alkoholkonzentrationen annähme, dürften in Anbetracht ihres „höchst aggressiven Auftretens“ gegenüber den die Anzeige aufnehmenden Polizeibeamten am 11. Juli 2020 und ihrer gegenüber einem Bekannten geäußerten Drohung mit den Worten „Ich mache dich kalt“ hinreichend Anlass zu berechtigten Eignungszweifeln bestehen. Das Beschwerdevorbringen zieht diese Einschätzung nicht durchgreifend in Zweifel.

4. Die Antragstellerin geht davon aus, dass aufgrund der unsicheren Messmethode und der fehlenden Dokumentation der Ergebnisse die beiden Atemalkoholkontrollen im vorliegenden waffenrechtlichen Verfahren nicht verwertbar seien. Dies verkennt den im Waffenrecht anzulegenden Maßstab, bei dem es nicht um Strafverfolgung, sondern um Gefahrenabwehr geht. Zur Annahme von Tatsachen, die die erforderliche persönliche Eignung im Sinne des § 6 WaffG verneinen lassen, bedarf es vorliegend keiner Feststellung der konkreten Blutalkoholkonzentration der Antragstellerin an den fraglichen Tagen. Die beiden gemessenen ganz erheblichen Blutalkoholkonzentrationen deuten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Alkoholgewöhnung der Antragstellerin hin, die den Schluss auf eine bestehende Alkoholproblematik im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, bei dem summarisch, also ohne weitere Sachverhaltsaufklärung nach Aktenlage entschieden wird, rechtfertigen. Umstände, die annehmen ließen, die bei der Antragstellerin durchgeführten Atemalkoholkontrollen seien derart unzuverlässig, dass nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit von einer Alkoholisierung von mindestens 1,6 Promille auszugehen sei, legt die Antragstellerin nicht dar.

5. Der Hinweis der Antragstellerin auf das von ihr vorgelegte fachpsychologische Zeugnis der DEKRA vom 23. September 2020, in dem ausgeführt wird, es bestehe keine Alkoholabhängigkeit und es könne von „derzeit unbedenklichen Trinkgewohnheiten“ ausgegangen werden, führt zu keiner anderen Einschätzung. Die Antragstellerin versäumt es, sich mit der Annahme des Verwaltungsgerichts auseinanderzusetzen, das von ihr vorgelegte Zeugnis sei mangels näherer Angaben bei der der Beurteilung zugrunde liegenden Befunde nicht prüf- und nachvollziehbar. Das Verwaltungsgericht bezieht sich hierzu auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 20. September 2018 – 2 K 11388/17.TR, Rn. 37 bei juris), aus dem u.a. hervorgeht, dass die waffenrechtliche Zuverlässigkeit die Feststellung einer dauerhaften permanenten persönlichen Eignung fordere und es nicht ausreiche, wenn ein Gutachten lediglich belege, dass am Tag der Begutachtung keine Leistungsdefizite im Rahmen der Leistungsüberprüfung vorgelegen hätten. Auf die vom Verwaltungsgericht letztlich offen gelassene, von der Beschwerde als unzutreffend angesehene Erwägung, dass nach § 6 Abs. 2 WaffG in Verbindung mit § 4 Allgemeine WaffG-VO das Gutachten selbst vorzulegen sei und ein fachpsychologisches Zeugnis zur Widerlegung der Zweifel an einer Alkoholsucht nicht ausreiche, kommt es daher letztlich nicht an.

6. Auch der weitere Hinweis auf die von der Antragstellerin zur Akte gereichten Laborbefunde der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. K… vom 9. Februar 2021, wonach anhand der Werte „kein Alkoholmissbrauch bekannt“ sei, führt insoweit ebenfalls nicht weiter. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass die in der Stellungnahme angegebenen Werte nicht erläutert würden und für medizinische Laien unverständlich seien. Auch die Beschwerde trägt hierzu nichts bei.

7. Soweit die Beschwerde sich in ihrem Schwerpunkt gegen die vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss angeführten Aussagen und deren Würdigung von Personen aus dem privaten Umfeld der Antragstellerin zu deren Alkoholsucht wendet und eidesstattliche Versicherungen vorlegt, die die Richtigkeit und Zuverlässigkeit dieser Aussagen widerlegen sollen, verkennt sie, dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf diese Erwägungen nur ergänzend gestützt hat. Selbst wenn man die Würdigung des Verwaltungsgerichts insoweit als durch das Beschwerdevorbringen widerlegt ansähe, wäre dies ohne Auswirkungen auf das Ergebnis.

8. Dass nach der von der Antragstellerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Herrn K… vom 27. Mai 2021 diese am 11. Juli 2020 tatsächlich „nicht konkret“ zu ihm gesagt habe „Ich mache dich kalt“, steht im Widerspruch zu dessen Angaben gegenüber der von ihm an jenem Tag selbst gerufenen Polizei, die von dem seinerzeit anwesenden Zeugen Herrn L…, dem damaligen Ex-Lebensgefährten der Antragstellerin, seinerzeit bestätigt worden waren (vgl. den Bericht über die Ingewahrsamnahme vom 11. Juli 2020, VV Bl. 134 f. sowie die Schilderung im Strafantrag vom 11. Juli 2020, VV Bl. 144).

9. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.

10. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Zuletzt aktualisiert am Juli 20, 2021 von eurogesetze

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