LArbG Berlin-Brandenburg 26. Kammer. Aktenzeichen: 26 Sa 2529/18

Gericht: LArbG Berlin-Brandenburg 26. Kammer
Entscheidungsdatum: 15.06.2021
Aktenzeichen: 26 Sa 2529/18
ECLI: ECLI:DE:LAGBEBB:2021:0615.26SA2529.18.00
Dokumenttyp: Anerkenntnisurteil

Herabsetzung – Festsetzung – Gebührenstreitwert – Weiterbeschäftigungsantrag – Urteilsberichtigung – Rechtskraft – Feststellungsantrag – Rücknahme – Kostenquote

Leitsatz

1. Wird letztinstanzlich einem Hauptantrag stattgegeben, richten sich idR auch die vorinstanzlichen Gebührenstreitwerte nach den Hauptanträgen, und zwar unabhängig davon, ob erstinstanzlich über die – von der Entscheidung über den Hauptantrag (auflösend) abhängigen – Hilfsanträge entschieden worden war, weil eine Vorinstanz den Hauptantrag abschlägig beschieden hatte.(Rn.18)(Rn.27)

2. Das Rechtsmittelgericht kann den erstinstanzlichen Gebührenstreitwert nicht nur herabsetzen, sondern auch erstmals festsetzen, wenn dies bisher noch nicht geschehen war.(Rn.23)

3. Hat das Arbeitsgericht über einen Antrag – hier den Weiterbeschäftigungsantrag – entgegen § 308 ZPO entschieden, ist das Urteil – ohne dass es eines förmlichen Entscheidungsausspruchs bedarf – zu berichtigen, um eine sonst eintretende Rechtskraft auszuschließen (vgl. BAG 15. April 2015 – 4 AZR 796/13, Rn. 23).(Rn.17)

4. Keine Berücksichtigung eines allgemeinen Feststellungsantrags im Rahmen der Kostenquote, wenn er vor der erstinstanzlichen Entscheidung zurückgenommen wird (anders im Fall einer Entscheidung über den allgemeinen Feststellungsantrag: LAG Berlin-Brandenburg 14. Juni 2021 – 26 Sa 603/19 (Bewertung mit 5 vH), ähnlich wie beim Auflösungsantrag.(Rn.20)

Verfahrensgang …
Tenor

I. Auf die Berufung der klagenden Partei wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. November 2018 – 42 Ca 2354/18 – im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als das Arbeitsgericht den Kündigungsschutzantrag abgewiesen hat. Es wird insgesamt klarstellend wie folgt gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 27. Januar 2018 nicht aufgelöst worden ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben der Beklagte 84 vH und die klagende Partei 16 vH zu tragen.

III. Der erstinstanzliche und der zweitinstanzliche Gebührenstreitwert werden auf jeweils 8.874,57 Euro festgesetzt.

IV. Revision und Rechtsbeschwerde werden nicht zugelassen.

Tatbestand

1. Die Parteien haben erst- und zweitinstanzlich mit einem Hauptantrag über die Wirksamkeit einer Kündigung gestritten. Den erstinstanzlich angekündigten allgemeinen Feststellungsantrag hat die klagende Partei vor der Entscheidung zurückgenommen und auch in der Berufungsinstanz nicht mehr gestellt. Mit einem weiteren Hauptantrag hat sie in beiden Instanzen Auskunft darüber begehrt, welchem Betriebsteil sie zugeordnet gewesen und auf wen dieser Betriebsteil übergegangen sei. Außerdem hat die klagende Partei Hilfsanträge gestellt, auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs (als Neumasseverbindlichkeit) und auf Abgabe eines Angebots auf Abschluss eines Fortsetzungsvertrages. Darüber hinaus hat die klagende Partei erstinstanzlich einen Antrag auf Weiterbeschäftigung gestellt. Die klagende Partei hat das Klageziel insoweit mit folgendem Antrag verfolgt:

2. „Für den Fall, dass der Beklagte im Gütetermin nicht zu Protokoll erklärt, dass er die Klagepartei im Falle des Obsiegens in der 1. Instanz bis zur Rechtskraft vertragsgerecht weiter beschäftigt und der Gütetermin erfolglos bleibt, wird folgender Antrag gestellt:

3. 3. Der Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugbegleiterin auf den Mustern der A 320 Familie/A330 im Flugbetrieb der Insolvenzschuldnerin weiter zu beschäftigen.“

4. Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich sämtlicher Anträge abgewiesen. Die klagende Partei hat das Urteil, soweit es den Weiterbeschäftigungsantrag betrifft, mit der Berufung nicht angegriffen.

5. Der Beklagte hat in Bezug auf den Kündigungsschutzantrag in der Berufungsinstanz ein Anerkenntnis abgegeben. Die klagende Partei hat die Berufung hinsichtlich des Auskunftsantrags zurückgenommen.

6. Einen erstinstanzlichen Gebührenstreitwert hat das Arbeitsgericht bisher nicht festgesetzt. Das durchschnittliche Bruttoeinkommen der klagenden Partei betrug 2.535,59 Euro.

7. Von einer weiteren Darstellung des Tatbestands wird abgesehen (§ 313b Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Entscheidungsgründe

8. I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

9. II. Die Berufung ist – soweit zuletzt noch Gegenstand des Verfahrens – begründet. Aufgrund des Anerkenntnisses des Beklagten ist dieser dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen, § 307 Satz 1 ZPO.

10. III. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist wegen eines von Amts wegen zu beachtenden Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO insoweit rechtsfehlerhaft, als es den Weiterbeschäftigungsantrag abgewiesen hat.

11. 1) Der Antragsgrundsatz nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei etwas zugesprochen wird, ohne dass sie dies beantragt hat, sondern auch, wenn ihr ein Anspruch aberkannt wird, den sie nicht zur Entscheidung gestellt hat (vgl. BAG 23. Januar 2019 – 4 AZR 445/17, Rn. 17).

12. 2) Das Arbeitsgericht hat auch über den nur hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag geltend gemachten Weiterbeschäftigungsantrag entschieden. Indem das Arbeitsgericht die Klage diesbezüglich abgewiesen hat, hat es über einen Streitgegenstand entschieden, der nicht zur Entscheidung gestellt war.

13. a) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts ist allerdings bei einem unbedingt formulierten Antrag anzunehmen, dass dieser auch als solcher gewollt ist (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 4. Dezember 2015 – 17 Ta (Kost) 6104/15; 27. Juni 2018 – 26 Ta (Kost) 6092/18). Davon ist auszugehen, wenn zur Begründung ausdrücklich auf die Unbedingtheit hingewiesen wird (so auch BAG 5. Dezember 2019 – 2 AZR 240/19, Rn. 118). Unabhängig davon kann der Antrag immer als unbedingter Antrag angesehen werden, wenn sich die klagende Partei auf einen Widerspruch des Betriebsrats mit den sich aus § 102 Abs. 5 BetrVG ergebenden Rechtsfolgen beruft. In diesem Fall ist die Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag von der Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag nicht abhängig. Anders ist zu entscheiden, wenn sich aus der Klagebegründung Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Weiterbeschäftigungsantrag notwendig von dem Erfolg des Kündigungsschutzantrags abhängig ist und es daher der Sache nach um einen Hilfsantrag geht. Davon kann insbesondere dann ausgegangen werden, wenn der Weiterbeschäftigungsantrag ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch gestützt wird. In diesem Fall wird der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung während eines Kündigungsschutzverfahrens auch regelmäßig als unechter Hilfsantrag für den Fall des Obsiegens mit dem Bestandsschutzantrag ausgelegt, und zwar auch dann, wenn der Formulierung des Antrags der Hilfscharakter nicht unmittelbar zu entnehmen ist (vgl. BAG 7. Mai 2020 – 2 AZR 692/19, Rn. 62). Der Hilfscharakter ergibt sich in diesem Fall schon der Sache nach (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 17. August 2020 – 12 Ta 941/20). Will die klagende Partei in dieser Konstellation ihren Antrag als unbedingten Antrag verstanden wissen, muss sich dies aus der Begründung ergeben. Macht die Partei allerdings deutlich, dass auch vor diesem Hintergrund auf jeden Fall ein unbedingter Antrag gewollt ist, kann nicht unabhängig vom ausdrücklich erklärten Willen der Partei von einem Hilfsantrag ausgegangen werden. Der Umstand, dass ein solches Vorgehen prozesskostenhilferechtlich als mutwillig eingestuft wird (dazu LAG Berlin 29. November 2005 – 17 Ta 1981/05), ist bei der Streitwertbemessung nicht zu berücksichtigen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 6. September 2019 – 26 Ta (Kost) 6012/19, zu II 1 d der Gründe; zum Ganzen: LAG Berlin-Brandenburg 17. Dezember 2020 – 26 Ta (Kost) 6098/20, Rn. 8).

14. Bei der Auslegung eines Klageantrags ist darauf abzustellen, welcher Inhalt ihm unter Berücksichtigung seiner Begründung am Schluss der mündlichen Verhandlung zukommt, die die Grundlage für die Entscheidung über ihn darstellt, hier also am Schluss der Verhandlung vom 8. November 2018.

15. b) Hier ist bereits der Antragstellung zu entnehmen, dass der Antrag auf Weiterbeschäftigung unter der auflösenden Bedingung stehen sollte, dass dem Kündigungsschutzantrag nicht stattgegeben werde.

16. Der Weiterbeschäftigungsantrag wurde hilfsweise für den Erfolg des Kündigungsschutzantrags gestellt. Zwar enthält der Wortlaut des Antrags zu 3) für sich genommen keinen Hinweis auf ein Hilfsverhältnis. Der Klageschrift ist jedoch eindeutig zu entnehmen, dass die klagende Partei eine Verurteilung zur Beschäftigung nur für den Fall des Erfolges mit ihrer Bestandsstreitigkeit begehrte. So sollte über den Weiterbeschäftigungsantrags nur entschieden werden, wenn der Beklagte nicht in der (erfolglosen) Güteverhandlung erkläre, die klagende Partei werde „im Falle des Obsiegens in der ersten Instanz bis zur Rechtskraft vertragsgerecht weiter beschäftigt“. Die klagende Partei begehrte danach im Falle des Fehlens der Erklärung in der Güteverhandlung die Verurteilung zur vorläufigen Weiterbeschäftigung nur für den Fall des Erfolges mit dem Kündigungsschutzantrag. Folgerichtig hat die klagende Partei zur Begründung des Weiterbeschäftigungsantrags „auf die Rechtsprechung des BAG verwiesen“, die regelmäßig eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur vorläufigen Beschäftigung während eines Kündigungsschutzprozesses nur für den Fall eines erstinstanzlichen Obsiegens mit dem Bestandsschutzantrag vorsieht. Eine Erklärung der klagenden Partei, sie verfolge einen Weiterbeschäftigungsanspruch nunmehr unbedingt, ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht erfolgt. Insbesondere lässt sich dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht nicht entnehmen, der gestellte Weiterbeschäftigungsantrag solle – zudem entgegen der Kosteninteressen der klagenden Partei – nunmehr als Hauptantrag gestellt werden (vgl. zu einem parallel gelagerten Sachverhalt: LAG Berlin-Brandenburg 27. April 2021 – 17 Ta (Kost) 6033/21; 11. Mai 2021 – 26 Ta (Kost) 6034/21).

17. 3) Das Urteil ist daher – ohne dass es eines förmlichen Entscheidungsausspruchs bedurfte – zu berichtigen, um eine sonst eintretende Rechtskraft auszuschließen (vgl. BAG 15. April 2015 – 4 AZR 796/13, Rn. 23).

18. IV. Die Kostenentscheidung war entsprechend dem Anerkenntnis unter Berücksichtigung der Berufungsrücknahme zu treffen. Dabei war über die Hilfsanträge nicht zu entscheiden (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG). Daher waren die Gebührenstreitwerte für die Vorinstanzen neu festzusetzen und auf der Grundlage dieser Werte die Kostenquoten für die Instanzen zu ermitteln.

19. 1) In der Berufungsinstanz ist der Beklagte hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags unterlegen. Insoweit hat er die Kosten zu tragen. Die klagende Partei hat die Kosten zu tragen, soweit sie die Berufung hinsichtlich des weiteren Hauptantrags (Auskunftsantrag) zurückgenommen hat.

20. 2) Die Entscheidung über die erstinstanzlichen Kosten beruht auf dem Unterliegen des Beklagten in Bezug auf den Kündigungsschutzantrag und dem Unterliegen der klagenden Partei hinsichtlich des Auskunftsantrags. Insoweit ergeben sich keine Unterschiede zur Bewertung für die Berufungsinstanz. Der Weiterbeschäftigungsantrag bleibt für die Kostenquote aus den Gründen unter III. ohne Bedeutung. Der allgemeine Feststellungsantrag hat den Streitwert nicht erhöht und ist hier angesichts der erstinstanzlichen Klagerücknahme auch nicht zur Entscheidung angefallen. Einer Quotenbildung bedurfte es daher nicht.

21. 3) Die Kammer ist bei der Festlegung der Gebührenstreitwerte für beide Instanzen jeweils von einem Streitwert in Höhe von dreieinhalb Bruttoeinkommen ausgegangen. Die Streitwerte werden entsprechend festgesetzt, was in der Entscheidung zulässig ist, da die Entscheidung wegen des Anerkenntnisses durch den Vorsitzenden allein erfolgt.

22. a) Der Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz beträgt dreieinhalb durchschnittliche Bruttoeinkommen. Der Kündigungsschutzantrag war dabei mit einem Vierteljahreseinkommen zu bewerten und der Auskunftsantrag mit einem halben Bruttoeinkommen. Die Hilfsanträge haben den Streitwert nicht erhöht, da über sie nicht entschieden worden ist (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 2. Juni 2020 – 26 Ta (Kost) 6036/20).

23. b) Der Gebührenstreitwert wird auch für die erste Instanz festgesetzt. Das ist unabhängig davon möglich, dass eine Festsetzung durch das Arbeitsgericht bisher nicht erfolgt ist.

24. aa) § 63 Abs. 3 GKG sieht für den Fall, dass das Arbeitsgericht bereits eine Entscheidung über den Streitwert getroffen hat, für die Rechtsmittelinstanz ausdrücklich die Möglichkeit einer Korrektur vor. Ob auch eine erstmalige Festsetzung des Streitwerts durch das die Kostenentscheidung treffende Rechtsmittelgericht möglich ist, wird unterschiedlich beantwortet. Während durch die Rechtsprechung ganz überwiegend (vgl. OLG Celle 24. April 2002 – 13 U 150/00, Rn. 2, im Anschluss an OLG Hamburg 21. April 1958 – 1 U 38/56; BSG 5. Oktober 2006 – B 10 LW 5/05 R, Rn. 23; OVG Lüneburg 29. April 2015 – 1 ME 43/15, Rn. 10; BayrVGH 2. Oktober 2017 – 10 CE 17.1491, Rn. 7, jeweils mwN) und teilweise auch in der Literatur (so zB BeckOK KostR/Jäckel, 32. Ed. 1.1.2021, GKG § 63 Rn. 16; BDZ/Dörndorfer, 4. Aufl. 2019, GKG § 63 Rn. 5) eine entsprechende Anwendung der Vorschrift für diese Konstellation bejaht wird, lehnt dies heute noch ein Teil der Literatur (so NK-ArbR/Stefan Müller, GKG § 63 Rn. 12; Hartmann/Toussaint, Kostengesetze, 49. Aufl. 2019 GKG § 63 Rn 35, der allerdings unter Rn. 41 auch einen logischen Vorrang der Wertfestsetzung vor einer wertabhängigen Kostengrundentscheidung erkennt) im Hinblick auf einen Instanzverlust ab.

25. Die Kammer schließt sich der zuerst genannten Auffassung an. Durch § 63 Abs. 3 GKG soll das Rechtsmittelgericht es auch sicherstellen können, dass nicht aufgrund einer von seiner Auffassung abweichenden Festsetzung des Streitwerts seitens der unteren Instanz eine andere Verteilung der Kostenlast herbeigeführt wird, als sie sich bei einer abweichenden Rechtsauffassung hinsichtlich des Streitwerts durch das Rechtsmittelgericht ergibt. Die rechtskräftige Kostengrundentscheidung des Rechtsmittelgerichts ist nach späterer abweichender Entscheidung über den Streitwert durch die Vorinstanzen nicht mehr abänderbar (ständ. Rspr., vgl. nur BGH 17. November 2015 – II ZB 20/14, Rn. 15). Es handelt sich um die praktischere und der Intention des Gesetzgebers eher gerecht werdende Lösung. Dem Interesse der Parteien an einer im Ergebnis richtigen Entscheidung über den erstinstanzlichen Streitwert kann durch Gewährung rechtlichen Gehörs Rechnung getragen werden.

26. bb) Entsprechend wird der Gebührenstreitwert für die Vorinstanz festgesetzt. Auf der Grundlage dieses Streitwerts ist die Kostenquote ermittelt worden. Der Kündigungsschutzantrag war dabei mit einem Vierteljahreseinkommen zu berücksichtigen und der Auskunftsantrag mit einem halben Bruttoeinkommen, der allgemeine Feststellungsantrag hat den Streitwert nicht erhöht. Die Hilfsanträge, darunter der Weiterbeschäftigungsantrag, waren bei der Berechnung des Streitwerts nicht zu berücksichtigen.

27. (1) Auf den erstinstanzlichen Gebührenstreitwert wirken sich die (echten) Hilfsanträge nicht aus. Die Gebührenstreitwerte richten sich auch insoweit nach den Hauptanträgen, und zwar unabhängig davon, dass erstinstanzlich auch über die Hilfsanträge entschieden worden ist. Die Frage ist allerdings umstritten (vgl. dazu ausführlich Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, S. 254 ff.). Sowohl das BAG (21. Januar 2021 – 6 AZR 126/20; 21. Januar 2021 – 6 AZR 121/20; 17. Dezember 2015 – 2 AZR 304/15, Rn. 30) als auch der BGH (13. September 2016 – VII ZR 17/14, Rn. 18, mwN) haben sich der auch hier vertretenen Auffassung angeschlossen, wonach es letztlich nicht entscheidend darauf ankommt, inwieweit in den Instanzen Arbeit aufgewandt worden ist, um zu einem (aus Sicht der letzten Instanz unrichtigen) Ergebnis zu gelangen. Maßgeblich ist das endgültige Unterliegen und Obsiegen der Parteien. Wie sich auch aus der Wertung des § 30 GKG ergibt, soll die durch die gerichtliche Entscheidung begründete Kostentragungspflicht erlöschen, soweit die Entscheidung durch eine andere gerichtliche Entscheidung aufgehoben oder abgeändert wird. Hat das Gericht falsch entschieden, soll das bei den echten Hilfsanträgen nicht zu einer Kostenbelastung führen (zutreffend: Frank, aaO, S. 254 ff.; LAG Berlin-Brandenburg 31. Mai 2021 – 26 Ta (Kost) 6058/21).

28. (2) Das gilt hier auch für den Weiterbeschäftigungsantrag. Der Umstand, dass das Arbeitsgericht entgegen § 308 ZPO über den unechten Hilfsantrag entschieden hat, bewirkt nicht seine Berücksichtigung im Rahmen der Streitwertbemessung. Überschreitet das Gericht den gestellten Antrag in der irrigen Annahme, sich noch in dessen Rahmen zu halten, so ist für den Streitwert nicht die irrtümliche Entscheidung des Gerichts, sondern der Antrag der Partei maßgebend. Wäre für die Streitwertfestsetzung statt der Anträge der Umfang der ergangenen Entscheidung ausschlaggebend, so wären die Parteien uU zur Anfechtung der Entscheidung allein aus kostenrechtlichen Gründen gezwungen (vgl. BGH 27. September 1973 – VII ZR 10/72, zu II 2 a der Gründe; Schneider, MDR 1971, 437, 438; Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, 1986, S. 31). Für die Wertberechnung ist gemäß § 40 GKG die Antragstellung und nicht eine – zu Unrecht ergangene – gerichtliche Entscheidung maßgebend. Die klagende Partei muss nicht Gerichtsgebühren für eine Entscheidung tragen, die sie nicht zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemacht hat (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 27. April 2021 – 17 Ta (Kost) 6033/21; 11. Mai 2021 – 26 Ta (Kost) 6034/21).

29. V. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision oder der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Zuletzt aktualisiert am Juli 19, 2021 von eurogesetze

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