VG Berlin 17. Kammer. Aktenzeichen: 17 L 225/21

Gericht: VG Berlin 17. Kammer
Entscheidungsdatum: 23.06.2021
Aktenzeichen: 17 L 225/21
ECLI: ECLI:DE:VGBE:2021:0623.17L225.21.00
Dokumenttyp: Beschluss

Tenor

1. Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller

in Bezug auf die Zuständigkeitsbereiche der Bezirksämter Pankow, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Tempelhof-Schöneberg gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a BlnTSVKG von Amts wegen rechtzeitig bei der Vorbereitung von Verwaltungsvorschriften im Bereich des Tierschutzes Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben;

in Bezug auf die Zuständigkeitsbereiche der Bezirksämter Pankow, Lichtenberg und Tempelhof-Schöneberg gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b BlnTSVKG von Amts wegen rechtzeitig vor der Erteilung von Erlaubnissen nach § 11 Abs. 1 TierSchG Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben;

in Bezug auf die Zuständigkeitsbereiche der Bezirksämter Pankow, Lichtenberg und Tempelhof-Schöneberg gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG auf Antrag in allen weiteren Angelegenheiten nach dem Tierschutzgesetz mit Ausnahme von Strafverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben sowie

in Bezug auf die Zuständigkeitsbereiche der Bezirksämter Pankow, Lichtenberg und Tempelhof-Schöneberg gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 BlnTSVKG Auskunft über die Anzahl und den jeweiligen Gegenstand einschließlich Geschäftszeichen der laufenden Verfahren nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG zu erteilen.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes wird auf 30.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1. Der Antragsteller ist eine als verbandsklageberechtigt anerkannte Tierschutzorganisation und macht mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gesetzliche Mitwirkungsrechte nach dem Gesetz über die Mitwirkungs- und Klagerechte von anerkannten Tierschutzorganisationen im Land Berlin (Tierschutzverbandsklagegesetz Berlin – BlnTSVKG) geltend.

2. Mit Schreiben vom 19. Januar 2021 wendete sich der Antragsteller an die Berliner Bezirksämter und die Senatsverwaltung, stellte sich als anerkannte Tierschutzorganisation vor und teilte eine E-Mail-Adresse mit, über welche ihm Gelegenheit zur Stellungnahme in bestimmten tierschutzrechtlichen Erlaubnisverfahren gegeben werden könne. In dem Schreiben stellte der Antragsteller zudem einen Antrag auf Auskunft über alle bei den Bezirksämtern laufenden Verfahren nach dem Tierschutzgesetz (TierSchG).

3. In der Folgezeit erteilten das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin sowie eine Reihe von Bezirksämtern in unterschiedlichem Umfang Auskünfte und beteiligten den Antragsteller an tierschutzbezogenen Verfahren. Die Bezirksämter Pankow von Berlin (im Folgenden Bezirksamt Pankow), Marzahn-Hellersdorf von Berlin (im Folgenden Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf), Lichtenberg von Berlin (im Folgenden Bezirksamt Lichtenberg) und Tempelhof-Schöneberg von Berlin (im Folgenden Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg) erteilten die vom Antragsteller begehrten Auskünfte auch auf erneute Aufforderung hin nicht und gaben auch keine Gelegenheit zur Stellungnahme in laufenden Rechtsetzungs- und Verwaltungsverfahren.

4. Am 2. März 2021 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Berlin Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Durchsetzung der von ihm geltend gemachten Mitwirkungsrechte nach dem BlnTSVKG gestellt. Im Verlaufe des Eilverfahrens haben die betreffenden Bezirksämter in unterschiedlichem Umfang Auskünfte über bei ihnen laufende Verfahren nach dem TierSchG erteilt und zum Teil erklärt, dem Antragsteller von Amts wegen Gelegenheit zu Stellungnahme vor der Erteilung von Erlaubnissen sowie auf Antrag in weiteren Verfahren nach dem TierSchG zu geben.

5. Der Antragsteller trägt vor, die durch die Bezirksämter erteilten Auskünfte über laufende Verfahren nach dem TierSchG seien teilweise unvollständig. Zudem bestehe die Befürchtung, dass die Bezirksämter nicht in sämtlichen Verfahren, für welche das BlnTSVKG Stellungnahmerechte vorsehe, diese auch tatsächlich einräumten. Ohne die begehrten Auskünfte und Gelegenheiten zur Stellungnahme habe er keine Möglichkeit, die Maßnahmen der betreffenden Bezirksämter in deren tierschutzbezogenen Verfahren auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls im Interesse der betroffenen Tiere Einwände zu erheben. Es drohe daher ein Vollzug behördlicher Maßnahmen und der Erlass von Verwaltungsakten unter Vorenthaltung der gesetzlich vorgesehenen Mitwirkungsbefugnisse. Jedenfalls mit Eintritt der Bestandskraft seien etwaige Verwaltungsakte, die ohne seine Mitwirkung erlassen würden, von ihm auch nicht mehr mit Rechtsbehelfen angreifbar. Hierdurch würden seine Mitwirkungsrechte in den betreffenden Verfahren endgültig vereitelt, was schwere und unzumutbare Nachteile für die betroffenen Tiere mit sich bringen könne.

6. Das Recht zur Stellungnahme beziehe sich unter anderem auf sämtliche Verwaltungsvorschriften im Bereich des Tierschutzes und nicht nur auf Ausführungsvorschriften von gesamtstädtischer Bedeutung. Insofern stehe ihm auch ein Rechtschutzbedürfnis zur Durchsetzung seines Anspruchs zur Seite, da ihm Gelegenheit zur Stellungnahme auch ohne vorherigen Antrag von Amts wegen einzuräumen sei.

7. Die Stellungnahmerechte sowie der entsprechende Auskunftsanspruch bezögen sich auf sämtliche laufenden Verfahren, nicht nur solche, die nach dem Zeitpunkt seiner Anerkennung als verbandsklageberechtigte Tierschutzorganisation eröffnet worden seien. Dies umfasse auch Ordnungswidrigkeitenverfahren, für welche der Landesgesetzgeber im Rahmen seiner eigenen Gesetzgebungskompetenz Mitwirkungsrechte von Tierschutzorganisationen eingeführt habe. An einer Verweigerung der begehrten Auskünfte hätten weder die Bezirksämter noch die betroffenen Tierhalter ein schützenswertes Interesse.

8. Der Antragsteller beantragt zuletzt,

9. den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm

10. 1. in Bezug auf die Zuständigkeitsbereiche der Bezirksämter Pankow, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Tempelhof-Schöneberg gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a BlnTSVKG von Amts wegen rechtzeitig bei der Vorbereitung von Verwaltungsvorschriften im Bereich des Tierschutzes Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben;

11. 2. in Bezug auf die Zuständigkeitsbereiche der Bezirksämter Pankow, Lichtenberg, Tempelhof-Schöneberg und Marzahn-Hellersdorf gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b BlnTSVKG von Amts wegen rechtzeitig vor der Erteilung von Erlaubnissen nach § 11 Abs. 1 TierSchG Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben;

12. 3. in Bezug auf die Zuständigkeitsbereiche der Bezirksämter Pankow, Lichtenberg und Tempelhof-Schöneberg gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG auf Antrag in allen weiteren Angelegenheiten nach dem TierSchG mit Ausnahme von Strafverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben,

13. 4. in Bezug auf die Zuständigkeitsbereiche der Bezirksämter Pankow, Lichtenberg und Tempelhof-Schöneberg unverzüglich Auskunft über alle bei den dortigen Bezirksämtern am 19. Januar 2021 bereits laufenden und seitdem bis zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung neu hinzukommenden Verfahren i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG unter Angabe der Anzahl und des jeweiligen Gegenstands einschließlich Geschäftszeichen der jeweiligen Verfahren zu erteilen.

14. Der Antragsgegner beantragt,

15. den Antrag abzulehnen.

16. Er meint, der Antrag zu 1) sei bereits unzulässig, da die im BlnTSVKG genannten Verwaltungsvorschriften lediglich Ausführungsvorschriften von gesamtstädtischer Bedeutung erfassten, für deren Erlass die Bezirksämter nicht zuständig seien. Dem Antragsteller fehle insoweit auch das Rechtsschutzbedürfnis, weil er seinen Antrag auf Mitwirkung erst mit Schreiben vom 22. Februar 2021 gestellt und dort eine zu kurze Frist zur Umsetzung gesetzt habe.

17. Zu den Anträgen zu 2) bis 4) erklärt er, sie seien durch die während des Eilverfahrens von einigen Bezirksämtern abgegeben Erklärungen und erteilten Auskünfte teilweise erledigt, im Übrigen seien sie unbegründet. Das BlnTSVKG sei bereits nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, da im Gesetzgebungsverfahren der hierdurch verursachte Verwaltungsmehraufwand nicht angemessen berücksichtigt worden sei. Die Umsetzung des BlnTSVKG verzögere sich wegen Rechtsunsicherheiten und unzureichender personeller Ausstattung der Bezirksämter. Durch die Beteiligung des Antragstellers als einer in der Öffentlichkeit als militant wahrgenommenen Organisation entstünden Zweifel an der Neutralität behördlichen Handelns. Dritten drohe durch die Auskunft über laufende Verfahren bzw. Akteneinsicht eine Verletzung ihrer Datenschutzinteressen. Der Antragsteller erfülle nicht die Voraussetzungen für eine Anerkennung als verbandsklageberechtigte Tierschutzorganisation. Jedenfalls seien Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht von dem Auskunftsrecht erfasst. Der Landesgesetzgeber sei zur Regelung von Stellungnahmerechten anerkannter Tierschutzorganisationen in Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht ermächtigt. Es drohe dem Antragsteller auch keine endgültige Vereitelung von Mitwirkungsrechten, weil sich die Bezirksämter nicht weigerten, die im BlnTSVKG festgeschriebenen Rechte umzusetzen, sondern lediglich sicherstellen wollten, dass dies in einem rechtssicheren Verfahren geschehe, wofür mehr Zeit benötigt werde, als der Antragsteller eingeräumt habe.

18. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

II.

19. Die Anträge haben Erfolg.

20. Mit dem am 1. September 2020 in Berlin in Kraft getretenen BlnTSVKG wird anerkannten Tierschutzorganisationen das Recht eingeräumt, an Verfahren im Bereich des Tierschutzes mitzuwirken und Maßnahmen der Behörden des Landes Berlin oder deren Unterlassen gerichtlich auf die Vereinbarkeit mit den Bestimmungen des TierSchG überprüfen zu lassen, ohne selbst in eigenen Rechten verletzt zu sein (§ 1 BlnTSVKG). Die Anerkennung als verbandsklageberechtigte Tierschutzorganisation erfolgt durch die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung nach den Kriterien des § 2 Abs. 1 BlnTSVKG. Anerkannten Tierschutzorganisationen werden in § 3 BlnTSVKG Mitwirkungsrechte an Rechtsetzungs- und weiteren Verfahren auf dem Gebiet des Tierschutzes eingeräumt. Nach § 3 Abs. 1 BlnTSVKG ist ihnen insbesondere von Amts wegen rechtzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben bei der Vorbereitung von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften im Bereich des Tierschutzes (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a BlnTSVKG) und vor Erteilung von Erlaubnissen nach § 11 Abs. 1 TierSchG (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b BlnTSVKG). Auf Antrag ist zudem Gelegenheit zur Stellungnahme zu allen weiteren Verfahren nach dem Tierschutzgesetz, mit Ausnahme von Strafverfahren, zu erteilen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG) und hierfür auf Antrag innerhalb von zwei Wochen Auskunft über Anzahl und Gegenstand einschließlich Geschäftszeichen der betreffenden Verfahren zu geben (§ 3 Abs. 2 Satz 1 BlnTSVKG). Die anerkannten Tierschutzorganisationen haben überdies Anspruch auf Akteneinsicht innerhalb von zwei Wochen in sämtliche Verfahren, in welchen ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 3 Abs. 1 BlnTSVKG gewährt wurde (§ 3 Abs. 2 Satz 2 BlnTSVKG).

21. 1. Der Eilantrag zu 1), mit welchem der Antragsteller die Verpflichtung der im Rubrum genannten Bezirksämter begehrt, ihm von Amts wegen rechtzeitig bei der Vorbereitung von Verwaltungsvorschriften im Bereich des Tierschutzes Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ist zulässig und begründet.

22. a) Der Eilantrag zu 1) ist auf schlichtes Verwaltungshandeln gerichtet, zu dessen Durchsetzung im einstweiligen Rechtschutz die Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vorgesehen ist.

23. Dem Antragsteller steht auch ein Rechtschutzbedürfnis hinsichtlich des Eilantrages zu 1) zur Seite.

24. Dabei kann offenbleiben, ob der Antragsteller sein Ziel der Einräumung der Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a BlnTSVKG auch durch einen Antrag hätte verfolgen können, welcher auf das Ergreifen von Aufsichtsmaßnahmen der Senatsverwaltung gegen die im Rubrum genannten Bezirksämter gerichtet ist, um auf diesem Wege einen einheitlichen Vollzug des BlnTSVKG im Land Berlin zu erzwingen (vgl. zur Klage auf Aufsichtsmaßnahmen der übergeordneten Behörde Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. Februar 2018 – 5 S 1659/17 –, Rn. 24, juris). Jedenfalls kann es dem Antragsteller nicht verwehrt sein, die von ihm behaupteten Ansprüche gegenüber den zur Anwendung des § 3 BlnTSVKG berufenen Bezirksämtern direkt geltend zu machen, um damit sein Rechtschutzziel auf dem kürzesten Wege zu erreichen.

25. Der Antragsteller hat sich mit den im Eilverfahren verfolgten Anliegen an die Bezirksämter gewandt, bevor er um gerichtlichen Rechtschutz nachgesucht hat. Mit Schreiben vom 19. Januar 2021 hat er sich bei den Bezirksämtern als anerkannte Tierschutzorganisation vorgestellt und zum Ausdruck gebracht, von der von Amts wegen einzuräumenden Gelegenheit zu Stellungnahme in Verfahren nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b BlnTSVKG Gebrauch machen zu wollen. Stellungnahmerechte nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a BlnTSVKG hat er mit Schreiben vom 22. Februar 2021 geltend gemacht. Zum Zeitpunkt der Beantragung des gerichtlichen Eilrechtsschutzes am 2. März 2021 hatten die Bezirksämter auf diese Schreiben des Antragstellers entweder gar nicht reagiert (so die Bezirksämter Marzahn-Hellersdorf und Tempelhof-Schöneberg), eine unverzügliche Beantwortung zugesagt, die dann aber nicht erfolgte (so das Bezirksamt Lichtenberg) oder es wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass zunächst eine interne Prüfung und Etablierung eines „rechtssicheren Arbeitsablaufs“ zum BlnTSVKG erfolgen müsse, bevor seine Anträge beschieden werden könnten (so das Bezirksamt Pankow). In allen Fällen konnte der Antragssteller nicht damit rechnen, dass ihm zeitnah das begehrte Mitwirkungsrecht bei der Vorbereitung von Verwaltungsvorschriften durch die betreffenden Bezirksämter eingeräumt würde.

26. Anders als der Antragsgegner vorträgt, hat der Antragsteller hinsichtlich des Eilantrages zu 1) auch nicht verfrüht um gerichtlichen Rechtschutz nachgesucht. Er war nicht gehalten, den Bezirksämtern eine längere Frist zur Einräumung der begehrten Mitwirkungsrechte einzuräumen. Spätestens mit dem Vorstellungsschreiben vom 19. Januar 2021 war den betreffenden Bezirksämtern bekannt, dass der Antragsteller Mitwirkungsrechte nach dem BlnTSVKG geltend macht. Dass der Antragsteller im Vorstellungsschreiben ausdrücklich nur Stellungnahmerechte nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b BlnTSVKG erwähnte, bedeutet nicht, dass die Bezirksämter sich ab diesem Zeitpunkt nicht auch mit den weiteren Mitwirkungsrechten nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlnTSVKG zu befassen hatten, da diese nach dem Gesetzeswortlaut von Amts wegen einzuräumen sind. Die mit Schreiben vom 22. Februar 2021 durch den Antragsteller eingeforderte Beteiligung an Verfahren nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a BlnTSVKG konnte die Bezirksämter daher nicht unvorbereitet treffen und die vom Antragsteller gesetzte Frist bis zum 28. Februar 2021 war vor diesem Hintergrund nicht unangemessen kurz.

27. Jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, mehr als fünf Monate nach dem Vorstellungschreiben vom 19. Januar 2021, hatte der Antragsgegner genügend Zeit, dem Antragsteller die begehrten Mitwirkungsmöglichkeiten einzuräumen.

28. b) Der Eilantrag zu 1) ist auch begründet.

29. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn diese Regelung notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen sicherungsfähigen Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) voraus. Die tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen eines zu sichernden Rechts und die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung. Maßgeblich sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

30. Dem Wesen und Zweck des Verfahrens nach § 123 Abs. 1 VwGO entsprechend, kann das Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und nicht schon das gewähren, was Ziel eines entsprechenden Hauptsacheverfahrens wäre. Eine solche grundsätzlich unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache ist mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes ausnahmsweise dann geboten, wenn ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Rechtsschutzsuchenden schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Oktober 2017 – OVG 3 S 84.17 –, Rn. 2, juris).

31. (1) Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch hinsichtlich des Eilantrages zu 1) glaubhaft gemacht.

32. Die Kammer hat nach summarischer Prüfung keine Zweifel an der Vereinbarkeit des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a BlnTSVKG mit höherrangigem Recht.

33. Entgegen dem Vortrag des Bezirksamts Pankow wurden die Bedenken der Bezirke gegen das BlnTSVKG und insbesondere hinsichtlich des zu erwartenden Verwaltungsmehraufwands in der Beschlussvorlage des Senats zum BlnTSVKG zum Berliner Abgeordnetenhaus ausdrücklich angesprochen (Abgh.-Drs. 18/2229, Seite 18 ff.), sodass insoweit keine Zweifel am ordnungsgemäßen Zustandekommen des Gesetzes bestehen.

34. Hinsichtlich der von den Bezirksämtern geltend gemachten organisatorischen Schwierigkeiten bei der Umsetzung der dort normierten Mitwirkungsrechte ist bereits nicht zu erkennen, inwieweit diesbezüglich durch höherrangiges Recht geschützte Rechtspositionen verletzt sein könnten. Die Behörden des Landes Berlin können sich auf eine unzureichende Ausstattung zur Umsetzung des Landesrechts nicht berufen.

35. Ebenfalls rechtlich ohne Belang ist der Einwand, durch die Beteiligung des Antragstellers als einer in der Öffentlichkeit als militant wahrgenommenen Organisation entstünden Zweifel an der Neutralität behördlichen Handelns. Dies umso mehr, als allein die Einräumung von Stellungnahme- und Auskunftsrechten für den Antragsteller die behördliche Entscheidungskompetenz des Antragsgegners unangetastet lässt und der Antragsteller überdies nur eine unter mehreren in Berlin als verbandsklageberechtigt anerkannten Tierschutzorganisationen ist.

36. Die Verletzung von durch höherrangiges Recht, insbesondere durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten Datenschutzinteressen Dritter droht bei der Gewährung einer Gelegenheit zur Stellungnahme zu behördeninternen Verwaltungsvorschriften nicht, da diese als abstrakte Dienstanweisungen keine sensiblen Daten enthalten.

37. Die einzige Anspruchsvoraussetzung für Mitwirkungsrechte nach § 3 BlnTSVKG ist erfüllt: Beim Antragsgegner handelt es sich um eine anerkannte Tierschutzorganisation im Sinne des § 2 Abs. 1 BlnTSVKG. Er wurde mit Bescheid vom 4… durch die zuständige Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung anerkannt. Die Einwände des Bezirksamtes Pankow, der Antragsteller erfülle nicht die Voraussetzungen für eine solche Anerkennung, sind im hiesigen Verfahren ohne Bedeutung, da sie die Wirksamkeit des Anerkennungsbescheides nicht berühren. Im Übrigen kann sich das Land Berlin als Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller nicht auf die Rechtswidrigkeit eigenen Handelns berufen.

38. Auf der Rechtsfolgenseite des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a BlnTSVKG besteht nach summarischer Prüfung ein Anspruch des Antragstellers auf Gelegenheit zur Stellungnahme bei der Vorbereitung von Verwaltungsvorschriften im Bereich des Tierschutzes (auch) auf bezirklicher Ebene.

39. Die vom Antragsgegner vorgetragene Rechtsauffassung, wonach vom Stellungnahmerecht nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a BlnTSVKG lediglich von der Senatsverwaltung erlassene Verwaltungsvorschriften erfasst seien, überzeugt nicht. Für eine solche Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift finden sich weder im Gesetzeswortlaut noch in den Gesetzgebungsmaterialien irgendwelche Hinweise. Nach dem Wortlaut der Vorschrift bezieht sich das Stellungnahmerecht anerkannter Tierschutzorganisationen auf die Vorbereitung von „Verwaltungsvorschriften im Bereich des Tierschutzes“. Bei dem Begriff „Verwaltungsvorschriften“ handelt es sich um eine Sammelbezeichnung für allgemein gehaltene Anweisungen entweder von einer Behörde gegenüber nachgeordneten Behörden oder innerhalb einer Behörde an die dort tätigen Bediensteten (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 35 Rn. 49). Damit sind auch behördeninterne Anweisungen innerhalb der Bezirksämter vom Wortlaut der Vorschrift mit erfasst.

40. Auch in anderen Vorschriften des Berliner Landesrechts wird der Begriff der „Verwaltungsvorschriften“ in dieser Weise verwendet: So werden im Anhang 1 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Berliner Verwaltung (GGO II) unter „Verwaltungsvorschriften“ explizit solche Anweisungen gezählt, welche sich nur an die eigene Behörde richten (sog. „Geschäftsanweisungen“). Es spricht nichts dafür, dass der Landesgesetzgeber den Begriff der „Verwaltungsvorschrift“ im BlnTSVKG anders und nur auf Anweisungen der Senatsverwaltung bezogen verwenden wollte.

41. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Antragsgegner zitierten § 6 Abs. 1 des Gesetzes über die Zuständigkeit in der allgemeinen Berliner Verwaltung (Allgemeines Zuständigkeitsgesetz – AZG). Nach dieser Vorschrift erlässt der Senat Verwaltungsvorschriften zur Ausführung von Gesetzen (Ausführungsvorschriften) und andere allgemeine Verwaltungsvorschriften für die Behörden und nichtrechtsfähigen Anstalten der Berliner Verwaltung. Anders als der Antragsgegner ausführt, lässt sich § 6 Abs. 1 AZG nicht entnehmen, dass im Land Berlin allein der Senat Verwaltungsvorschriften erlässt. Die Norm regelt lediglich den Erlass von „Verwaltungsvorschriften zur Ausführung von Gesetzen“ und „allgemeinen Verwaltungsvorschriften“, lässt jedoch die Befugnis der Bezirke zum Erlass weiterer Verwaltungsvorschriften für ihre Bediensteten unangetastet.

42. Soweit solche Verwaltungsvorschriften auf bezirklicher Ebene tatsächlich (noch) nicht existieren, lässt dies den mit dem Eilantrag zu 1) geltend gemachten Anspruch des Antragstellers auf die Beteiligung beim Erlass zukünftiger Verwaltungsvorschriften unberührt. Es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen und angesichts des Wortlauts des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a BlnTSVKG vom Landesgesetzgeber offensichtlich auch antizipiert, dass die Berliner Bezirke eigene behördeninterne Geschäftsanweisungen im Bereich des Tierschutzes erlassen werden.

43. (2) Es besteht hinsichtlich des Eilantrags zu 1) auch ein Anordnungsgrund. Die Sache ist eilbedürftig, da eine Nichtbeteiligung des Antragstellers bei der Vorbereitung von Verwaltungsvorschriften auf bezirklicher Ebene im Falle ihres Erlasses vor Abschluss eines etwaigen Hauptsacheverfahrens nicht mehr zu korrigieren ist und das Mitwirkungsrecht des Antragstellers nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a BlnTSVKG insoweit endgültig vereitelt wäre.

44. Eine vorläufige Vorwegnahme der Hauptsache durch Verpflichtung des Antragsgegners auf Einräumung der Gelegenheit zur Stellungnahme bis zu einer etwaigen Hauptsacheentscheidung ist hier zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes im Sinn des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG geboten. Nach dem bisher Ausgeführten geht die Kammer von einer hohen Wahrscheinlichkeit eines Obsiegens des Antragstellers in einem Hauptsacheverfahren aus. Dem Antragsteller drohen ohne die Regelungsanordnung auch unzumutbar schwere, nicht anders abwendbare Nachteile, da er an der Mitwirkung beim Erlass von bezirksinternen Verwaltungsvorschriften gänzlich gehindert wäre. Auf der anderen Seite sind Interessen des Antragsgegners durch die Regelungsanordnung nicht maßgeblich beeinträchtigt: Erlassen die am Verfahren beteiligten Bezirksämter – wie sie vortragen – keine behördeninternen Verwaltungsvorschriften zum Tierschutz, so sind sie durch die Regelungsanordnung nicht beeinträchtigt. Tritt doch ein Fall des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a BlnTSVKG ein, so stellt die Auflage, dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, keine besondere Belastung für den Antragsgegner dar.

45. 2. Auch der Eilantrag zu 2) auf Verpflichtung des Antragsgegners, gemäß § 3 Abs 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b BlnTSVKG rechtzeitig von Amts wegen Gelegenheit zur Stellungnahme in Verfahren nach § 11 Abs. 1 TierSchG zu gewähren, hat Erfolg.

46. a) Der Eilantrag hat sich durch die im Laufe des Eilverfahrens durch die beteiligten Bezirksämter sukzessive erteilten Auskünfte zu Verfahren nach § 11 Abs. 1 TierSchG sowie die durch eines der vier Bezirksämter abgegebene Erklärungen, den Antragsteller auch zukünftig an diesen Verfahren zu beteiligen, nicht erledigt. Insbesondere ist keine Erledigung dadurch eingetreten, dass der Antragsgegner dem Antragsbegehren vollumfänglich nachgekommen wäre. Im Laufe des Eilverfahrens haben zwar sämtliche Bezirksämter Auflistungen bei ihnen noch offener Verfahren nach § 11 Abs. 1 TierSchG übermittelt. Wurde von einzelnen Bezirksämtern zunächst noch die Ansicht vertreten, der Antragsteller sei nur an Verfahren nach § 11 Abs. 1 TierSchG zu beteiligen, welche nach seiner Anerkennung als verbandsklageberechtigter Tierschutzorganisation eröffnet wurden, so haben inzwischen alle Bezirksämter erklärt, dass die von ihnen übermittelten Auskünfte auch offene Verfahren aus dem davorliegenden Zeitraum erfassen.

47. Damit ist jedoch der Antragsteller noch nicht klaglos gestellt. Denn sein Antrag ist auf die Gewährung von Stellungnahmegelegenheiten von Amts wegen für Erlaubnisverfahren gerichtet, welche nach Erlass der Eilentscheidung bis zum Ergehen einer etwaigen Hauptsacheentscheidung abgeschlossen werden. Allein die Übersendung einer Auflistung gegenwärtig offener Verfahren lässt noch nicht den Willen erkennen, den Antragsteller an nach der Eilentscheidung eröffneten und vor einer etwaigen Hauptsacheentscheidung abzuschließenden Verfahren zu beteiligen. Eine Zusage, den Antragsteller zukünftig von Amts wegen an diesen Erlaubnisverfahren mitwirken zu lassen, haben die Bezirksämter Tempelhof-Schöneberg, Pankow und Lichtenberg – anders als das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf – trotz Aufforderung durch den Antragsteller und die Kammer nicht abgegeben. Die Bezirksämter Tempelhof-Schöneberg und Lichtenberg haben die Abgabe einer solchen Erklärung sogar ausdrücklich zum Gegenstand eigener Vergleichsangebote gemacht und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie den Antragsteller insoweit gerade noch nicht klaglos gestellt haben.

48. Der mit dem Eilantrag zu 2) geltend gemachte Anspruch auf Beteiligung an tierschutzrechtlichen Erlaubnisverfahren ist damit noch nicht durch alle am Verfahren beteiligten Bezirksämter erfüllt. Eine Befriedigung der Forderungen des Antragstellers durch einzelne Bezirksämter führt nicht dazu, dass sich der hierauf gerichtete Anordnungsantrag erledigt, solange nicht das Land Berlin insgesamt – also durch sämtliche Bezirke, für welche die Beteiligung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b BlnTSVKG beantragt wurde – den Antragsteller klaglos gestellt hat.

49. b) Der zulässige Eilantrag (siehe auch Ausführungen unter 1.a)) ist begründet.

50. (1) Ein Anspruch auf die mit dem Eilantrag zu 2) geforderte rechtzeitige Gewährung einer Gelegenheit zur Stellungnahme vor Erteilung von Erlaubnissen nach § 11 Abs. 1 TierSchG von Amts wegen ist nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b BlnTSVKG gegeben.

51. Zweifel an der Vereinbarkeit der Vorschrift mit höherrangigem Recht hat die Kammer nach summarischer Prüfung nicht.

52. Es ist nicht ersichtlich, dass durch die Einräumung einer Gelegenheit zur Stellungnahme für den Antragsteller nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b BlnTSVKG Rechte Dritter, insbesondere durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Datenschutzinteressen verletzt würden. Allein die Anzeige eines offenen Erlaubnisverfahrens nach § 11 Abs. 1 TierSchG gegenüber dem Antragsteller berührt noch keine Datenschutzinteressen, da aus der Angabe des Verfahrensgegenstandes und des Geschäftszeichens noch kein Rückschluss auf die Identität desjenigen gezogen werden kann, welcher den Erlaubnisantrag nach § 11 Abs. 1 TierSchG gestellt hat. Auch die Gewährung von Akteneinsicht nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BlnTSVKG, welche in einer Stellungnahme des Antragstellers nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b BlnTSVKG notwendig vorgeschaltet ist, begegnet keinen datenschutzrechtlichen Bedenken. Nach § 3 Abs. 2 Satz 3 BlnTSVKG sind bei der Gewährung von Akteneinsicht die §§ 5–12 des Gesetzes zur Förderung der Informationsfreiheit im Land Berlin (Berliner Informationsfreiheitsgesetz – IFG Bln) entsprechend anzuwenden, wonach Interessen Dritter an der Geheimhaltung ihrer personenbezogenen Daten und dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bei der Gewährung von Akteneinsicht angemessen zu berücksichtigen sind, §§ 6 und 7 Satz 1 IFG Bln. Dem kann durch Schwärzungen in den Akten, in die Einsicht begehrt wird, Rechnung getragen werden. Für seine Anerkennung nach § 2 BlnTSVKG hat sich der Antragsteller überdies verpflichtet, die im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit nach den Vorgaben des BlnTSVKG erhaltenen Informationen ausschließlich zur Wahrnehmung der Rechte nach diesem Gesetz zu verwenden und zu verarbeiten und die Verarbeitung auf das notwendige Maß zu beschränken (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BlnTSVKG). Bei einem Verstoß gegen diese Verpflichtung droht dem Antragsteller der Widerruf seiner Anerkennung, § 2 Abs. 3 Satz 1 BlnTSVKG, sodass sichergestellt ist, dass der Antragsteller die ihm gegenüber offengelegten Daten lediglich zur Ausübung von Stellungnahme- bzw. Klagerechten nach dem BlnTSVKG verwenden wird.

53. Hinsichtlich der weiteren vom Antragsgegner vorgebrachten Einwände gegen die Vereinbarkeit der Vorschrift mit höherrangigem Recht wird zudem auf die Ausführungen unter 1.b) verwiesen.

54. Zur Klarstellung weist die Kammer darauf hin, dass das Recht des Antragstellers auf Stellungnahme nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b BlnTSVKG sich bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage auch auf Erlaubnisverfahren bezieht, welche bereits vor der Anerkennung des Antragstellers als verbandsklageberechtigte Tierschutzorganisation nach § 2 Abs. 1 BlnTSVKG eröffnet wurden. Eine Beschränkung auf Verfahren, welche erst nach diesem Zeitpunkt eröffnet wurden, lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift nicht entnehmen. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, aus welchen der Gesetzgeber die Mitwirkungsmöglichkeit anerkannter Tierschutzorganisationen an „Altverfahren“ hätte ausschließen wollen.

55. (2) Der Antragsteller hat auch hinsichtlich des Eilantrags zu 2) einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Sache ist eilbedürftig, da eine Nichtbeteiligung des Antragstellers in einem Erlaubnisverfahren nach § 11 Abs. 1 TierSchG nicht mehr nachholbar ist, soweit diese Verfahren vor Ergehen einer etwaigen Hauptsacheentscheidung bestandskräftig abgeschlossen werden. Dies betrifft nicht nur die Möglichkeit, zu laufenden Verfahren eine Stellungnahme abzugeben, sondern auch die Entscheidung, ob gegen einen ein Erlaubnisverfahren abschließenden Bescheid gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 BlnTSVKG Feststellungsklage erhoben werden soll. Dies setzt nämlich zunächst voraus, dass der Antragsteller von dem Erlaubnisverfahren erfährt, was nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b BlnTSVKG dadurch geschieht, dass der Antragsgegner den Antragsteller vom betreffenden Verfahren in Kenntnis setzt.

56. Eine partielle Vorwegnahme der Hauptsache durch Verpflichtung des Antragsgegners auf Einräumung der Gelegenheit zur Stellungnahme zumindest bis zu einer Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren war auch hier zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes im Sinne des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG geboten. Nach dem bisher Ausgeführten geht die Kammer von einer hohen Wahrscheinlichkeit eines Obsiegens des Antragstellers in einem Hauptsacheverfahren aus. Dem Antragsteller drohen ohne die Regelungsanordnung auch unzumutbar schwere, nicht anders abwendbare Nachteile, da er anderenfalls an der ihm zustehenden Mitwirkung im Erlaubnisverfahren und der Ausübung seiner ihm in § 4 Abs. 1 BlnTSVK garantierten Rechtsmittel gegen Entscheidungen nach § 11 Abs. 1 TierSchG gänzlich gehindert wäre, soweit diese Verfahren bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens bestandskräftig werden sollten.

57. 3. Ebenfalls erfolgreich ist der Eilantrag zu 3) auf Verpflichtung des Antragsgegners, dem Antragsteller gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG auf Antrag in allen weiteren Verfahren nach den TierSchG, mit Ausnahme von Strafverfahren, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

58. Eine Erledigung der Hauptsache ist im Hinblick auf diesen Eilantrag schon deshalb nicht eingetreten, weil die Bezirksämter Pankow und Tempelhof-Schöneberg ausdrücklich erklärt haben, dem Antragsteller keine Gelegenheit zur Stellungnahme in Ordnungswidrigkeitenverfahren nach dem TierSchG zu geben.

59. a) Der Eilantrag ist zulässig (vgl. auch Ausführungen unter 1.a). Der Antragsteller hat insbesondere auch ein berechtigtes Interesse an gerichtlichem Eilrechtsschutz, obwohl er zum Zeitpunkt des Eingangs des gerichtlichen Eilantrages gegenüber den beteiligten Bezirksämtern noch keine Anträge auf Stellungnahme in Verfahren nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG gestellt hatte.

60. Nach dem im BlnTSVKG vorgesehenen Verfahrensgang kann eine anerkannte Tierschutzorganisation in Fällen, in welchen nicht schon von Amts wegen Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlnTSVKG zu gewähren ist, Auskunft über bei den Bezirksämtern laufende Verfahren nach dem TierSchG beantragen, § 3 Abs. 2 Satz 1 BlnTSVKG. Auf der Grundlage dieser Auskunft kann die Tierschutzorganisation entscheiden, in welchen Verfahren sie Gelegenheit zur Stellungnahme wünscht und diese dann beantragen, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG.

61. Zum Zeitpunkt des Eingangs des Eilantrages bei Gericht hatten die beteiligten Bezirksämter trotz entsprechender Anfrage des Antragstellers noch keine Auskunft über bei ihnen laufende Verfahren nach dem TierSchG erteilt. Da der Antragsteller daher keine Kenntnis über die Verfahren hatte, konnte er zu diesen keine Anträge auf Stellungnahme stellen. Im Verlaufe des Eilverfahrens hat zumindest ein Teil der Bezirksämter deutlich gemacht, anders als vom Antragsteller gefordert, keine Auskunft über Ordnungswidrigkeitenverfahren nach dem TierSchG erteilen zu wollen und dem Antragsteller zu diesen auch keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Angesichts dessen gibt es für den Antragsteller keinen einfacheren und schnelleren bzw. wirksameren Weg, sein Rechtschutzziel zu erreichen, als durch Beantragung einer Verpflichtung des Antragsgegners auf Auskunft über laufende Verfahren (Eilantrag zu 4)) und – zeitgleich – auf Verpflichtung, dem Antragsteller in diesen Verfahren auf Antrag Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (Eilantrag zu 3)). Es ist dem Antragsteller nicht zuzumuten, zunächst einen Anspruch auf Auskunftserteilung über die betreffenden Verfahren nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BlnTSVKG gerichtlich geltend zu machen, um dann nach dessen Durchsetzung das Risiko zu tragen, dass die fraglichen Bezirksämter seine nach der Auskunftserteilung gestellten Anträge auf Stellungnahme zu den fraglichen Verfahren nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG zurückweisen und er erneut um gerichtlichen Rechtschutz nachsuchen muss.

62. b) Der Eilantrag zu 3) ist auch begründet.

63. (1) § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG vermittelt dem Antragsteller einen Anspruch auf die Gewährung einer Gelegenheit zur Stellungnahme in weiteren Verfahren nach dem TierSchG, mit Ausnahme von Strafverfahren, entgegen der Rechtsauffassung einzelner beteiligter Bezirksämter jedoch einschließlich Ordnungswidrigkeitenverfahren nach den TierSchG.

64. Die von den beteiligten Bezirksämtern vorgebrachten Einwände gegen die Vereinbarkeit des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG mit höherrangigem Recht greifen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht durch. Auf die Ausführungen unter 1.b) sowie 2.b) wird verwiesen.

65. Auch Zweifel an der Vereinbarkeit der landesgesetzlichen Vorschrift mit der im Grundgesetz geregelten Aufteilung der Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern führen nicht zur Nichtanwendung der Vorschrift im hiesigen Eilverfahren.

66. Die Feststellung der Unvereinbarkeit eines förmlichen Landesgesetzes mit den Vorschriften des Grundgesetzes ist gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten. Bei förmlichen Gesetzen fehlt den Verwaltungsgerichten zwar nicht die Prüfungskompetenz, sie haben aber keine Verwerfungskompetenz, sondern sind, sofern sie von der Verfassungswidrigkeit der Norm überzeugt sind, zur Vorlage jedenfalls im Hauptsacheverfahren verpflichtet. Ein Fachgericht darf demnach grundsätzlich ein von ihm für verfassungswidrig gehaltenes Gesetz erst dann unangewendet lassen, wenn die Verfassungswidrigkeit vom Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG festgestellt ist. In Eilverfahren gerät die Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG allerdings in Konflikt mit der Pflicht zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann ein Gericht in diesen Fällen trotz Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der streitentscheidenden Vorschrift ohne Vorlage an das Bundesverfassungsgericht vorläufigen Rechtsschutz gewähren, wenn dies im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten erscheint und die Hauptsache dadurch nicht vorweggenommen wird. Das Gericht kann dann auf der Grundlage seiner eigenen Rechtsauffassung über die Vereinbarkeit der anwendbaren Normen mit höherrangigem Recht entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 1992 – 1 BvR 1028/91 –, BVerfGE 86, 382-390, Rn. 29; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15. Dezember 2011 – 2 BvR 2362/11 –, Rn. 5, juris).

67. Mit Blick auf das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts und den darin zum Ausdruck kommenden Grundgedanken, dass die Nichtanwendung von demokratisch zustande gekommenen Gesetzen durch die Gerichte auf zwingende, grundsätzlich von der höchsten gerichtlichen Instanz festzustellende Ausnahmefälle beschränkt sein muss, darf ein Fachgericht im Eilverfahren ein formelles Gesetz nur dann unangewendet lassen, wenn dessen Verfassungswidrigkeit evident ist (VG Berlin, Beschluss vom 30. März 2021 – VG 8 L 201/20 –, Rn. 25, juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 13. September 2017 – 7 ME 77/17 –, Rn. 5, juris m.w.Nw.).

68. Das Stellungnahmerecht anerkannter Tierschutzorganisationen in Verfahren nach dem TierSchG gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG verstößt nicht evident gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes. Dabei geht die Kammer davon aus, dass sowohl nach dem Wortlaut der Vorschrift als auch dem Willen des Landesgesetzgebers Ordnungswidrigkeitenverfahren vom Stellungnahmerecht nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG mit erfasst sind. Dies begründet zwar Zweifel an der Vereinbarkeit der Vorschrift mit der Kompetenzordnung der Art. 72 ff. GG; die Verfassungswidrigkeit der Vorschrift ist jedoch nicht so offenkundig, dass sie im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes unangewendet bleiben dürfte.

69. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG ist anerkannten Tierschutzorganisationen auf Antrag in allen weiteren Verfahren nach dem TierSchG, mit der Ausnahme von Strafverfahren, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Einwand des Antragsgegners, hiervon könnten Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht erfasst sein, weil es sich hierbei nicht um Verwaltungsverfahren im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes handele, überzeugt nicht. Von dem Stellungnahmerecht sind nach dem Wortlaut der Vorschrift Strafverfahren ausdrücklich ausgenommen, woraus sich schlussfolgern lässt, dass der Gesetzgeber mit „Verfahren nach dem TierSchG“ nicht nur Verwaltungsverfahren nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz meint, sondern eben auch Strafverfahren und Bußgeldverfahren. Letztere sind vom Stellungnahmerecht nach dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG nicht ausgenommen. Die Frage, ob anerkannte Tierschutzorganisationen ein Stellungnahmerecht in Ordnungswidrigkeitenverfahren erhalten sollen, wurde überdies in der Beschlussvorlage des Berliner Senats an das Abgeordnetenhaus ausdrücklich aufgegriffen und eine Ausnahme von Ordnungswidrigkeitenverfahren von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG explizit abgelehnt (Abgh.-Drs. 18/2229, Seite 18 und 21, jeweils unter Punkt 9). Es ist mithin davon auszugehen, dass die Abgeordneten eine Erstreckung des Stellungnahmerechts anerkannter Tierschutzorganisationen auf Ordnungswidrigkeitenverfahren nach dem TierSchG gerade beabsichtigten, sodass eine teleologische Reduktion des Wortlauts der Vorschrift auf Verfahren nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz wegen des entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers nicht in Betracht kommt (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 19. Dezember 2007 – 1 BvR 1984/06 –, Rn. 15, juris).

70. Die Kammer hat Zweifel daran, ob der Landesgesetzgeber ermächtigt ist, ein Stellungnahmerecht anerkannter Tierschutzorganisationen in Ordnungswidrigkeitenverfahren nach dem TierSchG einzuführen. Nach wohl allgemeiner Ansicht unterfällt die Regelung des Bußgeldverfahrens als Teil der Strafrechtspflege der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 4. Var. GG (vgl. BeckOK OWiG/Gerhold, 30. Ed. 1.4.2021 Rn. 5, OWiG § 2 Rn. 5 m.w. Nw.; Gassner/Seith, OWiG, Einleitung, Rn. 27). Der dortige Kompetenztitel „gerichtliches Verfahren“ gestattet auch die Regelung solcher Verfahrensabschnitte, die nicht gerichtliches Verfahren im engeren Sinne sind, jedoch ebenfalls eine Anwendung von Unrechts- oder Pflichtwidrigkeitstatbeständen durch eine unabhängige, gerichtsähnliche Instanz darstellen, und erfasst damit namentlich auch das behördliche Bußgeldverfahren (BeckOK OWiG/Gerhold, 30. Ed. 1.4.2021 Rn. 5, OWiG § 2 Rn. 5; Göhler, OWiG, 18. Aufl. 2021, § 2 Rn. 3). Eine Ermächtigung des Landesgesetzgebers zur Ausgestaltung des behördlichen Bußgeldverfahrens kommt daher nur dort in Betracht, wo die durch den Bundesgesetzgeber erlassenen Vorschriften dieses Verfahren nicht abschließend regeln, Art. 72 Abs. 1 GG.

71. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass im Bereich des Tierschutzes Landesbehörden das bundesgesetzliche TierSchG ausführen, ein Fall, in welchem die Länder gemäß Art. 84 Abs. 1 GG grundsätzlich von bundesgesetzlichen Vorgaben abweichende eigene Verfahrensregelungen treffen dürfen. Denn die Zuordnung des behördlichen Ordnungswidrigkeitenverfahrens zum Kompetenztitel „gerichtliches Verfahren“ nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 4. Var. GG ist – entgegen der vom Antragsteller vorgetragenen Rechtsauffassung – insoweit vorrangig (BT-Drs. V/1269, 43; BeckOK OWiG/Gerhold, 30. Ed. 1.4.2021 Rn. 5, OWiG § 2 Rn. 5 m.w.Nw.). Eine Befugnis, von bundesgesetzlichen Verfahrensvorschriften abzuweichen, besteht daher für die Länder nicht.

72. Der Bundesgesetzgeber hat von seiner Ermächtigung zur Regelung des Bußgeldverfahrens durch die Einführung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) Gebrauch gemacht. Der Erlass der dortigen verfahrensrechtlichen Vorschriften wurde seinerzeit ausdrücklich mit einem Bedürfnis für eine bundeseinheitliche Regelung begründet (BT-Drs. V/1269, Seite 44). Das verwaltungsbehördliche Bußgeldverfahren ist im 2. Teil des OWiG detailliert geregelt, im Übrigen verweist § 46 Abs. 1 OWiG auf die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich die Strafprozessordnung (StPO). Diese bundesgesetzlichen Vorschriften über das Bußgeldverfahren sind auch auf Ordnungswidrigkeiten nach dem TierSchG anzuwenden, § 2 OWiG, sodass eine Einführung eigener Verfahrensvorschriften durch die Länder in diesem Rechtsgebiet entgegen der Ansicht des Antragstellers nur dort infrage kommt, wo die bundesgesetzlichen Regelungen nicht abschließend sind.

73. Weder das OWiG noch die StPO sehen eine Stellungnahmemöglichkeit privater Dritter in Bußgeldverfahren vor. Stattdessen regelt § 49 OWiG lediglich ein Akteneinsichtsrecht des Betroffenen, Informations- und Stellungnahmerechte von privaten Dritten findet man im OWiG nicht. Anders als andere Vorschriften des 2. Teils (§§ 36, 90 Abs. 1 und 2, 105 Abs. 2, 110 Abs. 4 OWiG) enthält § 49 OWiG auch keine Vorbehaltsklauseln, welche die Möglichkeit weitergehender landesrechtlicher Regelung ausdrücklich eröffnen würden. Daraus ließe sich die Schlussfolgerung ziehen, dass der Bundesgesetzgeber mit dem OWiG und der StPO das Bußgeldverfahren insoweit abschließend geregelt hat, sodass für ein landesgesetzliches Stellungnahmerecht für Tierschutzorganisationen im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG kein Raum mehr verbleibt.

74. Andererseits erlaubt das OWiG die Anhörung anderer Behörden vor Erlass des Bußgeldbescheides (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 OWiG). Eine solche Anhörung kann auch landesgesetzlich vorgesehen werden (Göhler, OWiG, 18. Aufl. 2021, § 2 Rn. 8). Das OWiG regelt damit die Beteiligung anderer Stellen im behördlichen Bußgeldverfahren nicht abschließend. Es ist damit denkbar, dass die durch die Berliner Senatsverwaltung nach § 2 BlnTSVKG anerkannten Tierschutzorganisationen in das Ermittlungsverfahren landesrechtlich eingebunden werden dürfen.

75. Die Kammer legt ihrer Entscheidung die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG mangels ihrer evidenten Verfassungswidrigkeit zugrunde, auch wenn die Hauptsache mit der getroffenen Regelungsanordnung zeitweilig und partiell vorweggenommen wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann das Gericht im vorläufigen Rechtsschutz auf der Grundlage seiner eigenen Rechtsauffassung über die Vereinbarkeit der anwendbaren Normen mit höherrangigem Recht entscheiden, wenn „die Hauptsache dadurch nicht vorweggenommen wird“ (BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 1992 – 1 BvR 1028/91 –, BVerfGE 86, 382-390, Rn. 29). Dies umfasst lediglich die endgültige Vorwegnahme der Hauptsache, welche für die Zukunft irreversible Fakten schafft, die eine Hauptsacheentscheidung gegenstandslos machen würden. Dies ist hier nicht der Fall, da der Anspruch des Antragstellers auf Stellungnahme nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG nach Stattgabe im Eilverfahren nicht erledigt, sondern weiterhin einer Kontrolle im Hauptsacheverfahren und damit auch einer etwaigen konkreten Normkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht zugänglich ist.

76. Nach der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG hat der Antragsteller auf Antrag einen Anspruch auf Stellungnahme in allen weiteren Verfahren nach dem TierSchG, mit der Ausnahme von Strafverfahren. Klarstellend weist die Kammer darauf hin, dass nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift („allen weiteren Verfahren nach dem Tierschutzgesetz“) das Stellungnahmerecht des Antragstellers nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG nicht auf solche Verfahren beschränkt ist, welche erst nach seiner Anerkennung als verbandsklageberechtigte Tierschutzorganisation eröffnet wurden, sondern auch schon davor anhängige Verwaltungs- und Bußgeldverfahren erfasst.

77. (2) Es besteht auch ein Anordnungsgrund. Denn dem Antragsteller versagte Möglichkeiten zur Stellungnahme, insbesondere in Bußgeldverfahren, können nach dem bestandskräftigen Abschluss dieser Verfahren nicht mehr nachgeholt werden. Der Antragsteller ginge damit seiner Mitwirkungsrechte nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG an diesen Verfahren verlustig.

78. 4. Schließlich ist auch der Eilantrag zu 4) erfolgreich, der auf Erteilung von Auskunft über Verfahren nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG gerichtet ist. Die Kammer legt den Antrag nach § 88 VwGO nach dem erkennbaren Begehren des Antragstellers so aus, dass Auskunft über zum Zeitpunkt der hiesigen Eilentscheidung noch laufende Verfahren nach dem Tierschutzgesetz gewährt werden soll, unabhängig davon, ob diese Verfahren vor oder nach Anerkennung des Antragstellers als verbandsklageberechtigter Tierschutzorganisation eröffnet wurden.

79. Der Eilantrag ist schon deshalb nicht erledigt, weil die Bezirksämter Pankow und Tempelhof-Schöneberg ausdrücklich erklärt haben, dem Antragsteller keine Auskunft zu Ordnungswidrigkeitenverfahren nach den TierSchG zu erteilen, obwohl der Antragsteller dies verlangt hat.

80. a) Hinsichtlich der Sachentscheidungsvoraussetzungen wird auf die Ausführungen unter 1.a) verwiesen.

81. Der Antrag auf gerichtlichen Eilrechtsschutz wurde auch nicht verfrüht gestellt. Mit seinen Schreiben vom 19. Januar 2021 hat der Antragsteller gegenüber den beteiligten Bezirksämtern Auskunft über alle laufenden Verfahren nach dem TierSchG beantragt. Die Frist für die Erteilung von Auskünften nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 BlnTSVKG beträgt nach dem Gesetzeswortlaut zwei Wochen nach Antragstellung, sie war daher am 2. Februar 2021 abgelaufen.

82. b) Der Eilantrag zu 4) ist auch begründet.

83. (1) § 3 Abs. 2 Satz 1 BlnTSVKG vermittelt dem Antragsteller einen Anspruch auf Auskunft über sämtliche laufenden Verfahren nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BlnTSVKG. Hiervon erfasst sind auch Ordnungswidrigkeitenverfahren nach dem TierSchG und auch solche Verfahren, welche bereits vor der Anerkennung des Antragstellers nach § 2 Abs. 1 BlnTSVKG eröffnet wurden (vgl. 3.b)).

84. (2) Die Sache ist auch eilbedürftig. Durch die Verweigerung der Auskünfte über die derzeit laufenden Verfahren geht der Antragsteller seiner Mitwirkungsrechte nach § 3 Abs. 1 BlnTSVKG an diesen Verfahren endgültig verlustig, soweit diese Verfahren vor Ergehen einer Hauptsacheentscheidung bestandskräftig abgeschlossen werden. In diesen Fällen wird regelmäßig auch die Möglichkeit der Einlegung von Rechtsbehelfen nach § 4 Abs. 1 BlnTSVKG vereitelt, weil der Antragsteller über behördliche Entscheidungen keine Kenntnis erhält.

85. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 1.1.1. und Nr. 34.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (4×15.000 Euro). Für das Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes wurde der Streitwert entsprechend Nr. 1.5 des Streitkatalogs halbiert.

Zuletzt aktualisiert am Juli 19, 2021 von eurogesetze

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