Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 11. Senat
Entscheidungsdatum: 09.06.2021
Aktenzeichen: OVG 11 B 20.16
ECLI: ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0609.OVG11B20.16.00
Dokumenttyp: Urteil
Beräumungsanordnung; Anlage zur Behandlung nicht gefährlicher Abfälle; Insolvenz der Betreiberin; Stilllegung der Anlage; Mehrabfälle; Grundstückseigentümer; Zustandsstörer; (früherer) Abfallbesitzer; persönlich Verhaltensverantwortliche; Organbesitz; (kein) Zweckveranlasser; (keine) Inanspruchnahme des Landes; (kein) Ermessensfehler; Störerauswahl; Verhältnismäßigkeit
Verfahrensgang
vorgehend VG Frankfurt (Oder), 28. Oktober 2016, 5 K 519.15 Frankfurt (Oder), Urteil
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 28. September 2016 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 vom Hundert des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1. Die Klägerin wendet sich gegen eine abfallrechtliche Ordnungsverfügung des Beklagten.
2. Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstückes in der M…, das sie unter ihrer früheren Firma an die G… (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) verpachtet hatte. Die Insolvenzschuldnerin betrieb auf dem Grundstück eine Anlage zur Behandlung nichtgefährlicher Abfälle zum Zwecke der Herstellung von Ersatzbrennstoffen. Nachdem der Beklagte Überschreitungen der genehmigten Lagerkapazitäten festgestellte hatte, hörte er die Insolvenzschuldnerin zu einer abfallrechtlichen Ordnungsverfügung an. Zum Erlass einer solchen Verfügung kam es jedoch nicht; über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter führte den Betrieb der Insolvenzschuldnerin nicht fort, zeigte die Stilllegung der Anlage an und gab die auf dem Grundstück lagernden Abfälle aus der Insolvenzmasse frei. Der Betrieb der Anlage wurde nicht mehr aufgenommen. Der Beklagte nahm Abfalllieferanten in Anspruch und beräumte einen weiteren Teil des Abfalls aus einer Sicherheitsleistung. Heute befinden sich nach grober Schätzung noch ca. 6000 bis 7000 Tonnen kunststoffhaltige baugewerbliche Abfälle auf dem Grundstück der Klägerin.
3. Mit Bescheid vom 24. April 2013 gab der Beklagte der Klägerin unter ihrer früheren Firma nach entsprechender Anhörung auf,
4. 1. die auf dem ehemaligen Betriebsgrundstück der Insolvenzschuldnerin in 1…, lagernden Abfälle bis spätestens 31. Juli 2014 zu beräumen und ordnungsgemäß zu entsorgen,
5. 2. bis spätestens zwei Wochen nach Abschluss der Beräumung dem Landesamt für Umwelt die ordnungsgemäße Entsorgung mit dafür geeigneten Belegen nachzuweisen.
6. Zur Begründung führte er aus, die Beräumungsanordnung sei zur Durchsetzung der Anforderungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes notwendig, da hinsichtlich der auf dem Grundstück lagernden Abfälle nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie eine Gefahr für die Umwelt darstellten. Das durch § 62 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) eröffnete Ermessen übe er zu Lasten der Klägerin aus. Im Rahmen des Auswahlermessens habe er anteilig Vorbesitzer und eine vorhandene Sicherheitsleistung in Anspruch genommen; eine Gesamtberäumung habe darüber jedoch nicht sichergestellt werden können. Insolvenzschuldnerin bzw. Insolvenzverwalter seien nicht mehr zu belangen. Eine Inanspruchnahme des Landes Brandenburg komme nicht in Betracht. Die Klägerin sei als Grundstückseigentümer einzige Zustandsstörerin und damit entsorgungspflichtig. Das Ermessen sei auch nicht wegen einer Opfersituation der Klägerin reduziert, da diese bewusst zugelassen habe, dass ihr Grundstück in einer risikoreichen Art und Weise benutzt worden sei.
7. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung machte sie geltend, der Beklagte habe sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Das Land Brandenburg, vertreten durch den Beklagten, sei für das Entstehen des Abfallberges mit verantwortlich und daher vorrangiger Handlungsstörer. Der Beklagte habe die Anlage nur mangelhaft überwacht und nicht für ausreichende Sicherheitsleistung gesorgt, obgleich sie diesen mehrfach auf die Missstände bei der Insolvenzschuldnerin hingewiesen habe.
8. In der Folgezeit verkaufte die Klägerin unter ihrer früheren Firma das Grundstück für 1 Euro an die S…, wobei der notarielle Kaufvertrag regelte, dass die S… in die Verpflichtungen der Klägerin aus der Ordnungsverfügung des Beklagten eintritt. Mit an die S… adressiertem Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2014 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und änderte Ziffer 1. des Bescheides vom 24. April 2013 dahingehend ab, dass die zu lagernden Abfälle bis spätestens 31. Dezember 2014 zu beräumen und ordnungsgemäß zu entsorgen seien. Nachdem der Notar dem Beklagten mitgeteilt hatte, dass der Kaufvertrag nicht durchgeführt werde, stellte der Beklagte den an die S… adressierten Widerspruchsbescheid am 28. März 2015 der Klägerin zu. Im Begleitscheiben führte er aus, dass die Klägerin angesichts des gescheiterten Verkaufs des Grundstücks weiterhin Zustandsstörerin sei und die Ordnungsverfügung vom 24. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2014 befolgen müsse.
9. Das Verwaltungsgericht hat der von der Klägerin hiergegen erhobenen Anfechtungsklage mit Urteil vom 28. September 2016 stattgegeben und die tenorierte Aufhebung der Ordnungsverfügung des Beklagten wie folgt begründet:
10. Die zulässige Klage sei begründet. Der angegriffene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Der Beklagte habe den Bescheid mit § 62 KrWG auf die richtige Rechtsgrundlage gestützt. Das damit eröffnete Auswahlermessen habe er jedoch nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Denn er habe die angegriffenen Bescheide nicht erlassen dürfen, ohne die Inanspruchnahme der für die Insolvenzschuldnerin maßgeblich verantwortlich handelnden Personen zumindest zu erwägen. Verantwortlich handelnde Personen seien der Geschäftsführer Herr F…, ggf. auch der Betriebsleiter Herr N… und der Abfallbeauftragte Herr V…; diese hätten die ordnungsrechtlich relevanten Umstände zentral und umfassend gesteuert. Ein persönlich Verhaltensverantwortlicher der die Anlage betreibenden juristischen Person sei Zweckveranlasser, wenn er größere Mengen Abfall annehme als genehmigt und Abfallbesitzer der unzulässigen Mehrmengen. Zwar sei die persönliche Haftung der vorgenannten Personen zivilrechtlich beschränkt. Diese Einschränkung gelte jedoch im Rahmen des § 62 KrWG nicht, da eine effektive Gefahrenabwehr unmöglich sei, bliebe der persönlich Verantwortliche als Störer außer Betracht, weil er die Mehrmengen unter dem Schutz der juristischen Person angenommen habe. Zwar sei der Abfallbesitz der vorgenannten Personen mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfallen. Dies stehe ihrer Heranziehung jedoch nicht entgegen, da über § 62 KrWG auch der frühere Abfallbesitzer in Anspruch genommen werden könne.
11. Mit seiner dagegen gerichteten, vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung verfolgt der Beklagte sein Begehren – die Abweisung der Klage – weiter. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, er habe den Geschäftsführer, Betriebsleiter bzw. Abfallbeauftragten der Insolvenzschuldnerin nicht in die Störerauswahl einbeziehen müssen, denn ihr Fehlverhalten habe allenfalls geringes Gewicht. Überdies lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sie einen maßgeblichen Beitrag zur Abfallentsorgung leisten könnten.
12. Der Beklagte beantragt,
13. die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 28. September 2016 abzuweisen.
14. Die Klägerin beantragt,
15. die Berufung zurückzuweisen.
16. Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Die Ordnungsverfügung sei auch ermessensfehlerhaft, weil der Beklagte sachwidrig angenommen habe, dass sie mit der Verpachtung des Grundstückes an die Insolvenzschuldnerin das Risiko verbleibender Abfälle eingegangen sei.
17. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsvorgänge des Beklagten, der beigezogenen Akten des Landgerichts Münster zum Aktenzeichen 16 O 299/11 und des Landgerichts Berlin zum Aktenzeichen 26 U 51/16 sowie der beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) zum Aktenzeichen 234 JS 16000/11 und 234 JS 38929/09 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
18. Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der zulässigen, aber unbegründeten Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Bescheid des Beklagten vom 24. April 2013 in der Gestalt des am 28. März 2015 zugestellten Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19. 1. Rechtsgrundlage für Ziffer 1. der angegriffenen Ordnungsverfügung ist § 62 i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG) vom 24. Februar 2012 (BGBl. I S. 212) in der im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt bei Anfechtungsklagen gegen abfallrechtliche Entsorgungsverfügungen nur: Thüringer OVG, Urteil vom 26. März 2012 – 3 KO 843/07 – juris, Rn. 44 ff.), d.h. bei Zustellung des Widerspruchsbescheides an die Klägerin am 28. März 2015 gültigen Fassung. Gemäß § 62 KrWG kann die zuständige Behörde im Einzelfall die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung treffen. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KrWG sind die Erzeuger oder Besitzer von Abfällen, die nicht verwertet werden, verpflichtet, diese zu beseitigen, soweit in § 17 nichts anderes bestimmt ist, wobei auf dieser Grundlage auch rechtswidrigen Abfallablagerungen begegnet werden kann (vgl. dazu Erbs/Kohlhaas/Häberle, 231. EL Juli 2020, KrWG § 62 Rn. 1 m.w.N.).
20. 1.1. Unstreitig liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 62 KrWG bezogen auf die Klägerin vor. Die Klägerin war als Grundstückseigentümerin im maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheides am 28. März 2015 Besitzerin von Abfällen i.S.d. § 3 Abs. 9 KrWG, die nicht verwertet werden i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 KrWG, weshalb sie bezogen auf die auf dem Grundstück lagernden Abfälle entsorgungspflichtig ist; insofern liegt eine Pflicht nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz vor, die mit der auf § 62 KrWG gestützten Ordnungsverfügung durchgesetzt werden soll. Die Entsorgungspflicht nach § 15 KrWG und die Inanspruchnahme nach § 62 KrWG stehen nicht unter dem Vorbehalt einer ordnungsgemäßen Überwachung der Abfallbehandlungsanlage durch die Behörde (vgl. OVG Sachsen – Anhalt, Beschluss vom 12 Juni 2013 – 2 M 28/13 – juris, Rn. 22).
21. 1.2. In der Rechtsfolge eröffnet die Vorschrift des § 62 KrWG Ermessen. Dieses erstreckt sich auf die Entscheidung, ob überhaupt eingeschritten werden soll, auf die Art und Weise des Einschreitens und auf die Auswahl des Pflichtigen, wenn für den abfallrechtswidrigen Zustand mehrere Verantwortliche ausgemacht werden können. Die vom Beklagten getroffene Ermessensausübung ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. § 114 VwGO). Eine pflichtgemäße Ermessensbetätigung liegt vor, wenn die Vorgaben des § 40 VwVfG beachtet worden sind. Ausgehend hiervon ist die Ermessensentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden.
22. 1.2.1. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts liegt keine fehlerhafte Störerauswahl vor:
23. 1.2.1.1. Der Beklagte war nicht verpflichtet, den Geschäftsführer, Betriebsleiter bzw. Abfallbeauftragten der Insolvenzschuldnerin als Störer in Betracht zu ziehen. Auf der Grundlage des § 62 KrWG können nur diejenigen in Anspruch genommen werden, die aufgrund des Kreislaufwirtschaftsgesetzes oder der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen Pflichten zu erfüllen haben und diese nicht beachten (vgl. nur Landmann/Rohmer, UmweltR/Beckmann, KrWG, Stand: Februar 2020, § 62 Rn. 10; v. Komorowski, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 62 Rn. 33; BeckOK UmweltR/Queitsch KrWG § 62 Rn. 1-3a und 4). Die Inanspruchnahme des Geschäftsführers, Betriebsleiters bzw. Abfallbeauftragten zu der verfügten Beseitigung war daher nur dann zur Durchsetzung einer Pflicht aus dem Kreislaufwirtschaftsgesetz i.S.d. § 62 KrWG erforderlich und entsprechend zu erwägen, wenn auch sie jeweils Adressat der auf § 62 KrWG gestützten Beseitigungsverfügung hätten sein können. Dies ist indes nicht der Fall. Denn die vorgenannten Personen waren im maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheides an die Klägerin am 28. März 2015 nicht nach § 15 KrWG zu der – hier allein verfügten – Beseitigung der Abfälle verpflichtet.
24. 1.2.1.1.1. Der Geschäftsführer, Betriebsleiter und Abfallbeauftragte der Insolvenzschuldnerin waren am 28. März 2015 weder Abfallerzeuger noch Abfallbesitzer; allein diesen weist § 15 Abs. 1 Satz 1 KrWG die Pflicht zur Beseitigung ausdrücklich zu.
25. Erzeuger von Abfällen ist gemäß § 3 Abs. 8 KrWG in der ab 1. Juni 2012 gültigen Fassung jede natürliche oder juristische Person, durch deren Tätigkeit Abfälle anfallen (Ersterzeuger) (Nr.1) oder die Vorbehandlungen, Mischungen oder sonstige Behandlungen vornimmt, die eine Veränderung der Beschaffenheit oder der Zusammensetzung dieser Abfälle bewirken (Zweiterzeuger) (Nr. 2). Eine Tätigkeit oder Behandlung der fraglichen Abfälle im vorgenannten Sinne durch den Geschäftsführer, Betriebsleiter bzw. Abfallbeauftragen der Insolvenzschuldnerin liegt nicht vor. Inhaberin der Betriebsgenehmigung war die Insolvenzschuldnerin. Geschäftsführer, Betriebsleiter bzw. Abfallbeauftragter haben daher – Anhaltspunkte für etwas anderes sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich – bei der Annahme bzw. Lagerung und einer hierdurch etwaig bewirkten Veränderung der Beschaffenheit oder Zusammensetzung der Abfälle nicht im eigenen Namen, sondern für die Insolvenzschuldnerin gehandelt.
26. Besitzer von Abfällen ist nach § 3 Abs. 9 KrWG in der ab 1. Juni 2012 geltenden Fassung jede natürliche oder juristische Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über Abfälle hat. Eine tatsächliche Sachherrschaft des Geschäftsführers, Betriebsleiters bzw. Abfallbeauftragten über die auf dem Grundstück lagernden Abfälle lag am 28. März 2015 nicht vor, nachdem die Insolvenzschuldnerin, für die die vorgenannten Personen tätig waren, bereits 2011 in Insolvenz gegangen war und der Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb nicht fortgeführt, vielmehr die Stilllegung der Anlage zum 28. Februar 2011 angezeigt hat.
27. 1.2.1.1.2. Zwar kann auf der Grundlage des § 62 KrWG auch der frühere Abfallbesitzer herangezogen werden, soweit dieser nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz bzw. einer hiernach ergangenen Rechtsverordnung pflichtig ist. Der Geschäftsführer, Betriebsleiter bzw. Abfallbeauftragter der Insolvenzschuldnerin waren jedoch am 28. März 2015 weder früherer Abfallbesitzer, noch lagen in ihrer Person die Voraussetzungen für die Heranziehung eines früheren Abfallbesitzers nach § 22 Satz 2 KrWG vor.
28. Frühere Abfallbesitzerin war allein die Insolvenzschuldnerin, da diese – wie bereits dargelegt – Inhaberin der Betriebsgenehmigung war und Geschäftsführer, Betriebsleiter bzw. Abfallbeauftragter bei der Annahme bzw. Lagerung der (Mehr)Abfälle nicht im eigenen Namen, sondern für die Insolvenzschuldnerin gehandelt haben. Für den bürgerlich-rechtlichen Besitzbegriff ist der von der Besitzdienerschaft zu unterscheidende Organbesitz juristischer Personen, also die Ausübung des Besitzes der juristischen Person durch ihre Organe, anerkannt (vgl. nur VG Cottbus, Urteil vom 18. Juli 2018 – 3 K 1732/14 – juris, Rn. 45 unter Verweis auf Joost, in: Münchener Kommentar BGB, 7. Aufl. 2017, § 54 Rn. 17 ff.; Gutzeit, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, § 854 Rn. 58; Fritzsche, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BeckOK BGB, Stand: Mai 2018, § 854 Rn. 51; BGH, Urteil vom 16. Oktober 2003 – IX ZR 55/02 –, NJW 2004, 217, 219, juris Rn. 26). Im Rahmen des § 62 KrWG gilt entgegen der Annahme der Klägerin nichts anderes. Zwar unterscheiden sich der abfallrechtliche und der bürgerlich-rechtliche Besitzbegriff im Hinblick auf ihre jeweils unterschiedliche Funktion: Während der Besitzbegriff im Zivilrecht vorrangig dem Schutz des Besitzers gegen Besitzstörungen dient, kommt ihm im Abfallrecht die Funktion zu, die Verantwortlichkeit für den Abfall zu bestimmen. Jedoch ist es auch und gerade unter dem Gesichtspunkt der Verantwortlichkeit für den Abfall und damit für dessen regelmäßig mit entsprechendem Kostenaufwand verbundene Beseitigung geboten, im Abfallrecht die juristische Person als Besitzerin anzusehen, deren tatsächliche Sachherrschaft durch ihre Organe lediglich ausgeübt wird (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. September 2005 – OVG 11 S 4/05 – juris, Rn. 6; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 9. März 1995 – 4 L 90/94 – juris, Rn. 41; Kopp-Assenmacher/Schwartz, in: Kopp-Assenmacher, KrWG, 2015, § 3 Rn. 51; Dieckmann, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 3 Rn. 184; VG Cottbus, Urteil vom 18. Juli 2018 – 3 K 1732/14 – juris, Rn. 45 m.w.N.).
29. Unabhängig hiervon erfüllen der Geschäftsführer, Betriebsleiter bzw. Abfallbeauftragte der Insolvenzschuldnerin die Voraussetzungen des § 22 Satz 2 KrWG in der ab 1. Juni 2012 gültigen Fassung nicht. Danach bleibt die Verantwortlichkeit eines zur Beseitigung von Abfall Verpflichteten mit Blick auf die hiermit verbundene Aufgabe der tatsächlichen Sachherrschaft bis zum endgültigen und ordnungsgemäßen Abschluss der Beseitigung nur bestehen, wenn er Dritte mit der Erfüllung seiner Pflicht beauftragt hat (vgl. hierzu auch BVerwG, Beschluss vom 14. April 2014 – 7 B 26.13 – juris, Rn. 10; Beschluss des Senats vom 14. November 2019 – OVG 11 S 11.18 – juris, Rn. 20). Geschäftsführer, Betriebsleiter und Abfallbeauftragter der Insolvenzschuldnerin haben jedoch keinen Dritten mit der Erfüllung einer Entsorgungspflicht beauftragt.
30. 1.2.1.1.3. Der Geschäftsführer, Betriebsleiter bzw. Abfallbeauftragte der Insolvenzschuldnerin ist auch nicht als Zweckveranlasser tauglicher Adressat der angegriffenen Verfügung. Nach der Figur des Zweckveranlassers ist derjenige ordnungsrechtlich verantwortlich und kann somit Adressat einer Anordnung nach § 62 KrWG sein, zwischen dessen Verhalten und dem die Gefahr letztlich herbeiführenden Verhalten eines Dritten ein so enger innerer Zusammenhang besteht, dass sich der Veranlasser die Gefahr selbst zurechnen lassen muss (vgl. hierzu Lau, in: Kopp-Assenmacher, KrWG, 2015, § 62, Rn. 8 m.w.N.). Zweckveranlasser ist mit anderen Worten derjenige, der die für das ordnungsbehördliche Eingreifen maßgebliche Gefahr zwar nicht selbst verursacht, jedoch veranlasst, dass andere ihrerseits die maßgebliche Pflicht verletzen. Der Umstand, dass die Insolvenzschuldnerin ihrer Beseitigungspflicht nach § 15 KrWG – allein dies ist die hier maßgebliche Pflicht – nicht nachgekommen ist, ist indes nicht dem Geschäftsführer, Betriebsleiter bzw. Abfallbeauftragten zuzurechnen; vielmehr wurde dies durch den Eintritt der Insolvenz und die Liquidation der Gesellschaft vereitelt.
31. 1.2.1.1.4. Der Geschäftsführer, Betriebsleiter bzw. Abfallbeauftragte der Insolvenzschuldnerin gehören entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht „als persönlich Verhaltensverantwortlicher“ zum Kreis der nach § 62 KrWG einzubeziehenden Pflichtigen, weil sie – dies sei hier unterstellt – die maßgeblichen technischen wie rechtlichen Betriebsabläufe zentral und umfassend gesteuert und den Betrieb der Insolvenzschuldnerin so geführt haben, dass entgegen der hierzu erteilten Genehmigung erhebliche Abfallmengen angenommen wurden.
32. Die Inanspruchnahme einer Person als „persönlich Verhaltensverantwortlich“ ist vom Wortlaut der §§ 62, 15 Abs. 1 Satz 1 KrWG nicht gedeckt.
33. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Beschluss vom 5. November 2012 – 7 B 25/12 – bezogen auf die Vorgängernorm des § 3 AbfG unter Bezugnahme auf seine frühere Rechtsprechung wiederholt entschieden, dass mit der Regelung des § 3 AbfG (Beseitigungspflicht des Abfallbesitzers) der Kreis derjenigen, die zur Abfallbeseitigung verpflichtet sind, abschließend festgelegt ist und dieser Kreis nicht durch landesrechtliche Regelungen – mithin besonderes oder allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht – erweitert werden kann. Es hat weiter ausdrücklich festgestellt, dass dies gleichermaßen auch für die durch das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz geschaffene Regelung der Abfallentsorgung gilt, da diese die bereits zuvor normierte Aufgabenverteilung zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Abfallbeseitigung übernimmt. Werden Maßnahmen aus Gründen gerade der ordnungsgemäßen Entsorgung von Abfällen ergriffen, besteht ein Vorrang des bundesrechtlich geregelten Abfallregimes (KrWG). Eine Beseitigung des Abfalls i.S.d. § 15 KrWG kann auf Landesrecht gestützt nicht ergehen, denn insofern hat der Gesetzgeber mit § 62 KrWG von seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG abschließend Gebrauch gemacht. Nur wenn das behördliche Handeln nicht in erster Linie an das Gebot der umweltgerechten Entsorgung von Abfällen anknüpft, sondern es um die Bekämpfung konkreter, durch die rechtswidrige Ablagerung von Abfällen hervorgerufener Gefahren für anderweitig geschützte Rechtsgüter unabhängig von der Abfalleigenschaft der störenden Sache geht, richten sich Maßnahmen und die Verantwortlichkeit im Sinne einer Störerhaftung nach dem Ordnungsrecht der Länder (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. November 2012 – 7 B 25/12 – juris, Rn. 9 bis 11 m.w.N.).
34. Anknüpfungspunkt des angegriffenen Bescheides ist hier in erster Linie das Gebot der umweltgerechten Entsorgung von Abfällen, nicht jedoch geht es primär um die Bekämpfung konkreter, durch die rechtswidrige Ablagerung von Abfällen hervorgerufener Gefahren durch Heranziehung der Verantwortlichen im Sinne einer Störerhaftung. Denn bei Auslegung des Bescheides nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB analog) hat der Beklagte hier allein eine Beseitigungsverfügung i.S.d. §§ 15, 62 KrWG erlassen („zu beräumen und ordnungsgemäß zu entsorgen“). Eine konkrete Gefahr wird in dem angegriffenen Bescheid hingegen nicht benannt. Vielmehr wird nur darauf verwiesen, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass die fraglichen Abfälle eine Gefahr für die Umwelt darstellen. Damit wird jedoch nur die potentielle Gefahr angesprochen, die Abfällen immanent ist und gerade durch die bundesrechtliche Pflicht zur Entsorgung der Abfälle abgewehrt werden soll. Vorrangig geht es mithin um die Beseitigung eines abfallrechtswidrigen Zustandes und nicht um die Bekämpfung konkreter Gefahren unabhängig von der Abfalleigenschaft einer störenden Sache.
35. Ob der Beklagte hier auf der Grundlage einer landesabfallrechtlichen Eingriffsermächtigung – in Betracht käme hier § 24 Abs. 1 BbgAbfBodG, der in Verbindung mit § 23 Satz 1 BbgAbfBodG die Anordnung der Beseitigung des rechtswidrigen Zustands erlaubt, der durch eine rechtswidrige Abfallentsorgung entstanden ist, wobei dabei nicht eine Entsorgung im abfallrechtlichen Sinne, sondern das Sich-Entledigen von Abfallen gemeint ist (vgl. hierzu VG Cottbus, Urteil vom 18. Juli 2018 – 3 K 1732/14 –, juris, Rn. 49) – die Möglichkeit gehabt hätte, den Geschäftsführer, Betriebsleiter bzw. Abfallbeauftragten als „Nichtabfallbesitzer“, der aus vorangegangenem Tun für eine rechtswidrige Abfallentsorgung verantwortlich ist, zum Abfallbesitzer zu machen, um ihn gleichsam in die damit verbundene Pflichtenstellung nach dem KrW-/AbfG „hineinzuzwingen“ und ihm sodann auf der Grundlage von § 62 i.V.m. § 15 KrWG konkrete Abfallentsorgungspflichten aufzuerlegen, kann hier dahinstehen. Denn die angegriffene abfallrechtliche Ordnungsverfügung, die allein die Klägerin verpflichtet, regelt mit Blick auf ihren Inhalt ein solches Hineinzwingen des Geschäftsführers, Betriebsleiters bzw. Abfallbeauftragten in den Abfallbesitz nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese Personen durch eine anderweitige, vor oder mit Erlass des Widerspruchsbescheides ergangene Verfügung auf Grundlage landesrechtlicher Bestimmungen in den Abfallbesitz hineingezwungen worden sind und deshalb bei der hier allein in Rede stehenden Verfügung nach § 62 KrWG im Rahmen der Störerauswahl zu berücksichtigen gewesen wären. Unabhängig hiervon ist aber auch nichts dafür geltend gemacht oder sonst ersichtlich, dass hier ein nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Anwendung des Landesrechts verbleibender Sachverhalt vorliegt (vgl. zu den wesentlichen Fallengruppen: BVerwG, Beschluss vom 5. November 2012 – 7 B 25/12 – juris Rn. 12).
36. Auch die vom Verwaltungsgericht zitierte Rechtsprechung des OVG Nordrhein-Westfalen, (Beschluss vom 26. März 2007 – 20 B 61/07 – und Urteil vom 21. November 2012 – 16 A 85/09 – ) bietet keinen Ansatzpunkt für eine Inanspruchnahme des Geschäftsführers, Betriebsleiters bzw. Abfallbeauftragten als „persönlich Verhaltensverantwortlichen“ im Rahmen des §§ 62 i.V.m. 15 Abs. 1 Satz 1 KrWG. Denn die zitierten Entscheidungen sind nicht zu § 62 bzw. § 15 Abs. 1 Satz 1 KrWG, sondern zum Bundesbodenschutzgesetz ergangen, wonach der Pflichtige – anders als nach der Terminologie des § 15 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 9 KrWG (tatsächliche Sachherrschaft) – (auch) der „Verursacher“ (§ 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG) ist (vgl. Beschluss vom 26. März 2007, a.a.O., Rn. 14; Urteil vom 21. November 2012, a.a.O., Rn. 35). Nur weil § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG an die im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht übliche Verantwortlichkeit auch desjenigen anknüpft, der eine Gefahr „verursacht“ und damit die diesbezüglich entwickelten Kriterien aufgreift, hat das OVG Nordrhein-Westfalen entschieden, dass der für das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht geltende Grundsatz, dass der persönlichen Inanspruchnahme des Betreffenden nicht entgegensteht, dass sein Handeln unter Umständen auch der juristischen Person zugerechnet werden kann, auch im Rahmen des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG Anwendung findet (vgl. Beschluss vom 26. März 2007, a.a.O., Rn. 7-14; Urteil vom 21. November 2012, a.a.O., Rn. 37; vgl. ebenfalls zu einer bodenschutzrechtlichen Sanierungsanordnung: OVG NRW, Beschluss vom 23. Januar 2014 – 16 A 242/10 – juris, Rn. 27 f.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19. September 2013 – 2 M 114/13 – juris, Rn. 35).
37. Soweit das Verwaltungsgericht darauf verweist, dass § 62 KrWG eine effektive Gefahrenabwehr bezwecke, trifft dies zwar zu, ändert jedoch an dem Vorgesagten nichts. Der Abfallbesitz wird der juristischen Person – wie oben dargelegt – überdies gerade auch aus Gründen einer effektiven Gefahrenabwehr zugeschrieben. Auch kommt der Gedanke einer effektiven Gefahrenabwehr im Rahmen einer eröffneten Störerauswahl zum Tragen.
38. 1.2.1.2. Die Störerauswahl ist auch nicht fehlerhaft, weil der Beklagte angenommen hat, eine Inanspruchnahme des Landes Brandenburg, vertreten durch das LUGV, als Handlungs- oder Zustandsstörer komme nicht in Betracht, da es insofern am Besitz bzw. an der Sachherrschaft über den Abfall mangele. Die Behörde gehört nicht zu dem Kreis derer, die nach § 15 KrWG zur Abfallentsorgung verpflichtet sind, da sie weder Abfallerzeuger noch -besitzer ist. Ist die Behörde jedoch nicht Abfallerzeuger oder -besitzer i.S.d. § 15 KrWG, ist sie auch nicht im Rahmen einer Adressatenauswahl nach § 62 KrWG zu berücksichtigen (vgl. zu §§ 15, 62 KrWG: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. Juni 2013 – 2 M 28/13 – juris, Rn. 22; zur „polizeilichen Störerhaftung“ nach dem BBodSchG: VGH BaWü, Urteil vom 18. Dezember 2012 – 10 S 744/12 – juris, Rn. 53 m.w.N.; in diese Richtung gehend bereits Beschluss des Senats vom 22. November 2006 – OVG 11 N 53/05 – juris Rn. 8).
39. 1.2.1.3. Zu beanstanden ist auch nicht, dass der Beklagte im angegriffenen Bescheid nicht erwogen hat, den Insolvenzverwalter heranzuziehen. Es kann hier dahinstehen, ob und wodurch konkret der Insolvenzverwalter Abfallbesitz erlangt hat. Denn jedenfalls hat dieser unstreitig den Betrieb der Insolvenzschuldnerin nicht fortgeführt, die Stilllegung der Anlage zum 28. Februar 2011 angezeigt und die auf dem Grundstück lagernden Abfälle vor dem maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheides an die Klägerin am 28. März 2015 aus der Insolvenzmasse freigegeben, was einen Insolvenzverwalter von einer durch Abfallbesitz begründeten Entsorgungspflicht grundsätzlich befreit (vgl. hierzu: OVG Lüneburg, Beschluss vom 03. Dezember 2009 – 7 ME 55/09 –, juris, Rn. 12; vgl. hierzu auch Beschluss des Senats vom 17. April 2007 – 11 S 54/06 – juris Rn. 12 f.). Dies stellt auch die Klägerin nicht in Frage.
40. 1.2.1.4. Auch eine Heranziehung der S… musste der Beklagte nicht in Betracht ziehen, da diese mangels Durchführung des notariellen Kaufvertrages nie tatsächliche Sachherrschaft über die Abfälle erlangt hat.
41. 1.2.1.5. Schließlich sind Anhaltspunkte dafür, dass die sog. Störerauswahl fehlerhaft war, weil der Beklagte hätte ermitteln können, wer die nunmehr noch auf dem Grundstück liegenden Abfälle erzeugt hat, weder dargetan noch sonst ersichtlich. Vielmehr macht die Klägerin selbst geltend, die Abfälle, die noch im Anlieferzustand waren, habe der Beklagte vor Erlass der angegriffenen Verfügung abholen lassen.
42. 1.2.2. Auch sonst sind Ermessensfehler nicht ersichtlich:
43. 1.2.2.1. Die Annahme des Beklagten, eine Ermessensreduzierung scheide aus, weil die Klägerin bewusst zugelassen habe, dass ihr Grundstück in einer risikoreichen Art und Weise benutzt werde und jederzeit mit einer Insolvenz der Abfallentsorgungsanlage habe rechnen müssen, stellt entgegen dem Vorbringen der Klägerin keine sachwidrige Erwägung dar.
44. Unstreitig trifft es zu, dass die Klägerin der Insolvenzschuldnerin unter ihrer früheren Firma ihr Grundstück bewusst und gewollt überlassen und hierfür ein Entgelt erhalten hat; dies gilt auch für die Zeiten, in denen auf dem Grundstück etwaige Mehrmengen an Abfall gelagert worden sind. Die Klägerin macht auch nicht geltend, sie habe von etwaigen Mehrmengen an Abfall auf ihrem Grundstück nichts gewusst. Vielmehr trägt sie selbst vor, sie habe den Beklagten mehrfach auf die Missstände bei der Insolvenzschuldnerin hingewiesen. Mit Blick hierauf lag eine drohende Insolvenz jedoch zumindest nicht fern.
45. Der rechtliche Einwand der Klägerin, es sei ihr als Grundstückseigentümerin nicht vorwerfbar, dass sie durch die Vermietung an die Insolvenzschuldnerin eine risikoreiche Art und Weise der Nutzung ihres Grundstückes, nämlich für die Zwecke des Betriebs einer Abfallentsorgungsanlage, in Kauf genommen habe, was sich aus dem Urteil des BGH vom 15. Oktober 2009 – III ZR 8/09 – ergebe, zeigt eine Sachwidrigkeit der Ermessenerwägungen des Beklagten ebenfalls nicht auf. Der Bundesgerichtshof hat in dem vorgenannten Urteil nur festgestellt, dass der Eigentümer des Anlagengrundstückes in Bezug auf Amtspflichtverletzungen bei Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Anlagengenehmigung geschützter Dritter sein kann (juris, Rn. 22). Allein in diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof argumentiert, der Grundstückseigentümer müsse sich darauf verlassen können, dass nur genehmigungsfähige Anlagen errichtet und betrieben werden, er also mit der Überlassung seines Grundstückes an den Anlagenbetreiber keine unkalkulierbaren und unvertretbaren Risiken eingeht (juris, Rn. 20 a.E.). Hier geht es jedoch nicht um (ggf. nachgeschalteten) zivilrechtlichen Schadensersatz, sondern allein um die verwaltungsbehördliche Heranziehung zur Abfallentsorgung. Unabhängig hiervon ist auch nicht vorgetragen, dass der Anlagenbetrieb der Insolvenzschuldnerin wegen einer unzulänglichen Anlagengenehmigung gescheitert ist.
46. 1.2.2.2. Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass der Beklagte den bei der Ermessenentscheidung zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verkannt und die aus Art. 14 Abs. 1 GG folgenden Grenzen der Zustandshaftung des Eigentümers nicht hinreichend beachtet hat.
47. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem bodenschutzrechtlichen Kontext in seiner Grundsatzentscheidung vom 16. Februar 2000 – 1 BvR 242/91 u. 1 BvR 315/99 – festgestellt, dass die sicherheitsrechtlichen Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers eine im Grundsatz zulässige Regelung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sind, die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers im Ausmaß dessen, was ihm zur Gefahrenabwehr abverlangt werden darf, indes begrenzt sein kann. Zur Bestimmung der Grenze dessen, was einem Eigentümer hierdurch an Kostenbelastungen zugemutet werden dürfe, diene als Anhaltspunkt das Verhältnis des finanziellen Aufwands zu dem Verkehrswert nach Durchführung der Sanierung, wobei das individuelle Interesse des Eigentümers am Grundstück dessen Verkehrswert übersteigen könne. Eine Kostenbelastung, die den Verkehrswert des sanierten Grundstücks übersteige, sei zumutbar, wenn der Eigentümer das Risiko der entstandenen Gefahr bewusst in Kauf genommen habe, etwa wenn er es zugelassen habe, dass das Grundstück in einer risikoreichen Weise genutzt werde. Überdies hänge die Zumutbarkeit davon ab, ob der Eigentümer Vorteile aus dem eingegangenen Risiko – etwa durch einen reduzierten Kaufpreis oder einen erhöhten Pachtzins – erzielt habe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 2000 – 1 BvR 242/91 u. 1 BvR 315/99 – juris, Rn. 46, 59 f.; vgl. hierzu auch Urteil des BVerwG vom 23. September 2004 – 7 C 22.03 – juris, Rn. 23 f.).
48. Ob diese Grundsätze auch dann gelten, wenn es – wie hier – nicht unmittelbar um eine Sanierung des Grundstückes (durch Bodenaustausch o.ä.), sondern um seine Beräumung von darauf abgelagerten Abfällen geht (bejahend: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. Juni 2013 – 2 M 28/13 – juris, Rn. 30 – zu einer Maßnahme nach §§ 15, 62 KrwG und OVG Thüringen, Beschluss vom 26. März 2012 – 3 KO 843/07 – juris, Rn. 94 – zu § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ThAbfAG, jeweils mit der Begründung, auch die Auferlegung der Entsorgungspflicht nach den vorgenannten Vorschriften könne wegen der mit der Maßnahme verbundenen Kostenbelastung zu einer unzumutbaren Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers führen; ablehnend: VG Frankfurt/Oder, Urteil vom 24. Januar 2018 – 5 K 8/16 – juris, Rn. 34 ff., 39 – zu § 62 KrWG unter Verweis auf den unterschiedlichen Charakter der Anordnungen nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) und dem KrW-/AbfG bzw. KrWG; verneinend für die Inanspruchnahme des nicht wegen ihrer Zustandsverantwortlichkeit als Grundstückeigentümerin in Anspruch genommen Abfallerzeugers: VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Januar 2014 – 17 K 2868/11 – juris, Rn. 216), kann hier dahinstehen. Denn auch unterstellt, die vorgenannten Grundsätze seien anwendbar, durfte der Beklagte bei Erlass der angegriffenen Entscheidung annehmen, dass die Klägerin es unter ihrer früheren Firma zugelassen habe, das Grundstück in einer risikoreichen Art und Weise zu nutzen und von weiteren Ausführungen zur Zumutbarkeit der Maßnahme absehen:
49. Die Klägerin hat unter ihrer früheren Firma das Grundstück bewusst und gewollt dem Betreiber einer Abfallanlage (Insolvenzschuldnerin) zur Nutzung überlassen und hieraus erhebliche Einnahmen erzielt, zuletzt wohl einen monatlichen Gesamtmietzins iHv. 8.847,65 Euro (vgl. K 20, Anlage zu Blatt 204 der Gerichtsakte). Zwar hat die Behörde auch in den Fällen, in denen eine Kostenbelastung über den Verkehrswert hinaus an sich zumutbar ist, eine Abwägungsentscheidung nach den dargestellten Maßstäben zu treffen, wobei sich die Frage, ob die Kostenbelastung dem Eigentümer noch zumutbar ist, hier zumindest dann stellt, wenn diese den Verkehrswert des Grundstückes übersteigt und dann zu prüfen ist, ob und in welchen Grenzen es dem Grundstückseigentümer zugemutet werden kann, sein sonstiges Vermögen zur Sanierung in Anspruch zu nehmen (vgl. Thür.OVG, Urteil vom 26. März 2012 – 3 KO 843/07 – juris, Rn. 96 unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 2000 – juris, Rn. 59 und 62 ff.). Bis zum Erlass der angegriffenen Entscheidung – und darüber hinaus bis heute – hat die Klägerin jedoch, obgleich ordnungsgemäß angehört, nicht vorgetragen, dass sie nicht leistungsfähig sei bzw. die Kosten der Entsorgung des in Rede stehenden Abfalls jedenfalls den Wert ihres Grundstückes überstiegen. Dies war für den Beklagten bei Erlass des angegriffenen Bescheides auch sonst nicht ersichtlich. Die Klägerin hat das Grundstück während des laufenden Widerspruchsverfahrens für 1 Euro an die … GmbH verkauft, wofür sich diese verpflichtet hat, die Abfallentsorgungspflicht aus der Ordnungsverfügung des Beklagten zu übernehmen (vgl. Blatt 99 f. der Verwaltungsvorgänge, Band 10). Diese Freistellung ist nur nachvollziehbar, wenn der Wert des Grundstückes die Entsorgungskosten überstieg. Auch hatte sich die Klägerin vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages bemüht, eine Entsorgung der auf dem Grundstück lagernden Abfälle in die Wege zu leiten, hierzu für die Insolvenzschuldnerin handelnde Personen auf Zahlung eines Vorschusses zur Beräumung der Abfälle verklagt (vgl. Blatt 13, 14 der Gerichtsakte) und zur Ermöglichung einer Entsorgungslösung eigenen Angaben nach „erfolgsversprechende Vertragsverhandlungen“ geführt (vgl. Blatt 23 der Gerichtsakte). In ihrem Widerspruch führte sie nur aus, sie müsse für die Entsorgung erhebliche Mittel generieren, wolle jedoch den Abfallberg so zügig wie möglich einer Entsorgungslösung zuführen, da dies in ihrem eigenen Interesse sei (vgl. Blatt 23 der Gerichtsakte), was ebenfalls nicht für wirtschaftliches Unvermögen spricht. Schließlich umfasst das fragliche Grundstück (Gemarkung Finow, Flur 11, Flurstück 62) laut notariellem Kaufvertrag vom 20. Februar 2014 eine Fläche von 15.774 qm (vgl. Blatt 96 der Verwaltungsvorgänge, Band 10), wobei Gegenstand des Miet- bzw. Pachtvertrages (Anlage K 15 und K 19 zu Blatt 204 der Gerichtsakte) eine Fläche von 14.500 qm ist; auch mit Blick hierauf lag eine mangelnde Leistungsfähigkeit der Klägerin nicht auf der Hand. Ein Anlass für weitere Ermittlungen des Beklagten zum Wert des Grundstückes bestand ausgehend hiervon nicht. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin auch Angaben zu ihrem individuellen Interesse an dem Grundstück nicht gemacht hat. Der Einwand der Klägerin, es könne ihr nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie in rechtmäßiger Weise einer anderen Person die Erfüllung einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe ermögliche, rekurriert nicht auf ihre, sondern Interessen Dritter, und ändert daher an alledem nichts.
50. 1.2.2.3. Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der für die Entsorgung eingeräumten Frist bestehen ebenfalls nicht. Ausgehend vom Datum des Widerspruchsbescheides (16. Juni 2014) ist der Klägerin eine Zeitspanne von mehr als 6 Monaten eingeräumt worden, binnen derer sich die mit dem Bescheid aufgegebene Abfallentsorgung grundsätzlich bewerkstelligen lässt. Anhaltspunkte dafür, dass dies hier nicht möglich sei, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Wegen der zeitlichen Verzögerung bei der Zustellung des Widerspruchsbescheides und mit Blick auf den inzwischen eingetretenen weiteren Zeitablauf wird der Beklagte die Frist indes datumsmäßig anzupassen haben (vgl. hierzu: OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 16. Januar 2018 – 1 MB 20/17 – juris, Rn. 10).
51. 2. Die in Ziffer 2. des Bescheides vom 24. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2014 angeordnete und auf § 62 KrWG (in der seit 1. Juni 2012 gültigen Fassung) i.V.m. § 47 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 KrWG (in der Fassung vom 8. April 2014) gestützte Nachweisführung für eine ordnungsgemäße Entsorgung ist ausgehend hiervon ebenfalls rechtmäßig, da sie das rechtliche Schicksal der Entsorgungsanordnung teilt („zur Abfallentsorgung Verpflichtete“). Auch die insofern gesetzte Frist von zwei Wochen nach Abschluss der Beräumung ist verhältnismäßig (vgl. hierzu: VG Frankfurt/Oder, Urteil vom 17. Juni 2019 – 5 K 4267/17 – Rn. 47, juris).
52. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ist nicht für notwendig zu erklären, da es insofern bereits an der erforderlichen für die Klägerin günstigen Kostengrundentscheidung fehlt (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
53. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, da sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ableiten lässt, dass der Beklagte die persönlich Verhaltensverantwortlichen der Insolvenzschuldnerin im Rahmen seiner Entscheidung nach § 62 KrWG nicht berücksichtigen musste.
Zuletzt aktualisiert am Juli 20, 2021 von eurogesetze
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