Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 6. Senat. Aktenzeichen: OVG 6 M 42/21. Ausbildungsförderung; Aufhebung und Rückforderung; Ermessen; Erstattungsforderung gegen andere Sozialleistungsträger

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 6. Senat
Entscheidungsdatum: 15.06.2021
Aktenzeichen: OVG 6 M 42/21
ECLI: ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0615.OVG6M42.21.00
Dokumenttyp: Beschluss

Ausbildungsförderung; Aufhebung und Rückforderung; Ermessen; Erstattungsforderung gegen andere Sozialleistungsträger

Leitsatz

§ 20 Abs. Satz 1 Nr. 3 BAföG belässt dem Ausbildungsförderungsamt keine Spielräume, um auf eine Aufhebung und Rückforderung der überzahlten Ausbildungförderungsleistungen zu verzichten und stattdessen eine Erstattung gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger nach §§ 102 ff. SGB X (juris: SGB 10) geltend zu machen.(Rn.5)

Verfahrensgang …
Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. April 2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die erstinstanzliche Versagung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 166 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 ZPO biete, ist nicht zu beanstanden.

2. Mit bestandskräftig gewordenen Bescheiden vom 20. Januar 2017 hat der Beklagte Bewilligungsbescheide für der Klägerin gewährte Ausbildungsförderungsleistungen in Höhe von insgesamt 5.271 Euro gestützt auf § 20 Abs. 1 Nr. 3 BAföG aufgehoben und die Leistungen zurückgefordert. Die Klägerin hat im März 2017 einen Antrag auf Überprüfung der Bescheide vom 20. Januar 2017 gestützt auf § 44 SGB X gestellt, den der Beklagte mit der Begründung abgelehnt hat, die Bescheide seien rechtlich nicht zu beanstanden. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren verfolgt sie mit der Klage ihr Begehren auf Überprüfung der bestandskräftigen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide vom 20. Januar 2017 weiter.

3. Das Verwaltungsgericht hat hinreichende Erfolgsaussichten dieser Klage mit der Begründung verneint, die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 3 BAföG hätten vorgelegen. Die Regelung schließe einen Rückgriff auf die allgemeinen Regeln der §§ 44 ff. SGB X aus. Sie enthalte eine in sich geschlossene eigenständige Regelung über die Aufhebung von Bewilligungsbescheiden und die Erstattung von Förderungsleistungen im Sinne des § 37 SGB I und sehe zwingend die Aufhebung und Rückforderung des überzahlten Betrages vor, ohne dass es auf ein Verschulden der Klägerin oder des Beklagten ankomme. Die Beklagte habe auch zu Recht die Rückforderung unmittelbar gegenüber der Klägerin geltend gemacht und keine Erstattungsansprüche von Leistungsträgern untereinander nach den §§ 102 ff. SGB X geprüft, denn derartige Erstattungsansprüche lägen offenkundig nicht vor. Es fehle an einem Konkurrenzverhältnis zwischen der geleisteten Ausbildungsförderung und dem Anspruch auf Arbeitslosengeld 2, welchen die Klägerin mit ihrem Vortrag wohl anspreche. Denn die Klägerin sei nicht Leistungsberechtigte für Ansprüche nach dem SGB II. Dessen § 7 Abs. 5 Satz 1 bestimme, dass Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig sei, über die hier nicht in Betracht kommenden Leistung nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hätte.

4. Mit ihrer Beschwerde macht die Klägerin geltend, das Verwaltungsgericht verkenne, dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II wegen des Ausnahmetatbestandes des § 7 Abs. 6 SGB II, dessen Voraussetzungen hier vorlägen, nicht einschlägig sei. Dieser Vortrag rechtfertigt keine von der des Verwaltungsgerichts abweichende Einschätzung.

5. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 6 Nr. 1 SGB II vorlägen, und damit der Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach dem SGB II im hier fraglichen Zeitraum nicht nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen gewesen wäre, führte dies nicht auf die Rechtswidrigkeit der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide vom 20. Januar 2017. Die Beschwerde lässt außer Acht, dass § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BAföG dem Ausbildungsförderungsamt keine Spielräume belässt, um auf eine Aufhebung und Rückforderung der überzahlten Ausbildungsförderungsleistungen zu verzichten und stattdessen eine Erstattung gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger nach §§ 102 ff. SGB X geltend zu machen. Für ein derartiges Ermessen bietet die Norm keinen Anknüpfungspunkt. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt der in § 20 Abs. 1 Nr. 3 BAföG geregelte Rückforderungstatbestand eine eigenständige und in sich abgeschlossene Anspruchsgrundlage dar (BVerwG, Urteil vom 8. Juni 1989 – 5 C 38.86 -, NVwZ-RR 1990, S. 251 f., Rn. 16 bei juris), die zwingend die Aufhebung und Rückforderung vom Leistungsempfänger vorsieht (OVG Münster, Beschluss vom 26. April 2017 – 12 E 1041/16 -, Rn. 5 bei juris m.w.N.).

6. Der Umstand, dass § 44 SGB X, auf den die Klägerin ihre Klage stützt, der Behörde Ermessen einräumt, führt insoweit nicht weiter, weil es auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 20. Januar 2017 ankommt.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

8. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Zuletzt aktualisiert am Juli 19, 2021 von eurogesetze

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