Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 10. Senat. Aktenzeichen: OVG 10 A 6.18

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 10. Senat
Entscheidungsdatum: 17.06.2021
Aktenzeichen: OVG 10 A 6.18
ECLI: ECLI:DE:OVGBEBB:2021:0617.OVG10A6.18.00
Dokumenttyp: Urteil

Tenor

Der Normenkontrollantrag wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsteller dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1. Die Antragsteller möchten die Verordnung zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung für das Gebiet „Kaskelstraße“ im Bezirk Lichtenberg von Berlin vom 15. Juni 2017 (GVBl. S. 366) für unwirksam erklären lassen.

2. Die Antragsteller sind eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Antragstellerin zu 1.), die als Eigentümerin eines Grundstücks im Erhaltungsgebiet im Grundbuch eingetragen ist, und die beiden als ihre Gesellschafter im Grundbuch eingetragenen natürlichen Personen (Antragsteller zu 2. und zu 3.). Das Grundstück K…straße, 1… Berlin, ist u.a. im vorderen Bereich zur Straße hin mit einem viergeschossigen Wohnhaus und im hinteren Teil mit einem zweigeschossigen Wohngebäude mit Seitenflügel bebaut.

3. Das in Rede stehende Erhaltungsgebiet zählt 1.833 Wohnungen und 3.705 Bewohner (Stand 2016). Es liegt an der westlichen Grenze des Bezirks Lichtenberg zum Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zwischen der Hauffstraße im Norden, dem S-Bahnhof Nöldnerplatz im Osten, der Schlichtallee und dem S-Bahnhof Rummelsburg im Süden und der Schreiberhauer Straße im Westen. Die Grenzen des Gebiets sind in § 1 der Erhaltungsverordnung näher beschrieben und in der ihr anliegenden Karte mit einer schwarzen Linie eingezeichnet. Es handelt sich um den wesentlichen Teil eines Stadtquartiers, das auch als Victoriastadt oder Kaskelkiez bekannt ist und wie eine Insel von Bahntrassen umschlossen wird. Dieses Stadtquartier wurde hauptsächlich von 1875 bis 1914 mit drei- bis fünfgeschossigen Häusern bebaut. Die im Erhaltungsgebiet vorherrschende Wohnnutzung wird durch Gewerbebetriebe und Einzelhandelsgeschäfte ergänzt. Westlich der Schreiberhauer Straße befinden sich vor allem größere Gebäudekomplexe der Deutschen Rentenversicherung und ein Einkaufszentrum („Victoria-Center“).

4. Von 1994 bis 2008 war das in Rede stehende Erhaltungsgebiet – mit Ausnahme eines südöstlichen Teils zwischen Nöldnerstraße und Schlichtallee – förmlich als Sanierungsgebiet festgelegt. Außerdem wurde das Gebiet 1997 aufgrund der einmaligen bauhistorischen Geschlossenheit als städtebauliches Erhaltungsgebiet gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB ausgewiesen. Mit der Festsetzung als städtebauliches Erhaltungsgebiet mit dem Ziel des Gestaltschutzes war die Voraussetzung für das Förderprogramm Städtebaulicher Denkmalschutz gegeben, in welches das Gebiet 1998 aufgenommen wurde. 2004 wurde der Geltungsbereich der Erhaltungsverordnung zum Gestaltschutz auf das südlich der Nöldnerstraße gelegene Gelände bis zur Schlichtallee ausgeweitet.

5. Im November 2015 beauftragte die Bezirksverordnetenversammlung das Bezirksamt zu prüfen, in welchen Orts- bzw. Bezirksteilen von Lichtenberg eine sich abzeichnende städtebauliche Aufwertung der Wohngebiete mit Verdrängungstendenzen der angestammten Wohnbevölkerung zu verzeichnen bzw. zu erwarten sei. Im Bezirk Lichtenberg sei mit einem Anstieg von 12,2 Prozent der mit Abstand höchste Mietenanstieg in Berlin seit 2013 zu verzeichnen gewesen. Dies übe in einigen Teilen Lichtenbergs einen Verdrängungsdruck auf einkommensschwächere Haushalte aus und gefährde die Heterogenität von sozialen Milieus im Bezirk (Drucksache 1582/VII vom 19. November 2015, verfügbar im Internetportal https://www.berlin.de/ba-lichtenberg/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/).

6. Im März 2016 begann das Bezirksamt, die Voraussetzungen für den Erlass einer Milieuschutzverordnung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB im Gebiet um die Kaskelstraße im Ortsteil Rummelsburg zu prüfen. Dazu holte es mit Schreiben vom 16. März 2016 von verschiedenen Firmen Angebote für eine Voruntersuchung ein. In dem Schreiben hieß es, die Untersuchung solle u.a. die entsprechenden Eckdaten zur Sozialstruktur in dem Gebiet und die Entwicklung insbesondere seit 2011 erfassen und auswerten, möglichen Aufwertungsspielraum durch bisher noch nicht verwirklichte wohnwerterhöhende Sondermerkmale sowie die Auswirkungen auf die Mietbelastung ermitteln und das Verdrängungspotenzial einschätzen. Nach Prüfung der eingegangenen Angebote beauftragte das Bezirksamt am 24. Mai 2016 die T… mit der Untersuchung.

7. Mit Schreiben vom 13. Juni 2016 informierte das Bezirksamt die Bewohner des Gebiets über die Untersuchung und verschickte dazu einen Fragebogen mit 40 Fragen zu den Themen Wohnung (Fragen 1 – 13, u.a. zur Ausstattung und Miete), Verkehrsnutzung (Fragen 14 – 16), Nutzung öffentlicher Einrichtungen (Fragen 17 – 22), Haushalt (Fragen 23 – 32, u.a. Anzahl und Alter der Personen, berufliche Stellung und Einkommen), Nachbarschaft (Fragen 33 – 36, insbesondere zu Kontakten und gegenseitigen Hilfeleistungen) und Wohngebiet (Fragen 37 – 40, u.a. Auszugs- bzw. Bleibewünsche).

8. Im Januar 2017 legte die T… ihr Gutachten mit Stand November 2016 vor. Nach den Angaben im Gutachten stützte es sich auf 403 verwertbare Datensätze aus den Fragebögen, eine Begehung zum äußeren Zustand von 201 Gebäuden, die letzte Sozialstudie zum Kaskelkiez aus dem Jahr 2011, Untersuchungen zu anderen Gebieten, Daten des Statistischen Landesamtes Berlin und des Statistischen Bundesamtes, sowie auf verschiedene Unterlagen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (z.B. Stadtmonitoring, Stadtentwicklungskonzept Berlin 2020), Wohnungsmarktberichte der Investitionsbank Berlin und den Berliner Mietspiegel. Das Gutachten enthält Angaben über die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung nach Altersstruktur, Haushaltsgröße, Haushaltstypen, Berufs- und Erwerbsstruktur, Einkommen und Wohndauer im Jahr 2016 und stellt diese Befunde den Angaben für das Untersuchungsgebiet aus dem Jahr 2011 und außerdem den Angaben für andere Gebiete und teilweise für den Bezirk und Berlin insgesamt gegenüber.

9. Zu einer Gefahr der Verdrängung von Bevölkerungsgruppen aus dem Erhaltungsgebiet führt es aus, dass zwar nur 2% der Wohnungen im Untersuchungsgebiet nicht über eine Vollstandardausstattung verfügten, indessen bei den 98 % Vollstandardwohnungen in einem sehr großen Teil einzelne näher aufgeführte Ausstattungsmerkmale fehlten, die sowohl als Sondermerkmale im Berliner Mietpreisspiegel einbezogen seien als auch auf dem heutigen Wohnungsmarkt Voraussetzung für ein gehobenes Wohnungsangebot seien. Das betreffe etwa energetische Modernisierungsmaßnahmen, den Einbau von Aufzügen und den Anbau von Balkonen. Aufgrund der großen Nachfrage und der gestiegenen Erwartungen einkommensstärkerer Haushalte an die Ausstattung der Wohnung sei das Aufwertungspotenzial im Gebiet in größerem Umfang vorhanden. In etwa drei Viertel der Wohnungen fehle mindestens ein wichtiges Merkmal einer hochwertigen Wohnung (T…-Gutachten S. 47 f. = VVG Bl. 343 f.). Die Ergebnisse der Untersuchung zeigten auch einen deutlichen Aufwertungsdruck auf die Wohnungsbestände im Untersuchungsgebiet durch die große Zunahme der Umwandlungen und der Wohnungsverkäufe im Jahr 2015, die Steigerung der Quadratmetermieten bei Neuvermietung in den letzten drei Jahren und durch das überdurchschnittliche Einkommen der Zuwanderer in das Gebiet, die bereit und in der Lage seien, die durch Baumaßnahmen verursachten höheren Mieten zu bezahlen (T…-Gutachten S. 48 = VVG Bl. 344). Zudem ergebe sich aus der Untersuchung ein Verdrängungspotenzial, weil insgesamt 53 % der Haushalte im Gebiet ein Einkommen unter dem Berliner Durchschnittsniveau hätten. Diese müssten im Durchschnitt bereits jetzt gut 30 % ihres Einkommens für die Warmmiete aufwenden. Modernisierungsbedingte Mieterhöhungen würde ein großer Teil dieser Haushalte nicht verkraften können und sei daher verdrängungsgefährdet (T…-Gutachten S. 48 = VVG Bl. 344).

10. Als eine städtebauliche Folge sei bei einer entsprechenden Verdrängung mit einem Verlust preiswerten Wohnraums zu rechnen. Für die Versorgung der Haushalte mit unterdurchschnittlichen Einkommen stellten die Altbauwohnungen mit niedrigen Mieten ein derzeit nicht zu ersetzendes Angebot dar. Unter den gegebenen Umständen sei die Deckung des Wohnungsbedarfs der Haushalte mit unterdurchschnittlichen Einkommen nur zu sichern, wenn vorhandener preiswerter Wohnraum auch längerfristig erhalten werde und Modernisierungsinvestitionen auf die Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungsstandards beschränkt werden würden (T…-Gutachten S. 49 f. = VVG Bl. 345 f.). Wenn die einkommensschwächeren und verdrängungsgefährdeten Haushalte durch Modernisierungsinvestitionen ihre bisherigen Wohnungen verlassen müssten, würden zudem selektive Wanderungsprozesse und damit Segregationsprozesse in der Gesamtstadt verstärkt werden, weil sie in Gebiete abwandern würden, die bereits aufgrund ihrer hochsegregierten Bevölkerungsstruktur als Problemgebiete eingestuft seien und deren Steuerung und Verbesserung hohen personellen und finanziellen Aufwand erforderten. Dies widerspräche einem der wichtigsten städtebaulichen Entwicklungsziele des Berliner Senats, soziale Entmischungsprozesse zu vermeiden und gemischte funktionale Strukturen zu sichern (T…-Gutachten S. 50 f. = VVG Bl. 346 f.). Außerdem drohe eine Überlastung der sozialen Infrastrukturangebote für Kinder. Bei der ständigen Zunahme der Einwohnerzahl im Gebiet habe sich nicht nur die Zahl, sondern auch der Anteil der Kinder unter sechs Jahre deutlich gesteigert. Das liege im Wesentlichen in der Altersstruktur der Zuwanderer der letzten Jahre. Es handele sich um die Altersjahrgänge mit den höchsten Geburtenraten. Es sei daher zu erwarten, dass der Anteil der Kinder weiter steigen werde. Bei einer Fortsetzung des Trends würden die Kapazitäten der Schulen und Kindertagesstätten innerhalb weniger Jahre nicht mehr ausreichen. Die Kapazitätsgrenze der Grundschulen sei bereits erreicht (T…-Gutachten S. 50 = VVG Bl. 346). Infolge einer Verdrängung sei schließlich eine Veränderung einer bewährten Bevölkerungsstruktur zu erwarten, die sich auf die Struktur des Wohngebiets mit seinen infrastrukturellen Ausstattungen, seinen nachbarschaftlichen Kontakten und seiner Vertrautheit auswirken würde, auf die ein großer Teil der Bewohner angewiesen sei (T…-Gutachten S. 50 = VVG Bl. 346).

11. Das Bezirksamt gab das Gutachten im April 2017 der Bezirksverordnetenversammlung zur Kenntnis und beauftragte den Fachbereich Stadtplanung mit dem Entwurf einer sozialen Erhaltungsverordnung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB.

12. Am 13. Juni 2017 beschloss das Bezirksamt die Erhaltungsverordnung und deren Vorlage an die Bezirksverordnetenversammlung. Die Begründung der Beschlussvorlage (Drucksachen-Nr. DS/0292/VII, VVG Bl. 448 f.) wies auf das eingeholte Gutachten hin und führte dazu aus:

13. „Das beauftragte Gutachterbüro T… stellt darin fest, dass nach empirischer Untersuchung und Auswertung die zentralen Anwendungsvoraussetzungen zum Erlass einer sogenannten Milieuschutz-verordnung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 4 BauGB für das Gebiet ‚Kaskelstraße‘ gegeben sind.

14. Die demografische und soziale Struktur des Gebietes Kaskelstraße befindet sich in einem Veränderungsprozess: Der Zuzug von jüngeren und einkommensstärkeren Haushalten ist zu beobachten. Es sind im Gebiet weitere Aufwertungs- und Verdrängungspotenziale vorhanden. Ein deutlicher Aufwertungsdruck ist gegeben sowie Gefahren für die städtebaulichen Strukturen des Quartiers bei einer weiteren Veränderung sind nicht auszuschließen. Insgesamt ist es daher zulässig und sinnvoll, das städtebauliche Instrument einer sozialen Erhaltungsverordnung im Gebiet Kaskelstraße anzuwenden. Dies soll auch die Anwendung der Regelungen zur Kontrolle der Umwandlung in Einzeleigentum umfassen.“

15. Am 15. Juni 2017 fasste die Bezirksverordnetenversammlung den Beschluss zur Erhaltungsverordnung. Nach Ausfertigung am selben Tag wurde die Verordnung am 21. Juli 2017 im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin Nr. 19 (GVBl. S. 366) verkündet.

16. Das Normenkontrollbegehren der Antragsteller ist am Montag, den 23. Juli 2018, per Fax beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingegangen.

17. Zur Begründung führen die Antragsteller aus, die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erforderliche Antragsbefugnis sei gegeben. Die Antragsteller zu 2. und zu 3. berufen sich darauf, „als alleinige Gesellschafter“ der Antragstellerin zu 1. „Eigentümer“ des im Grundbuch von Lichtenberg eingetragenen Grundstücks K…straße zu sein, welches mit einem Wohnzwecken dienenden Gebäude bebaut sei. Die Antragsteller machen geltend, durch die Milieuschutzsatzung als „Eingriff in ihre Eigentümerrechte“ in ihren Rechten beeinträchtigt zu sein. Zum einen ergebe sich die Beeinträchtigung aus den in § 2 der Verordnung näher ausgeführten Beschränkungen des Rückbaus, der Änderung oder Nutzungsänderung der baulichen Anlage „im Eigentum“ der Antragsteller. Zum anderen ergebe sie sich daraus, dass die Aufteilung des Grundstücks nebst Gebäude in Wohnungseigentum nunmehr der Genehmigung nach § 2 der angegriffenen Verordnung bedürfe und sie damit rechnen müssten, dass sie wegen der mit der Erhaltungsverordnung angestrebten Ziele nicht erteilt werden würde.

18. In der Sache tragen die Antragsteller vor, zwar orientiere sich das T…-Gutachten zunächst zutreffend an den von der Rechtsprechung entwickelten Prüfkriterien, doch sei die Interpretation der hierfür ermittelten Indikatoren nicht plausibel.

19. Die Bestimmung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung durch den Antragsgegner werde den gesetzlichen Vorgaben nicht gerecht. Die Bestimmung der schützenswerten Bevölkerungsstruktur sei nicht plausibel. Schon die statistische Erhebung durch die T… sei handwerklich mangelhaft und als wissenschaftlich überzeugende Bewertungsgrundlage ungeeignet. Das bestätige ein von den Antragstellern eingeholtes Gutachten von e…, auf das die Antragsteller vollumfänglich verwiesen und das 52 Gutachten zur Festsetzung von Berliner Milieuschutzgebieten ausgewertet habe, darunter auch das T…-Gutachten aus dem Jahr 2016 zum hier in Rede stehenden Erhaltungsgebiet Kaskelstraße.

20. Die Mängel bei der Bestimmung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung schlügen auf die räumliche Abgrenzung des Erhaltungsgebiets durch.

21. Zudem gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine abstrakte Verdrängungsgefahr, nach der ohne die Erhaltungsverordnung im Erhaltungsgebiet infolge baulicher Maßnahmen eine unerwünschte Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erwarten wäre. Die Begründung der Erhaltungsverordnung durch den Antragsgegner in der dringlichen Vorlage an die Bezirksverordnetenversammlung vom 13. Juni 2017 sei erstaunlich kurz und wenig konkret und aussagekräftig. Der Antragsgegner gehe weitgehend ungeprüft davon aus, dass die Möglichkeit einer Aufwertung durch bauliche Maßnahmen mehr oder weniger automatisch zu einem unerwünschten Verdrängungsdruck führe. Angesichts der aktuellen Wohnungssituation könne man mit dieser Argumentation letztlich jedes Gebiet im innerstädtischen Bereich Berlins zum Milieuschutzgebiet erklären. Außerdem treffe diese weit verbreitete Kausalitätsannahme so nicht zu. Das ergebe sich aus einer Studie der W…-Stiftung aus dem Jahr 2019. Danach seien 77,5 % der umziehenden Mieter aus Mitte und Friedrichshain 2013 – 2015 nicht verdrängt worden, hätten 37,4 % der Verdrängten ihren Umzug als „freiwillig oder eher freiwillig“ wahrgenommen und 18,3 % der Verdrängten innerhalb eines Monats und 77,1 % der Verdrängten innerhalb von 6 Monaten eine neue Wohnung gefunden. Knapp 80 % der Verdrängten hätten eine Wohnung in einem ihrer „Wunschräume“ (Kieze) gefunden. Zudem liege der Anteil der Verdrängten, die mit ihrer Wohnsituation nach der Verdrängung „eher oder sehr zufrieden“ seien, bei 90 %.

22. Aus der e…-Studie ergebe sich, dass es im T…-Gutachten an der Heranziehung von Vergleichszahlen fehle, insbesondere zu „harten“ Indikatoren wie Einkommen oder Erwerbsbeteiligung. Die durchschnittliche Mietbelastung im Gebiet (T…-Gutachten S. 29) begründe für sich genommen nach der e…-Studie (S. 42 ff.) noch keine Verdrängungsgefahr. Daher könnten diese Indikatoren nicht valide eine zu befürchtende Änderung der Bevölkerungsstruktur anzeigen und wegen des weitgehenden Verzichts auf Vergleichszahlen kaum auf Plausibilität untersucht werden. Außerdem fehle dem T…-Gutachten der Zeitbezug. Es sei völlig unklar, in welchem Zeitrahmen – etwa innerhalb der nächsten zwei oder 20 Jahre – mit Veränderungen zu rechnen sei. Zudem sei die Vielzahl der im Gutachten verwendeten Indikatoren problematisch.

23. Die Studie der W…-Stiftung widerlege auch die Vermutung, durch eine „unerwünschte Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung“ seien „negative städtebauliche Folgen“ zu befürchten. Denn es fehle bereits an der für die Kausalität erforderlichen Gefahr einer „unerwünschten Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung“. Außerdem hätten 80 % der Verdrängten eine Wohnung in ihrem „Wunschraum“ gefunden. Hinzu komme, dass das Gebiet ohnehin bereits eine von jungen Familien mit Kindern geprägte Struktur aufweise, die durch die befürchteten „Veränderungsprozesse“ allenfalls verfestigt werden würde. Insofern sei die städtebauliche Struktur ohnehin dieser Bevölkerungsstruktur anzupassen, was nicht als negative städtebauliche Folgen angesehen werden könne.

24. Die auf der vierten Stufe zu prüfenden „negativen städtebaulichen Folgen“ plausibilisiere und substantiiere das T…-Gutachten (S. 48 – 51) nicht einmal ansatzweise. Vielmehr handele es sich lediglich um Allgemeinplätze, die es rechtfertigen würden, nahezu jeden Berliner Innenstadtblock als Milieuschutzgebiet auszuweisen. Der Verlust von preiswertem Wohnraum möge allenfalls auf der dritten Stufe ein gewisses Verdrängungspotenzial nahelegen, nicht aber zugleich auch eine negative städtebauliche Folge. Das wäre ein Zirkelschluss. Das Aufrechterhalten eines niedrigen Mietniveaus sei für sich gesehen kein mit einem Milieuschutzgebiet verfolgbares städtebauliches Anliegen. Das gleiche gelte für die lediglich behauptete und nicht näher belegte Beförderung von „Segregationsprozessen“, die für eine vermeintliche Verdrängung herangezogen werden würden und nicht auf der vierten Stufe nochmals bemüht werden könnten. Die angeblich drohende „Veränderung einer bewährten Bevölkerungsstruktur“ biete ebenfalls keine Substantiierung der vermeintlichen negativen städtebaulichen Folgen. Eine Gefahr „negativer städtebaulicher Folgen“ lasse sich nicht allein mit dem Umstand der nachbarschaftlichen Kontakte eines Teils der Bewohner begründen. Vielmehr sei lediglich die „Bevölkerungsstruktur“ geschützt und seien die persönlichen Bindungen des einzelnen Bewohners kein relevanter Gesichtspunkt. Unabhängig davon biete das T…-Gutachten keinen Anhaltspunkt dafür, dass die möglicherweise zuziehenden Bewohner nach ihrer Struktur die nachbarschaftliche und soziale Stabilität negativ beeinflussen würden. Für eine angeblich verdrängungsbedingte „Überlastung der infrastrukturellen Angebote für Kinder“ biete das T…-Gutachten keinen Beleg. Dem Gutachten lasse sich an keiner Stelle entnehmen, dass die Verdrängungsgefahr in erster Linie für kinderlose bzw. kinderlos bleibende Bewohner bestehe, während mit einem überdurchschnittlichen Zuzug von kinderreichen Familien bzw. Paaren mit Kinderwunsch zu rechnen sei. Da ausweislich der Untersuchung vor allem Haushalte mit Kindern, insbesondere Alleinerziehende und Paare mit zwei und mehr Kindern, über ein geringes Äquivalenzeinkommen verfügten (S. 15, Tabelle 12), seien in besonderem Maße Haushalte mit Kindern von Verdrängung betroffen, so dass es selbst bei einem unterstellten Zuzug von Familien mit Kindern nicht zu einer verdrängungsbedingten Überauslastung von Kitas und Schulen komme.

25. Als materielle Fehler seien alle diese Mängel auch unter Berücksichtigung der Planerhaltungsvorschriften der §§ 214, 215 BauGB beachtlich, weil es sich nicht um bloße Mängel des Abwägungsvorgangs handele und sie daher nicht von §§ 214, 215 BauGB erfasst werden würden.

26. Die Antragsteller beantragen,

27. die Verordnung zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Baugesetzbuchs für das Gebiet „Kaskelstraße“ im Bezirk Lichtenberg von Berlin vom 15. Juni 2017, verkündet am 21. Juli 2017 (GVBl. S. 366), für unwirksam zu erklären.

28. Der Antragsgegner beantragt,

29. den Normenkontrollantrag zurückzuweisen.

30. Der Antrag sei zulässig, aber unbegründet. Formelle Fehler seien weder geltend gemacht noch ersichtlich. In materieller Hinsicht entspreche die Erhaltungsverordnung dem nach der Rechtsprechung anzulegenden Prüfungsmaßstab.

31. Aus der Begründung in der Bezirksamts-Vorlage zur Rechtsverordnung in Verbindung mit der ihr zugrundeliegenden Untersuchung der Fa. T… lasse sich insbesondere auch die Zusammensetzung der im Geltungsbereich der Verordnung zu schützenden Wohnbevölkerung entnehmen. Die jeweiligen Anteile und Abgrenzungskriterien der untersuchten Bevölkerungsgruppen ergäben sich aus der dem Erlass der Rechtsverordnung zugrunde gelegten Untersuchung der Fa. T… und begründeten auch die dabei vorgenommene Abgrenzung des Erhaltungsgebietes.

32. Gerade im Erhaltungsgebiet Kaskelstraße sei bereits in den zurückliegenden Jahren ein Zuzug von jungen, zahlungskräftigen Mietern festzustellen, der einen weiteren Anstieg dieser bereits überrepräsentierten Bevölkerungskreise (und damit eine weitere soziale Entmischung) erwarten lasse. Das unterstreiche gerade die Richtigkeit der Gefahrenprognose des Antragsgegners, dass derzeit noch preisgünstiger Wohnraum nach seinem Freiwerden und anschließend erfolgten Modernisierungsmaßnahmen über den durchschnittlichen Standard hinaus bei der dann anstehenden Neuvermietung nur noch an neu hinzuziehende, zahlungskräftigere Mieter vermietet werden würde, die auch Wohnräume nachfragten, die über der üblichen Ausstattung modernisiert bzw. ausgestattet seien.

33. Die von den Antragstellern vorgelegte Studie der W…-Stiftung aus dem Jahr 2019 sei für das anhängige Normenkontrollverfahren gar nicht relevant, denn eine Erhaltungsschutzverordnung diene ja gerade nicht dem individuellen Schutz freiwillig umziehender Mieter vor einer „Verdrängung“, sondern dem Schutz der erhaltenswerten Zusammensetzung der Bevölkerung und der Vermeidung einer weiteren sozialen Entmischung im Interesse der Vermeidung von daraus entstehenden negativen städtebaulichen Folgen. Bei der Untersuchung zur Vorbereitung der in Rede stehenden Erhaltungsverordnung seien daher auch keine Daten zur Nachverfolgung der individuellen Zufriedenheit der wegziehenden Personen mit ihrer neuen Wohnung und ihrem neuen Wohnumfeld zu erheben. Außerdem würden die Antragsteller aber auch die Prognose des Antragsgegners hier gar nicht bestreiten, dass die bereits begonnenen Veränderungsprozesse ohne die beanstandete Rechtsverordnung zu einer weiteren Verfestigung der bereits eingeleiteten Entwicklung hinsichtlich des verstärkten Zuzugs bestimmter, im Gebiet bereits überrepräsentierter Bevölkerungskreise führen würden. Aus dieser städtebaulich unerwünschten Entwicklung ergebe sich ja dann erst der aus dieser weiteren sozialen Entmischung für die Gemeinde entstehende zusätzliche Anpassungsbedarf.

34. Auch die von den Antragstellern eingereichte Studie des Forschungsinstitutes „e…“ sei nicht geeignet zu belegen, dass die hier angegriffene soziale Erhaltungsverordnung „Kaskelstraße“ aufgrund fehlerhafter wissenschaftlicher Ermittlungsmethoden und -kriterien bzw. fehlerhafter Folgerungen in den zugrundeliegenden Untersuchungen der Fa. T… rechtswidrig zustande gekommen sei. Es handele sich nicht um ein auf die Rechtmäßigkeit des Zustandekommens der sozialen Erhaltungsverordnung „Kaskelstraße“ bezogenes „Gutachten“, das auf den vorliegenden Normenkontrollantrag abstelle. Vielmehr betreffe es 52 Gutachten zur Ermittlung der Voraussetzungen für den Erlass verschiedener Erhaltungsverordnungen in verschiedensten Gebieten mit unterschiedlichen Voraussetzungen und zudem von unterschiedlichen Gutachtern erstellt. Alle diese Gutachten werte es einfach pauschal als mit „schwerwiegenden Mängeln“ behaftet ab und stelle dann einen eigenen Ansatz für eine Methodik der Ermittlung der notwendigen Grundlagen vor. Zudem überspanne es die Anforderungen an den Inhalt einer Erhaltungsverordnung und die Voraussetzungen für ihren Erlass. Im Übrigen mache sich der Antragsgegner die der Antragserwiderung beigefügte Stellungnahme der T… zu der „e…“-Studie zu eigen.

35. Entgegen dem Vortrag der Antragsteller fehle es bei der beanstandeten Untersuchung der T…, die der Antragsgegner seiner Rechtsverordnung zugrunde gelegt habe, auch nicht an einer Validität der ermittelten Daten. Sowohl Vergleichszahlen als auch der Zeitbezug ergäben sich aus der Untersuchung der T…. Auch erschließe sich nicht, warum die „e…“-Studie und die Antragsgegnerin meinten, die Vielzahl der Indikatoren stehe einer Validität der erhobenen Daten entgegen.

36. Ebenso wenig fehle es in der T…-Untersuchung an der Darstellung der negativen städtebaulichen Folgen von baulichen Maßnahmen im Sinne des § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB, die ohne Erlass der Rechtsverordnung zu prognostizieren seien. Die städtebaulich unerwünschten Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung seien ausführlich dargestellt. Insbesondere die Relevanz des Verlustes preiswerten Wohnraums sei in der Begründungsuntersuchung (vgl. S. 49 f.) erläutert, ebenso die drohende Überlastung infrastruktureller Angebote, z.B. für Kinder. Die Untersuchung der T… zeige auf, dass die vorgefundene Gebietsstruktur im Hinblick auf die in § 1 BauGB angesprochenen ausgeglichenen Bevölkerungsstrukturen, die an den positiven Bewertungen des Gebiets, der Nachbarschaft und der infrastrukturellen Versorgung abzulesen seien, hier unbedingt erhaltenswert seien. Bei einer Änderung der Bevölkerungsstruktur seien diese jedoch gefährdet. Die städtebauliche Bedeutung der Vermeidung von Segregationsprozessen ergebe sich aus der Forderung des Baugesetzbuches, einseitige Bevölkerungsstrukturen zu vermeiden. Aus diesem Grund finde sich auch im „Stadtentwicklungskonzept Berlin 2020 – Statusbericht und perspektivische Handlungsansätze“ der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung als Ziel der städtebaulichen Entwicklung in Berlin die Vermeidung sozialer Entmischungsprozesse. Insoweit sei die Verstärkung von Segregationsprozessen zweifelsfrei als negative städtebauliche Entwicklung anzusehen.

37. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte (ein Band) und die beigezogenen Verordnungsvorgänge (ein Ordner) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

38. Soweit der Normenkontrollantrag zulässig ist (nachfolgend I.), hat er keinen Erfolg, weil er unbegründet ist (unter II.).

39. I. Der Normenkontrollantrag ist nur hinsichtlich der Antragstellerin zu 1. zulässig, weil nur sie gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt ist.

40. Nach dieser Vorschrift kann den Antrag jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Bei Erhaltungssatzungen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB (sog. Milieuschutzsatzungen) liegt die Voraussetzung, dass eine Person geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, bei den Eigentümern von Grundstücken im Gebiet und bei den Inhabern grundstücksgleicher Rechte an Grundstücken im Erhaltungsgebiet vor, ferner bei Bauherren, die nicht Eigentümer sind, aber wie ein Eigentümer bauliche Änderungen vornehmen dürfen (Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Auflage 2019, § 172 Rn. 126; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Oktober 2020, § 172 Rn. 213). Für den Eigentümer eines Grundstücks im Erhaltungsgebiet folgt die Antragsbefugnis aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Denn mit dem Inkrafttreten der Erhaltungsverordnung werden der Rückbau, die Änderung und die Nutzungsänderung der Wohngebäude auf dem Grundstück einem – gegenüber dem allgemeinen Bauplanungsrecht und dem Bauordnungsrecht eigenständigen – Vorbehalt einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung unterworfen, mit deren Versagung er rechnen muss. In Berlin löst das Inkrafttreten der Verordnung außerdem für alle Grundstücke im Bereich einer Erhaltungsverordnung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB einen erhaltungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalt für das Begründen von Wohnungs- und Teileigentum im Sinne von § 1 WEG aus, weil der Senat von Berlin insoweit von der Verordnungsermächtigung in § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB Gebrauch gemacht hat, zunächst nach der Umwandlungsverordnung (UmwandV vom 3. März 2015, GVBl. S. 43), seit dem 13. März 2020 nach der Umwandlungsverordnung 2020 (UmwandV 2020 vom 4. Februar 2020, GVBl. S. 38), die bis zum Ablauf des 12. März 2025 gilt (§ 3 Satz 2 UmwandV 2020). Danach kann der Eigentümer eines Grundstücks im Erhaltungsgebiet seine Antragsbefugnis aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG auch auf die ihm drohende Versagung einer erhaltungsrechtlichen Umwandlungsgenehmigung für das Begründen von Wohnungs- und Teileigentum stützen.

41. Nach diesen Maßstäben ist hier die Antragsbefugnis der Antragstellerin zu 1. aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gegeben. Sie ist als Eigentümerin des Grundstücks K…straße im Grundbuch eingetragen und damit aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG für den Normenkontrollantrag gegen die Erhaltungsverordnung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt.

42. Den Antragstellern zu 2. und zu 3. fehlt dagegen die Antragsbefugnis. Sie sind nicht Eigentümer des Grundstücks, sondern im Grundbuch nur in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der Grundstückseigentümerin, der Antragstellerin zu 1., aufgeführt. Der Hinweis auf die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ändert nichts daran, dass das Grundstück Eigentum der GbR ist und nicht (auch nicht gesamthänderisch gebundenes) Eigentum der Gesellschafter (BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2008 – V ZB 74/08 -, juris Rn. 11; BVerwG, Beschluss vom 15. April 2010 – BVerwG 4 BN 41.09 -, juris Rn. 4). Für Normenkontrollanträge gegen Bebauungspläne ist deshalb in der Rechtsprechung geklärt, dass die Gesellschafter einer GbR, die Eigentümerin eines Grundstücks in einem Bebauungsplangebiet ist, nicht im Normenkontrollverfahren gemäß § 47 Abs. 2 Satz1 VwGO geltend machen können, durch den Bebauungsplan in eigenen Rechten als Grundstückseigentümer verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden (BVerwG, Beschluss vom 15. April 2010, a.a.O., Rn. 4). Ein mit der Eigentümerstellung (§ 903 Satz 1 BGB) verbundenes Nutzungsrecht steht – ebenso wie das Eigentum an einem zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstück – der Gesellschaft und nicht den einzelnen Gesellschaftern zu. Die Gesellschafter einer GbR können auch nicht verlangen, wie Bruchteilseigentümer behandelt zu werden, weil sich die Gesellschaft (§§ 705 ff. BGB) von einer Gemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) gerade darin unterscheidet, dass das Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft zusteht und nicht – wie bei der Gemeinschaft – deren Mitgliedern (BVerwG, Beschluss vom 15. April 2010, a.a.O., Rn. 5). Eine Verletzung des nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumsrechts durch einen Bebauungsplan scheidet insoweit aus (BVerwG, Beschluss vom 3. August 2017 – BVerwG 4 BN 11.17 -, juris Rn. 11). Das Gleiche gilt für die Möglichkeit einer Eigentumsverletzung durch die hier in Rede stehende Erhaltungsverordnung. Danach können hier die Antragsteller zu 2. und zu 3. aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG keine Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO für eine Normenkontrolle der Erhaltungsverordnung begründen, weil sie nicht selbst als Eigentümer im Grundbuch eingetragen sind, sondern nur als Gesellschafter der Eigentümerin, und eine Verletzung ihrer Rechte durch die Erhaltungsverordnung auch sonst nicht zumindest möglich erscheint.

43. Weitere Bedenken gegen die Zulässigkeit des Normenkontrollantrages bestehen nicht. Insbesondere ist die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gewahrt. Danach ist der Antrag innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift zu stellen. Die Erhaltungsverordnung ist am 21. Juli 2017 im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin verkündet worden. Da der 21. Juli 2018 auf einen Sonnabend fiel, endete die Jahresfrist (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB) erst mit Ablauf des nächsten Werktags (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO), hier am Montag, dem 23. Juli 2018. Der Antrag ist per Fax an diesem Tag und damit fristgerecht eingegangen.

44. II. Der danach allein zulässige Normenkontrollantrag der Antragstellerin zu 1. ist unbegründet. Die Verordnung zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB für das Gebiet „Kaskelstraße“ im Bezirk Lichtenberg von Berlin vom 15. Juni 2017 leidet an keinem beachtlichen formellen oder materiellen Mangel.

45. Rechtsgrundlage der angegriffenen Erhaltungsverordnung ist § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB. Danach kann die Gemeinde in einem Bebauungsplan oder durch eine sonstige Satzung Gebiete bezeichnen, in denen zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen der Genehmigung bedürfen.

46. 1. Die Erhaltungsverordnung genügt den formellen Anforderungen des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB (zu den Anforderungen vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. März 2021 – OVG 2 A 13.19 -, Rn. 34 ff.). Formelle Mängel sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Die Form der Rechtsverordnung ergibt sich aus § 246 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 AGBauGB Bln. Es gelten die für den Erlass einer Rechtsverordnung allgemein anzuwendenden Vorschriften, die hier nach Zuständigkeit, Verfahren und Form eingehalten sind. Auf eine Erhaltungsverordnung finden weder das Bauleitplanverfahren noch ein diesem nachgebildetes besonderes Verfahren Anwendung (OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn. 35).

47. Soweit die von den Antragstellern aufgeworfene, aber nicht weiter erläuterte Frage einer fehlenden oder fehlerhaften Ausschreibung bei der Vergabe des Auftrags für die T… als Rüge eines Verfahrensfehlers gemeint ist, greift sie schon deshalb nicht durch, weil die Untersuchung der tatsächlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Erhaltungsverordnung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, anders als etwa die vorbereitenden Untersuchungen vor der förmlichen Festlegung eines Sanierungsgebietes (§ 141 BauGB) oder eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs (§ 165 Abs. 4 BauGB). Insoweit kommt es hier nicht entscheidungserheblich darauf an, ob der Antragsgegner gegen vergaberechtliche Vorschriften verstoßen hat, indem er die Ausschreibung auf sieben Unternehmen beschränkt hatte, bevor er den Untersuchungsauftrag an die T… vergab.

48. 2. Die materiellen Voraussetzungen für den Erlass der Erhaltungsverordnung liegen ebenfalls vor.

49. Der Antragsgegner beruft sich auf das nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB zulässige Ziel der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung.

50. a) In materieller Hinsicht muss eine Erhaltungssatzung die gesetzlichen Voraussetzungen von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB erfüllen. Bei dem Erlass einer sozialen Erhaltungsverordnung im Sinne dieser Vorschrift handelt es sich um eine städtebauliche Planungsentscheidung, die einer planerischen Abwägung bedarf. Wegen der Besonderheiten des Erhaltungsrechts ist allerdings nur eine eingeschränkte Abwägung vorzunehmen, die sich hauptsächlich auf die Frage bezieht, ob eine Erhaltungssatzung bzw. -verordnung mit einem bestimmten Erhaltungsziel aufzustellen ist, d.h. ob das öffentliche Interesse an der Erhaltung baulicher Anlagen oder der Eigenart von Gebieten unter Berücksichtigung der Gefahrenprognose und anderer städtebaulicher Belange hinreichend gewichtig ist, und wie das Gebiet abzugrenzen ist. Denn die Erhaltungssatzung bzw. -verordnung unterscheidet sich von der Bauleitplanung mit ihrem weiten Planungsermessen durch relativ eng gefasste materielle Anwendungsvoraussetzungen. Ein wesentlicher Teil des Entscheidungsprogramms besteht bei ihr in der Ermittlung der Tatsachen und Umstände, die vorliegen müssen, um die Festlegung von Erhaltungszielen in dem geplanten Erhaltungsgebiet zu rechtfertigen. Diese vorbereitenden Feststellungen ähneln eher einem Subsumtionsvorgang als einer Abwägung. Auch lassen sich die Regelungsgehalte der beiden Satzungs- bzw. Verordnungstypen nicht gleichsetzen, denn den regelmäßig komplexen und auf Dauer angelegten Festsetzungen des Bebauungsplans steht bei § 172 Abs. 1 BauGB ein zweistufiges Verfahren gegenüber, auf dessen erster Stufe lediglich ein Genehmigungsvorbehalt mit dem Ziel der präventiven Kontrolle erhaltungsrelevanter Vorhaben eingeführt wird. Einzelentscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben werden in einem gesonderten Genehmigungsverfahren getroffen, das so ausgestaltet ist, dass den Belangen der betroffenen Eigentümer im Einzelfall Rechnung getragen werden kann. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung geht es danach – außer um das Vorliegen der Vor-aussetzungen des § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB – vor allem um die Prüfung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der Festlegung (zum Ganzen OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. März 2021, a.a.O., Rn. 38 m.w.N.).

51. Danach muss der Verordnungsgeber einer Erhaltungsverordnung im Sinne von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB zum Erfüllen der gesetzlichen Vorgaben hinreichend die zu schützende Zusammensetzung der Wohnbevölkerung feststellen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. März 2021, a.a.O., Rn. 44 ff.), den räumlichen Umgriff fehlerfrei festlegen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn. 51 ff.), eine Gefahrenprognose treffen, nach der eine abstrakte Gefahr besteht, dass im Erhaltungsgebiet infolge baulicher Maßnahmen bzw. der Umwandlung in Wohneigentum im Sinne von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB eine unerwünschte Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung eintritt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn. 54 ff.) und durch besondere städtebauliche Gründe das Festlegen des Erhaltungsgebiets rechtfertigen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn. 68 ff.). Außerdem muss das Festlegen des Erhaltungsgebietes dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn. 76 f.). Für die Ermittlung der insoweit relevanten Umstände steht es dem Verordnungsgeber frei, auf ihm verfügbare Daten zurückgreifen – wie hier z.B. die periodischen Sozialberichte zum Gebiet Kaskelstraße oder Daten des Statistischen Landesamtes – oder auch die relevanten Umstände gesondert untersuchen lassen, wie hier durch die T… (vgl. Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Auflage 2019, § 172 Rn. 19 f.; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Oktober 2020, § 172 Rn. 75).

52. b) Bei der Prüfung der materiellen Kriterien der Rechtmäßigkeit der Erhaltungsverordnung kann hier offenbleiben, inwieweit die von der Antragstellerseite nach Ablauf der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB erstmals in ihren Schriftsätzen vom 4. Juni 2019 und vom 6. Juli 2020 zur Begründung des Normenkontrollantrags erhobenen Einwände – entgegen ihrer Auffassung – unter die Regelungen des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 BauGB fallen. Denn der Hinweis in § 6 der Erhaltungsverordnung genügt nicht den Anforderungen des § 215 Abs. 2 BauGB und kann daher nicht zur Unbeachtlichkeit von Einwänden als verspätet führen. Die Formulierung „wer die Rechtswirksamkeit dieser Verordnung überprüfen lassen will, muss … eine … Verletzung … schriftlich geltend machen“, eröffnet Interpretationsmöglichkeiten, die Personen, die mit den getroffenen Regelungen nicht einverstanden sind, von der Erhebung von Rügen abhalten können. Sie kann dahin verstanden werden, dass derjenige, der ein gerichtliches Normenkontrollverfahren einleiten will, Mängel zuvor selbst fristgemäß gerügt haben müsse. Das widerspricht der „inter omnes“-Wirkung einer solchen Rüge, nach der sie allgemein und absolut für jedermann wirkt und nicht nur zugunsten desjenigen, der den Mangel ordnungsgemäß geltend gemacht hat (vgl. näher OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. März 2021, a.a.O., Rn. 41). Danach kommt ein Ausschluss von Einwänden der Antragstellerseite als nach § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB unbeachtlich hier nicht in Betracht.

53. c) Indessen greifen die Rügen der Antragsteller in der Sache nicht durch.

54. aa) Das betrifft zunächst den allgemeinen Einwand der Antragsteller gegen die Ermittlung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung, die Bestimmung des Erhaltungsgebiets, die Verdrängungsgefahr und die städtebaulichen Auswirkungen einer etwaigen Verdrängung bestimmter Bevölkerungsgruppen, nach dem bereits die statistische Erhebung durch die T… handwerklich mangelhaft und als wissenschaftlich überzeugende Bewertungsgrundlage ungeeignet sei. Dazu beruft sich die Antragstellerseite auf die von ihr eingereichte Studie der „e…“. Diese Studie enthält jedoch schon keine konkrete Kritik an der hier in Rede stehenden Untersuchung der T… zum Gebiet Kaskelstraße. Vielmehr will sie nur allgemein „einen Beitrag“ zu einer aus Sicht ihrer Verfasser „überfälligen Diskussion“ liefern, indem sie „insgesamt 51 Gutachten, davon neun aus Hamburg und 42 Gutachten aus Berlin“ zum Anlass nimmt, sich „der Frage weiter zu nähern, wie eigentlich der Nachweis negativer städtebaulicher Folgen einer auf-wertungs-bedingten Verdrängung zu bewerkstelligen“ sei (e…-Studie S. 2). Soweit die e…-Studie zur Datengrundlage ausführt, der empirische Kern aller Gutachten sei eine Haushaltsbefragung im Untersuchungsgebiet (S. 4), trifft dies auf das hier in Rede stehende T…-Gutachten zwar ebenfalls zu (T…-Gutachten, S. 4 unter 1.1 „Vorgehensweise“), nimmt aber nicht in den Blick, dass die T…- die Qualität der Stichprobe hier anhand der Daten des Einwohnerregisters für das Wohngebiet einer Überprüfung unterzogen hat (T…-Gutachten S. 4 f. unter 1.2 „Qualität der Stichprobe“) und geht auch nicht darauf ein, dass das T…-Gutachten auch andere Quellen ausgewertet hat, die jeweils gesondert benannt sind (T…-Gutachten S. 5 unter 1.3 „Darstellung der Ergebnisse“).

55. Fehl geht auch der pauschale Vorwurf der e…-Studie, in keinem der Gutachten werde das Innere der Wohnungen erfasst (S. 4). Dem T…-Gutachten liegt eine detaillierte Befragung der Bewohner zur Ausstattung ihrer Wohnung beim Einzug und danach (differenzierend nach Einbau durch den Mieter oder Vermieter) zugrunde (vgl. T…-Gutachten, Anlage Fragebogen, Frage 11 auf S. 2). Das T…-Gutachten befasst sich an mehreren Stellen mit der Ausstattung der Wohnungen (S. 23, 42 f. mit Tabelle 58, S. 47) und – gesondert – auch mit der Bedeutung der Ausstattung für die Bewohner (Verbesserungswünsche, S. 25 f.; als Umzugsgrund, S. 32; Erwartungen bei Wohnungssuche, S. 47).

56. Die von den Antragstellern zurecht nicht vertieften vermeintlichen methodischen Mängel hinsichtlich der Repräsentativität und der Reliabilität „der“ Gutachten sind beim T…-Gutachten nicht ersichtlich. Soweit die e…-Studie unter der Überschrift „Repräsentativität der Haushaltsbefragungen“ die Befürchtung von „Verzerrungen“ äußert (S. 4 – 6), erschließt sich hier nicht konkret, inwieweit der hier zugrundeliegende Fragebogen Anlass zu solchen Befürchtungen geben soll, wobei hinzukommt, dass ihm Hinweise zum Ausfüllen beigefügt und außerdem sowohl am Ende dieser Hinweise als auch im Anschreiben an die Bewohner Möglichkeiten zu Rückfragen angegeben waren (T…-Gutachten, Anlagen, Befragungsunterlagen). Deshalb ist auch nicht ersichtlich, inwieweit im vorliegenden Fall für die „Reliabilität“ subjektive Bewertungen – wie die des Bodenbelags als „hochwertig“ – eine Rolle spielen sollen, zumal hier die bereits erwähnte Frage zur Ausstattung Ausstattungsgegenstände konkret benennt, so z.B. die jeweils anzukreuzende Art des Bodenbelags („Teppichboden“, „Parkettboden und/oder abgezogene Dielen“ oder „Laminat“). Das gleiche gilt für die Bedeutung nicht wahrheitsgemäßer Antworten, weil Wissen abgefragt werde, das die Befragten nicht hätten. So wurde im Gebiet der Kaskelstraße nicht nach einem „Brennwertkessel“ (e…-Studie, S. 6) gefragt. Im Übrigen entspricht der hier verwendete Fragenkatalog (T…-Gutachten, Anhang Befragungsunterlagen, Fragebogen) dem Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts in der Stadt Nürnberg entwickelten sog. Nürnberger Kriterienkatalog (Killisch/Holtmann/Ruf, Mitteilungen der Fränkischen Geographischen Gesellschaft Bd. 40, 1993, 155, 162 f., verfügbar im Internetarchiv der Fränkischen Geographischen Gesellschaft unter http://fgg-erlangen.de/fgg/ojs/index.php/mfgg/issue/archive). Der Nürnberger Kriterienkatalog ist sowohl in der Rechtsprechung (Hamburgisches OVG, Urteil vom 9. Juli 2014 – 2 E 3/13.N – juris Rn. 26) als auch im Schrifttum (Peine, DÖV 1992, 85, 90; Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Auflage 2019, § 172 Rn. 94) anerkannt. Die allgemeinen Feststellungen des T…-Gutachtens zur Wohnungsausstattung im Erhaltungsgebiet nach dem Vollstandard im Sinne des Berliner Mietspiegels sind außerdem anhand der Feststellungen in der Begründung zur Aufhebung der Sanierungsverordnung (Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 16/1145 vom 6. Februar 2008, lfd. Nr. 1, Verordnungs-Nr. 16/85, Anlage 1, S. 17: 92 % der bewohnten Wohnungen zu Beginn des Jahres 2008) und der im Gutachten dargestellten nachfolgenden Entwicklung (96 % der Wohnungen im Jahr 2011, 98 % im Jahr 2016, T…-Gutachten, S. 23 f = VVG Bl. 319 f.) nachvollziehbar.

57. Schließlich ergeben sich allgemeine Bedenken gegen das T…-Gutachten nicht aus der einzigen konkret auf dieses Gutachten bezogenen Bemerkung der e…-Studie, dass hier in einem Gebiet „mit (deutlich) überdurchschnittlichen Einkommen … bereits eine Verdrängungsgefahr konstatiert“ werde (e…-Studie S. 42 mit Fn. 86). Soweit diese Bemerkung als Kritik gemeint sein sollte, greift sie nicht durch, weil auch in einem Gebiet mit überdurchschnittlichem Einkommen die Gefahr einer unerwünschten Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung durch Verdrängung bestimmter Bevölkerungsgruppen, etwa solcher mit unterdurchschnittlichem Einkommen, nicht ausgeschlossen ist.

58. Mit Blick auf die danach vom Antragsgegner hier in grundsätzlich unbedenklicher Weise ermittelten Tatsachen und Umstände für die Voraussetzungen des Erlasses einer sozialen Erhaltungsverordnung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB erweisen sich auch die Feststellungen und Bewertungen des T…-Gutachtens im Einzelnen zur Zusammensetzung der Wohnbevölkerung (bb) im konkreten Wohngebiet (cc), zur Verdrängungsgefahr (dd) und zu den städtebaulichen Auswirkungen einer solchen Verdrängung (ee) als plausibel begründet. Insbesondere enthält das der Verordnung zugrunde liegende Gutachten hinreichende wohngebietsspezifische Feststellungen und Wertungen, auch zur Entwicklung gerade dieses Gebiets in den fünf Jahren von 2011 bis 2016, die sich entgegen der Auffassung der Antragsteller (Schriftsatz vom 6. Juli 2020, S. 4) nicht in der Art von Allgemeinplätzen auf nahezu jeden Berliner Innenstadtblock übertragen ließen, um ihn als Milieuschutzgebiet festzulegen.

59. bb) Das T…-Gutachten enthält hinreichende Feststellungen zur Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im Erhaltungsgebiet.

60. Das Gesetz stellt an die Art der Wohnbevölkerung, deren Zusammensetzung durch eine Erhaltungssatzung bzw. -verordnung gewahrt werden soll, keine besonderen Anforderungen. Ziel der Satzung bzw. Verordnung ist es, den in einem intakten Gebiet wohnenden Menschen den Bestand der Umgebung zu sichern und so die Bevölkerungsstruktur in einem bestimmten Ortsteil vor unerwünschten Veränderungen zu schützen. Schutzwürdig im Sinne von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB ist deshalb ein Gebiet mit grundsätzlich jeder Art von Wohnbevölkerung, soweit deren Zusammensetzung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 – BVerwG 4 C 2.97 -, juris Rn. 15; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. März 2021 – OVG 2 A 13.19 -, juris Rn. 45).

61. Soweit die Antragsteller rügen, dass die Ausführungen des Antragsgegners in der Beschlussvorlage zur Erhaltungsverordnung für die Bezirksverordnetenversammlung (Drucksachen-Nr. DS/0292/VIII vom 15. Juni 2017, VVG Bl. 448 f.) „erstaunlich kurz und dabei wenig konkret und aussagekräftig“ seien, gehen sie nicht darauf ein, dass er in der Begründung auf das T…-Gutachten hingewiesen hat, das er der Bezirksverordnetenversammlung im Übrigen schon zuvor am 27. April 2017 (VVG Bl. 383 f.) zur Kenntnis gegeben hatte, um seine Absicht zu begründen, eine Erhaltungsverordnung zu erlassen. Dadurch hat sich der Antragsgegner die Erkenntnisse des Gutachtens als Begründung der Erhaltungsverordnung zu eigen gemacht. Das Gutachten führt aus, insgesamt habe das Gebiet verglichen mit Berlin ein überdurchschnittliches und gegenüber dem Bezirk ein deutlich überdurchschnittliches Einkommensniveau. Der Anteil der Altersgruppe der 27- bis unter 45-Jährigen sei sehr stark erhöht, die durchschnittliche Haushaltsgröße sehr hoch und der Anteil der Haushalte mit Kindern ebenfalls sehr hoch. Die Gruppe der 18- bis 27-Jährigen habe gegenüber 2011 abgenommen. Das könne darauf hinweisen, dass es für Studenten inzwischen deutlich schwieriger sei, eine Wohnung im Kaskelkiez zu finden. Die Beschlussvorlage führt dazu weiter aus, dass sich die demografische und soziale Struktur des Gebietes Kaskelstraße in einem Veränderungsprozess befinde: Der Zuzug von jüngeren und einkommensstärkeren Haushalten sei zu beobachten.

62. Die Erkenntnisse des T…-Gutachtens umfassen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im Gebiet u.a. nach Altersstruktur (S. 8 f.), Haushaltsgröße (S. 9 f.), Haushaltstypen (S. 10) Berufs- und Erwerbsstruktur (S. 11 – 13), Einkommen (S. 13 – 16) und Wohndauer (S. 16 f.) und vergleichen sie zum einen mit der Bevölkerungsstruktur im Gebiet im Jahr 2011 und zum anderen mit der Bevölkerungsstruktur in anderen Gebieten, teilweise außerdem mit der im Bezirk und in Berlin insgesamt. Der Antragsgegner hat erkennen lassen, die im Gebiet Kaskelstraße ansässige Wohnbevölkerung in der ermittelten sozialen Zusammensetzung – und in diesem Rahmen auch preiswerten Wohnraum für die einkommensschwächeren Bevölkerungsgruppen – erhalten zu wollen. Diese Feststellungen und die darin liegende Bestimmung der zu schützenden Wohnbevölkerung begegnen keinen grundsätzlichen Bedenken.

63. Ohne Erfolg machen die Antragsteller geltend, die Bestimmung der schützenswerten Bevölkerungsstruktur sei nicht plausibel. Dazu greifen sie die Feststellung der T…-Studie heraus, dass die Altersgruppe der 27- bis 45-Jährigen mit 46,7 % überdurchschnittlich vertreten sei und die Gruppe der 18- bis 27-Jährigen abgenommen haben solle. Sie folgern daraus, dass der Zuzug von jüngeren und einkommensstärkeren Haushalten die zu schützende Bevölkerungsstruktur nicht beeinträchtigen könne, weil die Gruppe der 27- bis 45-Jährigen ohnehin die Bevölkerungsstruktur bestimme. Dieses Vorbringen geht fehl. Es verkennt, dass es dem Antragsgegner schon nach dem Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung vom 19. November 2015 gerade darum geht, die Heterogenität von sozialen Milieus im Bezirk zu erhalten, also im Gebiet Kaskelstraße die Vielfalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in der bisherigen Struktur. Daraus ergibt sich plausibel, warum der Anteil hier der bereits deutlich überdurchschnittlich vertretenen jüngeren und einkommensstärkeren Gruppe der 27- bis 45-Jährigen nicht noch weiter anwachsen soll. Denn mit der einseitigen Vergrößerung des Anteils einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, wie gerade der hier ohnehin schon besonders stark vertretenen Gruppe der 27- bis 45-Jährigen, ginge zwangsläufig eine Verringerung der Anteile anderer Bevölkerungsgruppen und damit ein entsprechender Verlust an Vielfalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung einher. Das zeigt sich hier beispielhaft am auffällig starken Rückgang des Anteils der Studenten, der sich von 18 % im Jahr 2011 auf 9 % im Jahr 2016 halbiert hat (T…-Gutachten S. 11 und 39 = VVG Bl. 307 und 335). Es liegt auf der Hand und ist damit auch plausibel, dass ein auffälliges weiteres Wachstum des Bevölkerungsanteils einer bestimmten bereits außergewöhnlich stark vertretenen Bevölkerungsgruppe die bisherige Zusammensetzung der Wohnbevölkerung ändert und somit gerade nicht erhält.

64. Bedenken gegen die Erkenntnisse und Bewertungen des T…-Gutachtens zur Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im Untersuchungsgebiet ergeben sich auch nicht aus der von den Antragstellern vorgelegten e…-Studie. Sie äußert sich zu den konkreten Feststellungen der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in dem T…-Gutachten nicht näher (zur einzigen Bezugnahme der e…-Studie auf S. 42 mit Fn. 86 auf das T…-Gutachten s.o. unter II.2. c) aa)). Aus den allgemein gehaltenen Ausführungen jener Studie zum Thema „Zusammensetzung der Wohnbevölkerung“ (S. 10 – 17) ergeben sich keine Anhaltspunkte für Bedenken gegen die Feststellungen des T…-Gutachtens zur Bevölkerungsstruktur im Gebiet Kaskelstraße. Auch wenn die e…-Studie darauf verweist, dass sich die Bevölkerungsstrukturen in Berlin insgesamt in einem ständigen Wandel befänden, spricht dies nicht gegen die Feststellung der zu schützenden Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im konkreten Gebiet und das Ziel, diese Zusammensetzung zu erhalten, etwa um einem Verlust preiswerten Wohnraums für die darauf angewiesenen Teile der Wohnbevölkerung entgegenzuwirken.

65. cc) Die Festlegung des Umgriffs des Erhaltungsgebiets ist nicht zu beanstanden.

66. Da die Antragsteller ihre Bedenken gegen den räumlichen Umgriff bisher allein auf ihre Rügen zur Feststellung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung stützen, die nicht überzeugen, geht ihr Vorbringen insoweit ins Leere.

67. Im Übrigen folgt die Abgrenzung des Erhaltungsgebiets weitgehend der des früheren Sanierungsgebiets (1994 – 2008), zu dessen Sanierungszielen u.a. bereits die Wahrung der vorhandene Bevölkerungsstruktur durch Verbesserung der Wohnverhältnisse und des Wohnumfeldes unter gleichzeitiger Sicherung bezahlbarer Mieten gehörte (Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 16/1145 vom 6. Februar 2008, lfd. Nr. 1, Verordnungs-Nr. 16/85, Anlage 1, S. 16; zur grundsätzlichen Zulässigkeit dieses Sanierungsziels vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2006 – BVerwG 4 C 9.04 -, juris Rn. 23 f.). Insoweit erweist sich der Gebietsumgriff der vorliegenden Erhaltungsverordnung als konsequente Fortführung jenes Sanierungsziels (zum dauerhaften Erreichen eines solchen Sanierungsziels durch Erlass einer Erhaltungssatzung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB vgl. auch BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2006, a.a.O., Rn. 24). Außerdem folgt er der im Wesentlichen gleichen räumlichen Abgrenzung des bereits bestehenden Gebiets zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart nach der Erhaltungsverordnung von 1997 in der Erweiterung von 2004. Eine städtebauliche Abgrenzung ergibt sich aus den die Victoriastadt umfassenden Bahntrassen und der durch diese „Insellage“ geprägten eigenständigen städtebaulichen Entwicklung des Gebiets, die sowohl in der Begründung zur Aufhebung des Sanierungsgebiets (Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 16/1145 vom 6. Februar 2008, lfd. Nr. 1, Verordnungs-Nr. 16/85, Anlage 1, S. 15) als auch im T…-Gutachten (S. 6 = VVG Bl. 302) dargestellt ist. Das Ausklammern des westlich der Schreiberhauer Straße gelegenen Gebietsteils rechtfertigt sich ohne Weiteres daraus, dass es sich bei der baulichen Nutzung dort nicht um eine Wohnnutzung handelt, sondern um eine von Verwaltungs- oder Gewerbezwecken geprägte Nutzung (insbesondere durch Gebäudekomplexe der Deutschen Rentenversicherung und durch das Einkaufszentrum „Victoria-Center“). Das Gelände östlich der Schreiberhauer Straße bis zur westlichen Grenze des Erhaltungsgebiets hatte ebenfalls nicht zum Sanierungsgebiet gehört und liegt – abgesehen von einer kleineren Erweiterung im Süden im Jahr 2004 – auch nicht im städtebaulichen Erhaltungsgebiet nach der Verordnung von 1997 und der Änderung von 2004; die Wohnnutzung dort beschränkt sich im Wesentlichen auf Neubauten.

68. dd) Ebenfalls unbedenklich sind die der Erhaltungsverordnung hier zugrundeliegenden Feststellungen zu einer abstrakten Gefahr, dass im Erhaltungsgebiet infolge baulicher Maßnahmen bzw. der Umwandlung in Wohneigentum im Sinne des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB eine unerwünschte Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung eintreten würde. Dazu führt das T…-Gutachten aus, dass nach der Untersuchung mit Blick auf Veränderungstendenzen hinsichtlich der Bevölkerungsstruktur und der Wohnungsversorgung und bezogen auf das Gebiet ein hinreichender Aufwertungsspielraum bestehe, ein relevanter Aufwertungsdruck gegeben sei und auch ein relevantes Verdrängungspotenzial existiere.

69. Dieser Gefahrenprognose steht nicht von vorneherein entgegen, dass die Gefahr einer „unerwünschten“ Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung schon deshalb fehle, weil nach der von den Antragstellern eingereichten W…-Studie die Untersuchung vermeintlicher Verdrängungsprozesse in Berlin ergebe, dass 37,4 % der Verdrängten ihren Umzug als freiwillig oder eher freiwillig wahrgenommen hätten, 18,3 % innerhalb eines Monats und 77,1 % innerhalb von sechs Monaten eine neue Wohnung gefunden hätten und es sich bei knapp 80 % der Verdrängten um eine neue Wohnung in einem ihrer „Wunschräume“ (Kieze) gehandelt habe (vgl. Schriftsatz der Antragsteller vom 4. Juni 2019, S. 5 f.). Ob die Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung „unerwünscht“ ist, beurteilt sich nicht nach den Eindrücken, welche die Verdrängten im Nachhinein äußern, sondern nach den städtebaulichen Vorstellungen und Zielen des Antragsgegners in ihrem Bezug auf die tatsächliche Bevölkerungsstruktur des relevanten Gebietes.

70. Auch im Einzelnen ist die auf das T…-Gutachten gestützte Prognose des Antragsgegners, dass ohne Erlass der Erhaltungsverordnung die Gefahr einer Verdrängung bestimmter Bevölkerungsgruppen aus dem Gebiet drohe, nicht zu beanstanden.

71. Die gerichtliche Kontrolle der ihrem Wesen nach prognostischen Entscheidung des Antragsgegners über das Vorliegen einer Verdrängungsgefahr bezieht sich allein darauf, ob die der Prognose zugrunde gelegten Maßstäbe methodisch fachgerecht erstellt wurden oder ob dem prognostischen Verfahren aus Rechtsgründen entgegenzutreten ist, weil der Antragsgegner willkürliche Annahmen zugrunde legt oder von offensichtlichen Unwahrscheinlichkeiten ausgeht (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 – BVerwG 4 C 2.97 -, juris Rn. 20 f.). Selbst bei der Prüfung des konkreten Begehrens einer erhaltungsrechtlichen Genehmigung auf der zweiten Stufe reicht es nach der Rechtsprechung in aller Regel aus, bei Modernisierungsmaßnahmen, die über den im Erhaltungsgebiet üblichen Ausstattungsstandard hinausgehen und die zu einer nicht nur geringfügigen Mieterhöhung führen können, allgemein von einer Verdrängungsgefahr auszugehen (BVerwG, a.a.O., Rn. 21). Mehr ist auch von der planerischen Abwägung auf der ersten Stufe, ob eine Erhaltungsverordnung ergehen und wie das Erhaltungsgebiet abgegrenzt werden soll, für die Feststellung der Verdrängungsgefahr nicht zu verlangen.

72. Soweit die Antragsteller die Validität des T…-Gutachten schon grundsätzlich für unzureichend halten wegen fehlender Vergleichszahlen, fehlenden Zeitbezugs und der Vielzahl an Indikatoren (Schriftsatz vom 6. Juli 2020, S. 2 f.), verfangen ihre Einwände in der vorgetragenen Pauschalität nicht. So weisen alle 58 Tabellen im T…-Gutachten Vergleichszahlen auf, wobei sich der Bezug des Vergleichs jeweils aus der Bezeichnung der Tabellenspalten und -zeilen ergibt. Die Vergleichszahlen werden auch im Text erläutert. Unbegründet ist insbesondere die Rüge der Antragsteller, der Verzicht auf Vergleichszahlen sei besonders schwerwiegend, wenn es um „harte“ Indikatoren wie z.B. Einkommen (S. 13 ff. des T…-Gutachtens) oder Erwerbsbeteiligung (S. 11 ff. des T…-Gutachtens) gehe. Beim Einkommen werden in Tabelle 10 des T…-Gutachtens (a.a.O., S. 13 = VVG Bl. 309) z.B. die Einkommen im Gebiet Kaskelstraße im Jahr 2016 denen im selben Gebiet im Jahr 2011 gegenübergestellt und außerdem den Einkommen in anderen Gebieten sowie im Bezirk und in Berlin insgesamt, und zwar nicht nur nach sieben Einkommensstufen, sondern auch nach unterschiedlichen statistischen Einkommensbegriffen (Median, durchschnittliches Haushaltsnettoeinkommen, durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen und durchschnittliches Äquivalenzeinkommen). In Tabelle 11 (a.a.O., S. 14 = VVG Bl. 310) werden Haushaltsnetto- und Äquivalenzeinkommen für das Gebiet Kaskelstraße im Jahr 2016 und im Jahr 2011 sowie für zwei andere Gebiete nach Haushaltsgröße und in Tabelle 12 (a.a.O., S. 15 = VVG Bl. 311) nach Haushaltstypen verglichen. Bei der Berufs- und Erwerbsstruktur (a.a.O., S. 11 f. = VVG Bl. 307 f.) werden in drei Tabellen jeweils die Zahlen für das Gebiet Kaskelstraße im Jahr 2016 und im Jahr 2011 und in drei anderen Gebieten einander gegenübergestellt, und zwar nach der Art der Stellung im Erwerbsleben (Tabelle 7), nach der Art der Erwerbstätigkeit (Tabelle 8) und nach – den Arten der Erwerbstätigkeit zugeordneten – Haushalten (Tabelle 9). Welche Vergleichszahlen in diesen von den Antragstellern selbst als Beispiele genannten Angaben zu Einkommen und Erwerbsbeteiligung fehlen sollen, erschließt sich nicht.

73. Unbegründet ist auch die Rüge des fehlenden Zeitbezugs. Er ergibt sich regelmäßig – so in allen gerade genannten Tabellen – aus der Spaltenüberschrift, insbesondere hinsichtlich des Gebiets Kaskelstraße aus dem Bezug auf die Ergebnisse der Sozialstudie 2011, auf die bereits einleitend unter „Darstellung der Ergebnisse“ (T…-Gutachten S. 5 mit Fn. 1) hingewiesen wird. Daraus folgt auch ohne Weiteres, dass keineswegs völlig offen ist, ob mit einer relevanten Aufwertung der Wohnungen mit Aufwertungspotential innerhalb der nächsten zwei oder 20 Jahre zu rechnen sei. Vielmehr bedeutet schon der sowohl in der Rechtsprechung als auch im Gutachten verwendete Begriff „Gefahr“ (T…-Gutachten S. 47 unter Aufwertungsspielraum) bzw. „Verdrängungsgefahr“ (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 – BVerwG 4 C 2.97 -, juris Rn. 18 – 21 und 23 f.), dass es um Ereignisse geht, die innerhalb eines absehbaren Zeitraums – und nicht erst in 20 Jahren – mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintreten werden. Allerdings ist es der Prognose zukünftigen Geschehens eigen, dass der Zeitpunkt seines Eintretens – anders als bei vergangenem Geschehen – nicht genau bestimmbar ist. Jedoch lässt die hier im T…-Gutachten in den Blick genommene Entwicklung von 2011 bis 2016 erkennen, dass sich die Prognose auf einen entsprechenden Zeitraum in der Zukunft bezieht. Das ist nicht zu beanstanden, zumal auch der Gesetzgeber diesen Zeitraum bei der möglichen Geltungsdauer einer Umwandlungsverordnung zugrunde gelegt hat (vgl. § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB). Nach der o.a. Rechtsprechung maßgebend ist im Übrigen allein das Einhalten der Maßstäbe für eine Prognose, wie sie etwa bei der Verdrängungsgefahr zu treffen ist.

74. Die pauschale Rüge der Vielzahl der im Gutachten verwendeten Indikatoren geht ohne konkrete Erläuterung ebenfalls ins Leere. An welcher Stelle das T…-Gutachten welche Indikatoren beliebig oder willkürlich statt sachgerecht verwendet haben soll, erschließt sich nicht, auch nicht aus der Bezugnahme auf die e…-Studie (Schriftsatz vom 6. Juli 2020, S. 3). Sie enthält an der zitierten Stelle (S. 67) nur ein allgemein gehaltenes Fazit, dessen pauschale Formulierung keine konkreten Anhaltpunkte für sachliche Fehler des hier in Rede stehenden Gutachtens erkennen lässt, etwa an welcher Stelle und inwieweit das T…-Gutachten „verschiedene, aber sehr ähnliche Indikatoren zu ein und derselben Dimension gleichzeitig verwandt und damit das letztlich gleiche Argument mehrfach bemüht“ haben soll (e…-Studie S. 67) oder „eine geeignete Aggregation der Indikatoren zu einem Metaindikator für jedes Kriterium“ (ebd.) vermissen ließe. Im Übrigen entspricht der hier verwendete Fragenkatalog (T…-Gutachten, Anhang Befragungsunterlagen, Fragebogen) – wie oben bereits ausgeführt – dem in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannten sog. Nürnberger Kriterienkatalog.

75. Soweit die Antragsteller ausführen, die durchschnittliche Mietbelastung im Gebiet begründe für sich genommen noch keine Verdrängungsgefahr (Schriftsatz vom 6. Juli 2020, S. 2 f.), ist dem T…-Gutachten eine gegenteilige Aussage nicht zu entnehmen. Vielmehr stützt es die Verdrängungsgefahr hinsichtlich der Mietentwicklung auf die gerade in jüngster Zeit gegenüber den Durchschnittsmieten deutlich erhöhten Neuvermietungsmieten und die damit verbundene Erhöhung der Mietbelastung für einkommensschwächere Haushalte im Gebiet (vgl. T…-Gutachten S. 28 und 48 = VVG Bl. 324 und 344). Soweit die e…-Studie eigene Vorstellungen von Anforderungen an die Ermittlung und Feststellung der Verdrängungsgefahr, insbesondere hinsichtlich des Aufwertungspotenzials (a.a.O., S. 18 – 32), des Aufwertungsdrucks (a.a.O., S. 32 – 40) und des Verdrängungspotenzials (a.a.O., S. 40 – 52) formuliert, legt sie nicht dar und erschließt sich auch sonst nicht, warum solche Vorstellungen von den oben aufgezeigten Maßstäben der Rechtsprechung für die Prognose einer Verdrängungsgefahr verlangt werden oder an deren Stelle zu fordern sein sollen.

76. Auch im Einzelnen sind die Feststellungen des T…-Gutachtens zum Aufwertungspotenzial (1), Aufwertungsdruck (2) und Verdrängungspotenzial (3) als Begründung der abstrakten Gefahr einer Verdrängung bestimmter Bevölkerungsgruppen aus dem Erhaltungsgebiet nicht zu beanstanden.

77. (1) Zum Aufwertungspotenzial führt das T…-Gutachten aus, dass zwar nur 2 % der Wohnungen im Gebiet Kaskelstraße nicht über eine Vollstandardausstattung verfügten, aber bei einem sehr großen Teil der 98 % Vollstandardwohnungen einzelne Ausstattungsmerkmale fehlten, die als Sondermerkmale im Berliner Mietspiegel ausgewiesen seien und auf dem heutigen Wohnungsmarkt für ein gehobenes Wohnungsangebot gefordert werden würden. Dazu verweist es insbesondere auf ein noch sehr großes Potenzial im Bereich der energetischen Modernisierung. Außerdem seien nur bei 17 % der Wohnungen Aufzüge vorhanden, obwohl sie auch im Altbau zur Regelausstattung von Wohnungen mit gehobenem Standard gehörten. Daher bestehe die Gefahr, dass in stärkerem Umfang als bisher Aufzüge eingebaut werden sollen. Zudem liege der Anteil an Wohnungen mit Balkon/Terrasse im Gebiet Kaskelstraße bei 60 %, geringer als in den Vergleichsgebieten (T…-Gutachten S. 25), und werde der Anbau eines Balkons als häufigster Verbesserungswunsch genannt (a.a.O., S. 26). In etwa drei Viertel der Wohnungen fehle mindestens ein wichtiges Merkmal einer hochwertigen Wohnung (T…-Gutachten, S. 47 f. = VVG Bl. 343 f.).

78. Insoweit hat das T…-Gutachten bei der Ermittlung und Feststellung des Aufwertungspotenzials den im Erhaltungsgebiet üblichen Ausstattungsstandard zugrunde gelegt. Nach den oben erläuterten, von der e…-Studie hingegen wohl ausgeblendeten Maßstäben der Rechtsprechung, genügt das. Danach entspricht es der Lebenserfahrung, dass bauliche Maßnahmen, die zu Mieterhöhungen führen können, die über der für das Erhaltungsgebiet ermittelten Durchschnittsmiethöhe oder auch durchschnittlichen Mietbelastungsgrenze liegen, tendenziell zur Gefahr der Verdrängung der ansässigen Wohnbevölkerung führen (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 – BVerwG 4 C 2.97-, juris Rn. 21; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. März 2021, a.a.O., Rn. 56). Das ist bei mehreren in der T…-Studie als Aufwertungspotenzial festgestellten baulichen Maßnahmen (energetische Modernisierung, Einbau von Aufzügen, Anbau von Balkonen) regelmäßig der Fall.

79. Eine „grundlegende Herausforderung bei der Bestimmung von Ausstattung“ (e…-Studie S. 20, Randbemerkung), wie sie die e…-Studie geltend machen will, besteht danach nicht. Sie meint, hochwertige Wohnungen zeichneten sich „durch eine schwer beschreibbare Qualität der verwendeten Materialien und Verarbeitung sowie andere schwer greifbare Merkmale aus, wie vielleicht die Helligkeit der Wohnung, die Raumhöhe oder großzügige Wohnungsschnitte“, so dass eine Erhebung des Ausstattungsgrades, die diese „schwer messbaren aber leider sehr relevanten Merkmale“ berücksichtige, sicherlich herausfordernd sei und mittels einfacher Haushaltsbefragungen kaum „reliable“ möglich sein dürfte (e…-Studie S. 20 f.). Diese Ausführungen sind mangels näherer Erläuterung schlicht unbegründet. Die Forderung, entweder „die Ausstattungsqualität durch vereidigte Sachverständige erheben zu lassen“ oder die Auswahl der Merkmale für die ein Aufwertungspotenzial begründende Ausstattungsqualität „zumindest fundiert zu begründen“ (e…-Studie S. 21), geht hinsichtlich des Einsatzes von Sachverständigen ins Leere, ebenso hinsichtlich der fundierten Begründung, soweit diese über das hinausgehen soll, was die o.a. Rechtsprechung verlangt.

80. Soweit die e…-Studie hinsichtlich des Anbaus von Balkonen darauf hinweist, dass der Denkmalschutz dieses vermeintliche Aufwertungspotenzial relativiere (e…-Studie S. 18), fehlt diesen pauschalen Ausführungen der konkrete Bezug zum hier in Rede stehenden Gebiet, bei dem gerade in den Innenhöfen ein Potenzial für den Anbau von – denkmalschutzrechtlich nicht notwendigerweise unzulässigen – Balkonen bestehen kann. Ungeachtet dessen handelt es sich bei der Möglichkeit des Anbaus von Balkonen nicht um das einzige hier relevante Aufwertungspotenzial.

81. Wenn die e…-Studie für das Aufwertungspotenzial im Bereich der energetischen Modernisierung pauschal behauptet, durch eine Befragung der Bewohner – wie sie auch hier erfolgt ist (vgl. T…-Gutachten S. 22 f. = VVG 318 f.) – könne eine verlässliche Datenbasis nicht erreicht werden, weil nicht davon auszugehen sei, dass die Bewohner Fragen zum Ausstattungsgrad des Gebäudes beurteilen könnten, der für die Bewohner „völlig irrelevant“ sei (e…-Studie S. 24), so handelt es sich um eine reine Spekulation. Im Übrigen ist bei dem hier verwendeten Fragebogen die einschlägige Frage 11d auf S. 2 mit einem Stern gekennzeichnet, der auf die Hinweise aufmerksam macht. Der entsprechende Hinweis (T…-Gutachten, Anlage Hinweise) erläutert, wie man die Art einer Modernisierung zur Energieeinsparung im Wohngebäude erkennen bzw. im Falle eines Einzugs nach der Modernisierung erfragen könne. Außerdem sind solche Modernisierungen für die Bewohner keineswegs „völlig irrelevant“, weil sie sich regelmäßig in der Höhe der Miete niederschlagen.

82. (2) Den deutlichen Aufwertungsdruck auf die Wohnungsbestände im Gebiet weist der Antragsgegner ebenfalls hinreichend nach. Das Gutachten stützt diesen Druck auf drei Gesichtspunkte, nämlich erstens die enorme Zunahme des Umfangs der Umwandlungen und der Wohnungsverkäufe im Jahr 2015, zweitens die Entwicklung der Quadratmetermieten bei Neuvermietung in den letzten drei Jahren, die eine große Übereinstimmung mit der Entwicklung in ähnlich strukturierten Gebieten aufweise, und drittens das überdurchschnittlich hohe Einkommen der Zuwanderer in das Gebiet und deren Fähigkeit und Bereitschaft, die durch Baumaßnahmen verursachten höheren Mieten zu zahlen (T…-Gutachten S. 48 = VVG 344).

83. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an diesen Feststellungen legen die Antragsteller nicht näher dar. Sie ergeben sich auch nicht aus den allgemein gehaltenen und die oben angegebene Rechtsprechung nicht berücksichtigenden Ausführungen der e…-Studie (a.a.O., S. 32 – 40). Soweit dort etwa beim Aufwertungsdruck für Modernisierungen anstelle der – auch hier dem T…-Gutachten zugrunde liegenden – Erhebung des Modernisierungsgeschehens über eine Haushaltsbefragung eine Auswertung der (Um-)Baugenehmigungen für geeigneter gehalten wird (e…-Studie S. 34), übersieht dies zum einen, dass es beim Erlass einer Erhaltungsverordnung gerade auch darum geht, solche Modernisierungsmaßnahmen einer eigenständigen erhaltungsrechtlichen Genehmigung zu unterwerfen, die nach der Landesbauordnung keiner Genehmigung bedürften und gleichwohl zur Aufwertung der Wohnungsausstattung und entsprechend höheren Mieten führen würden. Zum anderen verkennen diese Ausführungen, dass die Erhebung der einen Aufwertungsdruck begründenden Umstände des Einkommens und der Miethöhe der Zuwanderer im Wege der Haushaltsbefragung nach der Rechtsprechung nicht zu beanstanden ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. März 2021 – OVG 2 A 13.19 -, juris Rn. 60; Hamburgisches OVG, Urteil vom 9. Juli 2014 – 2 E 3/13.N – juris Rn. 26).

84. (3) Die Annahme eines Verdrängungspotenzials ergibt sich nach dem T…-Gutachten, mit dem der Antragsgegner die Erhaltungsverordnung begründet, aus der Erkenntnis, dass Haushalte mit deutlich unterdurchschnittlichem Einkommen im Gebiet trotz der Entwicklung der letzten Jahre weiterhin in einem relevanten Anteil vorkämen. Die Entwicklung in vergleichbaren Gebieten mit einem bereits seit längerem andauernden intensiven sozialen Veränderungsprozess zeige, dass das Potenzial für sozialstrukturelle Veränderungen noch in hohem Maße bestehe. Es sei möglich, dass Veränderungsprozesse im Gebiet Kaskelstraße später einsetzten, sich prinzipiell aber ähnlich entwickelten wie in den vergleichbaren Gebieten. 7% der Haushalte seien entsprechend den Kriterien der Berliner Senatsverwaltung arm, weitere 19% hätten ein prekäres Einkommen und insgesamt 53% hätten ein Einkommen unter dem Berliner Durchschnittsniveau. Diese müssten im Durchschnitt bereits jetzt gut 30% ihres Einkommens für die Warmmiete aufwenden. Modernisierungsbedingte Mieterhöhungen würde ein großer Teil dieser Haushalte nicht verkraften können. Ein erheblicher Anteil an Haushalten im Gebiet (ca. 50%) sei daher verdrängungsgefährdet (T…-Gutachten, S. 47 f. = VVG Bl. 343 f.).

85. Diese Ausführungen genügen den Anforderungen an die Darlegung eines Verdrängungspotenzials. Mit Blick auf die Ergebnisse zum Aufwertungspotenzial und zum Aufwertungsdruck reichen die Feststellungen zu den Haushalten mit Einkommen unter dem Berliner Durchschnittsniveau und zur Struktur dieser Haushalte aus, um zu begründen, dass ein erheblicher Anteil von ihnen angesichts eines Anteils der Warmmiete von 30 % ihres Einkommens modernisierungsbedingte Mieterhöhungen nicht verkraften könnte. Es erscheint auch nicht willkürlich angenommen oder offensichtlich unwahrscheinlich, wenn das T…-Gutachten den Anteil dieser Haushalte auf ungefähr 50 % schätzt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob in der Vergangenheit Modernisierungsmaßnahmen bereits zu Verdrängungseffekten geführt haben. Denn maßgeblich ist allein die Prognose, ob für die Zukunft die abstrakte Gefahr besteht, dass solche baulichen Maßnahmen einen Verdrängungseffekt haben werden. Dafür reicht es aus, wenn – wie hier festgestellt – aufgrund eines hohen Zuzugs von Haushalten mit einem deutlich über dem Gebietsdurchschnitt und dem Berliner Durchschnitt liegenden Einkommensniveau ein hoher Druck auf dem Mietmarkt besteht und ein hierdurch ausgelöster Verdrängungsmechanismus in Bezug auf ärmere Bevölkerungsschichten durch Modernisierungsmaßnahmen verschärft werden kann (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. März 2021 – OVG 2 A 13.19 -, juris Rn. 64). Auch ist es nicht zu beanstanden, wenn die Begründung der Erhaltungsverordnung nach dem T…-Gutachten (a.a.O., S. 44 = VVG 340) ein Verdrängungspotenzial weniger in der Verdrängung von Altmietern, sondern vor allem in den Auswahlprozessen bei der Neuvermietung erkennt (vgl. OVG Berlin, a.a.O., Rn. 64).

86. Konkrete Anhaltspunkte, welche die Feststellungen zum Verdrängungspotenzial und zu der aus ihm folgenden abstrakten Gefahr des Eintretens einer unerwünschten Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in Frage stellen, sind auch von den Antragstellern nicht näher vorgetragen worden.

87. ee) Die weitere Voraussetzung für den Erlass einer Erhaltungsverordnung, dass die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen (§ 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB) erhalten werden soll, liegt ebenfalls vor. „Besonders“ sind städtebauliche Gründe im Sinne von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 BauGB bereits dann, wenn sie gerade für die konkrete Erhaltungssituation besonderes Gewicht haben. Maßgeblich ist allein, ob sich die Gründe für den Erlass der Erhaltungsverordnung aus der jeweiligen besonderen städtebaulichen Situation ergeben (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. März 2021 – OVG 2 A 13.19 -, juris Rn. 68). Hier ist das der Fall, soweit es darum geht, den Verlust preiswerten Wohnraums im Erhaltungsgebiet zu vermeiden, eine Verstärkung einkommensschwacher Haushalte durch deren Verlagerung in Problemgebiete zu verhindern und einer Überlastung der sozialen Infrastruktureinrichtungen für Kinder im Erhaltungsgebiet entgegenzuwirken.

88. (1) Sowohl der drohende Verlust preiswerten Wohnraums als auch die drohende zusätzliche Belastung von Problemgebieten mit einkommensschwachen Haushalten stellen besondere städtebauliche Gründe dar, die hier jeweils für sich den Erlass der Erhaltungsverordnung rechtfertigen.

89. Das T…-Gutachten führt aus, es sei mit einem Verlust preiswerten Wohnraums zu rechnen. Aufgrund der hohen Zuwanderung nach Berlin sei der Berliner Wohnungsmarkt angespannt. Gleichzeitig sinke auf allen Teilmärkten des Berliner Wohnungsmarktes einschließlich des Sozialen Wohnungsbaus das Angebot preiswerter Wohnungen. Preiswerter Wohnraum gehe kontinuierlich durch Modernisierungsinvestitionen verloren. Darüber hinaus seien die Wohnungsmieten in Berlin in allen Marktsegmenten des Berliner Wohnungsmarkts während der letzten Jahre schneller als die Einkommen gestiegen. In Berlin seien etwa 54% aller Haushalte, das seien gut 1 Million Haushalte, sozialwohnungsberechtigt. Ihnen stünden nach den einschlägigen Vorschriften für die Versorgung der sozialwohnungsberechtigten Haushalte zurzeit nur noch weniger als 250.000 Wohnungen zur Verfügung. Die sich daraus ergebenden städtebaulichen Probleme seien für das Land Berlin umso größer, je größer die Zahl einkommensschwacher Haushalte sei, die aus Gebieten wie dem Gebiet Kaskelstraße verdrängt werden würden. Für die Versorgung der Haushalte mit unterdurchschnittlichen Einkommen stellten daher die Altbauwohnungen mit niedrigen Mieten ein derzeit nicht zu ersetzendes Angebot dar. Unter den gegebenen Umständen sei die Deckung des Wohnungsbedarfs der Haushalte mit unterdurchschnittlichen Einkommen nur zu sichern, wenn vorhandener preiswerter Wohnraum auch längerfristig erhalten werde und Modernisierungsinvestitionen auf die Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungsstandards beschränkt werden würden (T…-Gutachten, S. 49 f. = VVG Bl. 345 f.).

90. Schließlich lebe im Gebiet Kaskelstraße eine gemischte Bevölkerung mit erheblichen Teilen von einkommensschwächeren und verdrängungsgefährdeten Haushalten. Wenn diese ökonomisch schwachen Teile der Bevölkerung durch Modernisierungsinvestitionen ihre bisherigen Wohnungen verlassen müssten, würden sie in Gebiete abwandern, die bereits aufgrund ihrer hochsegregierten Bevölkerungsstruktur als Problemgebiete eingestuft seien und deren Steuerung und Verbesserung hohen personellen und finanziellen Aufwand erforderten. Dies widerspräche einem der wichtigsten städtebaulichen Entwicklungsziele des Berliner Senats, „soziale Entmischungsprozesse zu vermeiden und gemischte funktionale Strukturen zu sichern“ (T…-Gutachten, S. 50 f. = VVG Bl. 346 f.).

91. Beide Erwägungen rechtfertigen in der konkreten städtebaulichen Situation jeweils den Erlass der Erhaltungsverordnung. Der Erhalt preisgünstigen Wohnraums in einem bestimmten Gebiet ist als besonderer städtebaulicher Grund für den Erlass einer Erhaltungssatzung bzw. -verordnung anerkannt (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 – BVerwG 4 C 2.97 -, juris Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2006 – BVerwG 4 C 9.04 -, juris Rn. 24; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. März 2021 – OVG 2 A 13.19 -, juris Rn. 70; Hamburgisches OVG, Urteil vom 9. Juli 2014 – 2 E 3/13.N – juris Rn. 40; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Oktober 2020, § 172 Rn. 48). Auch ist es ein städtebauliches Ziel, Segregationserscheinungen entgegenzuwirken, etwa als bauleitplanerischer Belang der Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen im Sinne von § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB (vgl. Söfker/Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Oktober 2020, § 1 Rn. 123), und stellt daher bei Drohen einer Verdrängung einkommensschwacher Haushalte und ihrer Abwanderung in Problemgebiete einen besonderen städtebaulichen Grund zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 BauGB dar. Der Schutz anderer Stadtquartiere vor den nachteiligen Auswirkungen solcher Verdrängungen ist ebenfalls ein besonderer städtebaulicher Grund zur Rechtfertigung einer sozialen Erhaltungsverordnung (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Oktober 2020, § 172 Rn. 51). Das städtebauliche Ziel, eine sozial und funktional gemischte Stadt zu erhalten, soziale Entmischungsprozesse zu vermeiden und gemischte funktionale Strukturen zu sichern, findet sich für den Zeitpunkt des Erlasses der Erhaltungsverordnung sowohl im Stadtentwicklungskonzept Berlin 2020 (Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 15/2744 vom 6. April 2004, Anlage, S. 4) als auch im Entwurf für das Stadtentwicklungskonzept Berlin 2030 (vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, „BerlinStrategie – Stadtentwicklungskonzept 2030“, Stand März 2015, S. 41, zum Ziel der „Sicherung der sozialen Mischung“; vgl. auch die aktuelle Fassung „BerlinStrategie 3.0“, Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 18/3679 vom 3. Mai 2021, Anlage, S. 46: Aufwertungsprozessen, die eine sozialräumliche Segregation vorantrieben und soziale Ungerechtigkeit verstärkten, gelte es durch wirkungsvolle Maßnahmen entgegenzusteuern).

92. (2) Der besondere städtebauliche Grund einer drohenden Überlastung der sozialen Infrastrukturangebote für Kinder rechtfertigt ebenfalls die in Rede stehende Erhaltungsverordnung. Es ist ohne Weiteres anzuerkennen, dass eine sonst drohende Überlastung sozialer Infrastruktureinrichtungen als besonderer städtebaulicher Grund eine Milieuschutzverordnung zu rechtfertigen vermag. Im vorliegenden Fall liefert die Feststellung im T…-Gutachten, dass die Kapazitätsgrenze der Grundschulen bereits erreicht sei, ein deutliches Indiz für eine drohende Überlastung (T…-Gutachten, S. 50 = VVG Bl. 346). Diese Gefahr drohender Überlastung der Kindergärten und Grundschulen haben die ergänzenden Ausführungen des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Der u.a. für das Erhaltungsgebiet zuständige Gruppenleiter des Fachbereichs Stadtplanung im Amt für Stadtentwicklung des Bezirksamts Lichtenberg, der schon die förmliche Festlegung als Sanierungsgebiet 1994 bis 2008 begleitet hatte, hat in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen näher dargelegt, dass die Gebäude und Flächen, die im Erhaltungsgebiet oder in der näheren Umgebung für Kindergarten- und Grundschulplätze zur Verfügung stünden, ausgeschöpft seien, weitere Einrichtungen also nicht mehr geschaffen werden könnten, die vorhandenen Einrichtungen aber ausgelastet und für einen zusätzlichen Bedarf nicht ausgelegt seien. Der Verfasser des T…-Gutachtens hat in der mündlichen Verhandlung auf das Untersuchungsergebnis hingewiesen, dass die Besonderheit im Erhaltungsgebiet in dem außergewöhnlich großen Anteil der 27- bis 45-Jährigen bestehe, den Altersjahrgängen, in denen die Geburtenraten am höchsten seien, und deren Anteil fast doppelt so hoch sei wie sonst im Bezirk oder in Berlin insgesamt. Diese besondere Zusammensetzung der Wohnbevölkerung bezeichne man in der Fachsprache als „Neubaugebietsbevölkerung“. Sie zeichne sich dadurch aus, dass sie innerhalb von zehn Jahren einen besonderen Bedarf an Kindergarten- und Grundschulplätzen hervorrufe, innerhalb von weiteren zehn Jahren einen entsprechenden Bedarf an Plätzen in weiterführenden Schulen, diese Bedarfe aber nicht nachhaltig seien, sondern danach jeweils wieder deutlich zurückgingen. Nach diesen Ergänzungen der Untersuchungsergebnisse des T…-Gutachtens in der mündlichen Verhandlung liegt es für den Senat nahe, dass eine weitere Vergrößerung des Anteils der 27- bis 45-Jährigen durch Zuwanderung in das Erhaltungsgebiet gerade die sozialen Infrastruktureinrichtungen für Kinder überfordern würde, weil sie bereits durch das natürliche Bevölkerungswachstum infolge der Geburten bei der bereits mit einem außergewöhnlich hohen Anteil an der Wohnbevölkerung vertretenen Gruppe der 27- bis 45-Jährigen ausgelastet sind.

93. (3) Soweit der Antragsgegner daneben mit der Erhaltungsverordnung der Veränderung einer bewährten Bevölkerungsstruktur entgegenwirken möchte, mag dies als besonderer städtebaulicher Grund eine Erhaltungsverordnung rechtfertigen können, insbesondere aus den Im T…-Gutachten angeführten Gründen, dass sich die Veränderung einer bewährten Bevölkerungsstruktur auf die Struktur des Wohngebiets mit seinen infrastrukturellen Ausstattungen, seinen nachbarschaftlichen Kontakten und seiner Vertrautheit auswirken würde, auf die ein großer Teil der Bewohner angewiesen sei, und dass derartig gewachsene, sich kontinuierlich weiterentwickelnde Sozialstrukturen positive Auswirkungen auf die Struktur und die Kosten der staatlich zu organisierenden und bereitzustellenden Daseinsfürsorge und Infrastrukturausstattung hätten. Indessen ist dies im Gutachten nicht konkret so dargestellt, dass nach den Ergebnissen der Untersuchung ohne Weiteres nachzuvollziehen ist, durch welche spezifischen Strukturen sich das Gebiet insoweit im Einzelnen auszeichnet und von anderen Stadtquartieren unterscheidet. Darauf, ob dieser weitere besondere städtebauliche Grund hier vorliegt, kommt es indessen nicht mehr an, weil schon die städtebaulichen Gründe der Vermeidung des Verlusts preiswerten Wohnraums, der Vermeidung der zusätzlichen Belastung von Problemgebieten mit einkommensschwächeren Bevölkerungsgruppen und der Verhinderung der Überlastung der sozialen Infrastruktureinrichtungen im Erhaltungsgebiet für Kinder unter den hier für das Erhaltungsgebiet im Einzelnen festgestellten Gegebenheiten jeweils für sich genommen den Erlass der Erhaltungsverordnung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB konkret rechtfertigen.

94. e) Anhaltspunkte dafür, dass es hier an der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der Festlegung des Erhaltungsgebietes nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB mangelt, sind nicht zu erkennen. Abgesehen von dem allgemeinen Einwand, die Begründung der Erhaltungsverordnung nach dem T…-Gutachten würde es rechtfertigen, nahezu jeden Berliner Innenstadtblock als Milieuschutzgebiet auszuweisen (Schriftsatz vom 6. Juli 2020, S. 4), haben die Antragsteller hierzu nicht näher vorgetragen.

95. (1) Unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit ist die planerische Abwägungsentscheidung des Verordnungsgebers zugunsten des Erlasses einer Erhaltungsverordnung nur dann rechtswidrig, wenn in dem Gebiet Erhaltungsschutz unter keinem denkbaren Gesichtspunkt erforderlich ist und daher die Vermutung unabweisbar ist, dass der Verordnungsgeber mit der Erhaltungsverordnung in Wirklichkeit andere als die in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BauGB genannten Ziele verfolgt (vgl. Kment, in: Finklenburg/Ortloff/Kment, Öffentliches Baurecht, Bd. I, 7. Auflage 2017, § 33 Rn. 8). Ob die eine Erhaltungsverordnung rechtfertigenden Umstände auch für andere Stadtquartiere vorliegen würden und für wieviele, ist demgegenüber ohne Bedeutung. Für das nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB zulässige und hier verfolgte Ziel, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im Gebiet Kaskelstraße zu erhalten, bestehen aus den dargelegten Gründen keine Zweifel an der Erforderlichkeit der Erhaltungsverordnung. Die Feststellungen des T…-Gutachtens zur Bevölkerungsstruktur im Erhaltungsgebiet, zur Verdrängungsgefahr für bestimmte Bevölkerungsgruppen und zu den städtebaulichen Auswirkungen einer solchen Verdrängung begründen – wie bereits ausgeführt – in nachvollziehbarer Weise die Erforderlichkeit der hier in Rede stehenden Erhaltungsverordnung.

96. (2) Die Prüfung, ob es sich bei der Festlegung des Erhaltungsgebiets wegen der Folgen, die sich aus § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 BauGB ergeben, um eine hier unverhältnismäßige Inhaltsbestimmung des Eigentums der Antragstellerin zu 1. handelt (vgl. Art. 14 Abs. 1, Abs. 2 GG), beschränkt sich auf die Frage, ob Erhaltungstatbestände vorliegen, die ein hinreichendes Gewicht haben, um die auf bauliche Veränderung oder Eigentumsumwandlung gerichteten Eigentümerinteressen zurückzudrängen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. März 2021 – OVG 2 A 13.19 -, juris Rn. 76). Nach der oben dargelegten Würdigung der Begründung der Erhaltungsverordnung ist auch das hier der Fall. Die Eigentümerbelange im Übrigen sind im Einzelfall erst auf der zweiten Stufe des Erhaltungsrechts zu berücksichtigen, bei der es um die Frage geht, ob eine beantragte Genehmigung erteilt wird. Etwaigen unverhältnismäßigen Auswirkungen kann so Rechnung getragen werden (OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O.).

97. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

98. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Zuletzt aktualisiert am Juli 19, 2021 von eurogesetze

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert